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Kulturfenster Nr. 06|2020 - Dezember 2020

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Poste Italiane SpA – Sped. in a.p.<br />

-70% – NE BOLZANO – 72. Jahrgang<br />

<strong>Nr</strong>. 6 | DEZEMBER | <strong>2020</strong><br />

Zweimonatszeitschrift<br />

KulturFenster<br />

Blasmusik, Chorwesen und Heimatpflege in Südtirol<br />

„Gerade jetzt brauchen wir Kultur!“<br />

„Es bewegt sich nicht mehr viel“<br />

Landschaftspflege: Das ändert sich 2021


• Geleitwort •<br />

• Inhalt •<br />

• Chorwesen<br />

„Leben kann man nur<br />

vorwärts“ – Gedanken von<br />

Obmann Deltedesco 3<br />

AGACH - Brücken schlagen<br />

zwischen Menschen und<br />

Regionen 4<br />

„Gerade jetzt brauchen<br />

wir Kultur!“ - Vollversammlung<br />

des SCV 6<br />

Dirigentenworkshop mit Jan<br />

Scheerer im Kolpinghaus Bozen 7<br />

„Singen isch inser Leben“ –<br />

ein Lied zum Jahreswechsel 9<br />

Kirchenchor Vahrn gründet<br />

Kinder- und Jugendchor 11<br />

Höchste Tiroler Auszeichnung<br />

für Irene Vieider 12<br />

Büchertisch: „Als ich die Stille<br />

fand“ von Franz Welser-Möst 13<br />

Der Blick nach vorne<br />

Leben kann man nur vorwärts: Diesen Satz des<br />

großen Philosophen Sören Kierkegaard (1813<br />

bis 1855) stellt der Obmann des Südtiroler<br />

Chorverbandes (SCV), Erich Deltedesco, in den<br />

Mittelpunkt seiner Botschaft an Obfrauen und<br />

Obmänner, Sängerinnen und Sänger, Chorleiterinnen<br />

und Chorleiter zu Weihnachten und<br />

Neujahr. Die Corona-Pandemie habe vieles<br />

lahmgelegt, aber man dürfe jetzt nicht die Flinte<br />

ins Korn werfen, sondern müsse im Sinne des<br />

dänischen Philosophen nach vorne schauen,<br />

so der Obmann. „Wir hoffen alle, dass wir unsere<br />

Tätigkeit bald wieder in vertrauter Form<br />

und mit neuer Kraft aufnehmen können.“<br />

Brücken schlagen zwischen Menschen und<br />

Regionen – das war von Anfang an die Devise<br />

der AGACH, der Arbeitsgemeinschaft Alpenländischer<br />

Chorverbände. Der Präsident der<br />

AGACH, Erich Deltedesco, wirft einen Blick<br />

zurück in die Anfänge der AGACH vor mehr<br />

als vierzig Jahren. Damals, Anfang der 70er<br />

Jahre des vergangenen Jahrhunderts war nur<br />

eine Handvoll Verbände aus dem Alpenraum<br />

vertreten, heute sind es 16 Verbände mit fast<br />

• Blasmusik<br />

Das Feuilleton und die Blasmusik 14<br />

„Es bewegt sich nicht mehr viel“ –<br />

Jahreshauptversammlung des VSM 19<br />

„Schauen wir nach vorne“ –<br />

Ausblicke auf das Tätigkeitsjahr 2021 22<br />

Die Jugendseiten:<br />

303 Leistungsabzeichen verliehen 23<br />

Jumbos – der neue Name<br />

für die Jugendkapelle Bozen 24<br />

Ars Nova: Robert Neumairs Musik<br />

zum Stummfilm „Der müde Tod“ 26<br />

Erlesene Konzertreihe in der<br />

Hofburg Brixen 28<br />

Generalversammlung unter<br />

besonderen Abzeichen –<br />

MK Zwölfmalgreien 29<br />

Gratulation zur Goldenen Hochzeit<br />

von Ehrenkapellmeister Sepp Walder<br />

und seiner Frau Christl 29<br />

Neues: Die Bücher „Itallegro“<br />

von Jutta Eckes und<br />

„Bolero“ von Maurice Ravel 30<br />

5000 Sängerinnen und Sängern. ,,Heute ist es“,<br />

so Deltedesco, ,,eine kulturelle Gemeinschaft<br />

von singenden Menschen des Alpenbogens“.<br />

Über mangelnde Wertschätzung klagt der Heimatpflegeverband<br />

Südtirol in Richtung Landesamt<br />

für Raum und Landschaft. Seit rund<br />

50 Jahren habe man als erster Ansprechpartner<br />

für alle jene fungiert, die ein bäuerliches<br />

Kleindenkmal errichten oder erhalten wollten,<br />

und dafür ,,Herz, Zeit und Energie“ aufgewendet“,<br />

mit Ende des Jahres <strong>2020</strong> sehe<br />

man sich jedoch gezwungen, die Bearbeitung<br />

der entsprechenden Gesuche um Beiträge<br />

an das Landesamt abzutreten, so der<br />

Geschäftsführer des Heimatpflegeverbandes,<br />

Josef Oberhofer. Obfrau Claudia Plaikner sichert<br />

aber zu: „Wir bleiben Ratgeber für alle<br />

offenen Fragen in diesem Bereich.“<br />

Im Hauptartikel des VSM bemängelt der<br />

Autor die „fundierten Presseberichte“ für<br />

Konzertveranstaltungen der Blasmusik. Er<br />

geht auf Spurensuche und wird in vielerlei<br />

Hinsicht fündig.<br />

•Heimatpflege<br />

Alfons Gruber<br />

Thema: Wenn die Wertschätzung fehlt 31<br />

Franz Fliri und seine Arbeit als Sachbearbeiter<br />

für die Heimatpflege 34<br />

„Die Neuausrichtung des HPV“ –<br />

Interview mit Claudia Plaikner 36<br />

Zur Geschichte der Weihnachtsgeschenke 38<br />

Die Salzkirche – Dinge des Alltags aus<br />

Geschichte und Gegenwart 40<br />

Südtiroler Beteiligung beim Kongress<br />

„Heimat in Europa“ 41<br />

Einsatz des Heimatpflegeverbandes für<br />

eine intakte Nahversorgung 42<br />

Das ehemalige Hotel „Post“ in Toblach<br />

ist leider Geschichte 43<br />

Die Drei Zinnen als Bergskulptur und Blickfang 44<br />

Ein Marterl und ein Bildstock in Lana<br />

und Völlan wurden restauriert 45<br />

Hängebrücke „Hofmannssteg“ in Mareit<br />

soll nicht abgerissen werden 46<br />

Arge Lebendige Tracht: Falten, Krausen<br />

und Plissee – eine Ausstellung 47<br />

„Mühlbach bei Franzensfeste von 1897 – 1947“ 48<br />

„Wenn des Singen net war“ 49<br />

„Tramin in Vergangenheit und Gegenwart“ 50<br />

2<br />

KulturFenster


Vorweg<br />

Chorwesen<br />

„Leben kann man nur vorwärts“<br />

Gedanken des Obmanns zum Jahresende<br />

Sehr geehrte Obfrauen und Obmänner, sehr<br />

geehrte Chorleiterinnen und Chorleiter, liebe<br />

Sängerinnen und Sänger!<br />

Mit folgenden oder ähnlichen Worten habe<br />

ich in den letzten Jahren immer meine<br />

Dankesworte am Ende des Jahres begonnen:<br />

„Nur noch wenige Tage trennen<br />

uns vom Jahreswechsel. Anlass und Gelegenheit<br />

für uns alle im Südtiroler Chorverband<br />

Bilanz zu ziehen und mit Dankbarkeit<br />

einen Blick zurückzuwerfen. In<br />

vielen Veranstaltungen auf Landes- und<br />

Bezirksebene zeigte sich wiederum, dass<br />

der Chorgesang in Südtirol einen wichtigen<br />

Stellenwert hat, die Vielfalt und die Schönheit<br />

des Chorgesangs, sowie die Begeisterung<br />

für das Lied haben viele hunderte,<br />

ja tausende Sänger/innen einem breiten<br />

Publikum nahegebracht.“<br />

Heuer ist alles anders, die Corona-Pandemie<br />

hat uns alle und ganz besonders auch<br />

das Chorleben schwer getroffen und mehr<br />

oder weniger die ganze Jahrestätigkeit des<br />

Verbandes und der Chorgemeinschaften<br />

lahmgelegt. Das gesamte Schulungsprogramm<br />

(mit Ausnahme des Workshops für<br />

Chorleiter/innen im September), die Jahreshauptversammlung<br />

im März und alle geplanten<br />

Veranstaltungen auf Bezirks- und<br />

Landesebene mussten abgesagt werden.<br />

Eine solche Krisensituation konnte sich<br />

vorher niemand von uns vorstellen. Die<br />

Chöre durften sich einige Monate nicht<br />

mehr zur Probe treffen, das geplante Konzert<br />

oder die festliche Mitgestaltung eines<br />

Gottesdienstes waren einfach nicht mehr<br />

möglich. Ab Ende Mai waren zwar Proben<br />

und Aufführungen wiederum zugelassen,<br />

allerdings aufgrund der Sicherheitsbestimmungen<br />

in ganz bescheidenem Maße. Es<br />

musste in Kleinstgruppen geprobt werden,<br />

das auch vom sozialen Gesichtspunkt so<br />

wichtige regelmäßige Zusammentreffen in<br />

der Chorgemeinschaft hat allen sehr gefehlt,<br />

aber es war ein Hoffnungsschimmer<br />

auf „bessere Zeiten“. Leider hat sich die<br />

Lage im Herbst wieder verschlechtert. Aufgrund<br />

der strengen, aber sicherlich notwendigen<br />

Vorschriften zur Eindämmung<br />

der Pandemie wurde jegliche Chortätigkeit<br />

untersagt. Die vielfache Befürchtung, dass<br />

diese neuerliche Pause negative Auswirkungen<br />

auf den Weiterbestand vieler Chöre<br />

haben könnte, ist nicht von der Hand zu<br />

weisen. Auf der anderen Seite aber gehört<br />

das Singen zur Natur des Menschen, Singen<br />

im Chor verbindet alle Gesellschaftsschichten,<br />

Bevölkerungsgruppen und Altersstufen,<br />

vermittelt vielseitige Geselligkeit<br />

und schenkt Geborgenheit.<br />

Immer wieder höre ich von vielen Sängerinnen<br />

und Sängern wie sehr sie sich<br />

auf die Zeit freuen, wo regelmäßige Chorarbeit,<br />

gemeinsames Singen, Zusammentreffen<br />

wieder möglich sein wird. Und dies<br />

gibt mir die Hoffnung, dass diese Abstinenz<br />

die Chorgemeinschaft zusätzlich<br />

fördert und das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

wachsen lässt. Liebe Chorverantwortliche,<br />

ihr gebt euch sehr viel Mühe,<br />

dass der Chorbetrieb - in welcher Form<br />

auch immer - aufrechterhalten bleibt. Eure<br />

großen Bemühungen und Anstrengungen<br />

tragen ganz wesentlich zum Weiterbestand<br />

unserer Chöre bei. Es ist mir ein persönliches<br />

Anliegen dafür jeder und jedem von<br />

Euch von ganzem Herzen zu danken und<br />

ich bitte alle Sänger/innen die Sache des<br />

Chorgesangs trotz widrigster Verhältnisse<br />

auch weiterhin mitzutragen.<br />

Liebe Obfrauen und Obmänner, Chorleiterinnen<br />

und Chorleiter, Sängerinnen<br />

und Sänger: „Leben kann man nur vorwärts“<br />

stellte einst der dänische Philosoph<br />

Søren Kierkegaard fest. Es ist der<br />

Blick nach vorne, der die Zukunft gestaltet.<br />

In der zuversichtlichen Hoffnung, dass<br />

wir alle gemeinsam baldmöglichst unsere<br />

Tätigkeit in der vertrauten Form wieder<br />

aufnehmen können, wünsche ich Euch<br />

allen im Namen des Vorstandes und Musikrates<br />

ein gesegnetes und besinnliches<br />

Weihnachtsfest, sowie Gottes Segen, Gesundheit<br />

und Wohlergehen für das kommende<br />

Jahr.<br />

Erich Deltedesco<br />

Obmann des Südtiroler Chorverbandes<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 3


Das Thema<br />

Brücken schlagen zwischen<br />

Menschen und Regionen<br />

Die AGACH als besonderes Beispiel des europäischen Gedankens<br />

Die Chorweihnacht der AGACH ist die wohl traditionsreichste Veranstaltung dieses Verbandes, hier im Bild die Chorweihnacht von<br />

