baumgeschichten
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zen, das an den aquatischen Lebensraum der ersten
Pflanzen erinnert. Die Frucht besteht zu diesem
Zeitpunkt hauptsächlich aus Nährstoffen für
den Embryo.
Im Gegensatz zu den Samen der anderen
Pflanzen, die erst keimen, wenn die Bedingungen
günstig sind, können die «Pseudo-Samen» des
Ginkgos nicht «abwarten»: Die essbare Mandel
und das umgebende «Fruchtfleisch» wachsen
unabhängig von der noch nicht vollzogenen
Befruchtung durch die Pollen. Nach der winterlichen
Befruchtung durch die männlichen Reproduktionszellen
wächst auch der Embryo weiter,
bevor er im Frühling aus der Nussschale Wurzel
und Stiel hervorbringt. Der Embryo ist somit
weniger geschützt und muss unabhängig von
den klimatischen Bedingungen weiterwachsen.
Wenn die Eizelle nicht befruchtet wurde, gibt es
keinen Embryo, und die produzierten Reserven
gehen verloren. Samenpflanzen gehen besser um
mit ihren Ressourcen: Ihre Früchte und Samen
entwickeln sich erst nach erfolgreicher Befruchtung
und warten dann – manchmal mehrere
Jahre – einen günstigen Augenblick ab, um zu
keimen. Vielleicht haben diese Vorteile der höher
entwickelten Baumarten dazu geführt, dass der
Ginkgo beinahe ausgestorben wäre.
Aufgrund der Blüten lassen sich im April die
männlichen und weiblichen Exemplare des Ginkgos
leicht unterscheiden: Die männlichen Blüten
gleichen den Weidenkätzchen, die weiblichen
hingegen bestehen aus kurzen Stielen, die in
zwei kleinen Verdickungen enden, welche die Eizellen
beinhalten. Im Sommer sind die gelben
Früchte an den Kurztrieben des Ginkgos von
Weitem sichtbar, und im Herbst kann man sie
sogar mit geschlossenen Augen erkennen, denn
beim Verrotten riecht ihre Hülle nach ranziger
Butter oder Erbrochenem. Dieser unangenehme
Geruch kommt von der Buttersäure, einer Substanz,
die in der Kosmetikindustrie sehr geschätzt
wird. Wenn ein Ginkgo weder Blüten noch
Früchte trägt, ist die Unterscheidung der Geschlechter
schwieriger. Es scheint, dass die männlichen
Ginkgos schlanker sind, früher ausschlagen
und ihre Blätter im Herbst auch früher
verlieren als weibliche Exemplare.
Der Gedächtnisbaum
Seit Langem werden in der traditionellen chinesischen
Medizin Blätter und Früchte des Ginkgos
zur Heilung zahlreicher Krankheiten verwendet.
1932 konnten in Japan zum ersten Mal Ginkgolide,
d.h. ginkgoeigene Wirkstoffe isoliert werden.
Auch die westliche Medizin hat seit den Fünfzigerjahren
ihre Forschungen auf diesem Gebiet
verstärkt, und in Europa hat sich ab 1970 ein großer
Markt für Ginkgoextrakte entwickelt. Das
Ausmaß dieser Forschungsbewegung führte sogar
zur Einführung des Begriffes «Ginkgologie».
1988 gelang einem Forscherteam in Amerika die
synthetische Herstellung des Ginkgolides B – mit
ein Grund, weshalb dem Team der Nobelpreis in
Chemie verliehen wurde.
Ginkgoextrakte üben nach geläufiger Meinung
einen stärkenden Einfluss auf das zentrale Nervensystem
aus und helfen bei Veneninsuffizienz.
Die Substanzen der Ginkgoblätter werden vor
allem gegen Altersbeschwerden und bei Atmungserkrankungen
eingesetzt. Auch kann man
sie gegen einige Formen altersbedingter Vergesslichkeit
oder Depression anwenden, ferner zur
Stärkung der Durchblutung. Seh-, Hör- und
Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme
und Kopfschmerzen können ebenfalls mit Ginkgoextrakten
behandelt werden.
China, Korea, Japan, Frankreich, Deutschland
und die Vereinigten Staaten haben mehrere
Tausend Hektaren große Ginkgoplantagen zur
Blätterproduktion angelegt. Diese industriellen
Ginkgofelder sehen aus wie Weinberge. Hohe
Traktoren fahren über die Baumlinien und pflücken
die Blätter. Damit möglichst viele Jungtriebe
entstehen, werden diese Ginkgos regelmäßig
auf den Stock gesetzt*. Da die Blätter und
Früchte des Ginkgos bei empfindlichen Personen
Der Ginkgo » Porträt
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