Zdirekt! 04-2020
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Z direkt! <strong>04</strong>/<strong>2020</strong><br />
TITELTHEMA NACHRUF 7<br />
„Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.“ Es gibt<br />
kaum ein Zitat, bei dem sich die Literatur uneiniger ist, wem es denn nun zuzuschreiben<br />
ist. Es ist aber letztlich auch egal, ob es von Bohr, Tucholsky, Churchill<br />
oder Twain stammt: Es bleibt die Kernaussage, dass wir manches schlicht nicht sicher<br />
vorhersagen können. Seit jeher war daher das Vorhersagen der Zukunft mit etwas<br />
Mystischem verbunden – dem Blick in die Glaskugel oder dem Bemühen eines anderweitigen<br />
Mediums, mit dessen Hilfe transzendente Offenbarungen gewonnen<br />
werden sollten. Derlei Hoffnungen an seine Person zerstörte Christian Baumann<br />
jetzt bei einer digitalen Diskussionsrunde zur Zukunft der Zeitarbeit gleich im Keim:<br />
„Ich bin nicht das Orakel des iGZ.“ Dennoch präsentierte er im Gespräch mit dem<br />
Marktforscher Thomas Ball von Lünendonk & Hossenfelder und dem Software-Entwickler<br />
Marc Linkert von der Landwehr Computer und Software GmbH einen klaren<br />
Kompass, in welche Richtung und wie sich die Zeitarbeitsbranche aufstellen muss,<br />
um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden.<br />
Baumann machte den in Deutschland überwiegend<br />
klein und mittelständisch strukturierten Zeitarbeitsunternehmen<br />
Mut: „Es gilt ‚survival of the fittest‘. Das<br />
heißt, die Unternehmen, die am schnellsten und effektivsten<br />
die Effizienzvorteile umsetzen können, die die<br />
Digitalisierung bietet, werden im Wettbewerbsvergleich<br />
obsiegen. Das sind nicht zwingend die großen Tanker,<br />
sondern oft einfach auch die schnellen und wendigen<br />
Schiffe“, so Baumann. Es gebe allerdings Megatrends,<br />
die auch an der Zeitarbeit nicht vorüber gingen. Auf die<br />
Frage, wann es angesichts der aktuellen Lage in einer<br />
dreifachen Krise, geprägt von den Auswirkungen der<br />
Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, einer<br />
konjunkturellen Eintrübung in dem wichtigen Markt der<br />
Automobilindustrie und der Corona-Pandemie, wieder<br />
besser werde, antwortete der iGZ-Bundesvorsitzende<br />
mit einer Gegenfrage: „Wie sieht das „Besser“ eigentlich<br />
aus?“ Aus seiner Sicht sei es fraglich, ob die Branche<br />
in absehbarer Zeit wieder die Zahl von einer Million<br />
Arbeitnehmern erreichen werde: „Für eine Steigerung<br />
darüber hinaus fehlt mir zudem die Fantasie – ich fürchte,<br />
wir müssen mit einem sich weiter konsolidierenden<br />
Markt leben lernen.“<br />
GESCHÄFTSPROZESSE UND -MODELLE<br />
DIGITALISIEREN<br />
Eine Einschätzung, die Thomas Ball teilt. Der Analyst<br />
von Lünendonk & Hossenfelder verweist auf den krisenbedingten<br />
Rückgang der Zeitarbeit von mehr als<br />
30 Prozent, bleibt aber optimistisch, dass Zeitarbeit<br />
als Dienstleistung auch weiterhin benötigt wird: „Die<br />
Nachfrage nach flexiblem Personal besteht in der Wirtschaft<br />
weiter.“ Er plädiert dafür die Lehren aus der Finanz-<br />
und Wirtschaftskrise 2007/2008 zu ziehen. Auch<br />
damals seien die Unternehmen gut und schnell wieder<br />
gestartet, die ihre Strukturen aufrechterhalten haben.<br />
Daher ruft er die Unternehmen dazu auf, die Tools und<br />
Instrumente einzusetzen, die jetzt zur Verfügung stehen.<br />
Damit meint Ball, die Digitalisierungsmöglichkeiten<br />
auch zu nutzen, um effizient zu bleiben und die internen<br />
Strukturen zu modernisieren.<br />
Für Marc Linkert von Landwehr Computer und Software<br />
ist dies eine Position, die er uneingeschränkt teilt:<br />
„Corona ist ein sehr großer Treiber für die Disruption,<br />
die wir im Moment beispielhaft an unserem Kommunikationsverhalten<br />
erleben. Bei mir ist es beispielsweise<br />
so, dass das Telefon hier zwar noch steht, aber wenn<br />
ich ein Gespräch im Kalender stehen habe, schaue ich<br />
automatisch als erstes, wo der Link ist, auf den ich<br />
klicken muss.“ Die Geschwindigkeit, mit der sich die<br />
Bereitschaft gewandelt habe, sich mit den digitalen<br />
Möglichkeiten auseinanderzusetzen, habe ihn überrascht:<br />
„Im März <strong>2020</strong> haben wir in vier Wochen so viele<br />
digitale Helferlein verkauft wie sonst in einem Jahr.“<br />
Bei Landwehr beobachte man zudem, dass in den Unternehmen<br />
wieder mehr zentralisiert und auf weniger<br />
Standorte gesetzt werde. In diesem Zusammenhang<br />
rücke die gesamte Betriebsdatenerfassung in den Fokus.<br />
Da gehe es um vier Akteure, nämlich die Bewerber,<br />
die Dienstleister, die Kunden und die Mitarbeiter. Hier<br />
gelte es die Wege des Datenaustausches noch mehr