2019 in Pfronten im Allgäu.<br />

Als vor nunmehr 41 Jahren die AGACH gegründet<br />

wurde, war dies zu einer Zeit, als<br />

der völkerverbindende Charakter der Europäischen<br />

Gemeinschaft langsam Konturen<br />

annahm.<br />

Die kulturelle, soziale aber auch ökonomische<br />

Eigenart der kleinen Räume, der<br />

Regionen in Europa kam zum Vorschein.<br />

Aus diesen Erwägungen schlossen sich<br />

im Jahre 1972 die Regionen des zentralen<br />

Alpenbogens zur ARGE-ALP (Arbeitsgemeinschaft<br />

Alpenländer) zusammen,<br />

um diesen ökologisch wie kulturell sensiblen<br />

Raum durch das politische Zusammenwirken<br />

der Regierungen behutsam in<br />

den großeuropäischen Bereich zu integrieren,<br />

ohne die durch Jahrhunderte gewachsene<br />

Lebensform zu gefährden, oder gar<br />

in Frage zu stellen. In diesem politischen<br />

Gedankenfeld fanden kulturelle Verantwortungsträger<br />

es an der Zeit, sich in ihrem<br />

Bereich für eine gemeinsame Strategie<br />

einzusetzen, im Hinblick auf Wahrung<br />

der Tradition, Überwindung von Gegensätzen<br />

durch Dialog und Entwicklung von<br />

Ideen. Man war überzeugt, dass das Zusammenwachsen<br />

der europäischen Völker<br />

nicht alleine nach den Regeln der<br />

Wirtschaft von statten gehen darf, sondern<br />

dass in kleinen Schritten auch die Kultur<br />

ihren Beitrag leisten soll und muss. Franz<br />

Elena, der Präsident des ehemaligen Tiroler<br />

Sängerbundes 1860, war es gewesen,<br />

der anlässlich eines Sängertreffens im<br />

Oktober 1973 in Kramsach die Idee aussprach,<br />

einen Zusammenschluss deutschsprachiger<br />

Bünde im Alpenland nach Art<br />

der politischen Arge-Alp für die Zukunft<br />

zu planen. Viele tastende Gespräche im<br />

kleinen Kreis führten 1977 zur Formulierung<br />

gemeinsamer Aufgaben und im August<br />

1978 reifte dann der Entschluss zur<br />

Gründung einer handlungs- und entscheidungsfähigen<br />

Arbeitsgemeinschaft. Mit der<br />

organisatorischen Vorbereitung und Erarbeitung<br />

einer Satzung wurde der Südtiroler<br />

Sängerbund mit seinem Obmann Siegfried<br />

Tappeiner betraut.<br />

Am 20. Jänner 1979 wurde dann im<br />

Sitzungssaal des Südtiroler Landtages „die<br />

Arbeitsgemeinschaft der Chorverbände im<br />

deutsch- und ladinischsprachigen Alpenbereich-<br />

AGACH“ (aus der Gründungsurkunde)<br />

gegründet, mit dem Ziel im Sinne<br />

der ARGE-ALP das eigene Kulturgut zu erhalten,<br />

zu pflegen und dessen Weiterentwicklung<br />

zu fördern. Gründungsmitglieder<br />

waren der Bayerische Sängerbund, der<br />

Fürstlich-Liechtensteinische Sängerbund,<br />

4<br />

KulturFenster


Chorwesen<br />

Siegfried Tappeiner, der<br />

Gründungspräsident der AGACH<br />

der Oberösterreichisch-Salzburgische Sängerbund,<br />

der Schwäbisch-Bayerische Sängerbund,<br />

der Südtiroler Sängerbund, der<br />

Tiroler Sängerbund 1860 und der Vorarlberger<br />

Sängerbund. Es war eine Sternstunde<br />

für Europa im Kleinen. Zum Gründungspräsidenten<br />

wurde Dr. Siegfried Tappeiner<br />

bestimmt. Mehr als dreißig Jahre lang befruchtete<br />

er als Präsident mit immer wieder<br />

neuen Ideen die Arbeitsgemeinschaft.<br />

Von Anfang an war es für ihn klar, dass es<br />

nicht nur eine Verbindung deutschsprachiger<br />

Chorverbände sein sollte, sondern<br />

eine Gemeinschaft, die auch Regionen anderer<br />

Sprachen im Alpenland einschließen<br />

sollte, also auch die italienischen und französischen<br />

Sprachgebiete und so kamen<br />

in den Folgejahren die Sängerbünde aus<br />

P. Urban Stillhard, künstlerischer Leiter<br />

der AGACH<br />

Aosta, aus Friaul, dem Trentino und Bozen<br />

(Federazione Cori dell’Alto Adige) dazu. Vor<br />

einigen Jahren wurden die Chorverbände<br />

aus Graubünden, Kärnten, Steiermark und<br />

Wallis aufgenommen, sodass mittlerweile<br />

16 Verbände mit insgesamt 4.775 Chören<br />

und 128.200 Sänger/innen aus Deutschland,<br />

Italien, Österreich und der Schweiz<br />

zur AGACH gehören. Im Moment gibt es<br />

keine Erweiterungstendenzen, die Arbeitsgemeinschaft<br />

soll nicht zu einem unübersichtlichen<br />

Gebilde werden, in dem sich der<br />

einzelne Verband nicht mehr wiederfindet.<br />

Von Anfang an war die AGACH als projektorientierte<br />

Arbeitsgemeinschaft konzipiert.<br />

Sie verbindet musikalisch aktive<br />

Menschen diesseits und jenseits des Alpenbogens<br />

über Sprachbarrieren und Staatenzugehörigkeit<br />

hinweg zu einer völkerverbindenden<br />

Gemeinschaft. Ziel und Zweck<br />

dieses Zusammenschlusses war der kulturelle<br />

Austausch der Chorverbände untereinander<br />

und das Bemühen um gemeinsame<br />

musikalische und fachspezifische<br />

Veranstaltungen. An dieser Zielsetzung hat<br />

sich bis heute nichts geändert, ja diese projektorientierte<br />

Zusammenarbeit ist mit der<br />

Zeit immer intensiver geworden. Im Laufe<br />

der Jahre wurden und werden regelmäßig<br />

überregionale Konzerte und Chöre-Festivals<br />

organisiert, Symposien abgehalten,<br />

Kompositionsaufträge vergeben, Uraufführungen<br />

auf die Bühne gebracht, Publikationen<br />

herausgegeben. Die AGACH ist ein<br />

loser Zusammenschluss von Chorverbänden<br />

des Alpenraumes. Bei allen Aktivitäten<br />

wird den kulturellen Eigenheiten der einzelnen<br />

Regionen viel Aufmerksamkeit gewidmet,<br />

die Eigenständigkeit und Entwicklung<br />

der Verbände bleiben unangetastet.<br />

Die Schwerpunkte sind also vielfältig. Einer<br />

davon, die wohl traditionsreichste Veranstaltung<br />

der AGACH, ist die Chorweihnacht,<br />

welche seit 1982 alljährlich von<br />

einem anderen Mitgliedsverband organisiert<br />

wird und auch heute noch immer zu<br />

einer der erfolgreichsten und populärsten<br />

Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft<br />

zählt. Ausschlaggebend dafür ist sicherlich<br />

die Öffnung des Literaturspektrums<br />

vom rein alpenländischen Volkslied hin<br />

zu einem etwas breiteren Programm mit<br />

Liedern und Komponisten, die weit über<br />

den Alpenbogen hinausgehen. Trotz dieser<br />

Öffnung hin zu einem zeitgemäßen Repertoire<br />

ist der regionale Charakter des Konzertes<br />

dennoch erhalten geblieben und<br />

nicht verloren gegangen.<br />

Zwei Mal jährlich treffen sich die Präsidenten<br />

und Delegierte der Mitgliedsverbände<br />

zum Gedankenaustausch und zur<br />

Erarbeitung der gemeinsamen Projekte.<br />

Organisiert und vorbereitet werden die Tagungen<br />

und Veranstaltungen abwechselnd<br />

von einem anderen Mitgliedsverband. Die<br />

Verständigungsbereitschaft ist trotz Sprachbarrieren<br />

sehr hoch, Sprachbarrieren waren<br />

und sind nie ein Hindernis. Um den<br />

Ablauf der Gespräche etwas flüssiger zu<br />

gestalten, wird seit einigen Jahren mit Simultanübersetzung<br />

gearbeitet. Der Sitz der<br />

AGACH ist seit der Gründung – nicht zuletzt<br />

wegen der Zweisprachigkeit – beim<br />

Südtiroler Chorverband angesiedelt. Mit<br />

Genugtuung kann ich heute feststellen:<br />

Erich Deltedesco ist Präsident der<br />

AGACH.<br />

die Prophezeiung des damaligen Landeshauptmannes<br />

von Südtirol Dr. Silvius Magnago<br />

im AGACH Gründungsjahr 1979 hat<br />

sich verwirklicht: aus der politischen Vision<br />

eines engen Zusammenwachsens der Bevölkerung<br />

des Alpengebietes ist eine geistige<br />

und kulturelle Einheit von singenden<br />

Menschen des Alpenbogens geworden. Die<br />

Arbeitsgemeinschaft Alpenländischer Chorverbände<br />

(AGACH) wird auch weiterhin an<br />

ihrem Ziel festhalten, Brücken zu schlagen<br />

zwischen Menschen verschiedener Weltanschauungen<br />

und verschiedener geistiger<br />

und sozialer Zugehörigkeit. Sie wird auch<br />

weiterhin Botschafter für länderübergreifendes<br />

Denken, Handeln und Fühlen im<br />

Alpenraum sein.<br />

Erich Deltedesco<br />

Präsident der AGACH<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 5


Aus Verband & Bezirken<br />

„Gerade jetzt brauchen<br />

wir Kultur!“<br />

Wehmut und Optimismus bei der Vollversammlung des Südtiroler Chorverbandes<br />

„Ich bitte euch, gerade in<br />

diesen schweren Zeiten in<br />

irgendeiner Weise allen zu<br />

zeigen, dass die Chöre noch<br />

da sind, denn gerade jetzt<br />

brauchen wir Kultur!“ Diese<br />

Worte richtete Landesrat Philipp<br />

Achammer an die Vertreter<br />

der Chöre des Südtiroler<br />

Chorverbandes, der am 28.<br />

Oktober seine Vollversammlung<br />

als Videokonferenz abhielt.<br />

Verbandsobmann Erich<br />

Deltedesco freute sich über<br />

die zahlreiche Teilnahme der<br />

Chorverteter an der virtuellen<br />

Sitzung. Auf dem Programm stand vor allem<br />

der Rückblick auf das Arbeitsjahr 2019, in<br />

dem der Chorverband noch sein reiches<br />

Programm anbieten konnte. Zugleich wurde<br />

auch mit Optimismus in die Zukunft geblickt.<br />

„Mit einer gewissen Wehmut“ blickte<br />

Geschäftsführer Dietmar Thanei auf das<br />

Tätigkeitsjahr 2019 zurück und erinnerte<br />

an die vielen Veranstaltungen, die momentan<br />

nicht mehr möglich sind: So hatte der<br />

Chorverband elf sehr gut besuchte mehrtägige<br />

Schulungen angeboten, darunter<br />

auch die beliebten Sommerkurse für Kinder<br />

und Jugendliche, die Kindersingwoche in<br />

Tisens, die Bubensingwoche und die Musicalwochen.<br />

Es habe auch viele „Augenblicke<br />

der Begegnung“ gegeben: Ein Höhepunkt<br />

war der Festakt zum 70-jährigen<br />

Bestehen des Chorverbandes gewesen,<br />

aber auch die Bezirkskonzerte, Kulturreisen<br />

und Chörefestivals in den Bezirken. Ein<br />

wichtiges Ereignis war das 7. Gesamttiroler<br />

Wertungssingen in Auer gewesen, an dem<br />

sich das „hohe Niveau“ der Gesamttiroler<br />

Chor- und Gesangskultur gezeigt habe. Mit<br />

dem Schulamt führte der Südtiroler Chorverband<br />

zum 18. Mal das Projekt „klang“<br />

durch, das das Singen in der Grundschule<br />

fördern will. Der Landesjugendchor Südtirol<br />

hatte sich zu neun Proben versammelt<br />

und drei gut besuchte Konzerte gegeben.<br />

Landesrat Philipp Achammer war<br />

Gast bei der Vollversammlung des<br />

Südtiroler Chorverbandes.<br />

Thanei bedankte sich bei den Partnerverbänden<br />

für die gute Zusammenarbeit: „Gerade<br />

in dieser Zeit ist es wichtig die Kräfte<br />

zu bündeln!“ „Versuchen wir zuversichtlich<br />

nach vorne zu schauen!“, sagte Verbandschorleiterin<br />

Renate Unterthiner in<br />

ihrem Ausblick auf die musikalische Tätig-<br />

Auch für Helga Huber, dem „guten<br />

Geist“ der Geschäftsstelle, war<br />

die Vollversammlung <strong>2020</strong> eine<br />

außergewöhnliche und neue Situation.<br />

keit der Chöre und des Chorverbands.<br />

So gab sie gleich das<br />

Wort einer Kindersinggruppe,<br />

die „Let´s say Hello“ für alle Sitzungsteilnehmer<br />

sang. „Singen<br />

macht Mut“, sagte die<br />

Verbandschorleiterin. In diesem<br />

Sinne werden auch unter<br />

schwierigen Bedingungen<br />

Projekte geplant. So gelang<br />

es einen Lehrgang für Chorleiterausbildung<br />

an einigen<br />

Musikschulen einzurichten.<br />

In Brixen und Auer besuchen<br />

ihn vier Personen, in Naturns<br />

läuft der Lehrgang schon das<br />

zweite Jahr, in Bruneck startet er <strong>2020</strong>/21.<br />

„Motiviert eure Sängerinnen und Sänger ,<br />

an diesem Lehrgang teilzunehmen!“, sagte<br />

Unterthiner. Ein wichtiges Projekt sei auch<br />

der „Landeskinderchor“ für Kinder von<br />

8-11 Jahren und der „Landesjuniorchor“<br />

für Jugendliche von 12-16 Jahren. Hier soll<br />

gesangsfreudigen und begabten Kindern<br />

die Möglichkeit geboten werden, mit anderen<br />

Kindern zu singen. Die Chöre wird<br />

es in allen drei Landesteilen geben, sie<br />

werden zwei Probetage und ein gemeinsames<br />

Konzert absolvieren. Aufgrund der<br />

momentanen Situation wird man vielleicht<br />

im Frühjahr mit dem Vorsingen und den<br />

Proben beginnen. Der dritte Schwerpunkt<br />

des Chorverbandes im musikalischen Bereich<br />

ist das „Singende Klassenzimmer“,<br />

das in Zusammenarbeit mit den Schulen<br />

das Singen in der Schule fördern soll. Das<br />

Projekt wurde vorerst auf nächstes Jahr<br />

verschoben.<br />

Verbandsobmann Erich Deltedesco<br />

dankte allen ehrenamtlichen Mitarbeitern<br />

im Verband und im Vorstand für ihren<br />

Einsatz. Sein Dank galt auch allen Sponsoren,<br />

allen voran der Südtiroler Landesregierung.<br />

Als deren Vertreter rief Landesrat<br />

Philipp Achammer die Chöre auf, optimistisch<br />

zu bleiben, die Moral hochzuhalten,<br />

aber auch die Regeln immer einzuhalten.<br />

6<br />

KulturFenster


Chorwesen<br />

Eine bereichernde Fortbildung<br />

Dirigenten-Workshop mit Jan Scheerer<br />

Chorsingen? - oder doch lieber<br />

gleich Bungee-Springen? Das ist<br />

auch nicht gefährlicher! Gemeinsames<br />

Singen gilt seit der Pandemie<br />

als ein gefährliches Hobby,<br />

dabei ist es doch so viel mehr:<br />

Musik, Gemeinschaft, Ritual und<br />

Können. Aber viele sind verunsichert:<br />

Wie können, wie dürfen, wie<br />

sollen wir im Herbst wieder proben<br />

ohne ein Sicherheitsrisiko<br />

entstehen zu lassen?<br />

Umso wichtiger war jetzt<br />

zu diesem Zeitpunkt die<br />

– ich sage es gleich vorneweg<br />

– gewaltig schöne<br />

Fortbildung für Chor-Dirigenten<br />

mit Jan Scheerer.<br />

Jan Scheerer ist bestens<br />

bekannt aus Dietenheim,<br />

wo er drei Sommer lang<br />

unterrichtete. Inzwischen<br />

ist er Professor an der Musikhochschule<br />

in Leipzig.<br />

Eine einzigartige Gelegenheit<br />

für die Südtiroler Chordirigenten<br />

in diesem Jahr,<br />

dieses Wochenende im September<br />

mit ihm genießen zu<br />

können. Wie soll das gehen,<br />

fragten sich einige im Vorfeld,<br />

mit Chor im Kolpinghaus? Aber<br />

fangen wir am Anfang an: „Was<br />

wollt Ihr am Sonntag gelernt haben“,<br />

fragte Jan Scherer die Teilnehmer,<br />

, und da kamen schon<br />

die ersten Fachfragen: Wie kann<br />

ich den Chor motivieren, gut zu<br />

starten? Was kann ich tun, damit<br />

der Chor intoniert bleibt? Welches<br />

Repertoire eignet sich für welchen<br />

Chor? Welche Atemübungen sind<br />

für Chöre geeignet? Wie vermittle<br />

ich den Atem?!<br />

Die Nullposition! Gleich nach<br />

der kurzen Vorstellungsrunde geht<br />

es los. Alle stehen auf Anfang.<br />

Aus der Stille entsteht die Musik!<br />

Ich stehe still, gebe die Töne,<br />

versenke mich in die Stimmung<br />

und bleibe kurz stehen und dann<br />

erst kommt der Impuls. Immer<br />

wieder in den kommenden drei<br />

Tagen erinnert uns Jan Scheerer<br />

an diese wichtigen Sekunden vor<br />

jedem Dirigat. Und dann kommt<br />

sie schon, die „Wurf-Fall“ Bewegung.<br />

Aus der Nullposition schießt<br />

„eine kleine Rakete aus dem kleinen<br />

Finger“ und zieht die Hände<br />

impulsartig nach vorne, bevor sie<br />

in die Gravitationsbewegung nach<br />

unten fallen. Gar nicht so leicht,<br />

diese kleine Übung, Wurf-Fall,<br />

nicht stehenbleiben… wirklich Fallenlassen!<br />

Und hier liegt schon eines der<br />

echten Dirigier-Geheimnisse, die Jan<br />

uns an diesem Wochenende wieder<br />

und wieder verriet. Nur der Impuls<br />

nach vorne vermittelt den Sängern<br />

den Atemimpuls! Frontal vermitteln<br />

wir Dirigenten den Atemimpuls,<br />

horizontal das Timing. Auch<br />

wer das schon mal wusste, wird es<br />

immer wieder gern trainieren,<br />

denn jetzt geht es weiter - Was<br />

deine Oberarme machen - das<br />

wird direkt dem Zwerchfell des<br />

Sängers vermittelt. Wie sehr wir<br />

nicht nur den Ausdruck sondern<br />

den Chorklang selbst formen<br />

können, das ist auch mir neu.<br />

Wie wir allein durch die Handstellung<br />

Einfluss auf den Klang<br />

nehmen, bekamen wir anschließend<br />

vom Chor selbst zu hören.<br />

Ob eine Gruppe „drückt“ oder<br />

nicht, lässt sich mit der Handstellung<br />

manipulieren.<br />

Und damit kommen wir zur<br />

Frage der Intonation. Aber zurück<br />

zur ersten Stunde mit Jan:<br />

Einführung, Trockenübungen<br />

Der Workshop mit Jan<br />

Scheerer war die einzige<br />

Schulung, die heuer<br />

stattfinden konnte.<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 7


Aus Verband und Bezirken<br />

mit Basics. Schneller werden heißt kleiner<br />

werden, langsamer bedeutet größer<br />

werden. Leise wird es kleiner nach oben,<br />

lauter breiter nach unten. Das wussten<br />

wir schon, aber wie dirigiert man im "flüssigen<br />

Honig"? Und genau darin liegt eines<br />

der Geheimnisse , die ein Ensemble sofort<br />

spürt. Und was für ein Ensemble!<br />

Und was für ein Ensemble! Der Kammerchor<br />

des professionellen Chors „Alla-<br />

Breve“ aus Wolkenstein stellte sich dankenswerter<br />

Weise zur Verfügung. Sie<br />

intonierten die ersten Takte „Waldesnacht“<br />

von Brahms, morgens um halb<br />

neun Uhr, blitzsauber intoniert und innig<br />

und schon standen einigen von uns<br />

die Tränen in den Augen. Was wir nicht<br />

wussten: Auch dieses Ensemble sah sich<br />

nach der langen Corona-Pause zum ersten<br />

Mal wieder. „Waldesnacht, Du wunderkühle“,<br />

noch nie habe ich es so schön,<br />

so tief empfunden, so wohlartikuliert gehört.<br />

Zum ersten Mal wieder Chor live!<br />

Das Ensemble „AllaBreve“ bewegte und<br />

ermöglichte durch seine Professionalität,<br />

dass die Dirigenten auch wirklich lernten,<br />

was eine Geste bewirken kann, oder eben<br />

auch nicht. Und das unter erschwerten<br />

Umständen. Viele Chöre beginnen jetzt<br />

erst unter diesen schwierigen Umständen<br />

Wege zu finden, wie sie proben und<br />

konzertieren können.<br />

Die Sitze im Kolpinghaus waren mit Distanz<br />

gestellt, mit einem Mindestabstand<br />

1,5 Meter. Trotz der Aufstellung klang es<br />

einheitlich. „Anders“, sagte eine Chorsängerin,<br />

fühle man sich. „Es genügt nicht<br />

nur, gut hinzuhören und sich auch auf<br />

den Nachbarn einzulassen. Es fühlt sichsich<br />

an, als ob man stattdessen Flügel<br />

hätte. So auf Distanz im Chor zu singen<br />

benötigt ganz andere Antennen, neue<br />

Wahrnehmungsorgane…“. Die werden<br />

wir alle in den kommenden Monaten entwickeln<br />

müssen.<br />

Die Autorin des Artikels, Friederike<br />

Haupt, leitet die GospelCantorei Meran,<br />

ist Stimmbildnerin für „Edu Voce<br />

mit Qi Gong“ und als Musikjournalistin<br />

und Sprecherin tätig.<br />

Parallel zum Masterkurs gab es die Möglichkeit, bei Martha Basten<br />

einen Kurs für Anfänger und leicht Fortgeschrittene zu belegen.<br />

KulturFenster<br />

Redaktion KulturFenster<br />

Ihre Beiträge für das Chorwesen senden Sie bitte an: info@scv.bz.it (Südtiroler Chorverband)<br />

Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe des KulturFensters ist Mittwoch 13. Jänner <strong>2020</strong>.<br />

8<br />

KulturFenster


Chorwesen<br />

„Singen isch inser Lebm“<br />

Ein Lied zum Jahreswechsel<br />

Geschätzte Chorleiterinnen<br />

und Chorleiter,<br />

liebe Sängerinnen und<br />

Sänger!<br />

Ein verrücktes, schwieriges,<br />

fragwürdiges, unerwartetes<br />

und oft auch trauriges Jahr neigt<br />

sich nun bald dem Ende zu. Wer hätte sich<br />

am Anfang dieses Jahres gedacht, dass wir<br />

an so vielen Festtagen, an verschiedenen<br />

Konzerten oder sonstigen Auftritten, unsere<br />

Stimmen nicht erklingen lassen können?<br />

Wer hätte gedacht, dass wir kurz vor Weihnachten<br />

noch nicht genau wissen, ob und<br />

in welcher Chorformation wir singen werden?<br />

Wer hätte gedacht, dass ein Virus die<br />

ganze Welt auf den Kopf stellt und die Kultur<br />

weitestgehend zum Stillstand bringt?<br />

Ich denke, niemand…<br />

Wenn wir nun das Jahr <strong>2020</strong> hinter uns<br />

lassen, hoffen wir natürlich alle auf fröhliche<br />

und sorglose Momente im Jahr 2021,<br />

wo wir hoffentlich wieder gemeinsam musizieren,<br />

lachen und tanzen können. Blicken<br />

wir optimistisch in die Zukunft und<br />

freuen wir uns auf das gemeinsame Singen,<br />

denn: „Singen isch inser Lebm, hot<br />

do Herrgott ins gebm, wisset net wos i tät,<br />

wenn i`s Singen net hätt.“<br />

Mit diesem wunderschönen Lied aus<br />

dem Chorheft mit dem Titel, "Seltenheimer<br />

Lieder", bei dem vor allem die Musiklehrerin<br />

und Chorleiterin Renate Altmann mitgewirkt<br />

hat, wünsche ich Euch von Herzen<br />

eine besinnliche Zeit und alles erdenklich<br />

Gute für das Jahr 2021.<br />

Verbandschorleiterin<br />

Renate Unterthiner<br />

Zur Person<br />

Renate Altmann stammt aus einer musikalischen Reichenauer Familie aus<br />

Kärnten. Es wurde schon seit frühester Kindheit mit der Familienmusik Rossmann<br />

musiziert und gesungen.<br />

Ihr Studium am Kärntner Landeskonservatorium beendete sie mit Auszeichnung<br />

(Instrumentalpädagogik und Chorleitung). Sie nahm an Forschungswochen des<br />

Kärntner Volksliedwerkes teil, bei denen es um die Aufsammlung alten Kulturgutes<br />

ging. Das Liedheft "Geah nar eina in Rosengarten" mit dem Gurktaler Viergesang<br />

stammt aus dieser Zeit. In weiterer Folge sind auch andere Publikationen<br />

von Liedheften, Hackbrettschule, Harfenschule und Ensemblehefte entstanden.<br />

Sie unterrichtet in den Musikschulen Feldkirchen und Althofen die Fächer Hackbrett<br />

sowie Harfe. Musik ist ihre große Leidenschaft. So übernahm sie bereits<br />

mit 23 Jahren in ihrer Heimatgemeinde den Singkreis Reichenau und gab dort<br />

18 Jahre lang den Ton an. 1990 wurde der Gurktaler Viergesang gegründet und<br />

seit 2004 singt sie beim Singkreis Klagenfurt Seltenheim mit, wo unter ihrer Mitarbeit<br />

das Chorheft mit dem Titel "Seltenheimer Lieder" entstanden ist, das unter<br />

anderem auch das Lied „Singan is unser Lebm“ beinhaltet.<br />

"Musiklehrerin und Chorleiterin zu sein bedeutet für mich persönlich: Liebe zur<br />

Musik und zum Chorgesang, Leidenschaft, Gemeinschaft, Gefühl, Kraft, Freiheit,<br />

Emotion, Balsam für Herz und Seele."<br />

Alle Informationen zu den Veranstaltungen und Schulungen des Südtiroler Chorverbands<br />

auf www.scv.bz.it und auf Facebook!<br />

Dominikanerplatz 7, I-39100 Bozen<br />

Tel.: 0471 971833<br />

E-Mail: info@scv.bz.it<br />

www.scv.bz.it<br />

facebook.com/SuedtirolerChorverband<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 9


Aus Verband und Bezirken<br />

10<br />

KulturFenster


Chorwesen<br />

Ein wichtiger Startschuss<br />

in die Zukunft<br />

Kirchenchor Vahrn gründet einen Kinder- und Jugendchor<br />

Der Kirchenchor Vahrn gründete einen Kinder- und Jugendchor.<br />

Ein wichtiger Schritt in die Zukunft ist dem<br />

Kirchenchor Vahrn gelungen. Schon seit längerer<br />

Zeit beschäftigt sich der Ausschuss<br />

mit dem Thema „Zukunft und Weiterentwicklung<br />

des Chores“.<br />

In diesem Zusammenhang entstand die<br />

Idee eines Kinder- und Jugendchores, die<br />

sofort von den Ausschussmitgliedern befürwortet<br />

und mitgetragen wurde. Als Chorleiter<br />

konnte der allseits bekannte Musikprofessor<br />

Rudi Chizzali gewonnen werden.<br />

So gab es im Februar den Startschuss zur<br />

Gründung des Kinder- und Jugendchores<br />

mit dem Hintergrund, den Kindern des<br />

Dorfes die Musik und vor allem die Freude<br />

am Singen näher zu bringen.<br />

Auf Anhieb meldeten sich 14 Kinder.<br />

Die ersten Termine waren bereits vereinbart,<br />

doch mussten die Proben aufgrund<br />

der Corona- Pandemie abgesagt werden.<br />

Im August <strong>2020</strong> war es dann endlich so-<br />

weit: Unter strenger Einhaltung der Sicherheitsregeln<br />

konnte der neue Chor mit der<br />

Probentätigkeit beginnen.<br />

Der Obmann des Kirchenchors Vahrn,<br />

Michael Baur, freut sich über den Erfolg<br />

des Projekts: „Auf erfrischend spielerische<br />

und dynamische Weise gelingt es<br />

dem Chorleiter, den Kindern die Musik zu<br />

vermitteln, alle Beteiligten haben sichtlich<br />

großen Spaß!“ Die Proben werden vom<br />

Chorleiter sowie von Pius Leitner, Mitglied<br />

des Kirchenchores und Pate des Kinderund<br />

Jugendchores und von Obmann Michael<br />

Baur begleitet. Einige Auftritte standen<br />

bereits auf dem Programm, mussten<br />

aber aufgrund der erneut steigenden Infektionszahlen<br />

abgesagt werden. „Wir hoffen,<br />

dass wir bald wieder zur Normalität zurückkehren<br />

und die Probentätigkeit planmäßig<br />

weiterführen können“, betont der Obmann.<br />

Jedenfalls ist ein erster wichtiger Schritt für<br />

die Zeit nach Corona gesetzt.<br />

„Auf erfrischend spielerische und dynamische Weise<br />

gelingt es dem Chorleiter, den Kindern die Musik zu<br />

vermitteln, alle Beteiligten haben sichtlich großen Spaß!“<br />

(Michael Baur)<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 11


Aus Verband und Bezirken<br />

„Ihre Begeisterung ist uns<br />

Vorbild“<br />

Vorstandsmitglied Irene Vieider bekam die höchste Tiroler Auszeichnung<br />

Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landeshauptmann Günther Platter<br />

verliehen das Ehrenzeichen des Landes Tirol an Irene Vieider.<br />

Am Ende des Jahres blickt man zurück: Neben<br />

der alles bestimmenden Corona-Pandemie<br />

gab es auch einige erfreuliche Ereignisse,<br />

an die man sich jetzt zum Jahresende<br />

erinnern sollte.<br />

Dazu gehört sicher auch die Verleihung<br />

des Ehrenzeichens des Landes Tirol an Irene<br />

Vieider, die als Vorstandsmitglied des Südtiroler<br />

Chorverbandes für den Bereich Kinder<br />

und Schule zuständig ist – waren diese<br />

Bereiche doch lange Zeit ihr beruflicher Lebensinhalt.<br />

Irene Vieider, geboren 1955 in<br />

Tiers, war langjährige Schuldirektorin der<br />

Mittelschulen Blumau und Kastelruth. Außerdem<br />

stand sie für viele Jahre als Landesmusikschuldirektorin<br />

dem Bildungsund<br />

Kulturwesen in Südtirol vor. Seit 2016<br />

ist Vieider ehrenamtlich als Vorsitzende der<br />

Katholischen Frauenbewegung der Diözese<br />

Bozen-Brixen tätig. Ihr Engagement gilt den<br />

Frauen in der Kirche und in der Gesellschaft,<br />

aber auch der Chorkultur und der<br />

Förderung des Chorgesangs im Kindesalter.<br />

Die Landeshauptleute von Tirol und<br />

Südtirol. Günther Platter und Arno Kompatscher,<br />

haben Irene Vieider am 20. Februar<br />

das Ehrenzeichen verliehen. Das<br />

Ehrenzeichen des Landes ist die höchste<br />

Tiroler Auszeichnung. Landeshauptmann<br />

Arno Kompatscher dankte den bei dieser<br />

grenzüberschreitenden Veranstaltung ausgezeichneten<br />

vier Frauen und sechs Männern:<br />

"Die Geehrten geben als verdiente<br />

Persönlichkeiten uns und den folgenden<br />

Generationen ein Beispiel. Ihr Engagement<br />

für das Gemeinwohl, für die Kultur<br />

und Tradition sowie ihr stetiger Einsatz für<br />

unsere vereinenden Werte und Ihre aktive<br />

Hilfeleistung für die Schwächeren unserer<br />

Gesellschaft stiften Gemeinschaft und Zusammenhalt."<br />

Tirols Landeshauptmann<br />

Günther Platter sagte: "Diese höchste<br />

Auszeichnung des Landes ist jenen vorbehalten,<br />

die sich durch ihr hervorragendes<br />

Wirken ganz besondere Verdienste um Tirol<br />

erworben haben. Wo immer jede und<br />

jeder einzelne von Ihnen tätig war, ob in<br />

der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Kultur,<br />

der Musik oder im kirchlichen Bereich,<br />

sie alle haben Tirol entscheidend weiterentwickelt<br />

und vorangebracht. Die mit Ihrem<br />

Wirken verbundene, so deutlich spürbare<br />

Begeisterung ist uns Vorbild. Für Ihren persönlichen<br />

Beitrag zu unserer lebenswerten<br />

Heimat und Ihr verantwortungsvolles Handeln<br />

gegenüber der nächsten Generation<br />

bedanke ich mich sehr herzlich."<br />

12<br />

KulturFenster


Chorwesen<br />

•Büchertisch•<br />

Franz Welser-Möst<br />

Als ich die Stille fand<br />

Ein Plädoyer gegen den Lärm der Welt<br />

Die Stille als Schlüssel unserer Welt: Ein<br />

leidenschaftliches Plädoyer des gefeierten<br />

Dirigenten für genaueres Zuhören,<br />

Konzentration und Ruhe in einer<br />

sich immer schneller drehenden Zeit.<br />

Bei einem schweren Autounfall erlebte<br />

Franz Welser-Möst als Jugendlicher<br />

den Klang der Ewigkeit: ein Zustand,<br />

den er seither in der Musik sucht.<br />

Welser-Möst nimmt uns mit auf eine<br />

Reise durch sein Leben in der Musik:<br />

von seiner Jugend in Oberösterreich<br />

über seine Begegnungen mit Herbert<br />

von Karajan bis hin zu den Engagements<br />

in London, Zürich, an der<br />

Wiener Staatsoper und beim weltberühmten<br />

Cleveland Orchestra. Machtspiele<br />

hinter den Kulissen und Gedanken<br />

über den modernen Musikmarkt<br />

bleiben nicht ausgespart.<br />

Wie Musik uns hilft, unsere<br />

Welt auch in Momenten der<br />

Krise zu ordnen<br />

Vor allem aber erzählt er vom Sichimmer-wieder-Neuerfinden,<br />

von Musik<br />

als Impuls für soziale Fragen und<br />

als Hilfe, unsere chaotische Welt zu<br />

ordnen. Sein Dirigentenleben ist eine<br />

Inspiration: Hören wir besser auf unsere<br />

Welt, um sie zu verstehen und<br />

mit Leidenschaft zu beleben.<br />

Franz Welser-Möst<br />

Als ich die Stille fand<br />

Ein Plädoyer gegen den Lärm der Welt<br />

Format 13,5 x 21 cm, 192 Seiten, ca.<br />

20 Abbildungen Hardcover mit Schutzumschlag,<br />

22,00 Euro<br />

Pressekontakt:<br />

Friederike Harr & Anna Klaus<br />

presse@brandstaetterverlag.com<br />

T +43-(0)1-5121543-252<br />

F +43-(0)1-5121543-231<br />

Der Autor:<br />

Franz Welser-Möst prägt als Musikdirektor des Cleveland Orchestra die unverwechselbare<br />

Klangkultur des großen Orchesters. Als Gastdirigent verbindet<br />

ihn eine enge Partnerschaft mit den Wiener Philharmonikern. Er stand<br />

zwei Mal am Pult des Neujahrskonzerts. Bei den Salzburger Festspielen ist er<br />

regelmäßig Gast. Für sein Wirken erhielt der Dirigent bedeutende Ehrungen,<br />

seine CD- und DVD-Aufnahmen wurden vielfach ausgezeichnet.<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 13


