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Buch IV Nr. <strong>36</strong>/2013<br />

Opel Cascada<br />

Gerade ein Cabriolet und ausgerechnet von Opel ist die Überraschung<br />

der Jahreszeit. Vor allem, wenn man den gewissen Knopf drückt.<br />

Winteröffnung<br />

Kurios. Plötzlich drehen sich die Leute um nach einem<br />

dunkelbraunen Opel, der sich gerade entfaltet wie ein Pelerinenmonster<br />

– hoch auf kragen Stoff und Gestänge, mit<br />

Schaubühnen-Eleganz erhebt sich das Stoffgebilde, gibt<br />

vier Kopfstützen und zwei, wenn nicht gar vier Passagiere<br />

frei. Spielerische Willkür des Fahrers enthebt sie gerade<br />

des schützenden Daches und der leichte Nieselregen senkt<br />

sich ins teure, wasserabstoßende Sitzleder namens „Brandy“<br />

und auf die mürrischen Passagiere. Doch umso besser<br />

weiß man es zu schätzen, wenn sich nach kurzer Ungemütlichkeit<br />

das Dach wieder schützend über seine Inwohner<br />

senkt. Mit dezentem aber festem Zurrgeräusch schraubt es<br />

sich an den Windschutzscheibenrahmen und nach kurzer<br />

Nachdenkphase gleiten die vier Seitenscheiben hoch. Jetzt<br />

schätzt man die enorm effiziente Innenraumheizung, die<br />

dreistufige Sitzheizung umso mehr.<br />

Cabrios im Winter – ich liebe das. Sie können uns so treffend<br />

vor Augen führen, was Autos für wunderbare, schützende<br />

Gehäuse sind – und zurückgeschraubt auf die elementaren<br />

Freuden, hat man geringe Bedürfnisse, rasant zu<br />

fahren, riskant zu überholen, Kolonnen zu springen. Cabrios<br />

sind dazu erschaffen, dass wir uns des angenehmen<br />

Lebens freuen, das rechne ich ihnen hoch an. Vor allem,<br />

wenn die Erschaffung beider Welten so leicht gemacht wird<br />

– in knapp siebzehn Sekunden öffnet oder schließt sich das<br />

Dach automatisch, bis hinan zu Tempo 50, was die einstige<br />

Angst nimmt, dass man an der Ampel nicht rechtzeitig fertig<br />

würde und mit peinlich ausgefahrenem Gestell bei Grün<br />

losfahren müsse.<br />

Weitere Steigerung angewandter Cleverness: Per Fernentriegelung<br />

(die über geradezu beängstigend weite Strecke<br />

wirkt) kann man das Dach schon im Herangehen an das<br />

parkende Auto öffnen – eine nette Geste an die Gäste, denn<br />

dachfrei steigt es sich viel leichter ein. Langsam schrauben<br />

sich die Vordersitze bei geklappter Lehne nach vorn. Man<br />

muss schon zuvor den Abstand für die Fondpassagiere<br />

eingestellt haben, damit sie nicht gnadenlos zu weit nach<br />

hinten rangieren gegen die Beine der Zugestiegenen. Ein<br />

bisschen Panik ist immer dabei. Aber wenn man sich siebenhundert<br />

Euro erspart, kommt man mit herkömmlichen<br />

Vordersitzen aus. Elektrische Gurtreicher bedienen die vorderen<br />

Passagiere, sowas wird gern genommen.<br />

Die beiden Türen zählen wahrscheinlich zu den dicksten<br />

Bertas der Automobilgeschichte, schwingen spektakulär<br />

weit aus, machen aber das Aussteigen beim Schrägparken<br />

zum Limbo in engen Lücken.<br />

Dennoch, obwohl vier Meter siebzig lang, fühlt sich der Wagen<br />

weich nur vom Fahrwerk her an. Angesichts der Sportlichkeits-Welle,<br />

die uns erfasst hat, freuen wir uns wieder<br />

über echte Sänften. Auch die Lenkung ist entsprechend<br />

leichgängig, ruckt nur unangenehm in der Mitte, als wollte<br />

sie sich nicht gern aus dem Geradeauslauf lösen lassen.<br />

Typisch Elektroservo, die haben meist so eine Macke. Extraweich<br />

lässt sich auch das präzise Sechsganggetriebe<br />

schalten, inklusive Retourgang. Der baugemäß schlechten<br />

Sicht nach hinten wird durch die Rückfahrkamera abgeholfen,<br />

die vorderen Glaszwickel unter den massiven A-Säulen<br />

sind gut gemeint, geben aber kaum Sicht frei.<br />

Sechzehnhundert Kubikzentimeter Hubraum wirken etwas<br />

dürftig für 170 Benziner-PS und lassen zurecht auf Turboladung<br />

schließen. Naturgemäß ist das Drehmoment im unteren<br />

Drehzahlbereich gering, was man fallweise in der Stadt<br />

im zweiten Gang oder bei schlecht angesetzten Überholmanövern<br />

zu spüren bekommt. Auch der Verbrauch ist nicht<br />

ganz überzeugend, knapp neun Liter stehen in der Praxis<br />

dem angegebenen Durchschnittswert von 6,3 l gegenüber.<br />

Dem Cascada gelingt es dennoch, sich schnöder Krittelei<br />

zu entheben, weil er insgesamt eine geschmeidige Erscheinung<br />

ist und durch seine schiere Präsenz und Attraktivität<br />

erfreut. Freilich muss man, sofern der Verkäufer überzeugend<br />

war und Extras über 10.000 Euro schmackhaft machen<br />

konnte, mit einem Kaufpreis von knapp 40.000 Euro<br />

rechnen. Immerhin hat man dann neben Navi mit Sprachsteuerung<br />

und elektrischen Nappaledersitzen, Tempomat<br />

mit Abstandswarner und Premium-Akustikverdeck auch ein<br />

beheiztes Lenkrad im Portfolio.<br />

Wertung: 10 von 13 AUTO<strong>ST</strong>AR-Sternen

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