Das Thema<br />

Das Feuilleton und<br />

die Blasmusik<br />

Eine Spurensuche von Bernd Neuschl<br />

Dieser Beitrag wurde bereits in der ehemaligen<br />

Bläserzeitschrift „eurowinds“ veröffentlicht<br />

und freundlicherweise vom Verlag<br />

für den Nachdruck im KulturFenster<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Die Berichterstattung über Blasmusik ruft<br />

des Öfteren Kopfschütteln hervor, fundierte<br />

Musikkritiken sind dagegen die Ausnahme.<br />

Warum ist das so? Und was können wir besser<br />

machen?<br />

Es gibt den Profifußballer und den Bolzplatzkicker.<br />

Auch wenn der Vergleich hinkt:<br />

Blasmusiker lassen sich in zwei ähnliche<br />

Lager einteilen. Auf der einen Seite agieren<br />

die professionellen Berufsblasorchester<br />

und exzellent verästelten Auswahlensembles,<br />

auf der anderen Seite erden<br />

ambitionierte Amateurmusiker in den traditionell<br />

verwurzelten Musikvereinen den<br />

Stamm des kulturellen Miteinanders. Beide<br />

Seiten dieser Medaille spiegeln sich auch<br />

in der Presse wider: Hier publiziert das<br />

Feuilleton mit seinen Fachleuten, welche<br />

selten bis gar nicht ein Sinfonisches Blasorchester<br />

besprechen, da gibt es die Lokalpresse,<br />

die eher freie Mitarbeiter denn<br />

Redaktionsmitglieder zu den Musikvereinen<br />

schickt. Fundierte Musikkritiken sind<br />

rar, denn der kompetente Konzertbericht<br />

hängt in seiner Qualität maßgeblich vom<br />

Wissen und Stil seines Verfassers ab.<br />

Auch wenn Laien an den Konzertpulten<br />

musizieren, die Berichterstattung darf niemals<br />

laienhaft sein. Ob Profibläser oder Laienmusiker:<br />

Positive Pressestimmen sind<br />

mehr als ein bunt beflügelnder Federschmuck<br />

für einen fruchtbaren Balztanz<br />

in Sachen Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Die Präsenz und die Rolle der Musikkritik<br />

in der Blasmusik wird seit jeher diskutiert,<br />

sind in der Szene jenseits von Fachzeitschriften<br />

doch nur wenige fundierte<br />

Rezensionen zu finden.<br />

Es soll kein Vorwurf sein, aber oftmals<br />

hat dieser rasende Reporter vom musikalischen<br />

Tuten und Blasen keine Ahnung.<br />

Der Bericht gleicht in der Konsequenz<br />

einem paraphrasierten Programmblatt<br />

mit obligatorisch abgehakten W-Fragen.<br />

Die Enttäuschung bei den Interpreten ist<br />

damit vorprogrammiert, beim Aufschlagen<br />

der Zeitung trötet ihnen trübsinniges Moll<br />

statt strahlendem Dur entgegen – das ist<br />

alles andere, als eine Würdigung der mühevollen<br />

Probenarbeit und der gelungenen<br />

Darbietung. Andere Berichte balancieren<br />

dagegen zwischen verklärter Lobhudelei<br />

und zünftigem Verriss. Es muss leider<br />

festgehalten werden: Hochwertige Rezensionen<br />

wie sie im Feuilleton erscheinen,<br />

sind in der Bläsersinfonik so gut wie nicht<br />

zu finden. Drei Gründe haben die Orchester<br />

selbst zu verantworten. Eine provokante,<br />

streitbare Spurensuche:<br />

Reputation von Blasorchester<br />

und Repertoire<br />

Sinfonieorchester und ihre Dirigenten genießen<br />

mit ihrem Repertoire immer noch<br />

eine weitaus höhere Reputation bei Zuhörern<br />

und Zeitungen, als jedes noch so<br />

gute Blasorchester. Die Konzertprogramme<br />

der Top-Orchester decken alle Epochen<br />

der Musikgeschichte ab und greifen auf<br />

eine Fülle hochwertiger Werke, Solisten<br />

und Dirigenten zurück. Hier fehlt der geteilten<br />

und vergleichsweisen jungen, wilden<br />

Bläserwelt jenseits von Transkriptionen<br />

ein verbindlicher, konventionalisierter<br />

14<br />

KulturFenster


Blasmusik<br />

Kanon an identitätsstiftenden, etablierten<br />

Meisterwerken mit hohem Wiedererkennungswert,<br />

der auch im Studium für angehende<br />

Musikjournalisten oder Musikwissenschaftler<br />

gelehrt wird. Zum Beweis<br />

ein Selbstversuch: Fragen Sie klassische<br />

Dirigenten nach den wichtigsten Komponisten<br />

der Musikgeschichte, so wird sich<br />

eine große Schnittmenge ergeben. Fragen<br />

Sie dagegen Kapellmeister nach den<br />

bedeutendsten Komponisten für Blasorchester,<br />

können Sie gleich im Blasorchesterlexikon<br />

schmökern. Es mangelt nicht<br />

wenigen Dirigenten an der Basis an Selbstbewusstsein,<br />

sich von strohfeurigen Verlagsdiktaten<br />

loszulösen, um genau das in<br />

den Mittelpunkt zu stellen, was wirklich<br />

zählt: qualitativ hochwertige Musik.<br />

Die Kritikfähigkeit von<br />

Laienblasorchestern<br />

Max Reger konnte nicht sonderlich gut mit<br />

Kritik umgehen. An einen Kritiker soll er<br />

geschrieben haben: „Ich sitze im kleinsten<br />

Raum des Hauses. Ihre Kritik habe<br />

ich vor mir. Bald werde ich sie hinter mir<br />

haben.“ Wer nur Jubelhymnen erwartet,<br />

ist als Künstler nicht glaubwürdig. Das gilt<br />

besonders für ambitionierte Blasorchester.<br />

Nun ist ein Konzert kein Wettbewerb, der<br />

Kritiker kein Juror. Dennoch: Wer ein professionelles<br />

wie faires Feedback bekommen<br />

möchte, muss sich auch professionelleren<br />

Maßstäben stellen.<br />

Lobhudelei um des Burgfriedens willens<br />

ist weder angebracht noch zielführend,<br />

sondern gefährlich. Beschönigende, inhaltlich<br />

falsche Berichte mögen oberflächlich<br />

glänzen, haben aber den Wert einer<br />

Rolex-Uhr vom Strandverkäufer. Gleiches<br />

gilt für Verrisse: Ein kompetenter Kritiker<br />

darf sich nicht nur die faulen Kirschen aus<br />

dem Konzert herauspicken. Tadel muss angebracht<br />

und in homöopathischer Dosierung<br />

verabreicht werden. Das motivierende<br />

Lob für ehrenamtliche Kulturarbeit sollte<br />

dagegen selbstverständlich überwiegen.<br />

Der Weltklasse-Violinist Daniel Hope<br />

meinte zum Thema Kritikfähigkeit: „Eine<br />

schlechte Kritik, wenn sie kenntnisreich<br />

und fundiert ist, kann einem Künstler helfen<br />

und ihn weiterbringen.“ Joachim Kaiser,<br />

eine Ikone der Kritikerzunft, meint zu<br />

der Rolle des Rezensenten: „Nicht der subjektive<br />

Kritiker, der seine persönlichen Eindrücke<br />

entfaltet, ist gefährlich oder verwerflich.<br />

Der voreingenommene Rezensent ist<br />

„Auch wenn Laien an den Konzertpulten musizieren,<br />

die Berichterstattung darf niemals laienhaft sein.“<br />

es viel eher, der nur das wahrnimmt, was<br />

er aus taktischen oder persönlichen oder<br />

ideologischen Gründen wahrnehmen will.“<br />

Die Kritikfähigkeit der Musikvereine steigt<br />

folglich mit der Bereitschaft des Kritikers,<br />

seine Vorurteile gegenüber dem Blasorchesters<br />

abzubauen.<br />

Die Grenzen der Qualität<br />

Es gibt sie, die hervorragenden Blasorchester:<br />

Musikkorps, Auswahlorchester, Verbandsorchester<br />

und exzellente Vereinsorchester.<br />

Von denen soll jetzt auch nicht<br />

die Rede sein, fi nden sie in den Musikmedien<br />

doch mehr und mehr die Beachtung,<br />

die sie sich verdient und hart erarbeitet<br />

haben. So war das Neujahrskonzert<br />

2013 der Bläserphilharmonie Mozarteum<br />

Salzburg unter Hansjörg Angerer, das live<br />

im Fernsehen übertragen wurde, eine erleuchtende<br />

Sternstunde im Bläserkosmos.<br />

Es geht vielmehr um die breite Masse der<br />

Musikvereine. Ein Redakteur des Südwestrundfunks<br />

(SWR) meinte einmal auf meine<br />

Frage, warum sich Blasorchester so selten<br />

live im Radio oder Fernsehen präsentieren,<br />

dass die Qualität der Vereine den<br />

Ansprüchen der Medien nicht immer gerecht<br />

wird. Viele Kapellen meinen, allein<br />

die Wahl eines schweren Werkes rechtfertige<br />

die gewünschte Medienpräsenz und<br />

ein positiv schallendes Echo in der Presse.<br />

Es gibt sie, aber wir brauchen<br />

mehr davon<br />

Wollen Blasorchester von den Medien ernst<br />

genommen werden, müssen also die Basics<br />

stimmen: Lieber ein leichteres Stück,<br />

und das sauber geblasen. Der Mangel an<br />

Reputation und renommiertem Repertoire,<br />

(Bernd Neuschl)<br />

Verlagsdiktate und das vielzitierte Festzelt-Stigma<br />

haben dazu geführt, dass die<br />

überwiegende Mehrheit der Musikjournalisten<br />

leider immer noch kultiviert die Nase<br />

rümpft, steht ein Blasorchester zur Besprechung<br />

an. Das traurige Fazit lautet also:<br />

Selbst ein gut ausgebildeter C3-Karajan<br />

kann in einer Behelfsphilharmonie unter<br />

Basketballkörben noch kein Hoch-Feuilleton<br />

erwarten. Das ist aber kein Status Quo.<br />

Denn daneben gibt es erfreulicherweise etablierte<br />

Vereine und Auswahlorchester, die<br />

mit ihren professionell ausgebildeten Dirigenten<br />

und einem modernen Vereinsmanagement<br />

konsequent auf konstant wachsende<br />

Qualität setzen. Sowohl im Konzert<br />

als auch in der Nachbesprechung. Es gibt<br />

sie, die gelungenen Konzertberichte, aber<br />

wir brauchen noch mehr davon.<br />

Was ein qualifizierter<br />

Konzertbericht leistet<br />

Die meisten Berichterstatter können nur<br />

über das schreiben, was sie kennen. Und<br />

bereits nach wenigen Sätzen merkt der<br />

aufmerksame Leser, ob ein Konzertbericht<br />

aus berufener Feder geflossen ist. Der<br />

Dirigent Leopold Stokowski sagte hierzu:<br />

„Am gefährlichsten sind jene Kritiker, die<br />

von der Sache nichts verstehen, aber gut<br />

schreiben.“<br />

Ein Berichterstatter in Sachen Blasorchester<br />

muss also nicht nur eine fundierte<br />

musikalische Bildung haben, er muss mit<br />

dem Medium Blasorchester vertraut sein,<br />

mit der Besetzung der Register und wichtigen<br />

Komponisten und Werken. Im Idealfall<br />

hat er sich bereits vorab mit den Hauptwerken<br />

des Konzerts beschäftigt und mit<br />

diesem Wissen entsprechend seine Hörerwartung<br />

justiert, ohne sich dabei für über-<br />

„Wer ein professionelles wie faires Feedback bekommen<br />

möchte, muss sich auch professionelleren Maßstäben<br />

stellen.“<br />

(Bernd Neuschl)<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 15


Das Thema<br />

raschende Klangmomente zu verschließen.<br />

Er hört, analysiert, bewertet und würdigt<br />

das Gehörte im Kontext des konzertanten<br />

Rahmens mit all seinen Gegebenheiten.<br />

Dabei muss er die Balance wahren zwischen<br />

subjektiver Emotionalität und objektiver<br />

Sachlichkeit. Es geht dabei nicht<br />

in Facebook-Manier um „Daumen hoch“,<br />

oder „Daumen runter“, sondern um eine<br />

faire Würdigung der geleisteten Probenarbeit.<br />

Kritik, wenn sie denn angebracht ist,<br />

muss konstruktiv verpackt werden. Joachim<br />

Kaiser fasst die Kompetenzen des<br />

guten Kritikers wie folgt zusammen: „Der<br />

Kritiker soll sich über ein Konzert so äußern,<br />

dass es dem Interpreten hilft, dem<br />

Fachmann etwas sagt, das Konzertpublikum<br />

zur Diskussion animiert und darüber<br />

hinaus noch all diejenigen interessiert, die<br />

das Konzert gar nicht besucht haben.“<br />

Für wen ein stimmiger Konzertbericht<br />

gedacht sein soll und wie er verfasst werden<br />

kann, darauf wollen wir nun genauer<br />

eingehen:<br />

„Eine schlechte Kritik,<br />

wenn sie kenntnisreich<br />

und fundiert ist, kann<br />

einem Künstler helfen<br />

und ihn weiterbringen.“<br />

(Daniel Hope, Violinist)<br />

Für die Konzertbesucher<br />

und Leser<br />

Der Kritiker ist verpflichtet, dafür zu sorgen,<br />

dass hochwertige Bläsersinfonik als<br />

künstlerisch wertvolles Kulturgut noch<br />

mehr in der Öffentlichkeit kommuniziert<br />

wird. Wichtig sind nicht die genaue Anzahl<br />

der Konzertbesucher und die „liebevolle<br />

Dekoration“ in der Halle. Das sind allenfalls<br />

Randnotizen. Falls die Veranstaltung<br />

ausverkauft ist, dann muss das natürlich<br />

erwähnt werden. Von Bedeutung ist vielmehr<br />

die Wirkung des Orchesters und der<br />

Werke auf die Zuhörer. Wie reagieren sie?<br />

Wie fällt der Applaus nach einem zeitgenössischen<br />

Werk aus? Welche Komposition<br />

sorgt beim Schlürfen des Pausensekts oder<br />

beim Abholen der Mäntel für lebhafte Diskussionen?<br />

Der Kritiker erklärt schließlich,<br />

warum da ein Stück „für offene Münder<br />

gesorgt hat“. Im Prinzip muss der Rezensent<br />

mit seinem Konzertbericht den nicht<br />

da gewesenen Besuchern, also allen anderen<br />

Lesern, eine bunt bebilderte Postkarte<br />

des Konzertabends schicken: Es war toll<br />

hier, ihr habt etwas verpasst! Mit abgehobenen<br />

Fachbegriffen sollte dabei sparsam<br />

gekocht werden. Die geneigten Leser sind<br />

nämlich nicht bereit, parallel zur Zeitung<br />

in einem Fremdwörterlexikon zu blättern.<br />

Wenn ein Konzertbericht viel Aufmerksamkeit bekommen<br />

soll, ist ein professioneller Fotograf an vorderster<br />

Front eine strategisch kluge Investition. Denn<br />

nach wie vor gilt: Ein Bild sagt mehr als tausend<br />

Worte.<br />

(Bernd Neuschl)<br />

Für den Dirigenten<br />

Was für artistische Verrenkungen er auf seinem<br />

Podium fabriziert, über welch großes<br />

Repertoire an mimischer und gestischer<br />

Ausdruckskraft er verfügt – das alles ist<br />

nett zu lesen, dient aber nicht der Musik.<br />

Interessant wird es, wenn seine Programmauswahl<br />

genauer unter die Lupe genommen<br />

wird: Was für Kenntnisse hat er in Sachen<br />

Repertoire vorzuweisen? Schafft er<br />

eine Balance zwischen Bekanntem und<br />

Neuem? Kann er die Werke in einen Kontext<br />

stellen? Ist seine Dramaturgie stimmig?<br />

Schafft er einen Spannungsbogen<br />

nicht nur in den einzelnen Werken, sondern<br />

über den ganzen Abend? Hat er ein<br />

Gespür für Höhepunkte und für Ruhepole?<br />

Wie interpretiert er die Werke? Wie reagiert<br />

das Orchester auf ihn? Wie reagiert er auf<br />

das Orchester? Auch nicht vergessen werden<br />

darf: Die Macht der Feder kann Karrieren<br />

beflügeln oder zerstören.<br />

Für die Musiker<br />

Wenn ein motiviertes Blasorchester viele<br />

engagierte Proben auf sich genommen hat,<br />

weil es erkannt hat, dass die Erarbeitung<br />

einer Komposition wegen ihrer herausragenden<br />

Qualität lohnend ist, dann muss<br />

dies der Rezensent als berufener Botschafter<br />

der Musik erkennen und entsprechend<br />

würdigen. Um aber beschreiben zu können,<br />

wie ein Blasorchester geklungen hat,<br />

welche Leistung es erbracht hat, dafür bedarf<br />

es mehr als akademischen Sachverstand.<br />

Beschrieben werden können hier<br />

die Klangqualität des Orchesters, Tempo<br />

und Agogik, die rhythmische Sauberkeit<br />

und das Zusammenspiel, die Phrasierung,<br />

die Intonation, die dynamischen Differenzierungen<br />

und die Bühnenpräsenz des Orchesters.<br />

Wann swingt ein Orchester? Wann<br />

groovt es? Besonders hervorzuheben sind<br />

natürlich überzeugende Leistungen von<br />

Solisten, denn das motiviert nachhaltig<br />

den Probebetrieb und stärkt deren Rolle<br />

als Vorbilder besonders in Musikvereinen.<br />

Für den Komponisten<br />

Vor allem bei einem neuen Werk kann die<br />

Frage wichtig sein, wie eine Komposition<br />

von den Zuhörern aufgenommen wurde:<br />

Hat sie für Begeisterung oder Ratlosigkeit<br />

gesorgt? War sie fesselnd, unterhaltend,<br />

16<br />

KulturFenster


Blasmusik<br />

kurzweilig oder langweilig? Wie behandelt<br />

der Komponist das Medium Blasorchester?<br />

Was will der Komponist mit diesem Werk<br />

aussagen? Wie bringt er Inhalt, Form und<br />

seine individuelle Klangsprache auf einen<br />

Nenner? Oberflächlich auf Effekte setzend,<br />

oder tiefgründig und voller musikalischer<br />

Substanz? Wie ist die Komposition handwerklich<br />

gemacht? Form, Kontrapunkt,<br />

Themenverarbeitung, Harmonisierung<br />

und Instrumentierung lassen sich bereits<br />

nach einem ersten Höreindruck grob einordnen.<br />

Und ganz entscheidend: Wie ist<br />

der Repertoirewert der Komposition einzustufen?<br />

Ein schöpferischer und damit<br />

wertvoller Beitrag für die Literatur der Bläsersinfonik<br />

oder eine belanglose, eklektische<br />

Schablonenkomposition? Ein Konzertbericht<br />

kann selbstverständlich keine<br />

Rezension über Neuerscheinungen sein,<br />

dennoch sollten ausgewählte Punkte dieser<br />

Rubrik in wenigen Sätzen berücksichtigt<br />

werden, wenn sie dazu beitragen soll,<br />

den Stellenwert der Blasmusik als hochkulturelle<br />

Kunstform verstärkt in die Öffentlichkeit<br />

zu tragen.<br />

Wie schreiben?<br />

Die Zielgruppe bestimmt Stil und Syntax.<br />

Allereinfachste Schlagermusik kann<br />

getrost auf Bild-Zeitungs-Niveau besprochen<br />

werden. Dennoch gibt es Leser, die<br />

bemängeln jene hochgestochene, kunstvoll<br />

durchtränkte Wortwahl, die manchen<br />

Musikkritiken innewohnt. Joachim Kaiser<br />

rechtfertigte deshalb die Noblesse seiner<br />

intellektuellen Sprache, indem er postuliert:<br />

„Kunstvoll komponierte wie interpretierte<br />

Musik bedarf einer ebenso kunstvollen<br />

Sprache in der Würdigung.“ Die Schönheit<br />

der Sprache ist gleichzeitig ihre bezwingende<br />

Macht. Für all das braucht der<br />

Berichterstatter ein vitales Vokabular an<br />

musikalischen Fachbegriffen, das dosiert<br />

Verwendung findet, einen ebenso großen<br />

Wortschatz, der verständlich, mitunter süffig<br />

zu lesen und mit einer feinen Prise Ironie<br />

aufbereitet wird. Der exzentrische Frank<br />

Zappa meinte einmal: „Über Musik zu reden<br />

ist wie über Architektur zu tanzen.“<br />

Eine bunte Palette an Stilmitteln<br />

Wer Worte zum Klingen bringen will, benötigt<br />

also eine bunte Palette an literarischen<br />

Stilmitteln: Klangfiguren wie Alliterationen<br />

in Kombination mit Adjektiven, aussagekräftige<br />

Bilder wie Metaphern, Personifikationen<br />

und Vergleiche. Und ganz wichtig:<br />

Ein Synonymwörterbuch. Es gibt eine<br />

Fülle wunderbar passender Begriffe für<br />

musikalische Parameter. Paradebeispiel<br />

Marsch: Wirkt ein Trauermarsch eher<br />

schmerzvoll, schleppend, lastend, oder<br />

niederschmetternd und düster? Kommt<br />

ein Parademarsch jubelnd, stürmisch, emphatisch,<br />

hochfliegend oder glänzend aus<br />

den Schalltrichtern?<br />

Im Zeitalter neuer Medien<br />

Wir leben in einem Zeitalter der Daten-<br />

Sintflut. Smartphones und Tablet-PCs ertränken<br />

uns bei Schritt und Tritt mit Informationen,<br />

die nur noch schwer nach<br />

Wichtigkeit zu filtern sind. Unsere Augen<br />

„Der Kritiker soll sich<br />

über ein Konzert so<br />

äußern, dass es dem<br />

Interpreten hilft, dem<br />

Fachmann etwas sagt,<br />

das Konzertpublikum zur<br />

Diskussion animiert und<br />

darüber hinaus noch all<br />

diejenigen interessiert,<br />

die das Konzert gar nicht<br />

besucht haben.“<br />

(Joachim Kaiser, Musikkritiker)<br />

werden mit Nachrichten und Kurzmeldungen<br />

regelrecht geflutet, die klassische<br />

Tageszeitung und das E-Paper haben ihre<br />

Monopolstellung in Sachen Meinungsbildung<br />

verloren. Mit der Masse an Möglichkeiten<br />

der Meinungsbildung hat sich das<br />

Rezeptionsverhalten geändert: In Internetkaufhäusern<br />

und Musikdatenbanken<br />

können Kunden Konzerteinspielungen Bewertungen<br />

mit Sternen geben. Youtube-Videos<br />

von Konzerten werden kommentiert<br />

und Statusmeldungen über neue Kompositionen<br />

auf Facebook goutiert und geteilt.<br />

Jeder kann zum Kritiker werden. Die<br />

Meinung eines Einzelnen hat keinen Hoheitsanspruch<br />

mehr.<br />

Blasorchester haben zwei Möglichkeiten,<br />

mit diesem Rezeptionsverhalten umzugehen:<br />

Entweder sie springen auf die Welle<br />

auf, oder sie gehen unter. Die Leser selektieren<br />

den Informationsüberfluss nicht nur<br />

nach Bedarf, sondern nach besonderen<br />

Auffälligkeiten. Wenn ein Konzertbericht<br />

viel Aufmerksamkeit bekommen soll, ist<br />

Wenn ein motiviertes Blasorchester viele engagierte<br />

Proben auf sich genommen hat, weil es erkannt<br />

hat, dass die Erarbeitung einer Komposition wegen<br />

ihrer herausragenden Qualität lohnend ist, dann<br />

muss dies der Rezensent als berufener Botschafter<br />

der Musik erkennen und entsprechend würdigen.<br />

(Bernd Neuschl)<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 17


Das Thema<br />

ein professioneller Fotograf an vorderster<br />

Front eine strategisch kluge Investition.<br />

Denn nach wie vor gilt: Ein Bild sagt mehr<br />

als tausend Worte. Fotos von Ehrungen in<br />

allen Ehren, aber als Blickfänger taugen<br />

sie nicht. Es lohnt also, für das Konzert in<br />

Absprache mit der Redaktion einen Fotografen<br />

zu engagieren, der stimmungsvolle<br />

Konzertmomente ohne störenden Blitz einfangen<br />

kann. Hat ein Bild erst einmal das<br />

Leserinteresse geweckt, wird nicht nur die<br />

Überschrift und Bildunterschrift gelesen,<br />

sondern im Idealfall der gesamte Text. Eine<br />

fundierte Berichterstattung ist folglich die<br />

Symbiose aus aussagekräftigem Bild und<br />

kompetentem Bericht.<br />

Jenseits des geschriebenen<br />

Wortes<br />

Der technische Fortschritt ermöglicht es<br />

dem zeitgemäßen Orchester zudem, sich<br />

jenseits von Autoren-Lizenzen auf Internet-Plattformen<br />

ins rechte Licht zu rücken:<br />

Werkausschnitte als Hörproben<br />

dürfen im Streaming-Verfahren pro Werk<br />

bis zu 90 Sekunden präsentiert werden.<br />

Bei vielen Konzert-Highlights lässt sich so<br />

ein aussagekräftiger Image-Film schneiden<br />

und für Interessierte und Sponsoren<br />

hochladen. Positive Pressestimmen sind<br />

also nicht die einzigen bunt beflügelnden<br />

Federn, mit denen sich zeitgemäße Blasorchester<br />

für einen fruchtbaren Balztanz<br />

in Sachen Öffentlichkeitsarbeit schmücken<br />

können.<br />

Was sagen Dirigenten?<br />

Was Blasorchesterdirigenten an Kritiken wichtig ist, dazu haben wir drei Meister<br />

ihres Fachs befragt:<br />

Dominik M. Koch: Als eines der schönsten Zitate einer Konzertkritik empfinde ich das<br />

folgende: „Der enormen Spannung, in weiten Bögen ausgeführt, konnte man sich<br />

kaum entziehen und verspürte eine packende Gegenwärtigkeit – ein imposanter, von<br />

viel programmatischer Vision geprägter Beitrag, der Dirigent Dominik M. Koch zum<br />

heimlichen Star des Abends avancieren ließ.“ Im Grunde gehören Konzertkritiken<br />

zu jedem Konzert. Die Qualität des Textes hängt sehr von der Kompetenz und dem<br />

Sachverstand dieser Person ab. Danach richtet sich auch, wie wichtig ich einen Beitrag<br />

einschätze. Die Kritik muss vor allem der Wahrheit entsprechen und mit Sachverstand<br />

geschrieben sein. Auf inhaltliche Fehler und zu sehr subjektive Geschmäcker<br />

kann ich ebenso verzichten wie auf Berichte, die nur lobend und übertrieben<br />

überschwänglich sind, gerade bei schwächeren Konzerten.<br />

Johan de Meij: Rezensionen können sowohl für den Interpreten als auch für die Musik<br />

von Vorteil sein. Sie können ein positives Licht auf das Blasorchester und sein Repertoire<br />

werfen. Daher muss der Rezensent seine Themen gut kennen, er sollte auch in<br />

diesem Bereich ausgebildet werden. Im Allgemeinen denke ich, dass Kritiken äußerst<br />

relativ sind: Sie sagen nur etwas über die Meinung einer einzigen Person aus, die nicht<br />

immer die allgemeine Meinung der Zuhörer widerspiegelt.<br />

Toni Scholl: Eines der schönsten Zitate aus einer Kritik war das folgende: „Dieses<br />

Werk bot Toni Scholl reichlich und viel mehr als üblich die Gelegenheit, seine Fähigkeiten<br />

als Klangfarbenmagier zu entfalten.“ Kritiken sind für uns Künstler wichtig,<br />

da sie oft auch eine vermittelnde Funktion innehaben. Dabei empfinde ich Zeitungskritiken<br />

als ebenso wichtig wie die Publikumsmeinung. Eine gelungene Kritik soll im<br />

Idealfall dem Leser vermitteln und wiedergeben, was die Künstler auf der Bühne und<br />

auch das Publikum empfunden haben. Sie lobt das, was des Lobens wert ist und<br />

kritisiert das andere. Es ist wichtig, nicht nur einzelne Momente zu kritisieren, sondern<br />

das Gesamte im Auge zu behalten. Ein Kollege sagte mir einmal in einer Konzertpause:<br />

Vertraue Deinen Musikern! Diese simplen drei Worte haben mich musikalisch<br />

sehr viel weiter gebracht.<br />

18<br />

KulturFenster


Aus Verband und Bezirken<br />

Blasmusik<br />

72. VSM-Jahreshauptversammlung<br />

„Es bewegt sich nicht mehr viel!“<br />

Die 72. Jahreshauptversammlung des VSM musste heuer als Videokonferenz abgehalten werden.<br />

Im 3. Anlauf hat es geklappt: Am 27. Oktober<br />

hat der Verband Südtiroler Musikkapellen<br />

über Videokonferenz seine heurige<br />

Jahreshauptversammlung abgehalten. 183<br />

Musikkapellen haben sich eingeloggt, um<br />

über Bildschirm die Versammlung im Raiffeisensaal<br />

zu verfolgen.<br />

Eigentlich hätte die Versammlung traditionell<br />

im März stattfinden sollen. Wegen<br />

des damaligen Corona-<br />

Lockdowns musste diese<br />

aber abgesagt und auf unbestimmte<br />

Zeit verschoben werden.<br />

Nach den Lockerungen<br />

im Sommer hat der Verbandsvorstand<br />

den 17. Oktober als<br />

neuen Termin festgelegt. Wegen<br />

der Anfang Oktober wieder<br />

vermehrt auftretenden<br />

Neuinfektionen wurde auch<br />

dieser Termin kurzfristig abgesagt<br />

und die Versammlung<br />

für den 27. Oktober als Videokonferenz<br />

einberufen.<br />

Das Klarinettenensemble<br />

„Klari-di-netten“ von der Musikschule<br />

Unterland hat die<br />

Versammlung vor Ort musikalisch<br />

umrahmt. Verbandsobmann<br />

Pepi Fauster, Verbandskapellmeister<br />

Meinhard Windisch, Verbandsjugendleiter<br />

Hans Finatzer und Verbandsgeschäftsführer<br />

Andreas Bonell haben am<br />

Präsidiumstisch Platz genommen. Die 6<br />

Bezirksobmänner saßen im Hintergrund<br />

an den Computern, um die Teilnehmerzahl<br />

und die Abstimmungen optisch und<br />

schriftlich zu dokumentieren.<br />

ÖBV-Präsident Erich Riegler machte<br />

übers Internet der Versammlung Mut für<br />

die Zeit nach der Krise.<br />

Das Dreijahresmotto des Verbandes „Blasmusik<br />

bewegt“ stehe heuer unter besonderen<br />

Vorzeichen, erklärte Verbandsobmann<br />

Pepi Fauster zum Auftakt der Versammlung:<br />

„Coronabedingt bewegt sich nicht<br />

mehr viel – die Pandemie hemmt uns kulturell,<br />

künstlerisch und sozial.“ Der Stillstand<br />

oder auch die eingeschränkte Tätigkeit<br />

bringe die Musikkapellen in immer<br />

größere Schwierigkeiten:<br />

„Ich mache mir Sorgen<br />

und damit bin ich nicht<br />

allein!“<br />

Das Jahr 2019 war<br />

noch ein Jahr voller Tätigkeiten<br />

und schöner Initiativen,<br />

erinnerte Verbandsgeschäftsführer<br />

Andreas Bonell in seinem<br />

Bericht. Diese schlugen<br />

sich entsprechend auch<br />

auf den Bilanzbericht von<br />

Verbandskassier Elmar<br />

Seebacher nieder.<br />

Verbandskapellmeister<br />

Meinhard Windisch<br />

und Verbandsjugendleiter<br />

Hans Finatzer analysierten<br />

die derzeitige Si-<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 19


Aus Verband und Bezirken<br />

Keine VSM-Jahreshauptversammlung ohne Musik – das Klarinettenensemble „Klari-di-netten“ sorgte diesmal für den „guten Ton“.<br />

tuation aus musikalischer Hinsicht und<br />

im Jugendbereich. Dabei gelte es nach<br />

wie vor, den schwierigen Spagat zwischen<br />

den Übereifrigen und den Übervorsichtigen<br />

zu schaffen. Die Jugendarbeit sei<br />

dabei besonders in Mitleidenschaft gezogen,<br />

denn vor allem die zahlreichen<br />

und wichtigen Sommerangebote mussten<br />

gestrichen werden: „Die jungen Leute<br />

sind in der Pandemie die großen Verlierer.“<br />

Verbandsstabführer Klaus Fischnaller<br />

konnte coronabedingt nicht persönlich<br />

an der Versammlung teilnehmen und<br />

mahnte in seiner schriftlich übermittelten<br />

Stellungnahme, die Krise als Chance zu<br />

erkennen und die Musik in Bewegung<br />

aus einem neuen Blickwinkel zu sehen:<br />

„Raum schaffen für Neues, neu bewegen,<br />

Gewohntes hinterfragen und dabei neue<br />

Wege entdecken“, damit man vorbereitet<br />

sei, wenn der Alltag wieder einkehre.<br />

ÖBV-Präsident Erich Riegler begleitete<br />

die Versammlung ebenfalls übers Internet<br />

und überbrachte die Grußworte via Bildschirm.<br />

Obwohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

in Österreich von den<br />

italienischen abweichen, sei das Ergebnis<br />

mittlerweile ziemlich das gleiche, bestätigte<br />

er: „Nichts geht mehr!“ Riegler zeigte<br />

sich dennoch zuversichtlich, dass es gemeinsam<br />

gelinge, diese Krise zu überwinden,<br />

daraus zu lernen und neue Kraft zu<br />

schöpfen, damit die Blasmusik gestärkt<br />

aus dieser Zeit des Stillstandes herauskomme.<br />

Gleichzeitig sprach er jetzt schon<br />

die Einladung zu den anstehenden Feierlichkeiten<br />

im kommenden Jahr aus, wenn<br />

der Österreichische Blasmusikverband<br />

sein 70-jähriges Bestandsjubiläum feiert.<br />

Eine (fast) überhörte Petition<br />

Mit der Neuregelung des Dritten Sektors<br />

ergeben sich für die<br />

ehrenamtlichen Verbände<br />

und Vereine<br />

ein neuer bürokratischer<br />

Mehraufwand<br />

und steuerliche Nachteile,<br />

hob VSM-Obmann<br />

Pepi Fauster bei<br />

der Versammlung hervor.<br />

Zudem habe Corona<br />

die Musikkapellen<br />

und alle anderen<br />

ehrenamtlichen Vereine<br />

vor große strukturelle,<br />

soziale und<br />

finanzielle Probleme gestellt: Die unsichere<br />

Gesetzeslage und die ausufernde<br />

Bürokratie gefährden die Vereine, besonders<br />

die kleinen, analysierte er. Daher<br />

genehmigte die Versammlung eine<br />

entsprechende Petition, die unter anderem<br />

die politischen Vertreter dazu auffordert,<br />

„dahingehend einzuwirken, dass die<br />

neuen Bestimmungen auf das Südtiroler<br />

Vereinswesen abgestimmt werden.“ Landeshauptmann<br />

Arno Kompatscher, zugeschaltet<br />

via Bildschirm, und Kulturlandesrat<br />

Philipp Achammer, der persönlich zur<br />

Versammlung im Raiffeisensaal in Bozen<br />

gekommen war, gingen in ihren Grußworte<br />

nicht direkt auf diese Petition ein. Landes-<br />

Wieviel Unterstützung bekommen die<br />

ehrenamtlich tätigen Vereine? Dieser<br />

Frage musste sich Kultur-Landesrat<br />

Philipp Achammer stellen.<br />

20<br />

KulturFenster


Blasmusik<br />

hauptmann Kompatscher stellte aber in<br />

Aussicht, dass man versuche, mit einer<br />

eigenen Durchführungsbestimmung zum<br />

Autonomiestatut das Ehrenamt in Südtirol<br />

zu regeln. Landesrat Achammer sicherte<br />

hingegen den Kapellen einen Sonderfonds<br />

zu, der zwar „keine großen Beträge beinhaltet,<br />

aber ein kleines Zeichen der Wertschätzung<br />

sein soll.“<br />

Klari-di-netten<br />

Katharina Casal (Es- und B-Klarinette),<br />

Sophia Pichler (B-Klarinette), Evelyn Pardatscher<br />

(B-Klarinette) und Melanie Richermo<br />

(Bassklarinette) haben am 15.<br />

Februar als Ensemble „Klari-di-netten“<br />

unter der Leitung von Alexandra Pedrotti<br />

am landesweiten Wettbewerb „Musik in<br />

kleinen Gruppen“ in Auer teilgenommen.<br />

Mit 94,33 von 100 Punkten haben sie ein<br />

hervorragendes Ergebnis erzielt. Auf Vorschlag<br />

der Verbandsjugendleiterin Uta<br />

Praxmarer wurde das Quartett nun eingeladen,<br />

die heurige VSM-Jahreshauptversammlung<br />

musikalisch zu umrahmen<br />

und ihr damit zumindest eine kleine musikalische<br />

Note zu verleihen, die einer Versammlung<br />

des Verbandes Südtiroler Musikkapellen<br />

würdig ist.<br />

Landeshauptmann Arno Kompatscher versprach, sich für eine Südtiroler Lösung des<br />

Ehrenamtes einzusetzen.<br />

Abschied“ vom Klarinettenensemble uraufgeführt.<br />

Der Choral ist sowohl in der<br />

großen Besetzung einer Musikkapelle<br />

als auch in verschiedenen Bläserensembles<br />

spielbar und wird an alle Musikkapellen<br />

verteilt.<br />

Stephan Niederegger,<br />

VSM-Medienreferent<br />

Ein neuer Choral zum Abschied<br />

Bereits seit längerem wurde von mehreren<br />

Seiten angeregt, eine Alternative<br />

zum landauf landab oft gespielten „Kameradenlied“<br />

anzubieten. Wegen seines<br />

auf den Krieg bezogenen Textes sei<br />

das Lied auch in instrumentaler Version<br />

nicht immer passend, wurde bemängelt.<br />

Auf Initiative des Verbandskapellmeisters<br />

Meinhard Windisch wurde der Komponist<br />

Hannes Kerschbaumer daher beauftragt,<br />

einen neuen Choral zu schreiben.<br />

Anlässlich der Jahreshauptversammlung<br />

wurde dieser Choral mit dem Titel „Zum<br />

Der Südtiroler Komponist Hannes Kerschbaumer hat eine Alternative zum nicht<br />

immer passenden „Kameradenlied“ geschaffen.<br />

KulturFenster<br />

Redaktion KulturFenster<br />

Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Blasmusikseiten senden Sie bitte an: kulturfenster@vsm.bz.it<br />

Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe des KulturFensters ist Mittwoch 13. Jänner <strong>2020</strong>.<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 21


Aus Verband und Bezirken<br />

Schauen wir nach vorne!<br />

Ausblicke in das Tätigkeitsjahr 2021<br />

Für das Jahr <strong>2020</strong> werden wir uns nicht<br />

schwer tun, das Unwort des Jahres zu finden.<br />

„Corona“ hat unsere Welt und unsere Gesellschaft<br />

massiv getroffen und verändert. Die<br />

Pandemie hat auch die Tätigkeit der Musikkapellen<br />

sehr stark eingeschränkt. Im Rückspiegel<br />

haben wir die Situation schon einige<br />

Male betrachtet.<br />

Wir wissen alle, dass beim Autofahren<br />

der Blick in den Rückspiegel notwendig ist.<br />

Aber warum ist dieser klein und die Frontscheibe<br />

groß? Ja, genau deshalb, weil<br />

der Blick nach vorne noch viel wichtiger<br />

ist. Vor uns öffnet sich - ähnlich<br />

wie wenn ich in ein unbekanntes Land<br />

fahre - wieder ein neues Jahr. Wie es<br />

darin aussieht, wissen wir nicht. Es<br />

gibt aber sicher Sonnentage, attraktive<br />

Plätze, besondere Herausforderungen<br />

und schöne Erlebnisse, neue Möglichkeiten<br />

und wohl auch Überraschungen.<br />

Verlauf der Pandemie<br />

Nach der ersten Welle im Frühjahr, die<br />

so unerwartet über uns hereingebrochen<br />

ist und uns unvorbereitet angetroffen<br />

hat, hat uns die zweite Welle im<br />

Oktober/November noch stärker erwischt.<br />

Durch die angesetzten Maßnahmen erhoffen<br />

wir uns alle, dass die Ansteckungen<br />

möglichst zurückgehen und geschlossene<br />

Bereiche wieder öffnen können. Wir im Verband<br />

werden – so wie bisher – wieder im<br />

Sinne unserer Musikkapellen mit den zuständigen<br />

Stellen in Politik und Sanität Wege<br />

zum Wiederbeginn des gemeinsamen Musizierens<br />

bei Proben und Auftritten suchen.<br />

Bewährtes beibehalten<br />

Der Verbandsvorstand hat sich für 2021 vorgenommen,<br />

die bisher bewährten Initiativen<br />

in allen Bereichen wieder als Tätigkeit einzuplanen<br />

und zur passenden Zeit flächendeckend<br />

zu aktivieren. Gemeint ist dabei vor<br />

allem die Aus- und Weiterbildung der aktiven<br />

Musikantinnen und Musikanten, der<br />

Kapellmeister*innen, Jugendleiter*innen<br />

und Stabführer, die teilweise zentral, aber<br />

auch aufgeteilt in allen sechs Bezirken aufscheinen<br />

wird.<br />

Besondere Veranstaltungen sollen als<br />

Leuchttürme herausstechen und musikalische<br />

Farbe in den Alltag bringen. In der<br />

Verwaltung werden nach wie vor Hilfe und<br />

Unterstützung für die Organisation der Vereine<br />

angeboten. In diesem Sinne empfehlen<br />

wir auch allen Mitgliedskapellen, mit<br />

Mut und Zuversicht bisher Bewährtes wieder<br />

in Betracht zu ziehen und aufzugreifen.<br />

Umdenken – neue Ziele setzen –<br />

Qualität vor Quantität<br />

Der durch die Corona-Pandemie erzwungene<br />

gewaltige Einschnitt in der Tätigkeit<br />

stellt uns beim Wiederbeginn vor die wichtigen<br />

Fragen: Soll alles wie bisher so weitergeführt<br />

werden? Sind wir im Stande, das<br />

bisher Erreichte wieder 1:1 umzusetzen? Ist<br />

das überhaupt notwendig? Wäre das zukunftsorientiert?<br />

Corona wird uns wahrscheinlich wohl<br />

vieles lehren, wenn wir uns lehren lassen.<br />

Was uns sicher gut tun würde, ist das „Weniger<br />

ist mehr“ oder „Qualität vor Quantität“.<br />

Wenn wir daran denken, wie wir in Zukunft<br />

den Nachwuchs in unseren Musikkapellen<br />

finden sollen und wie wir nachher unsere<br />

jungen und älteren Mitglieder zum fleißigen<br />

Mitmachen motivieren können, werden<br />

obige Gedanken von großer Wichtigkeit sein.<br />

Freude und Lust entstehen nicht durch viele<br />

Proben und viele Konzerte, sondern sicher<br />

durch eine interessante und effiziente Probenarbeit<br />

und durch Konzerte, die berühren.<br />

Es werden in Zukunft besondere Ideen<br />

und Kreativität gefragt sein!<br />

Uns gegenseitig helfen –<br />

Partner suchen<br />

Sich gegenseitig helfen, ist immer gut. In<br />

schweren Zeiten zusammenstehen und<br />

dem anderen die Hand reichen, ist noch<br />

besser. Das heißt für mich, dass wir im<br />

neuen Jahr Maßnahmen treffen sollen,<br />

die uns beim Neustart unserer Tätigkeiten<br />

nützlich sind, uns Ideen zum Musizieren<br />

liefern, uns auf neue Gedanken<br />

bringen, uns interessante und machbare<br />

Wege aufzeigen. Wir sind alle aufgerufen,<br />

uns solidarisch zu zeigen und mitzuhelfen,<br />

aus dieser Krise möglichst unbeschadet<br />

herauszukommen. Sehr sinnvoll<br />

ist dabei immer, wenn man sich nicht<br />

durch Alleingänge die Kräfte raubt, sondern<br />

um sich blickt, nach Partnern Ausschau<br />

hält und sich Verbündete mit ins<br />

Boot holt. In der Gruppe und im Team<br />

geht alles leichter!<br />

Schluss<br />

Abschließend danke ich allen Verantwortungsträgern<br />

im Verband, in den Bezirken<br />

und Musikkapellen für die gute Zusammenarbeit<br />

im Jahr <strong>2020</strong> und für das erwiesene<br />

Verständnis in schwierigen Fragen. Für den<br />

Neustart, der hoffentlich möglichst bald beginnen<br />

sollte, helfen uns nur Freude und<br />

Optimismus. Die Leidenschaft zum Musizieren<br />

und zum Miteinander im Verein ist<br />

eine starke Triebfeder! Und denken wir immer<br />

an das Wertvolle und Schöne, das wir<br />

durch unser Engagement im Dienste an unserer<br />

Gesellschaft leisten! Dafür können wir<br />

uns gerne fest einsetzen!<br />

Viel Glück für 2021,<br />

vor allem Gesundheit!<br />

Pepi Fauster, Verbandsobmann<br />

22<br />

KulturFenster


Die Jugendseiten<br />

Blasmusik<br />

303 Leistungsabzeichen verliehen<br />

Erleichterung und Dankbarkeit über ein bisschen Normalität<br />

Die Prüfungen wurde coronabedingt mit den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit<br />

abgehalten.<br />

Am letzten Oktoberwochenende wurden die<br />

im März und Juni coronabedingt ausgefallenen<br />

Prüfungen zu den Leistungsabzeichen<br />

nachgeholt. Dazu hatte Verbandsjugendleiter<br />

Hans Finatzer mit seinem Team<br />

ein eigenes Sicherheitskonzept erarbeitet,<br />

damit die Prüfungen – heuer unter Ausschluss<br />

der Öffentlichkeit – überhaupt abgehalten<br />

werden konnten.<br />

Sowohl bei den Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmern, aber auch bei den Lehrpersonen<br />

und den Juroren sei „große Erleichterung<br />

und Dankbarkeit über ein bisschen<br />

Normalität“ spürbar gewesen, freute sich<br />

Finatzer. Bis zum Schluss habe man versucht,<br />

allen gesundheitlichen und gesetzlichen<br />

Vorgaben gerecht zu werden, um<br />

die Prüfungen ordnungsgemäß abhalten<br />

zu können. Von den ursprünglich angemeldeten<br />

323 Jugendlichen, konnten schließlich<br />

20 coronabedingt nicht zur Prüfung<br />

antreten. Für sie wurden über die Musikschulen<br />

alternative Termine angeboten,<br />

„damit auch sie die Prüfung in eine der<br />

drei Leistungsstufen absolvieren können“,<br />

erklärt Finatzer.<br />

Hans Finatzer,<br />

VSM-Verbandsjugendleiter<br />

Am Samstag wurden die Bronze- und<br />

Silberprüfungen an den Musikschulen von<br />

Auer, Bruneck, Klausen, Lana und Schlanders<br />

abgenommen. Am Sonntag konnten<br />

an der Musikschule Eppan 23 Diplome in<br />

Gold überreicht werden.<br />

Ein weiteres Novum war heuer auch<br />

der Anmeldemodus zur Prüfung. Erstmals<br />

mussten alle Anmeldungen über das<br />

neue Online-Portal auf der VSM-Homepage<br />

erfolgen. Dieses neue Angebot habe<br />

die Feuertaufe bestanden. Mit den Erfahrungen<br />

dieser ersten Anwendung soll das<br />

Anmeldeportal schrittweise auf alle Kursangebote<br />

des Verbandes ausgebaut werden,<br />

bestätigt Finatzer. Er habe es seit seinem<br />

Amtsantritt im März 2019 als Auftrag<br />

gesehen, dieses Projekt vorangetrieben<br />

und zusammen mit der Firma „Effekt!“<br />

aus Neumarkt konzipiert.<br />

Stephan Niederegger<br />

VSM-Medienreferent<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 23


Die Jugendseiten<br />

JUmBOS - die Jugendkapelle der<br />

Stadtkapelle Bozen<br />

Auf Gemeinsamkeiten und Freude an der Musik wird Wert gelegt<br />

Steckbrief<br />

Name: Die JUmBOs, Jugendkapelle Bozen<br />

Musikkapelle: Stadtkapelle Bozen<br />

Jugendteam: Heidi Schwarz und viele Helferinnen und Helfer<br />

Jungmusikanten: ca. 25 Kinder und Jugendliche von 8-18 Jahren<br />

Im Herbst 2019 hat sich die Jugendkapelle<br />

Bozen den neuen Namen JUmBOs gegeben.<br />

Dieser Name steht für Jugend, für Bozen und<br />

für jede Menge neuen Schwung und Elan<br />

in der Jugendarbeit.<br />

Für die Stadtkapelle Bozen ist die Jugendarbeit<br />

eine schwierige Angelegenheit,<br />

da Bozen mit den ihren verzweigten Gebieten<br />

und unterschiedlichen Zonen schwer<br />

zu überblicken ist. Anders als in den Gemeinden<br />

auf dem Lande, wo man sich<br />

bereits von klein auf kennt, kommen die<br />

Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen<br />

Teilen der Altstadt und kennen sich<br />

meist kaum untereinander. Trotzdem oder<br />

gerade deswegen hat man es sich zum Ziel<br />

gemacht, Kinder und Jugendliche der Altstadt<br />

und Umgebung zusammenzubringen,<br />

sie für das gemeinsame Musizieren<br />

zu begeistern und sie auf ihr großes Ziel<br />

vorzubereiten, nämlich die Aufnahme in<br />

die Stadtkapelle Bozen.<br />

Verschiedene Kulturen und Sprachen<br />

vereinigen sich in dieser jungen Truppe,<br />

denn so wie es auch in der Stadtkapelle<br />

Bozen Brauch ist, ist es auch den JUmBOs<br />

wichtig, nicht auf Unterschiede wie Herkunft<br />

und Sprache, sondern auf Gemeinsamkeiten<br />

und Freude an der Musik Wert zu<br />

legen. Seit einiger Zeit wächst nicht nur die<br />

Begeisterung unter den Jugendlichen, sondern<br />

auch die Jugendkapelle selbst wächst<br />

stetig und so sind mittlerweile über 25 Kinder<br />

und Jugendliche im Alter zwischen 8<br />

und 18 Jahren bei den JUmBOs dabei,<br />

sozusagen Jung und Alt. Das gegenseitige<br />

Verständnis und der gegenseitige Respekt<br />

sind bei allen Aktivitäten wichtig und richtig.<br />

Gerade in so einer schwierigen Zeit, wie<br />

sie es in diesem Jahr <strong>2020</strong> durch Corona<br />

ist, ist es von großer Bedeutung, den Kontakt<br />

zu den Jungmusikantinnen und -musikanten<br />

aufrecht zu erhalten. So wurde<br />

im Frühjahr das online-Video „Die JUm-<br />

BOs at homework“ erstellt, für welches zuerst<br />

alle ihre Stimme getrennt voneinander<br />

zu Hause eingespielt und dann zu einem<br />

gemeinsamen Clip zusammengeführt haben,<br />

als Erinnerung, Motivation und Hoffnung<br />

auf eine bessere Zukunft.<br />

Die JUmBOs beginnen im September mit<br />

wöchentlichen Proben und das Jahr endet<br />

traditionell mit einem Konzert im Mai am<br />

Blumenmarkt in Bozen. Dazwischen gibt<br />

es traditionelle Ziele wie das Weihnachtskonzert,<br />

das Konzert in der Goetheschule,<br />

das Spielen bei kirchlichen Anlässen und<br />

gemeinsame Ausflüge. Im Sommer darf<br />

Musik auch nicht fehlen, das beweist unsere<br />

Jugend bei den gemeinsamen Jugendbläserwochen<br />

zusammen mit der Jugend<br />

der Musikkapellen Kurtatsch, Penon, Neumarkt,<br />

Montan und Truden.<br />

Für die Zukunft ist es sehr wichtig, die<br />

Mädchen und Jungs zu fördern, guten<br />

Kontakt zu den Familien der Jungmusikantinnen<br />

und -musikanten zu halten, ihnen<br />

gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und<br />

Lehrern den Zugang zur Musik zu ermöglichen<br />

und gemeinsam mit allen Generationen<br />

innerhalb der Musikkapelle den<br />

Fortbestand der Stadtkapelle zu sichern.<br />

Jugendkapelle JUmBOs –<br />

Koordination Verbandsjugendleiter<br />

Hans Finatzer<br />

24<br />

KulturFenster


Blasmusik<br />

Drei der Jungmusikanten der JUmBOS<br />

Eva Niederwanger<br />

Eva<br />

Mein Name: Eva Niederwanger<br />

Alter: 11 Jahre<br />

Ich spiele: Klarinette<br />

Ich lerne dieses Instrument, weil: Es mir Spaß macht.<br />

In meiner Freizeit höre ich gerne: Rockmusik und Popmusik<br />

Was gefällt dir besonders an der Juka? Dass wir Konzerte machen und alle zusammen<br />

Spaß haben.<br />

3 Dinge, die du auf eine einsame Insel mitnehmen würdest: Mein Instrument, den Volleyball<br />

und die Freunde der Jugendkapelle.<br />

Wenn ich einen Wunsch frei hätte… würde ich gern in der Musikkapelle mit Papi spielen.<br />

Martin Cruciotti<br />

Martin<br />

Mein Name: Martin Cruciotti<br />

Alter: 12 Jahre<br />

Ich spiele: Saxophon<br />

Ich lerne dieses Instrument, weil: Weil es mir Spaß macht, wie mein Atem sich in<br />

Musik verwandelt.<br />

In meiner Freizeit höre ich gerne: Jede Art von Musik, auch die, die ich nicht sehr mag.<br />

Was gefällt dir besonders an der Juka? In Gemeinschaft zu spielen.<br />

3 Dinge, die du auf eine einsame Insel mitnehmen würdest: Mein Sax, meine Play Station,<br />

meinen besten Freund<br />

Wenn ich einen Wunsch frei hätte … Friede, Gesundheit und Freude auf die Welt bringen.<br />

Greta<br />

Greta Aster<br />

Mein Name: Greta Aster<br />

Alter: 12 Jahre<br />

Ich spiele: Trompete<br />

Ich lerne dieses Instrument, weil: ...ich mich darin wiederfinde.<br />

In meiner Freizeit höre ich gerne: Alle möglichen Musikgattungen.<br />

Was gefällt dir besonders an der Juka? Das gemeinsame Musizieren und Spaß haben<br />

3 Dinge, die du auf eine einsame Insel mitnehmen würdest: Meine Familie, meine Trompete<br />

und ein Pferd.<br />

Wenn ich einen Wunsch frei hätte ...würde ich mir wünschen einen Weg zu finden, die<br />

Welt verbessern zu können.<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 25


Ars Nova<br />

Mit einem leichten<br />

arabischen Touch<br />

Robert Neumairs Musik zum Stummfilm „Der müde Tod“<br />

Seit 2008 finden in Halle (Saale) die Filmmusiktage<br />

Sachsen-Anhalt statt. Seit 2013<br />

wird im Rahmen dieser Musiktage die interdisziplinäre<br />

Masterclass – DAS ORCHE-<br />

STER organisiert. Diese richtet sich an Studierende,<br />

Absolventen und Interessierte<br />

aus dem Bereich Filmmusik-Komposition.<br />

Dabei werden die Workshop-Teilnehmer<br />

von erfahrenen Dozenten betreut und ihnen<br />

die Möglichkeit geboten, mit Orchestern<br />

zu arbeiten. In Kooperation mit der<br />

Staatskapelle Halle steht ihnen dazu ein<br />

großes Sinfonieorchester zur Verfügung.<br />

In Zusammenarbeit mit der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung<br />

erhielten 2015 die<br />

Komponisten die Möglichkeit, einen Ausschnitt<br />

des Stummfilm-Klassikers „Der<br />

müde Tod“ (Fritz Lang 1921) zu vertonen.<br />

Auch der junge Komponist Robert Neumair<br />

aus dem Pustertal hat sich für diese<br />

Masterclass beworben, dazu Filmszenen<br />

vertont und seine Musik mit dem Orchester<br />

aufgenommen.<br />

Das „deutsche Volkslied in sechs<br />

Versen“, so der Untertitel zum Film, ist<br />

die romantisch-tragische Geschichte einer<br />

jungen Frau, die den Ehemann vom Tod<br />

zurückfordert. Wenn sie eines von drei Leben<br />

retten kann, deren Lichter bereits flackern,<br />

soll sie ihn zurückbekommen. Diese<br />

drei Episoden sind orientalisch (Rache der<br />

Gläubigen), venezianisch (Mord auf dem<br />

Karneval) und chinesisch (kaiserlicher Tyrann).<br />

In allen drei Fällen scheitert sie beim<br />

Versuch, ihren Geliebten zu retten. Neumairs<br />

Musik ist daher melancholisch angehaucht<br />

mit einem leichten arabischen<br />

Touch zur orientalischen Episode. Eingeleitet<br />

von Englischhorn, Klarinette und<br />

Oboe wird das neue Thema von den Streichern<br />

übernommen. Die musikalisch-dramatische<br />

Wendung unterstreicht die darauf<br />

folgende Verfolgungsszene durch Hinzunahme<br />

der Blechbläser und des Schlagzeugs.<br />

Nach einer rhythmischen Passage<br />

kehrt wieder etwas Ruhe ein, sobald die<br />

gestopften Hörner das Hauptthema spielen.<br />

Neumair untermalt die Geschichte<br />

Zur Person:<br />

Robert Neumair ist am 27. Jänner 1982 geboren und in St. Georgen bei Bruneck<br />

aufgewachsen. Bereits im Alter von 3 Jahren hat er begonnen, Steirische Harmonika<br />

zu lernen, später Klavier, Trompete, Schlagzeug, Bariton, Akkordeon, Gitarre<br />

und E-Bass. Am Tiroler Landeskonservatorium in Innsbruck hat er Trompete bei<br />

Prof. Erich Rinner und Klavier bei Gösta Müller studiert.<br />

In der Folge sammelte er bei verschiedenen Orchestern wichtige Erfahrungen für<br />

seinen weiteren musikalischen Werdegang. Derzeit ist er stellvertretender Solotrompeter<br />

der Deutschen Radiophilharmonie (Saarbrücken/Kaiserslautern)<br />

und Mitglied des Bläserensembles „Bozen Brass“.<br />

Bereits 2010 hat er seine eigene Firma „Soundfactory“ mit angeschlossenem<br />

Tonstudio gegründet. Kompositionen und Arrangements für<br />

verschiedene Ensembles, Musikkapellen, Blas- und Sinfonieorchester<br />

sowie Musikvideos, Film- und Theatermusik zählen zu seinem<br />

umfangreichen kompositorischen Schaffen.<br />

www.robertneumair.com<br />

26<br />

KulturFenster


Blasmusik<br />

mit sehr düsteren und rhythmischen Elementen.<br />

Ein Ritardando und Decrescendo<br />

führen zum Übergangsmotiv der Oboen,<br />

das wieder zur „orientalischen Musik“<br />

weiterleitet. Ein Trompetensolo begleitet<br />

die Liebesszene, bevor die Schlussphase<br />

sehr traurig – weil ohne Happy End – mit<br />

drei aufeinanderfolgenden as-Moll-Akkorden<br />

ausklingt.<br />

Das rund 4 ½ minütige Werk ist für Sinfonieorchester<br />

(Streicher 14-12-10-8-6, Bläser<br />

3-3-3-3 Blechbläser 4-3-3-1 Schlagzeug<br />

1-4) angelegt und derzeit noch nicht verlegt.<br />

Stephan Niederegger<br />

Partitur<br />

2 Takte Vorzähler<br />

A q=80<br />

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Der müde Tod<br />

Filmmusik zum Stummfilm für den Filmmusikworkshop "Masterclass" in Halle/Saale<br />

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Horn in F 1<br />

Horn in F 2<br />

Horn in F 3<br />

Horn in F 4<br />

Posaune 1<br />

Posaune 2<br />

Bass-Posaune<br />

Tuba<br />

Pauken<br />

Becken<br />

Harfe<br />

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Chrashbecken<br />

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Die 1. Seite der Partitur zu „Der müde Tod“ (oben)<br />

Der Film „Der müde Tod“ ist 1921 unter der<br />

Regie des legendären österreichisch-deutschen<br />

Filmschaffenden Fritz Lang entstanden. (links)<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 27


Kritisch hingehört<br />

Verwöhnprogramm<br />

mit erlesener Bläsermusik<br />

Bürgerkapelle und Kulturverein Brixen bieten erfolgreiche<br />

Konzertreihe in der Hofburg<br />

Nach dem langen kulturellen und gesellschaftlichen<br />

Stillstand im Frühling<br />

haben die Bürgerkapelle Brixen und der<br />

Kulturverein Brixen Musik den heurigen<br />

„Musiksommer in der Hofburg“ unter anderen<br />

Vorzeichen, aber nicht minder erfolgreich<br />

veranstaltet, unterstützt von der<br />

Tourismusgenossenschaft und von der<br />

Gemeinde Brixen. Im wunderbaren Ambiente<br />

des Innenhofs der Brixner Hofburg<br />

waren sieben sehr ansprechende Konzerte<br />

zu erleben.<br />

Die Bläser des Haydn Orchesters haben<br />

den Beginn mit Mozarts Serenade „Gran<br />

Partita“ gemacht und die Reihe auch unter<br />

der Leitung des Startrompeters Marco<br />

Pierobon beendet.<br />

Dazwischen waren das Cinquino Brass<br />

Quintett (Brainstorm), Bozen Brass (Surprise)<br />

und die Musikkapelle Lana (Farben<br />

der Bläsermusik) zu hören. Das heimische<br />

Publikum war von den „jungen<br />

Talenten am Podium“ mit den Ensembles<br />

„MischMasch“, „Pentakis mit Schlag“<br />

und „Vipialma“ sehr angetan. Das junge<br />

preisgekrönte Quintett „Urban Brass“ aus<br />

Süddeutschland hat mit bester Bläserkultur<br />

und hoher Musikalität überzeugt<br />

(„Summertime on Broadway“).<br />

Zweifellos war aber die von der Bürgerkapelle<br />

Brixen gestaltete „Königliche<br />

Freiluftmusik“ ein besonderer Höhepunkt.<br />

Dabei wurde der ganze Innenhof der Hofburg<br />

optisch und akustisch mit einbezogen.<br />

Die Auszüge aus Händels „Wassermusik“<br />

und „Feuerwerksmusik“ wurden<br />

in gekonnter Instrumentation von den Registern<br />

der Bürgerkapelle stilsicher interpretiert,<br />

geleitet vom hochmotivierenden<br />

Kapellmeister Hans Pircher. Das Publikum<br />

hat die Aufführungen sehr geschätzt und<br />

die Anstrengungen von Organisatoren und<br />

Musikern mit viel Anerkennung und Applaus<br />

honoriert.<br />

Nathan Vikoler<br />

Sowohl akustisch als auch optisch ein Genuss: der Musiksommer in der Hofburg in<br />

Brixen (Fotos: Matthias Gasser)<br />

Zu den hochkarätigen Gästen bei den Sommerkonzerten in der Hofburg zählten auch<br />

die Bläser des Haydn Orchesters.<br />

28<br />

KulturFenster


Neues<br />

Blasmusik<br />

ITALLEGRO - für eine Pause im Alltag<br />

Italienische Musik-Begriffe von A-Z<br />

Jutta Eckes ist aus Leidenschaft Italianistin,<br />

Italienischdozentin an Musikhochschulen<br />

in Köln, Mainz und Darmstadt, Dolmetscherin,<br />

Übersetzerin, Lehrbuchautorin,<br />

und als Italienisch-Sprachcoach für Sängerinnen<br />

und Sänger bei Opernproduktionen<br />

feilt sie akribisch an Details.<br />

Ihre Begeisterung für<br />

die italienische Sprache<br />

entfachte sich<br />

früh – als sie mit<br />

acht Jahren zum ersten<br />

Mal in Italien<br />

war. Beim Spiel mit<br />

einem anderen Kind<br />

kam sie mit der „lucertola“<br />

(Eidechse)<br />

in Berührung – eine<br />

sprachliche Begegnung,<br />

die sie bis<br />

heute nicht mehr<br />

loslässt. Ihre neueste<br />

Publikation<br />

unter dem Titel<br />

„Itallegro“ (Italiano<br />

+ Allegro)<br />

tummelt sich in<br />

vielen Facetten<br />

der Musiksprache – im Zusammenspiel<br />

von Worten und dem Wesen von Musik.<br />

Sie übersetzt und erläutert rund 400 italienische<br />

Begriffe von „abbandono“ bis<br />

„zingara“. Die Autorin will auf unterhaltsame<br />

Weise, auch anhand von Anekdoten,<br />

den Blick auf die Sprache öffnen und<br />

die Lust am Italienischen wecken: etwa<br />

auf die Herkunft eines Wortes oder dessen<br />

Verwendung im alltäglichen Sprachgebrauch.<br />

Bei einer Reihe von Begriffen<br />

ergeben sich überraschende Einsichten.<br />

Die Texte sind durch Illustrationen vom<br />

iranischen Künstler Mehrdad Zaeri vervollständigt:<br />

„Sie beleuchten den Text, sie<br />

wiederholen ihn nicht.“<br />

Das handliche quadratische Buch ist<br />

im Verlag „Breitkopf & Härtel“ erschienen<br />

und lädt ein zum Schmunzeln, Nachdenken<br />

und Nachklingen lassen. Es öffnet<br />

ein Zeitfenster für eine Pause im Alltag.<br />

Auch die Aussprache kommt nicht<br />

zu kurz: die wichtigsten Regeln sind im<br />

Buch aufgelistet und die allermeisten Wörter<br />

– vorgesprochen – zum Download auf<br />

www.breitkopf.com im mp3-Format abrufbar.<br />

Stephan Niederegger<br />

„Bolero“ fürs klassische Bläserquintett<br />

Eine Empfehlung für ambitionierte Ensembles<br />

Bis vor kurzem waren zwar Proben und Aufritte<br />

der gesamten Musikkapelle möglich,<br />

für viele dennoch problematisch oder organisatorisch<br />

nicht durchführbar. Das Spiel in<br />

kleinen Gruppen war daher eine willkommene<br />

Alternative und motivierte mancherorts<br />

vermehrt zum Ensemblespiel.<br />

Viele Verlage haben sich daher im Corona-Frühjahr<br />

und Sommer vor allem auf<br />

dieses Repertoire konzentriert und teils<br />

auch neue Werke und Arrangements veröffentlicht.<br />

Beim Stöbern nach entsprechendem<br />

Notenmaterial fällt ein Werk besonders<br />

ins Auge: Maurice Ravels „Bolero“.<br />

Christian Beyer wagt mit dieser Bearbeitung<br />

etwas, bei dem die meisten Arrangeure<br />

sicher die Hände über dem Kopf<br />

zusammengeschlagen hätten. Das Ergebnis<br />

ist jedoch beachtlich: eine (stil- und<br />

sinnvoll gekürzte) Fassung des bekannten<br />

Meisterwerkes, das durch geschickte Instrumentation<br />

die Klangfarben und -möglichkeiten<br />

des klassischen Bläserquintetts<br />

(Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott)<br />

vollständig ausreizt. Das Ostinato der kleinen<br />

Trommel kann ad libitum hinzugefügt<br />

werden. Für die ersten vier Takte sind Klappengeräusche<br />

von Oboe und Klarinette für<br />

die Einführung des Rhythmus zuständig.<br />

Das Arrangement ist im Verlag „Breitkopf<br />

& Härtel“ erschienen.<br />

Stephan Niederegger<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 29


Musikpanorama<br />

Generalversammlung unter besonderen Vorzeichen<br />

MK Zwölfmalgreien hofft auf baldige Rückkehr zur Normalität<br />

Es lief heuer alles anders als geplant,<br />

in diesem Jubiläumsjahr der Zwölfmalgreiner:<br />

Nicht nur die verschiedenen Veranstaltungen<br />

zum 100-jährigen Bestehen,<br />

sondern auch die alljährliche Generalversammlung<br />

musste von März auf Oktober<br />

verschoben werden und fand im Stadttheater<br />

Gries statt.<br />

Dabei hielt die Musikkapelle Rückschau<br />

auf das Tätigkeitsjahr 2019 und die ersten<br />

Monate <strong>2020</strong>. Obmann Stefan Declara und<br />

Kapellmeister Stefan Aichner bedankten<br />

sich bei allen Musikantinnen und Musikanten<br />

für ihren Einsatz und ihre Motivation.<br />

Sie sprachen die Möglichkeiten zum<br />

Proben und für Auftritte in den nächsten<br />

Monaten an und äußerten ihren Wunsch<br />

auf eine baldige Rückkehr zur Normalität.<br />

Im Rahmen der Versammlung wurden<br />

auch drei neue Musikanten aufgenommen:<br />

Felix Kössler, Lars Kusstatscher und<br />

Thomas Spögler spielen nun in den Reihen<br />

der Zwölfmalgreiner mit.<br />

Brigitte Thurner<br />

Kapellmeister Stefan Aichner (ganz links) und Obmann Stefan Declara (ganz rechts)<br />

mit den neu aufgenommenen Musikanten Lars Kusstatscher, Felix Kössler und<br />

Thomas Spögler (v. l.) © MK Zwölfmalgreien/Oliver Oppitz<br />

Alles Gute zur Goldenen Hochzeit!<br />

Die MK Niederdorf gratuliert ihrem Ehrenkapellmeister Sepp Walder und seiner Frau Christl<br />

Die Musikkapelle Niederdorf hat<br />

ihrem Ehrenkapellmeister Sepp<br />

Walder und seiner Frau Christl<br />

zum runden Hochzeitsjubiläum<br />

gratuliert. Die Chronik der Musikkapelle<br />

berichtet vom Hochzeitsständchen,<br />

das die Musikanten<br />

am 10. Oktober 1970 dem jungen<br />

Brautpaar in Oberlienz gespielt<br />

haben.<br />

Walder dirigierte die Kapelle<br />

mit kurzer Unterbrechung von<br />

1970 bis 1998. Für seine Verdienste<br />

wurde er daraufhin zum<br />

Ehrenkapellmeister ernannt. Zudem war<br />

er 40 Jahre lang Chorleiter und Organist<br />

in Niederdorf, derzeit in St. Sigmund. Die<br />

Ehrenkapellmeister Sepp Walder und<br />

seine Frau Christl wurden anlässlich<br />

ihres goldenen Hochzeitsjubiläums vom<br />

Vorstand der MK Niederdorf überrascht.<br />

Tradition im Verein will es, dass<br />

den Mitgliedern zu besonderen<br />

Hochzeitsjubiläen gratuliert wird.<br />

Das dazu geplante musikalische<br />

Stelldichein ist ausnahmsweise<br />

nicht den Covid-19-Bestimmungen,<br />

sondern dem schlechten<br />

Wetter zum Opfer gefallen.<br />

Obmann Robert Burger und der<br />

Vereinsvorstand haben es sich<br />

aber nicht nehmen lassen, das<br />

Jubelpaar mit einem Geschenkskorb<br />

zu überraschen und die<br />

Glückwünsche der gesamten<br />

Kapelle zu überbringen: „Ein Hoch auf<br />

das Jubelpaar!“<br />

-sn-<br />

30<br />

KulturFenster


Das Thema<br />

Heimatpflege<br />

Wenn die<br />

Wertschätzung<br />

fehlt …<br />

Beiträge für Landschaftspflege: Verband gibt<br />

Abwicklung der Ansuchen ab – Die Hintergründe<br />

Seit rund 50 Jahren ist der Heimatpflegeverband<br />

Südtirol erster Ansprechpartner<br />

für all jene, die ein bäuerliches Kleindenkmal<br />

errichten oder erhalten möchten und<br />

dabei finanzielle Unterstützung brauchen.<br />

Mit Ende des Jahres <strong>2020</strong> sieht sich der<br />

Heimatpflegeverband gezwungen, die Bearbeitung<br />

der Gesuche um entsprechende<br />

Beiträge für die Landschaftspflege an das<br />

Landesamt für Landschaftsschutz abzutreten.<br />

Nicht der fehlende Wille, sondern<br />

ganz andere Gründe liegen hinter dieser<br />

Entscheidung.<br />

Ein geflochtener Speltenzaun am Wegesrand,<br />

ein uriger Backofen am Hofeingang,<br />

eine Mühle nahe des Baches, ein<br />

Strohdach auf dem Stadel oder eine traditionelle<br />

Trockensteinmauer als Hangstütze<br />

– derart selten sind diese einst<br />

üblichen bäuerlichen Objekte geworden,<br />

dass sie im Vorbeigehen sofort ins<br />

Auge fallen, dass sie bestaunt und fotografiert<br />

werden. Unwillkürlich verbindet<br />

man sie mit der „guten alten Zeit“. Aber<br />

nicht nur: Sie stehen auch für Langlebigkeit,<br />

für traditionelles Handwerk, für die<br />

typische Südtiroler Landschaft und nicht<br />

zuletzt für einfaches Leben mitten in einer<br />

einzigartigen Natur: In einem Ofen<br />

wurde das Brot für ein ganzes Jahr gebacken.<br />

Eine Trockenmauer übersteht<br />

viele Jahrzehnte und ist ein wahres Biotop<br />

für Pflanzen und Tiere. Ein geflochtener<br />

Zaun dient als Einfriedung von Weideflächen<br />

und ist durch unterschiedliche<br />

Formen gleichzeitig ein Markenzeichen<br />

für eine Talschaft. Ein Schindel- oder ein<br />

Strohdach erfüllten alle Kriterien, die man<br />

heutzutage unter dem Begriff Nachhaltigkeit<br />

anführt. Nicht zuletzt sind Bildstöcke,<br />

Kapellen, Weg- und Feldkreuze religiöse<br />

Zeugnisse unserer Kulturlandschaft.<br />

Zeichen der Zeit<br />

Aber warum sind sie dann so selten geworden?<br />

Warum haben viele dieser Objekte<br />

die „gute alte Zeit“ nicht überdauert?<br />

Der langjährige Geschäftsführer des<br />

Heimatpflegeverbandes, Josef Oberhofer,<br />

hat darauf eine pragmatische Antwort:<br />

„Die Weiterentwicklung des bäuerlichen<br />

und die Veränderung des gesellschaftlichen<br />

Lebens, die Technisierung auf<br />

dem Hof …“ – kurzum: Es ist der Lauf<br />

der Zeit, der diese bäuerlichen Objekte<br />

zu Raritäten hat werden lassen. Aber gerade<br />

deshalb dürfen sie nicht aussterben<br />

oder rein musealen Zwecken zugeführt<br />

werden, wie Claudia Plaikner, die<br />

Obfrau des Heimatpflegeverbandes, betont:<br />

„Sie sind nämlich prägende Elemente<br />

der Kulturlandschaft und erzählen<br />

sowohl von der bäuerlichen Wirtschaftsweise<br />

als auch von einem praktisch-ästhetischen<br />

Gefühl für die Gestaltung von<br />

Landschaft und Wohnort.“<br />

Wie alles begann<br />

Den großen Wert der bäuerlichen Kleindenkmäler<br />

erkannte der Heimatpflegeverband<br />

schon vor rund sechs Jahrzehnten.<br />

Damals, Anfang der 1960er-Jahre, konnte<br />

er zunächst eine finanzielle Unterstützung<br />

von Seiten des Landes für Arbeit und Material<br />

beim Decken von Strohdächern (siehe<br />

eigenen Bericht) durchsetzen. Aber erst<br />

rund 20 Jahre später startete der damalige<br />

Obmann, Ludwig Walther Regele, eine<br />

erneute Initiative, und zwar zur Rettung<br />

alter Mühlen, deren Sanierung daraufhin<br />

durch einen eigenen sogenannten Mühlenfonds<br />

über das Landesamt für Kultur<br />

gefördert wurde.<br />

Wegkreuze sind stille Zeugen<br />

christlichen Glaubens.<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 31


Das Thema<br />

Nach und nach konnten weitere<br />

bäuerliche oder typisch ländliche<br />

Objekte mit Geld aus diesem<br />

Fonds saniert und dadurch erhalten<br />

werden. Waren es zunächst<br />

einzelne, so ließ ein Zeitungsartikel<br />

von Verbandsgeschäftsführer<br />

Josef Oberhofer über die Fördermöglichkeiten<br />

das Interesse an<br />

der Erhaltung dieser Kleindenkmäler<br />

ab dem Jahr 1991 schlagartig<br />

steigen. Immer mehr Bauern<br />

entdeckten den Wert dieses oder<br />

jenes scheinbar nicht mehr nützlichen<br />

Objektes und suchten um<br />

Beiträge an. Die Bereitstellung der<br />

Gelder musste deshalb auf zwei<br />

Landesämter aufgeteilt werden.<br />

Die Errichtung bzw. Erneuerung<br />

von Holzzäunen, Stroh- und Schindeldächern,<br />

Trockensteinmauern,<br />

Harpfen und Waalen wurde aus<br />

Mitteln des Amtes für Landschaftsschutz<br />

gespeist, Wegkreuze, Bildstöcke, Kapellen,<br />

Mühlen, Sonnenuhren, Dorfbrunnen,<br />

Backöfen und andere Objekte wurden vom<br />

Amt für Kultur gefördert. Seit rund 15 Jahren<br />

werden alle Erhaltungsmaßnahmen aus<br />

Mitteln des Landschaftsschutzes gespeist.<br />

Tausende Objekte erhalten<br />

Man kann ruhig behaupten, dass durch<br />

die Landschaftspflegebeiträge Tausende<br />

von bäuerlichen Kleindenkmälern, die das<br />

Kultur- und Landschaftsbild Südtirols prägen,<br />

vor dem Verfall gerettet wurden. Nur<br />

durch die finanzielle Unterstützung war es<br />

den Eigentümern überhaupt möglich, sie zu<br />

bewahren. Andererseits wurden zahlreiche<br />

Bauern durch die Förderungen dazu animiert,<br />

Zäune, Mauern oder Dächer auf traditionelle<br />

Weise zu errichten und dadurch<br />

zum Fortbestand der typischen Südtiroler<br />

Kulturlandschaft beizutragen.<br />

Dass bei der Sanierung oder Errichtung<br />

von bäuerlichen Kleindenkmälern immer<br />

auch ein wenig Passion und Liebe zur Tradition<br />

vorhanden sein müssen, versteht<br />

sich schon allein aus der Tatsache, dass<br />

die Förderbeiträge eben nur Beiträge sind<br />

und der rein wirtschaftliche Vorteil selten<br />

gegeben ist. Auch gibt es immer weniger<br />

Fachleute, die sich auf traditionelles<br />

Handwerk verstehen, und das Weitergeben<br />

von Erfahrungen durch die Bauern selber<br />

scheitert oft an fehlender Zeit oder mangelndem<br />

Interesse. Die Entscheidung für<br />

Schindeldächer sind nachhaltig<br />

und langlebig. Im Unterschied<br />

zu den Strohdächern findet man<br />

sie im ländlichen Raum auf<br />

Bauernhöfen noch recht häufig.<br />

den Erhalt der Kulturlandschaft ist daher<br />

oft eine schwierige. Gerade deshalb gebührt<br />

jenen, die sie treffen, große Wertschätzung.<br />

Immerhin sind es mittlerweile<br />

500 bis 600 Gesuchsteller pro Jahr, und<br />

die Beiträge belaufen sich jährlich auf insgesamt<br />

etwa 1,5 Millionen Euro.<br />

Verband als Initiator<br />

Soweit die Fakten – nun zur Rolle des Heimatpflegeverbandes<br />

in diesem Bereich: Er<br />

ist und war seit jeher erster Ansprechpartner<br />

für Eigentümer bäuerlicher Kleindenkmäler.<br />

Er kümmerte sich um die Beratung<br />

sowie um die Beitragsabwicklung. Dabei<br />

setzte ab den 1990er-Jahren vor allem Geschäftsführer<br />

Josef Oberhofer alles daran,<br />

den Eigentümern ihre Entscheidung zu erleichtern.<br />

Er erwirkte u. a., dass jene, die<br />

die Arbeiten selber durchführen, eine sogenannte<br />

Eigenrechnung ausstellen können,<br />

um an Beiträge zu gelangen. Er bemühte<br />

sich auch um ehrenamtliche Sachbearbeiter,<br />

die die Antragsteller vor Ort beraten<br />

und durch den Genehmigungsprozess<br />

führen (siehe eigenen Bericht). Ja sogar<br />

bei verschiedenen Handwerkern<br />

wurde er vorstellig, um sie für die<br />

traditionellen Arbeitsweisen zu<br />

gewinnen: So ließen sich etwa<br />

zwei Dachdecker in die Kunst<br />

des Strohdach-Deckens einweihen.<br />

Im Verbandsbüro im Bozner<br />

Waltherhaus hingegen wurden<br />

die eingereichten Gesuche<br />

weiterbearbeitet und an die zuständigen<br />

Ämter weitergeleitet.<br />

Woran es hakt<br />

„Für uns ist diese Tätigkeit zur<br />

Tradition geworden, und man verspürt<br />

eine gewissen Genugtuung,<br />

wenn man da und dort ein neu errichtetes<br />

Schindeldach oder einen<br />

handwerklich hergestellten Holzzaun<br />

sieht“, sagt Josef Oberhofer.<br />

Allerdings habe sich der Aufwand<br />

zum Erhalt von Beiträgen in den<br />

vergangenen Jahren enorm erhöht, und vor<br />

allem sei die Kommunikation mit der Abteilung<br />

für Natur, Landschaft und Raumentwicklung<br />

schlechter geworden: „Die Eigentümer<br />

müssen nicht nur immer strengere<br />

Auflagen erfüllen, sondern die Gesuche<br />

sind auch zunehmend kompliziert. Außerdem<br />

erachtet man es im genannten Landesamt<br />

offenbar nicht als notwendig, den<br />

Heimatpflegeverband in Entscheidungen<br />

einzubinden oder wenigstens vorab zu informieren,<br />

wenn zum Beispiel die Beitragsrichtlinien<br />

abgeändert werden.“<br />

Sämtliche Bemühungen um einen regelmäßigen<br />

Gedankenaustausch seien in den<br />

vergangenen Jahren stets abgeblockt worden.<br />

Man fühle sich als Bittsteller, zumal der<br />

Verband nunmehr jedes Jahr ein Angebot<br />

mit Spesenabschlag einreichen müsse, um<br />

diese Tätigkeit überhaupt durchführen zu<br />

können – obwohl er sie nicht nur initiiert,<br />

sondern auch viele Bauern erst dazu motiviert<br />

hat, Südtirols charakteristische Kulturgüter<br />

zu erhalten. „Wir erfahren immer<br />

erst im letzten Augenblick, ob unser Ansuchen<br />

angenommen wurde“, beklagt Josef<br />

Oberhofer. „Das alles zeugt von mangelnder<br />

Wertschätzung gegenüber dem Verband.“<br />

Der Geschäftsführer des Heimatpflegeverbandes<br />

merkt andererseits aber<br />

auch an, dass sich ein Anspruchsdenken<br />

in der Bevölkerung breit gemacht habe und<br />

Beiträge mitunter als Rechtsanspruch betrachtet<br />

würden: „Auch hier geht es letztendlich<br />

um Wertschätzung.“<br />

32<br />

KulturFenster


Heimatpflege<br />

Seltener Anblick: ein Paarhof (Felder) in Villanders, dessen altes Wohnhaus mit einem Schindeldach, der Stadel mit einem<br />

Strohdach gedeckt ist. (Fotos: Josef Oberhofer)<br />

Die Entscheidung<br />

Viel Herz, Zeit und Energie hat der Heimatpflegeverband<br />

in den vergangenen<br />

Jahrzehnten in die Erhaltung von bäuerlichen<br />

Kleindenkmälern gesteckt. Doch<br />

angesichts dieser Entwicklungen sieht er<br />

sich nicht mehr imstande, diese Tätigkeit<br />

fortzuführen. Nach langen Überlegungen<br />

und eingehenden Diskussionen im Vorstand<br />

und mit den Sachbearbeitern hat<br />

der Verband beschlossen, sich mit Ende<br />

des Jahres <strong>2020</strong> aus der Abwicklung der<br />

Vergabe von Beiträgen für die Landschaftspflege<br />

zurückzuziehen.<br />

„Bleiben Ratgeber“<br />

Obfrau Claudia Plaikner und ihren Mitarbeitern<br />

ist das Thema jedoch weiterhin<br />

ein großes Anliegen: „Ob und wie die<br />

Eigentümer von bäuerlichen Kleindenkmälern<br />

beim Amt für Natur, Landschaft<br />

und Raumentwicklung um die Landschaftspflegbeiträge<br />

ansuchen können,<br />

ist unklar. Es ist für den Verband jedoch<br />

sehr wichtig, dass dies auch weiterhin<br />

geschieht, damit diese wertvollen kleinen<br />

kulturlandschaftlichen Akzente erhalten<br />

bleiben.“ Letztendlich hänge es<br />

aber vom Besitzer selbst ab, ob er generell<br />

den Wert dieser Kulturelemente erkennt<br />

und auch deren Umgebung pflegt.<br />

Die Obfrau betont, dass sich der Heimatpflegeverband<br />

weiterhin für die Förderung<br />

der Landschaftspflege einsetzen<br />

wird: „Zwar ist die Betreuung der Gesuchsabwicklung<br />

an das Verwaltungsamt<br />

für Raum und Landschaft zurückgefallen,<br />

wir bleiben jedoch Ratgeber<br />

für offene Fragen in diesem Bereich.“<br />

Dem Heimatpflegeverband gibt die<br />

nunmehr frei werdende Kapazität die Möglichkeit,<br />

sich einigen anderen wichtigen<br />

Bereichen verstärkt zu widmen, etwa der<br />

Sensibilisierung der Gesellschaft für die<br />

Baukultur des Landes, aber auch der Zusammenarbeit<br />

mit Schulen und Jugendorganisationen.<br />

Edurh Runer<br />

Landschaftspflege in Zahlen<br />

» 1.500.000 Euro werden jährlich ungefähr<br />

für Landschaftspflegebeiträge<br />

bereitgestellt.<br />

» 500 bis 600 Eigentümer stellen jährlich<br />

einen Beitragsantrag.<br />

» 322 Holzzäune wurden 2019 saniert<br />

bzw. errichtet, womit die Holzzäune<br />

an erster Stelle der Objekte stehen,<br />

die mit Hilfe von Beiträgen erhalten<br />

werden.<br />

» 154 Schindeldächer wurden 2019<br />

saniert bzw. errichtet – damit liegen<br />

diese an zweiter Stelle.<br />

» 9 Wegkreuze, 8 Bildstöcke, 6 Kapellen<br />

und 4 Mühlen lautet die weitere<br />

Reihenfolge der bäuerlichen Kleindenkmäler<br />

auf der Beitragsliste 2019.<br />

Die Anzahl der Strohdächer indessen<br />

sinkt kontinuierlich. Ungefähr 10 gibt es<br />

noch in ganz Südtirol, 4 davon in Vöran.<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 33


Das Thema<br />

Begutachten, beraten,<br />

begleiten<br />

Sachbearbeiter Franz Fliri blickt zurück<br />

Eine restaurierte Kapelle in Naturns: Franz Fliri hat die Arbeiten als ehrenamtlicher<br />

Sachbearbeiter begleitet.<br />

Franz Fliri<br />

In folgendem Bericht erzählt Franz Fliri, der dienstälteste Sachbearbeiter für die bäuerlichen<br />

Kleindenkmäler im Heimatpflegeverband Südtirol, über seine mehr als 30-jährige<br />

Tätigkeit, bei der er viele gute und nur wenige negative Erfahrungen gemacht hat.<br />

Mit der Einstellung der Tätigkeit des Verbandes im Bereich der Landschaftspflegeprämien<br />

geht nun auch die Ära der ehrenamtlichen Sachbearbeiter zu Ende.<br />

Aufgewachsen in einer großen Bergbauernfamilie<br />

auf dem Naturnser Sonnenberg,<br />

wurde der Bezug zur Natur- und<br />

Kulturlandschaft schon im Kindesalter<br />

gelegt. Der Grundsatz, mit der Natur<br />

zu leben und zu arbeiten, war überall<br />

sichtbar.<br />

Für mich war immer klar: Der Erhalt der<br />

Natur- und Kulturlandschaft mit all den<br />

bäuerlichen Kleindenkmälern ist zu unterstützen.<br />

Die Landesregierung unter Landeshauptmann<br />

Dr. Silvius Magnago sah<br />

dies auch so und sicherte eine finanzielle<br />

Unterstützung zu, wenn diese bäuerlichen<br />

Kleindenkmäler erhalten und<br />

gepflegt werden.<br />

Im Jahr 1987 wurde ich vom damaligen<br />

Kulturreferenten der Gemeinde Naturns,<br />

Josef Pircher, für die ehrenamtliche Tätigkeit<br />

als Sachbearbeiter beauftragt. Unter<br />

Anleitung des hoch geschätzten Rittner<br />

Heimatpflegers Hans Rottensteiner erfolgte<br />

die notwendige Einschulung.<br />

Seitdem bin ich in den Gemeinden im<br />

Untervinschgau, einige Jahre auch im Martelltal,<br />

ehrenamtlich und bis zur Pensionierung<br />

in meiner Freizeit unterwegs, und<br />

das sehr oft auch an Sonn- und Feiertagen.<br />

Wenn man mit Herzblut dabei ist, geht<br />

vieles leichter, man nimmt jede Anstrengung<br />

gerne in Kauf, da spielen das Wetter<br />

oder längere Fußmärsche keine Rolle.<br />

Bei den vielen Beratungen und Abnahmen<br />

über die Jahre herauf darf ich Folgendes<br />

anmerken:<br />

• Den allermeisten Antragstellern war und<br />

ist der Erhalt der bäuerlichen Kleindenkmäler<br />

ein großes Anliegen. Ein<br />

Verschwinden dieser prägenden Landschaftselemente<br />

– das war und ist auch<br />

ihnen bewusst – kommt einer Ausräumung<br />

der Landschaft gleich.<br />

• Für einige Eigentümer war der vom Gesetz<br />

festgelegte Beitrag jedoch viel zu<br />

niedrig angesetzt, somit wurde das Objekt<br />

dem Verfall preisgegeben.<br />

• Die Wertschätzung gegenüber den Sachbearbeitern<br />

für deren ehrenamtliche Tätigkeit<br />

verringerte sich in den vergangenen<br />

Jahren wesentlich. Dazu hat sicher<br />

die Hektik dieser Zeit beigetragen.<br />

34<br />

KulturFenster


Heimatpflege<br />

Viele Wetterunbilden hätte dieser Holzzaun im Schnalstal<br />

nicht mehr überstanden.<br />

Und so zeigt sich der Zaun heute.<br />

Ich zeige hier stellvertretend einige<br />

Erlebnisse auf:<br />

• Ich kann mich noch genau an das<br />

erste Beratungsgespräch am Naturnser<br />

Sonnenberg erinnern, bei dem<br />

ich auf die traditionelle Errichtung<br />

eines Lattenzaunes hinwies, inklusive<br />

der aufwendigen Antragstellung, mit<br />

Schreibmaschine geschrieben. Nach<br />

Abschluss der Arbeiten erfuhr dieser<br />

Zaun hohe Wertschätzung und war<br />

beispielgebend für den Erhalt des<br />

Landschaftsbildes.<br />

• In guter Erinnerung bleibt mir auch<br />

die Sanierung einer wasserbetriebenen<br />

Mühle in der Talsohle im Untervinschgau.<br />

Von Beginn an war ich<br />

dabei, sei es für die Beratung, sei es<br />

bei der Durchführung der Arbeiten.<br />

Eine wasserbetriebene Mühle in Funktion<br />

hat wirklich Seltenheitswert. Die<br />

Mühle ist für Vorführungen für Schulklassen,<br />

Einheimische sowie auch<br />

Touristen geöffnet.<br />

• Einen negativen Eindruck hinterließ<br />

es bei mir, wenn einige Antragsteller<br />

bei den zuständigen Ämtern die Verringerung<br />

oder Ablehnung des Beitrages<br />

aufgrund von nicht fachgerechter<br />

Ausführung hinterfragten.<br />

Der Anblick der vielen Ordner voll von Ansuchen,<br />

Beratungs- und Abnahmeprotokollen<br />

erweckt dennoch eine Zufriedenheit,<br />

etwas zum Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft<br />

beigetragen zu haben.<br />

Was die weitere Unterstützung seitens<br />

des Landes betrifft, hoffe ich sehr, dass dies<br />

nach wie vor gewährleistet bleibt.<br />

Bäuerliche Kleindenkmäler gibt es überall<br />

in ganz Südtirol, und sie müssen unabhängig<br />

vom Ort bzw. der Talschaft unterstützt<br />

werden. Ein Holzzaun im Vinschgau,<br />

ausgeführt in ortstypischer Bauweise, hat<br />

den gleichen Stellenwert wie am Salten<br />

oder Passeier, eine Trockenmauer am Vinschger<br />

Sonnenberg gleich wie im Eisacktal,<br />

Schindeldächer im Schnalstal gleich<br />

wie in Ulten; die Auflistung könnte beliebig<br />

weiter geschrieben werden.<br />

Ein Anliegen ist es mir, die Wertschätzung<br />

gegenüber der Natur- und Kulturlandschaft<br />

zu steigern, und zwar in allen<br />

Bevölkerungsschichten, damit die vielen<br />

wertvollen Kleinode unserer Heimat nicht<br />

nach und nach der Gewinnmaximierung<br />

geopfert werden. Das Tourismusland Südtirol<br />

wirbt weltweit mit der intakten Landschaft,<br />

die es mittlerweile fast gar nicht<br />

mehr gibt.<br />

Abschließend sage ich allen Beteiligten<br />

ein großes Vergelt`s Gott für die Begleitung<br />

über die ganzen Jahre herauf bei dieser<br />

doch aufwendigen Arbeit, vor allem auch<br />

meiner Familie für das Verständnis. Mit einschließen<br />

darf ich die Mitarbeiter im Verbandsbüro,<br />

Ehrenobmann Dr. Peter Ortner<br />

und Landesobfrau Dr. Claudia Plaikner.<br />

Franz Fliri<br />

Jetzt, nach 33-jähriger ehrenamtlicher<br />

Tätigkeit als Sachbearbeiter, kommt bestimmte<br />

Wehmut auf, aber bestimmte<br />

Gegebenheiten lassen ein Weiterarbeiten<br />

nicht mehr zu.<br />

Der Sachbearbeiter braucht viel Gespür, um Eigentümer vom Erhalt eines<br />

bäuerlichen Kleindenkmales zu überzeugen und sie gut zu beraten. Im Bild eine<br />

Trockensteinmauer in Partschins.<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 35


Das Thema<br />

„Menschen für unsere<br />

Themen sensibilisieren“<br />

Claudia Plaikner im Gespräch über die Neuausrichtung des<br />

Heimatpflegeverbandes<br />

Claudia Plaikner, Obfrau des<br />

Heimatpflegeverbandes Südtirol<br />

Wo eine Tür geschlossen wird, öffnet sich<br />

bekanntlich eine andere. Das hofft auch<br />

der Heimatpflegeverband Südtirol, wenn<br />

er nun den bürokratisch und zeitlich sehr<br />

aufwendigen Sachbereich der Landschaftspflegebeiträge<br />

(siehe eigenen Bericht) abgibt.<br />

Obfrau Claudia Plaikner hat sich mit<br />

ihrem Vorstand, den Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern bereits über neue Zukunftspläne<br />

abgesprochen.<br />

KulturFenster: Frau Plaikner, wie geht es<br />

Ihnen persönlich mit der Entscheidung<br />

des Heimatpflegeverbandes, ab 2021<br />

den Sachbereich der Landschaftspfl e-<br />

gebeiträge für bäuerliche Kleindenkmäler<br />

abzugeben?<br />

Claudia Plaikner: Tatsache ist, dass unsere<br />

Halbtageskraft Daniela Donolato Wiedenhofer<br />

in den vergangenen Jahren immer<br />

intensiver und fast ausschließlich<br />

mit der Bearbeitung der Unterlagen für<br />

die Landschaftspfl egebeiträge beschäftigt<br />

war. Abgesehen von den<br />

Kommunikationsproblemen mit<br />

der zuständigen Landesabteilung<br />

wurde es auch für unsere<br />

ehrenamtlichen Sachbearbeiter<br />

immer schwieriger, die Antragsteller<br />

zu betreuen, und die<br />

Wertschätzung ließ manchmal<br />

zu wünschen übrig. Die meisten<br />

Sachbearbeiter haben zudem ein<br />

Alter erreicht, in dem die körperlichen<br />

Anforderungen für diese<br />

Aufgabe langsam zu hoch werden.<br />

Deshalb war die Entscheidung<br />

des Verbandes am Ende<br />

einhellig und entschlossen. Ich<br />

persönlich habe mir auch schon<br />

länger Gedanken gemacht, wie<br />

wir die nun frei werdenden zeitlichen<br />

Ressourcen besser nutzen<br />

können.<br />

KF: Wie sieht der Plan aus?<br />

C. Plaikner: Es geht weniger um einen<br />

einzelnen Plan als um eine Neuausrichtung<br />

des Verbandes. Ich denke, wir müssen<br />

viel mehr Energie in die Sensibilisierung<br />

der Bevölkerung für die Themen<br />

der Heimatpflege stecken, angefangen<br />

bei der Jugend bis hin zu den Entscheidungsträgern<br />

vor Ort in den Gemeinden.<br />

KF: Wie wollen Sie die jungen Menschen<br />

für Ihre Themen gewinnen?<br />

C. Plaikner: Wir müssen in die Schulen<br />

und Jugendorganisationen gehen. Das bedarf<br />

natürlich einer guten Vorbereitung,<br />

zumal es noch an didaktischem Material<br />

und an konkreten Projekten fehlt. Aber<br />

unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

im Verbandssitz sind sehr aufgeschlossen<br />

für junge Themen und auch für moderne<br />

Kommunikation. Dazu gehören die<br />

digitalen Kanäle und sozialen Medien, die<br />

wir künftig besser bedienen möchten.<br />

KF: Die Entscheidungsträger vor Ort sitzen<br />

in den Gemeindestuben, wo derzeit<br />

die neuen Bestimmungen im Gesetz für<br />

Raum und Landschaft das große Thema<br />

sind. Was kommt da auf die Gemeinden,<br />

was auf den Heimatpflegeverband zu?<br />

C. Plaikner: Die Gemeinden werden mit<br />

neuen und aufwendigen Aufgaben betraut.<br />

Deswegen ist es wichtig, deren Vertreter<br />

und Mitarbeiter inhaltlich zu begleiten,<br />

wenn es um die Ortsbild- und Landschaftsgestaltung<br />

geht. Aktuell ist diesbezüglich<br />

bereits ein Leader-Projekt für fünf Gemeinden<br />

im Pustertal in Ausarbeitung, das der<br />

Verband mit betreut. Es geht darum, die<br />

Attraktivität des ländlichen Raumes als<br />

Lebens- und Wirtschaftsraum zu erhal-<br />

„Die Gemeinden werden mit neuen und aufwendigen<br />

Aufgaben betraut. Deswegen ist es wichtig, deren<br />

Vertreter und Mitarbeiter inhaltlich zu begleiten,<br />

wenn es um die Ortsbild- und Landschaftsgestaltung<br />

geht.“<br />

36<br />

KulturFenster


Heimatpflege<br />

Die Baukultur, die Gestaltung des öffentlichen Raumes sowie die Erhaltung und Verbesserung des kulturellen und natürlichen<br />

Erbes sind einige der Themen, die der Heimatpflegeverband gemeinsam mit den Gemeinden aufarbeiten möchte. (Foto: HPV)<br />

ten und gleichzeitig weiterzuentwickeln.<br />

Da werden dann ganz unterschiedliche<br />

Themen wie die Baukultur, die Gestaltung<br />

des öffentlichen Raumes, die Erhaltung<br />

und Verbesserung des kulturellen und<br />

natürlichen Erbes, die Sensibilisierung<br />

für eine ressourcenschonende und gesunde<br />

Lebensart und anderes mehr in<br />

das Blickfeld genommen. Ziel des Verbandes<br />

ist es unter anderem, zu einer<br />

Anlaufstelle für Gemeinden zu werden,<br />

wo wir Hilfestellung bei der Ausarbeitung<br />

von Projekten geben. Generell möchten<br />

wir auch weiterhin kompetente Ansprechpartner<br />

für an der Erhaltung der Kulturund<br />

Naturlandschaft Interessierte und<br />

Engagierte sein.<br />

KF: Welche Schritte wird der Verband in<br />

Sachen Neuausrichtung als Erstes setzen?<br />

C. Plaikner: Wir möchten jedes Verbandsarbeitsjahr<br />

unter ein Schwerpunktthema<br />

stellen. 2021 wird es die Baukultur sein.<br />

Dabei denken wir an eine größere Tagung,<br />

zu der wir unsere Partner aus der<br />

Denkmalpflege, aus unseren Netzwerken<br />

und aus der Forschung zusammenbringen<br />

möchten. In Ausarbeitung ist im Moment<br />

auch unser Imagefolder, mit dem wir<br />

die Arbeit des Verbandes bekannter machen<br />

und um Mitstreiter werben möchten.<br />

Die Zeitschrift „KulturFenster“ wird<br />

ab der nächsten Ausgabe ein neues grafisches<br />

Bild sowie auch einige inhaltliche<br />

Verbesserungen erhalten.<br />

Interview: Edith Runer<br />

KulturFenster<br />

Redaktion KulturFenster<br />

Ihre Beiträge für die Heimatpflege im KulturFenster senden Sie bitte an: florian@hpv.bz.it<br />

Für etwaige Vorschläge und Fragen erreichen Sie uns unter folgender Nummer: +39 0471 973 693 (Heimatpflegeverband)<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 37


Informiert und Reflektiert<br />

Eine schöne Bescherung<br />

Zur Geschichte der Weihnachtsgeschenke<br />

Advent und Weihnachten sind heuer anders.<br />

Es finden keine Christkindlmärkte statt, größere<br />

Feiern mit Verwandten, Arbeitskollegen<br />

oder Freunden fallen aus. Auch der<br />

Austausch von Geschenken kann nicht unbeschwerlich<br />

erfolgen, wie in Zeiten vor<br />

Corona. Das bietet die Gelegenheit nachzudenken,<br />

wie das weihnachtliche Schenken<br />

entstanden ist und welche Entwicklungen<br />

es bis heute genommen hat.<br />

Der Brauch des Schenkens ist alt. Der<br />

Brauch des weihnachtlichen Schenkens<br />

nicht. Bis ins frühe 20. Jahrhundert war<br />

der Heiligabend beim Großteil der Familien<br />

in Tirol geprägt von Gebet, Räuchern,<br />

der Christmette und einem guten Essen.<br />

Als unsichtbarer Gabenbringer, der den<br />

Kindern Äpfel, Nüsse und Mispeln in einen<br />

Teller legte, galt der Heilige Nikolaus.<br />

Vom Nikolaus zum Christkind<br />

Anders in Deutschland. Da war das Christkind<br />

in adeligen Familien schon früh präsent,<br />

wie Hinweise zeigen. So schwärmt<br />

Lieselotte von der Pfalz (1652–1722) in ihren<br />

Erinnerungen, dass es „neue Kleider,<br />

Silberzeug, Puppen, Zuckerwerk und alles<br />

Mögliche brachte“.<br />

Um 1535 hat Martin Luther im Zuge<br />

der Reformation die Bescherung am Nikolausabend<br />

abgeschafft. Ob er auch der<br />

Erfinder des Christkindes ist, wie oft angenommen,<br />

kann nicht belegt werden,<br />

wenngleich er es als Gabenbringer<br />

erwähnt hat.<br />

Die deutsche Volkskundlerin Sabine<br />

Wienker-Piepho ortete die Verbreitung<br />

des Christkindes zuerst nur im evangelischen<br />

Deutschland, bis es sich dann<br />

nach Bayern ausbreitete und nach und<br />

nach Teil des familiären Feierns in katholischen<br />

Familien wurde. Beschenkt wurden<br />

die Kinder, die Wunschzettel ans Christkind<br />

schrieben.<br />

Grödner Kunst in Deutschland<br />

Auf den Weihnachtsmärkten in Deutschland<br />

und Österreich oder auf den Nikolausund<br />

Thomasmärkten in Tirol gab es<br />

Kerzen, Krippenfiguren, Spielzeug für<br />

Kinder und Christbaumschmuck zu<br />

kaufen. Den Händlern ging es natürlich<br />

um das Geschäft. Doch<br />

dies darf nicht nur kritisch gesehen<br />

werden, denn der Verkauf<br />

sicherte vielen Familien<br />

ihre Existenz. So waren<br />

die Erzeugnisse aus dem<br />

Grödental sehr beliebt. In<br />

einem Inserat in der „Bludenzer<br />

Zeitung“ in Vorarlberg im <strong>Dezember</strong><br />

1908 werden von einem Geschäft Puppen,<br />

Christbaumschmuck und „Grödner<br />

Holzspielwaren“ angeboten.<br />

Trotz der Bescherung, die bei vielen<br />

Familien in Tirol aus Armutsgründen ausblieb,<br />

standen der religiöse Inhalt, die<br />

Krippe und das Beisammensein im Mittelpunkt<br />

des Festes. Daher waren jene<br />

Weihnachten, an denen ein Platz in der<br />

Familie leer blieb, traurige Weihnachten.<br />

Während der Weltkriege gedachte man besonders<br />

der Männer an der Front. In der<br />

Tauferer Schulchronik ist nachzulesen:<br />

Spielzeugpferde zählten neben<br />

den Holzpuppen zu den<br />

beliebtesten Artikeln und<br />

wurden in verschiedenen Größen<br />

hergestellt, teils auf Rollbretter<br />

montiert, teils ohne.<br />

38<br />

KulturFenster


Heimatpflege<br />

Der Brauch des Schenkens ist alt. Der Brauch des<br />

weihnachtlichen Schenkens nicht. Bis ins frühe 20.<br />

Jahrhundert war der Heiligabend beim Großteil der<br />

Familien in Tirol geprägt von Gebet, Räuchern,<br />

der Christmette und einem guten Essen.<br />

„Die Mädchen strickten im Winter 1914–<br />

1915: 145 Paar Socken, 25 Wadenstutzen,<br />

82 Schneehauben, 40 Paar Pulswärmer,<br />

8 Paar Kniewärmer, 3 Paar Fäustlinge, 1<br />

Leibbinde und zupften eine Menge Wundfäden<br />

für die Soldaten; 3 große Säcke voll<br />

Erdbeer- und Brombeerblätter wurden von<br />

den Schülern gesammelt." In die Pakete<br />

wurden oft Tannen- oder Fichtenzweige<br />

gelegt, als weihnachtlicher Gruß.<br />

Zunehmende<br />

Kommerzialisierung<br />

Im Laufe des 20. Jahrhunderts erlebte<br />

das Weihnachtsfest große Veränderungen.<br />

Die wachsende Konzentration auf die Geschenke<br />

ging Hand in Hand mit der allgemeinen<br />

Kommerzialisierung. Rainer Kampling,<br />

Theologieprofessor an der Freien<br />

Universität Berlin, spricht von zwei Ausformungen<br />

des Festes, einem „christlich<br />

begründeten und gefeierten und einem<br />

säkularisierten Fest“.<br />

18. Jahrhundert zurückreicht und sich<br />

als Synonym für alle männlichen, weihnachtlichen<br />

Gabenbringer entwickelt<br />

hat, und dem Coca-Cola-Weihnachtsmann,<br />

der 1931 aus Werbezwecken<br />

entstanden und weltberühmt geworden<br />

ist.<br />

- Was schenken? In der Zeit des materiellen<br />

Überflusses entwickeln sich<br />

neue Formen des Schenkens: Gutscheine<br />

für Zeit, für Hilfeleistungen.<br />

In manchen Familien wird das Engele-Bengele-Spiel<br />

gepflegt, oder<br />

es wird vereinbart, dass nur selbstgemachte<br />

Geschenke ausgetauscht<br />

werden oder ganz darauf verzichtet<br />

wird.<br />

- Schenken heißt teilen… Solidarität mit<br />

Menschen, die Hilfe brauchen, wird<br />

auch in Südtirol jährlich durch große<br />

Spendenaktionen und Hilfsprojekte<br />

gefördert.<br />

- Weinachten und Neujahr: Bei den<br />

Römern gab es Neujahrsgeschenke,<br />

verbunden mit den Glückwünschen.<br />

Diese Tradition lebt fort in<br />

Geldgeschenken, die an Briefträger,<br />

Kaminkehrer und Hausmeister vergeben<br />

werden, oder in Geschenken an<br />

Geschäftskunden.<br />

- Geschenkpapier, ja oder nein? Ab 1910<br />

soll es Geschenkpapier, bedruckt mit<br />

weihnachtlichen Motiven gegeben haben,<br />

doch der genaue Zeitpunkt ist unklar.<br />

Heute werden auch alternative,<br />

phantasiereiche Verpackungen oder<br />

die Wiederverwendung von Papier propagiert,<br />

um Müll zu vermeiden.<br />

Barbara Stocker<br />

Literatur:<br />

Feichter, Josef, Tauferer<br />

Schul- und allgemeine<br />

Chronik, Mühlen 1984;<br />

Eberspächer Martina,<br />

Der Weihnachtsmann.<br />

Stuttgart 2002;<br />

Weber-Kellermann,<br />

Ingeborg, Das Weihnachtsfest.<br />

Luzern und<br />

Frankfurt 1978.<br />

Ein Kugelspiel<br />

aus Holz<br />

Fotos: Museum<br />

Gherdëina<br />

Welche Merkmale lassen sich<br />

heute beobachten?<br />

- Geben oder Schenken? Das Wort Schenken<br />

bedeutete ursprünglich „schief halten“<br />

im Sinne von „einschenken“. Die<br />

Geschenke wurden als Gaben bezeichnet.<br />

Darunter fallen Opfergaben, Liebesgaben,<br />

Almosen und andere. Heute<br />

ist von Gaben noch im sakralen Bereich<br />

die Rede.<br />

- Christkind oder Weihnachtsmann?<br />

Die unsichtbaren Gabenbringer Nikolaus<br />

und Christkind haben vom Weihnachtsmann<br />

Konkurrenz erhalten.<br />

Doch hier gilt es zu unterscheiden zwischen<br />

dem in Deutschland gebrauchten<br />

Begriff Weihnachtsmann, der bis ins<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 39


Informiert und Reflektiert<br />

Die Salzkirche<br />

Dinge des Alltags aus Geschichte und Gegenwart<br />

Für geweihtes Salz gab es in früheren Jahrhunderten<br />

ein besonderes Behältnis. Heute<br />

weiß kaum noch jemand, was eine Salzkirche<br />

ist.<br />

In vergangenen Jahrhunderten war<br />

Salz teuer, kostbar und etwas Besonderes.<br />

Auch im 20. Jahrhundert war es nicht immer<br />

selbstverständlich, Salz vorrätig zu<br />

haben. Als es im Zweiten Weltkrieg eine<br />

Knappheit gab, konnte man jemandem<br />

mit einem Säckchen Salz eine Freude bereiten,<br />

weiß der Volkskundler Hans Grießmair<br />

zu erzählen.<br />

Salz spielte nicht nur als Gewürz, zum<br />

Haltbarmachen von Speisen oder<br />

in der Volksmedizin eine Rolle, es<br />

hat bis zum heutigen Tag auch<br />

eine religiöse Bedeutung. Daher<br />

ist anzunehmen, dass es im<br />

18. Jahrhundert in Pfarrhaushalten,<br />

Klöstern und vielleicht<br />

auch in privaten Haushalten<br />

für das geweihte Salz eigene<br />

Behältnisse gab. Im Eisacktal,<br />

von Kollmann bis Feldthurns,<br />

sind Salzkirchen bekannt, aber auch aus<br />

Seis, Kastelruth, St. Peter und Lajen gibt<br />

es Anhaltspunkte dafür. Es handelt sich<br />

dabei um aus Holz geschnitzte Behälter<br />

in der Form einer Kirche mit einer größeren<br />

Öffnung an einer Stelle, damit das Salz<br />

hineingeschüttet und entnommen werden<br />

kann. Die Behälter sind nicht immer<br />

von fachlicher Hand geschnitzt, sondern<br />

wahrscheinlich in Heimarbeit entstanden.<br />

Wer eine Salzkirche besaß, wird sie um<br />

Dreikönig gefüllt haben, wenn Wasser und<br />

Salz geweiht wurden. Klaus Beitl schreibt,<br />

dass dort Salzsteine aufbewahrt worden<br />

sind, „die nach der Weihe am Dreikönigstag<br />

aus dem mit Chrysam- oder<br />

Taufwasser in einer Schüssel angesetztem<br />

Salz gewonnen werden“.<br />

Leider sind rund um die Salzkirchen<br />

mehrere Fragen offen,<br />

denn in der Literatur finden sich<br />

keine detaillierten Angaben zur<br />

Herstellung, Verwendung und<br />

Verbreitung.<br />

Barbara Stocker<br />

Literatur:<br />

Klaus Beitl, Volksglaube,<br />

Salzburg 1978<br />

Grießmair, Hans,<br />

Bewahrte Volkskultur, zweite, bearbeite<br />

und erweiterte Auflage, 2013<br />

Salzkirche mit Reliquie<br />

des hl. Johannes vom<br />

Kreuz, an der Turmfassade<br />

Darstellung des hl.<br />

Christophorus (Foto: Südtiroler<br />

Volkskundemuseum,<br />

SVM L/1203)<br />

40<br />

KulturFenster


Heimatpflege<br />

Nicht alles Gold,<br />

was glänzt<br />

Josef Oberhofer hielt bei einem Kongress<br />

des Bundes Heimat und Umwelt<br />

(Deutschland) einen Vortrag.<br />

Eine ganze Reihe von Landesgesetzen, EU-<br />

Richtlinien, internationalen Konventionen<br />

und Abkommen stellen den Schutz von Kultur-<br />

und Naturlandschaft in den Vordergrund.<br />

Doch nicht alles, was glänzt, ist auch wirklich<br />

Gold, wie Josef Oberhofer in einem Referat<br />

bei einem Kongress des Bundes Heimat<br />

und Umwelt in Deutschland kritisch bemerkte.<br />

Der Bund Heimat und Umwelt in Deutschland<br />

ist gewissermaßen der deutschlandweite<br />

Heimatpflegeverband, mit dem auch<br />

der Südtiroler Heimatpflegeverband gut zusammenarbeitet.<br />

Deshalb lud der Bund zu<br />

seinem zweiten großen Kongress unter dem<br />

Thema „Heimat in Europa“ auch die<br />

Südtiroler Beteiligung bei Kongress<br />

„Heimat in Europa“<br />

Südtiroler Heimatpfleger ein. Zwar musste<br />

die zweitägige Veranstaltung coronabedingt<br />

ins Internet verlegt werden, dennoch zeugen<br />

700 Klicks vom großen Interesse am Thema.<br />

Richtlinien, Programme<br />

und ihre Grenzen<br />

Beim Kongress ging es um wichtige Herausforderungen<br />

für „Heimat in Europa“,<br />

von der nachhaltigen Entwicklung über<br />

Partizipation und Inklusion bis hin zum digitalen<br />

Engagement. Josef Oberhofer, Geschäftsführer<br />

des Heimatpflegeverbandes,<br />

hielt einen Vortrag, in dessen Mittelpunkt<br />

die Frage stand, wo „Europa vor Ort“ ist, inwieweit<br />

also die kleine Provinz im Norden<br />

Italiens mit Hilfe von europäischen Richtlinien,<br />

aber auch internationalen Konventionen,<br />

EU-Programmen und dergleichen den<br />

Schutz der Kultur- und Naturlandschaft vorantreiben<br />

kann.<br />

Dabei nannte er u. a. die europäische<br />

Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie,<br />

aber auch die Internationale<br />

Alpenschutzkonvention.<br />

Leider habe Italien bisher nur acht der<br />

neun Protokolle der Alpenschutzkonvention<br />

unterzeichnet und das für das Transitland<br />

Südtirol wichtige Verkehrsprotokoll<br />

außen vor gelassen, beklagte Josef Oberhofer.<br />

Dieses sehe vor, dass keine neuen<br />

alpenquerenden Straßen gebaut, Flughäfen<br />

nicht erheblich ausgebaut und die Schadstoff-<br />

und Umweltbelastungen begrenzt<br />

werden müssen. Die Folge: „Es wird auf<br />

allen Ebenen rücksichtslos weitergebaut,<br />

womit Südtirol wohl kaum die EU-Klimaziele<br />

für 2030 erreichen wird.“<br />

Anders sei es mit den Natura-2000-Gebieten,<br />

ein EU-Projekt mit dem Ziel der Artenvielfalt,<br />

das vor allem in der Südtiroler Bevölkerung<br />

gute Akzeptanz fi nde. Immerhin<br />

seien in Südtirol derzeit 44 Natura-2000-Gebiete<br />

ausgewiesen, die rund ein Fünftel der<br />

Landesfläche einnehmen.<br />

Etwas Vorsicht sei indessen bei den EU-<br />

Leader-Programmen geboten, zumal sich einige<br />

eher als Fluch denn als Segen herausgestellt<br />

hätten. Josef Oberhofer nannte als<br />

Beispiel ein Wegeprojekt im Martelltal: Das<br />

als Wander- und Viehtriebsweg geplante Projekt<br />

sollte nämlich in Wahrheit eine Quad-<br />

Piste werden.<br />

Internationaler Austausch<br />

sehr wichtig<br />

Selbst die Eintragung von Natur- und Kulturstätten<br />

in die Welterbeliste der UNESCO<br />

erreiche nicht immer den in ihren Ansätzen<br />

gut gemeinten Erfolg: „Die fokussierten<br />

Objekte und Kulturstätten werden häufig<br />

durch eine touristische Vermarktung ihrer<br />

Seele beraubt und zu einem kurzlebigen<br />

Eventobjekt degradiert.“ Ein Beispiel dafür<br />

seien die Dolomiten.<br />

Josef Oberhofer kam zum Schluss,<br />

dass es trotz oder gerade wegen der vielen<br />

Hürden, die einen Schutz von Kulturerbe<br />

und Landschaft schwierig machen,<br />

der internationale Austausch mit anderen<br />

Verbänden und Organisationen<br />

sehr wichtig sei. Er nannte<br />

u. a. den Bund Heimat und<br />

Umwelt, CIPRA International,<br />

Europa Nostra, aber auch die<br />

Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino,<br />

die in gewissen Belangen ein<br />

guter Ansprechpartner sei.<br />

Natura-2000-Gebiete in Südtirol<br />

Karte: www.provinz.bz.it/natur-umwelt/<br />

natur-raum/natura2000/natura-2000-<br />

gebiete-in-suedtirol<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 41


Informiert und Reflektiert<br />

Für intakte Nahversorgung<br />

Verband warnt: Geplante Durchführungsverordnung im<br />

Bereich Einzelhandel nicht aufweichen<br />

Nur eine strikte Raumordnungs- und Handelspolitik kann die Ortszentren am Leben erhalten.<br />

Die geplante Durchführungsverordnung im<br />

Bereich Einzelhandel in den Gewerbegebieten<br />

unterstützt die kleinstrukturierten<br />

Familienbetriebe und die Nahversorgung.<br />

Der Heimatpflegeverband warnt davor, die<br />

Bestimmungen kurz vor der Verabschiedung<br />

noch aufzuweichen.<br />

Überall in Europa haben fehlgeleitete<br />

Politik und Raumplanung, aber auch getäuschte<br />

Konsumenten immer neue Geschäfte<br />

und Handelsketten an Orts- und<br />

Stadträndern zugelassen und dafür den<br />

Handel in den Zentren sterben lassen. Im<br />

Bundesland Tirol zum Beispiel hat mehr<br />

als ein Drittel der Gemeinden kein eigenes<br />

Lebensmittelgeschäft mehr. In Südtirol<br />

konnte diese Entwicklung in den vergangenen<br />

Jahrzehnten mit einer gezielten<br />

Raumordnungs- und Handelspolitik und<br />

auch durch den steten Einsatz des Heimatpflegeverbandes<br />

verhindert werden.<br />

Aber wenngleich der Einzelhandel auf<br />

der grünen Wiese sehr eingeschränkt<br />

ist, ist der Druck zu dessen Liberalisierung<br />

groß. Des Öfteren ist die Politik in<br />

der Vergangenheit daher von ihrer ehemals<br />

konsequenten Linie abgewichen.<br />

Umso erfreulicher ist es, dass der Entwurf<br />

zur neuen Durchführungsverordnung<br />

im Bereich Einzelhandel in den<br />

Gewerbegebieten teilweise sogar strenger<br />

zu sein scheint als die bestehenden<br />

Bestimmungen.<br />

Achtsamkeit ist dennoch angesagt,<br />

denn der Einfluss von Lobbys und Einzelinteressen<br />

könnte in letzter Minute noch<br />

dazu führen, dass die Bestimmungen aufgeweicht<br />

werden. Doch die Gemeinden<br />

brauchen dringend eine rechtliche Hand-<br />

In diesem Laden in Glurns findet wohl jeder etwas Passendes.<br />

habe, um die Bestrebungen für Detailhandel<br />

auf der grünen Wiese zu verhindern.<br />

Deshalb appelliert der Heimatpflegeverband<br />

an die zuständigen Politiker und Beamten,<br />

dem Liberalisierungsdruck standzuhalten<br />

und die Bestimmungen in der<br />

Durchführungsverordnung nicht mehr<br />

zu ändern, um die Ortszentren nachhaltig<br />

zu erhalten und zu fördern.<br />

42<br />

KulturFenster


Aus Verband & Bezirken<br />

Heimatpflege<br />

Wertvolles bauliches<br />

Kulturgut zerstört<br />

Abriss des ehemaligen Hotels „Post“ in Toblach nicht nachvollziehbar<br />

Leider zu oft muss das „Kultur-<br />

Fenster“ über den drohenden<br />

oder bereits erfolgten Abbruch<br />

von historisch wertvollen Gebäuden<br />

berichten. Aktuell ist<br />

es das ehemalige Hotel „Post“<br />

in Toblach, das im November<br />

dem Erdboden gleich gemacht<br />

wurde. Hier soll ein moderner<br />

Neubau entstehen.<br />

Die Bagger waren in den<br />

vergangenen Wochen eifrig am<br />

Werk, um dem historischen,<br />

ortsbildprägenden Hotel „Post“ am Kirchplatz<br />

von Toblach den Garaus zu machen.<br />

Wie aber kann so etwas passieren? Tatsache<br />

ist, dass das Gebäude, in<br />

dem schon im 19. Jahrhundert<br />

ein Postamt eingerichtet<br />

worden war, am Ende des Ersten<br />

Weltkrieges auf den von<br />

Bomben zerstörten Ruinen der<br />

zwei historischen Gaststätten<br />

„Kreuzwirt“ und „Stern“ aufgebaut<br />

worden und seitdem<br />

erhalten geblieben ist. Allerdings<br />

ist unbegreiflich, dass es<br />

nie unter Ensembleschutz gestellt<br />

wurde, zumal die anderen<br />

Gebäude am selben Platz<br />

sehr wohl unter Ensembleschutz<br />

stehen. Man fragt sich,<br />

welche Beweggründe eine Gemeinde<br />

zu so einer Haltung geführt haben.<br />

Das Hotel „Post“ war ein stattlicher Bau,<br />

der mit seinen eleganten Fenstern im Parterre,<br />

mit seiner Muschel am Scheitelpunkt<br />

der Eingangstür zur Theiss-Stube, mit den<br />

eleganten Lisenen, mit der bewegten Dachgestaltung<br />

die Formensprache des Historismus<br />

sprach. Toblach könnte es auch<br />

anders, wie das Beispiel des Grandhotels<br />

Toblach eindrücklich zeigt, aber auch die<br />

alte Gemeinde am Kirchplatz.<br />

Das Hotel „Post“ stellte neben seinem<br />

historischen und kunsthistorischen<br />

Das Gebäude ist Geschichte – es<br />

bleiben nur noch historische<br />

Aufnahmen wie diese. (Fotos: HPV)<br />

Eine der letzten Aufnahmen des<br />

Hotels „Post“: Hier wird künftig<br />

ein modernes Hotelgebäude mit<br />

Geschäften und Büros stehen.<br />

Wert auch einen starken Identifikationspunkt<br />

für die Toblacher Bevölkerung und<br />

die vielen Gäste dar, die den Hochpustertaler<br />

Ort besucht haben bzw. besuchen,<br />

und war damit Zeugnis der lokalen Sozial-<br />

und Tourismusgeschichte. Gerade<br />

auch die Reaktion vieler italienischsprachiger<br />

Gäste zeigt,<br />

wie stark ein Tourismusort<br />

auf seine historische Baukultur<br />

achten muss, um nicht zu<br />

einem anonymen Allerweltsort<br />

und damit auch für den<br />

Tourismus zusehends unattraktiv<br />

zu werden.<br />

Die Begründung, dass<br />

durch einen um circa sechs<br />

Meter zurückgesetzten<br />

Neubau der Kirchturm in<br />

der Ansicht freigestellt würde, ist aus<br />

kunsthistorischem Verständnis nicht<br />

nachvollziehbar. Man denke an herrliche<br />

Plätze in Italien, wo man über<br />

verwinkelte mittelalterliche<br />

Gassen die Kirche und den<br />

Campanile erst sieht, wenn<br />

man knapp vor ihm steht und<br />

damit der Überraschungseffekt<br />

noch größer ist.<br />

Die Wehmut und Traurigkeit<br />

über verlorene wertvolle<br />

Baukultur wird dann noch verstärkt,<br />

wenn man bedenkt,<br />

was der Ersatz für das abgerissene<br />

historische Gebäude<br />

wird: in der Regel anonyme<br />

globalisierte Kasernenarchitektur,<br />

ohne Flair, abweisend,<br />

nur an der größtmöglichen Kubaturrealisierung<br />

orientiert.<br />

Man kann sich auch des Verdachts nicht<br />

erwehren, dass nach den Gemeinderatswahlen<br />

und in der Zeit der Coronapandemie<br />

das Aufmerksamkeitsdefizit und die<br />

eingeschränkten Interventionsmöglichkeiten<br />

der Öffentlichkeit ausgenutzt wurden,<br />

um Tatsachen zu schaffen.<br />

Toblach wird durch diese Vorgangsweise<br />

kulturell ärmer, denn was verloren<br />

ist, ist für immer verloren.<br />

Heimatpflegeverband,<br />

Bezirk Pustertal<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 43


Aus Verband und Bezirken<br />

Drei Zinnen als Blickfang<br />

Kreisverkehr Toblach wurde künstlerisch gestaltet<br />

Die Drei Zinnen als Wahrzeichen der Dolomiten: Die leicht transparente Skulptur versinnbildlicht die „Bleichen Berge“,<br />

wie sie wegen des hellen Gesteins genannt werden. (Foto: A. Willeit)<br />

Die Landschafts-, aber auch die Ortsbildgestaltung<br />

sind Themen, denen der Heimatpflegeverband<br />

Südtirol künftig noch<br />

mehr Aufmerksamkeit schenken möchte.<br />

Ein gutes Beispiel für eine ansprechende<br />

Ortsbildgestaltung ist ein neuer Kreisverkehr<br />

in Toblach.<br />

Ein Kreisverkehr dient in erster Line<br />

dazu, lange Staus an Kreuzungen zu vermeiden.<br />

Die Insel eines Rondells bietet<br />

aber auch die Möglichkeit, durch eine<br />

originelle Gestaltung Botschaften zu senden.<br />

Das ist in Toblach an einem vielbefahrenen<br />

Kreisverkehr zwischen Alt- und<br />

Neu-Toblach besonders gut gelungen.<br />

Dort werden die Autofahrer seit kurzem<br />

durch eine imposante Bergskulptur auf<br />

das UNESCO-Welterbe Dolomiten und vor<br />

allem auf dessen Wahrzeichen, die Drei<br />

Zinnen, aufmerksam gemacht.<br />

Die Skulptur ist keine naturgetreue<br />

Nachbildung der Drei Zinnen, sondern<br />

eine Abstrahierung von Form und Material,<br />

wodurch es den beiden künstlerischen<br />

Gestaltern Paul S. Feichter und Albert Willeit<br />

gemeinsam mit der Firma Pellegrini gelungen<br />

ist, die Einzigartigkeit der „Bleichen<br />

Berge“ in den Mittelpunkt zu rücken. So<br />

wurde etwa eine frontale Ausrichtung der<br />

Bergskulptur gewählt, damit die berühmten<br />

Nordwände als Hauptansicht in Richtung<br />

Dorfzentrum von Toblach zu sehen sind und<br />

dabei nach Neu-Toblach und ins Höhlensteintal<br />

blicken. Das mag für Kundige zwar<br />

seitenverkehrt sein, doch für den Ort und<br />

die Wiedererkennbarkeit sei das wichtig,<br />

betonen die Gestalter, die im Auftrag der<br />

Gemeindeverwaltung und in Absprache mit<br />

dem Land gearbeitet haben. In der künstlerischen<br />

Darstellung gehe es ja nicht unbedingt<br />

um die Wiedergabe der Realität,<br />

sondern um eine Form der Interpretation.<br />

Dies zeigt sich in besonderer Weise auch<br />

durch die Innenbeleuchtung, mit der die<br />

stählerne Skulptur zu einer kristallinen Erscheinung<br />

und so auch nachts zu einem<br />

optischen Blickfang wird.<br />

Die Ausrichtung der Bergskulptur wurde so gewählt, dass die Nordwände als<br />

Hauptansicht in Richtung Zentrum von Toblach zu sehen sind und dabei nach<br />

Neu-Toblach und ins Höhlensteintal blicken. (Foto: wisthaler.com)<br />

44<br />

KulturFenster


Heimatpflege<br />

Zwei Kleinode<br />

verschönert<br />

Der Heimatschutzverein Lana berichtet<br />

war. Der Säulenbildstock aus den 1920er-<br />

Jahren, an dem das Marterl angebracht ist,<br />

hatte bisher beim Brandiskeller gestanden<br />

und wurde nun in der Brandisgaul aufgestellt.<br />

Albert Innerhofer dankte bei der Feier<br />

allen an dieser Aktion Beteiligten und auch<br />

Ferdinand Graf Brandis, der den Bildstock<br />

als Marterl zur Verfügung gestellt und die<br />

Verlegung zum Wasserfall ermöglicht hatte.<br />

Diakon Hubert Knoll segnete das Marterl.<br />

Die Gemeinde Lana hatte die Initiative,<br />

die knapp 3.000 Euro kostete, mit einem<br />

außerordentlichen Beitrag an den Heimatschutzverein<br />

ermöglicht.<br />

Neues Tafelbild beim<br />

Raimann-Bildstock<br />

Am Wasserfall fand der Bildstock mit dem Marterl einen neuen Platz. Im Bild<br />

Diakon Hubert Knoll, Georg Lösch, Albert Innerhofer und Simon Terzer (v. l.)<br />

(Foto: Elfriede Gabrieli)<br />

Der Heimatschutzverein Lana hat ein Marterl<br />

errichten und ein Holztafelbild restaurieren<br />

lassen.<br />

Im Oktober <strong>2020</strong> luden der Obmann des<br />

Heimatschutzvereines Lana, Albert Innerhofer,<br />

und der Vorsitzende des Gampenstraßenkomitees,<br />

Georg Lösch, zur Segnung<br />

eines Marterls für Karl Eschgfäller. Eschgfäller<br />

war ein Arbeiter am Gutshof Brandis<br />

gewesen und im Juli 1935 unterhalb der<br />

Gampenstraße von einem herabstürzenden<br />

Steinblock tödlich getroffen worden. Dieser<br />

hatte sich gelöst, als eine erstickte Mine vom<br />

Straßenbau nach der Sprengung explodiert<br />

Ebenfalls auf die Initiative des Heimatschutzvereines<br />

Lana geht das neue Tafelbild<br />

im Raimann-Bildstock bei der Herzwasserle-<br />

Quelle am viel begangenen Wanderweg in<br />

Völlan zurück. Der Bildstock war bereits vor<br />

rund zehn Jahren restauriert worden. Die<br />

Wasserquelle war damals neu gefasst und<br />

vor dem Bildstock ein neues Steinbrünnlein<br />

errichtet worden. Steter Wasseraustritt und<br />

viel Feuchtigkeit durch die Wasserquelle<br />

hatte das Holztafelbild allerdings ziemlich<br />

angegriffen. Elfriede Zöggeler Gabrieli und<br />

Albert Innerhofer vom Heimatschutzverein<br />

Lana stellten deshalb das Original sicher und<br />

ließen vom Restaurator und Maler Karl Christanell<br />

aus Algund eine Kopie des Ölbildes<br />

auf Leinwand „Die Kreuzigung Christi“ anfertigen.<br />

Bei dieser Wasserquelle, die hinter<br />

dem Bild im Felsen entspringt, handelt<br />

es sich laut mündlicher Überlieferung um<br />

ein Heilwasser, ein „wundertätiges Wasser“,<br />

das deshalb als „Herzwasserle“ bekannt ist.<br />

Simon Terzer/Albert Innerhofer<br />

Erinnerungstafel in der Bildstocknische<br />

(Foto: Simon Terzer)<br />

Ein neues Bild ziert nun diesen<br />

Bildstock in Völlan. (Foto: HSV Lana)<br />

Albert Innerhofer vor dem verschönerten<br />

Bildstock.<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 45


Aus Verband und Bezirken<br />

Hängebrücke nicht abreißen!<br />

Hofmannsteg in Mareit ist einmaliges landschaftliches Ensemble<br />

Es ist sehr befremdend, wenn man hört,<br />

dass die Hängebrücke „Hofmannsteg“ in<br />

Mareit, Gemeinde Ratschings, allem Anschein<br />

nach nicht saniert, sondern abgerissen<br />

und an anderer Stelle bachabwärts<br />

durch eine Fahrbrücke ersetzt werden soll.<br />

Man fragt sich: Wie kann es sein, dass<br />

die Verantwortlichen auf Orts- und Gemeindeebene<br />

dieses einmalige landschaftliche<br />

Ensemble, das Brücke und Umgebung<br />

bilden, nicht zu würdigen wissen.<br />

Die unzweifelhaft schöne Brücke, die seit<br />

Generationen besteht und von der Bevölkerung<br />

stets ungehindert begangen werden<br />

konnte, muss unbedingt erhalten bleiben.<br />

Das verlangt außerdem wohl auch<br />

der Umstand, dass sie sich im Naturdenkmal<br />

Achenrainschlucht befindet. Schließlich<br />

ist noch Folgendes anzumerken: Eine<br />

Tourismusgemeinde wie Ratschings, die<br />

ansonsten bestrebt ist, ihre Naturschönheiten<br />

– auch mit beträchtlichem finanziellen<br />

Aufwand – zur Geltung zu bringen,<br />

kann doch nicht ein attraktives Aushängeschild,<br />

wie es diese historische Hängebrücke<br />

ist, opfern. Da würde man die Welt<br />

nicht mehr verstehen.<br />

Heimatpflegeverband Südtirol<br />

Der Hofmannsteg soll abgerissen und an anderer Stelle durch eine befahrbare<br />

Brücke ersetzt werden. (Foto: HPV)<br />

KulturFenster<br />

Blasmusik, Chorwesen und Heimatpflege in Südtirol<br />

Redaktion KulturFenster<br />

Redaktionsschluss für die nächste<br />

Ausgabe des KulturFensters ist<br />

Mittwoch, 13. Jänner <strong>2020</strong>.<br />

Bitte Termin genau beachten!<br />

46<br />

KulturFenster


Arge Lebendige Tracht<br />

Heimatpflege<br />

Falten, Krausen und Plissee<br />

Interessante Ausstellung in der Juppenwerkstatt Riefensberg<br />

Im Zeichen guter Zusammenarbeit hat<br />

Angelika Neuner-Rizzoli, Trachtenexpertin<br />

aus Nordtirol, folgenden Beitrag gestaltet.<br />

Im Sinne der Europaregion Tirol beteiligte<br />

sich auch Südtirol mit einigen Ausstellungsstücken<br />

an diesem Projekt.<br />

Die Juppenwerkstatt Riefensberg im Bregenzerwald<br />

in Vorarlberg wurde von Martina<br />

Mätzler und einigen Mitstreiterinnen<br />

2003 gegründet. Förmlich in letzter Minute<br />

gelang es damals, das uralte Handwerk<br />

für die Herstellung des einzigartigen plissierten<br />

Glanzleinens für die Bregenzerwälder<br />

Juppe vor dem Vergessen zu bewahren.<br />

Die Juppenwerkstatt zeigt noch das<br />

ganze Jahr 2021 eine äußerst sehenswerte<br />

Sonderausstellung zum Thema<br />

„Falten, Krausen und Plissee“<br />

(www.juppenwerkstatt.at).<br />

Falten-Vielfalt<br />

Es gibt wohl keinen geeigneteren<br />

Ort als die Juppenwerkstatt, um<br />

das Thema „Falten“ aufzunehmen<br />

und von verschiedenen Seiten zu<br />

beleuchten. Falten werden gelegt,<br />

gezogen, abgenäht, gestärkt oder<br />

plissiert. Der Kreativität sind kaum<br />

Grenzen gesetzt. Sie geben dem<br />

Kleidungsstück Form, schaffen<br />

Weite, bändigen Stofffülle, unterstreichen<br />

Körperlichkeit und drücken<br />

barocke Festlichkeit aus. Die<br />

Palette der verarbeiteten Materialien<br />

reicht von Leinen, Baumwolle<br />

und Wollstoffen hin bis zur<br />

Seide. Nicht nur Stoffbahnen werden<br />

gefältelt, auch Klöppelspitzen<br />

und Baumwolltüll. Im späten 18.<br />

Jahrhundert war es sogar modern,<br />

überlange Strümpfe am Unterschenkel<br />

in feine, gleichmäßige<br />

Falten zusammenzuschieben.<br />

Textiles Rechteck<br />

wird Krause<br />

Die Halskrause der Alt-Lienzer Frauentracht<br />

geht auf die bäuerliche Festtagskleidung<br />

des 18. Jahrhunderts zurück, die ihrerseits<br />

die spanische Hofmode des 17. Jahrhunderts<br />

zum Vorbild hatte. Die Krause ist ein<br />

Musterbeispiel alter Handwerkskunst. Ein<br />

zirka 11 Meter langer und 15 Zentimeter<br />

breiter Leinenstreifen wird in mühsamer<br />

Handarbeit mit viel Stärke und einem Formeisen<br />

in die typische Form gebracht. Als<br />

Schutz vor Verschmutzung wird darunter<br />

ein Spitzengoller getragen, dessen Spitze<br />

über die Krause geschlagen wird.<br />

Blick über die Grenzen<br />

Von der Leiterin der Juppenwerkstatt, Martina<br />

Mätzler, und der dort ebenfalls tätigen<br />

Alt-Lienzer Frauentracht mit<br />

kostbarer Halskrause<br />

(Foto: Juppenwerkstatt Riefensberg/<br />

Christian Kerber, Riefensberg)<br />

Kunsthistorikerin Maria Rose Steurer-Lang<br />

wurde ich gebeten, bei der Erstellung der<br />

neuen Sonderausstellung mitzuhelfen. Auf<br />

den ersten Blick mögen sich die Trachtenlandschaften<br />

vor und hinter dem Arlberg<br />

stark unterscheiden. Bei den Vorbereitungsarbeiten<br />

und den Nachforschungen<br />

für den Ausstellungskatalog entdeckten<br />

wir ähnliche Elemente und Gemeinsamkeiten,<br />

die nicht nur auf die zeitweilige Verwaltungseinheit<br />

von Tirol und Vorarlberg<br />

zurückzuführen sind. Viel mehr verweisen<br />

sie zum Beispiel auch auf die wichtigen<br />

Handels- und Verkehrswege quer<br />

durch die Alpen.<br />

Vor allem auch durch die fachliche Unterstützung<br />

der Vorsitzenden der ARGE<br />

Lebendige Tracht, Agnes Andergassen,<br />

und freundlicher Leihgeber war<br />

es mir möglich, Trachten aus der Europaregion<br />

Tirol vorzustellen. Neben<br />

einer Bagana dl`ëila aus Gröden mit<br />

ihrem fein plissierten Leinenkragen<br />

und dem Guant a la fascena aus<br />

dem Fassatal, das mit drei übereinanderliegenden<br />

und jeweils genau<br />

gefältelten Tüchern getragen wird,<br />

konnten wir sowohl historische als<br />

auch erneuerte Trachten aus dem<br />

Lechtal, dem Unterinntal und Osttirol<br />

zeigen.<br />

Wertvolle Erfahrungen<br />

Die Arbeit mit der Tracht, das zeigten<br />

die Vorbereitungen dieser länderübergreifenden<br />

Ausstellung, verlangt<br />

viel Respekt und Einfühlungsvermögen.<br />

Die Zusammenarbeit mit den<br />

Vorarlberger Expertinnen hat mir gezeigt,<br />

wie wichtig es ist, den Blick von<br />

den kleinen Details auf ein großes<br />

Ganzes zu richten. Dazu gehört die<br />

Bekleidungsgeschichte der vergangenen<br />

Jahrhunderte genauso wie<br />

eine Beobachtung der landschaftlichen<br />

Verbreitung einzelner Elemente. Ich<br />

bin dankbar für diese Erfahrungen und die<br />

gemeinsame Arbeit.<br />

Angelika Neuner-Rizzoli<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 47


Aus Verband und Bezirken<br />

•Büchertisch•<br />

Armin Mutschlechner (Hrsg.)<br />

Mühlbach bei Franzensfeste 1897–1947<br />

„So sollte man Geschichte schreiben“<br />

Stimmen:<br />

„So sollte man Geschichte schreiben! Mit<br />

Mitgefühl für die Zukurzgekommenen, das<br />

aus den wunderbaren Zeilen schimmert.<br />

Man kann tage-, wochen-, ja monatelange<br />

im Buch schmökern und wird nie müde."<br />

Hannes Obermair, Historiker<br />

Diese Dorfchronik ist besonders: Nach<br />

Jahren aufgeteilt und auf Doppelseiten<br />

thematisch geordnet, lädt sie zum<br />

Schmökern und Blättern ein.<br />

Sie versammelt eine Vielzahl an unveröffentlichten<br />

Fotos, Verträgen, Briefen sowie<br />

Zeitungsausschnitten und gewährt<br />

so einen unverfälschten Blick auf die<br />

Geschichte. Dabei reicht sie weit über<br />

die üblichen Themen um Vereine und<br />

Kirche hinaus: Es geht um Brandstiftung<br />

und Mord, um die Schwarze-Luise und<br />

den Dr. Mallepell, um die Ledigensteuer<br />

und um Gasthaus-Dynastien. Die bisher<br />

nicht aufgearbeitete lokale Zeit von<br />

Faschismus, Option und Nationalsozialismus<br />

wird kritisch hinterfragt. Einzigartig<br />

ist die Spurensuche nach vergessenen<br />

Mitbürgerinnen und Mitbürgern.<br />

Armin Mutschlechner (Hrsg.):<br />

Mühlbach bei Franzensfeste<br />

Softcover, 21 x 29,7 cm, 312 Seiten,<br />

über 1.000 Abbildungen, Karte mit historischen<br />

Straßennamen & Hausnummern,<br />

Kritisches, Kurioses und allerlei Wissenswertes,<br />

Raetia-Verlag, 35,00 Euro<br />

Autor Armin Mutschlechner ist kein „studierter"<br />

Historiker, aber sein Einsatz hat<br />

sich als wahrer Glücksgriff erwiesen. Er hat<br />

einen bleibenden Wert geschaffen, der einen<br />

festen Platz in der kollektiven Identität<br />

der Mühlbacher einnehmen wird.<br />

Oskar Zingerle, Der Brixner<br />

Armin Mutschlechner hat einen neuen Typ<br />

von Dorfbuch erfunden.<br />

Andreas Oberhofer,<br />

Stadtarchivar Bruneck<br />

„Es ist die Stärke von Mutschlechner, dass<br />

er mit sicherer Hand örtliche Strukturen<br />

und Verhältnisse ebenso sichtbar macht<br />

wie zahllose Episoden und Skurrilitäten, in<br />

denen Niedertracht, Mittelmaß und Weltoffenheit<br />

aufblitzen. [...] Mutschlechners<br />

handwerkliche Hand wie sein künstlerisches<br />

Talent zur Montage und Collage zeigen sich<br />

in der exzellenten Bildbehandlung: Fotos<br />

und Bilddokumente sind nie rein illustrativ<br />

eingesetzt, sondern von eingehenden<br />

Beschreibungen und Personenprofilen<br />

unterfüttert und in der Technik bewertet“.<br />

Hans Heiss<br />

(aus ff <strong>Nr</strong>. 45/<strong>2020</strong>, S. 40/41)<br />

Armin Mutschlechner hat insofern Geschichte<br />

geschrieben, als er die Geschichte<br />

von Mühlbach in den Jahren zwischen<br />

1897 und 1947 mit ungeheurem Fleiß<br />

und beeindruckender Akribie einfühlsam<br />

nachgezeichnet und damit ein Werk geschaffen<br />

hat, das beispielgebend ist für<br />

Dorfchroniken insgesamt.<br />

Alfons Gruber.<br />

Armin Mutschlechner, 1969 in Meran<br />

als Sohn einer Arbeiterfamilie<br />

geboren, aufgewachsen in Weißbrunn/Ultental<br />

und seit 1974 in<br />

Mühlbach ansässig.<br />

Nach den Pflichtschuljahren<br />

Lehre mit Gesellenbrief „Kunstschlosser“,<br />

gefolgt von Jahren<br />

als Techniker, Bühnenbauer, Programmverantwortlicher<br />

in Südtiroler<br />

Kleinkunstbetrieben und gute<br />

20 Jahren als Jugendarbeiter in<br />

er Offenen Jugendarbeit tätig. Als<br />

Künstler Intervention im öffentlichen<br />

Raum und Verfasser von<br />

Gebrauchslyrik oder themenspezifischen<br />

Essays.<br />

Lokale Zeitgeschichte, Familienforschungen<br />

und Nachlässe sind die<br />

aktuellen Arbeitsschwerpunkte,<br />

wobei er darauf Wert legt, weder<br />

studierter Historiker, noch Dorfchronist<br />

zu sein, aber dennoch<br />

nach wissenschaftlichen Maßstäben<br />

zu arbeiten. Mutschlechner<br />

ist Vater von drei Kindern, und er<br />

engagiert sich für die Schwachen<br />

in der Mühlbacher Dorfgemeinschaft<br />

(u.a. Lebensmittelbank)<br />

oder in der örtlichen Pfarrgemeinde,<br />

indem er die Sonntagsmessen<br />

oder Beerdigungen via<br />

Livestream überträgt.<br />

48<br />

KulturFenster


Heimatpflege<br />

Meinhard Feichter<br />

„Wenn des Singen net war“<br />

Bewegende Familiengeschichte zum 80. Geburtstag von Sepp Oberhöller<br />

Am 8. Oktober feierte der Volksmusiker, Landwirt<br />

und Familienvater Sepp Oberhöller seinen<br />

80. Geburtstag. Zu diesem Anlass ist sein Familienporträt<br />

„Wenn des Singen net war“ erschienen,<br />

eine bewegende Zeitreise von der<br />

Geburt seines Vaters Luis 1894 bis heute.<br />

Das Singen und die Musik habe ihn und<br />

seine Familie zeitlebens nicht nur begleitet,<br />

sondern auch in schwierigen Zeiten Zuversicht<br />

und Halt gegeben, erzählt der Jubilar.<br />

Daher auch der vielsagende Titel des Buches,<br />

denn „wenn das Singen nicht wäre, wäre<br />

unser Leben wohl ganz anders verlaufen.“<br />

Erst durch das Singen im Kreise der Familie<br />

und mit Freunden sowie durch die öffentlichen<br />

Auftritte ist er mit seinen Geschwistern<br />

und seinen Kindern weit umher gekommen<br />

und hat viele Freunde und Bekannte kennengelernt.<br />

Und wohl gerade dadurch hätten<br />

sich immer wieder neue Türen geöffnet<br />

und Wege geebnet, wo manchmal kein<br />

Weiterkommen möglich schien, erinnert er<br />

sich. Wenn er von den Anfängen am Dillerhof<br />

in Reinswald, das Leben am Wackerhof<br />

in Spinges, dem neuen Haus am Roa<br />

(Hinterleiter), der Auswanderung ins Pustertal<br />

auf den Hoferhof in Reischach und<br />

schließlich vom Kauf des Jörglmoarhofes in<br />

Moos bei St. Lorenzen erzählt, dann leuchten<br />

seine Augen voller Dankbarkeit und Zufriedenheit<br />

über das Erlebte. Aus dieser<br />

Dankbarkeit heraus war es ihm ein Anliegen,<br />

seine Geschichte niederzuschreiben,<br />

um seine Erfahrungen, aber vor allem seine<br />

Begeisterung und Liebe zur Musik weiterzugeben<br />

und anderen zu zeigen, „wie der<br />

Glaube und die Musik in allen Lebenslagen<br />

helfen können.“<br />

Meinhard Feichter: „Die<br />

Geschichte der Familie<br />

Oberhöller ist ein<br />

beeindruckendes Zeugnis<br />

von Bodenständigkeit,<br />

Gemeinschaftssinn und<br />

Glaube, aber vor allem<br />

für die Kraft der Musik,<br />

die Herzen verbindet –<br />

über alle Grenzen hinweg.“<br />

Auf der Suche nach einem Autor, der<br />

seine Erinnerungen und Gedanken treffend<br />

zu Papier bringen könne, hat er vor rund vier<br />

Jahren Meinhard Feichter kontaktiert. Damit<br />

schließe sich auch ein persönlicher Kreis,<br />

denn Meinhard Feichter – seines Zeichens<br />

Buchhändler, Sänger, Cellist und<br />

Autor – hat schon in den 1970er-Jahren<br />

zusammen mit den Geschwistern Oberhöller<br />

musiziert. Daraus entstand eine<br />

langjährige Freundschaft, „die nun im<br />

Niederschreiben der Oberhöller’schen<br />

Familiengeschichte ihre Fortsetzung findet“.<br />

Feichter gelingt eine spannende<br />

Reise durch das vergangene Jahrhundert,<br />

die das Schicksal von vier Generationen<br />

erzählt.<br />

Coronabedingt musste die offizielle<br />

Buchvorstellung auf unbestimmte Zeit<br />

verschoben werden. Derweil häufen sich<br />

in Sepp Oberhöllers Bauernstube die<br />

Anfragen um Zusendung des Buches,<br />

die er gerne – mit persönlichen Widmungen<br />

– erfüllt. Das Buch mit Audio-<br />

CD ist im Verlag Athesia-Tappeiner-Verlag<br />

erschienen und in den gängigen<br />

Buchhandlungen erhältlich.<br />

Stephan Niederegger<br />

Meinhard Feichter:<br />

„Wenn des Singen net war“<br />

288 Seiten, 246 mm x 173 mm, 288<br />

Seite, ca. 100 Abbildungen, Verlag: Athesia-Tappeiner<br />

<strong>2020</strong>, 28,00 Euro<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 49


•Büchertisch•<br />

Roland Zwerger<br />

Tramin in Vergangenheit und Gegenwart<br />

Aufsätze aus 30 Jahren<br />

Wer verlässliche Informationen über<br />

Tramins Vergangenheit braucht, wendet<br />

sich in der Regel an den Historiker<br />

Roland Zwerger. Er hat in Innsbruck<br />

Geschichte studiert, und seine Doktorarbeit<br />

trägt den Titel „Beiträge zur Geschichte<br />

von Tramin“. Unter anderem<br />

veröffentlichte Roland Zwerger 2001<br />

den Dorfführer „Tramin an der Südtiroler<br />

Weinstraße“. Seit knapp 30 Jahren<br />

schreibt er aber auch im Traminer<br />

Dorfblatt Beiträge zu Geschichte, Kultur<br />

und Wirtschaft von Tramin.<br />

Viele dieser Beiträge sind nun in<br />

einem Buch auf 640 Seiten zusammengefasst.<br />

Geordnet nach 13 Themen<br />

fi nden Leserinnen und Leser in „Tramin<br />

in Vergangenheit und Gegenwart“<br />

all jene Aufsätze, die die Herausgeber<br />

des Buches gemeinsam mit dem Autor<br />

aus dem Traminer Dorfblatt ausgesucht<br />

haben. Man beschloss auch, die Texte<br />

inhaltlich unverändert zu übernehmen,<br />

zumal sich in der Sprache des Autors<br />

ein akribischer Forscherfleiß gepaart<br />

mit Kritik und Humor findet.<br />

Das erste Kapitel „Geschichte und Geschichten“<br />

umfasst eine historische<br />

Chronik von Tramin, die mit dem Menhir<br />

von Rungg beginnt und mit dem 3000.<br />

Einwohner im Jahre 1994 endet. Beindruckend<br />

ist die Fülle an historisch gesicherten<br />

Nachrichten zum Handwerk in Tramin,<br />

ein Kapitel, das in besonderer Weise das<br />

Schmiedehandwerk behandelt. Natürlich<br />

ist der Weinbau in Tramin ein zentrales<br />

Thema, interessant sind aber auch die Artikel<br />

über die alten Wirtshäuser und Höfe.<br />

Schier unglaublich erscheint die Detailfülle<br />

im Kapitel „Familien und Persönlichkeiten“,<br />

in dem wir neben den bedeutenden<br />

historischen Familien auch Wissenswertes<br />

erfahren über den hochbegabten und jungen<br />

Professor Adam Aigenler, den Radrennfahrer<br />

Richard Menapace, über den<br />

Kunstmaler Guido Waid oder über den<br />

Begründer des Heimatschutzes Kunibert<br />

Zimmeter. Der Autor beschäftigt sich auch<br />

mit der Toponomastik, der Namens- und<br />

Wappenkunde.<br />

Im Kapitel „Von Künstlern und Kunsthandwerkern“<br />

beweist Roland Zwerger einmal<br />

mehr seine Akribie, etwa wenn er einen<br />

Traminer Kachelofen mit Kacheln<br />

von Bartlmä Dill Riemenschneider in<br />

London ausfindig macht.<br />

Weitere Kapitel sind etwa „Patrozinien<br />

und Heilige“, „Katastrophen, Natur<br />

und Umwelt“ sowie „Vermischtes“.<br />

Das Buch wurde zum Anlass der beiden<br />

Jubiläen – 40 Jahre Verein für Kultur<br />

und Heimatpflege Tramin und 30<br />

Jahre Museum Tramin – herausgegeben<br />

und will auf diese Weise das kulturelle<br />

Engagement dieser beiden Einrichtungen<br />

unterstreichen.<br />

Der Verein für Kultur und Heimatpflege<br />

Tramin und das Hoamet-Tramin-Museum<br />

dankt allen, die zur Veröffentlichung<br />

des Buches beigetragen<br />

haben. Erhältlich ist „Tramin in Vergangenheit<br />

und Gegenwart“ in Tramin<br />

bei Foto-Buch Geier, Despar Oberhofer<br />

und im Kunsum Tramin.<br />

Verein für Kultur und<br />

Heimatpflege Tramin<br />

„Franz Broschek gepr. Huf- und Wagenschmied" steht auf dem Schild über dem<br />

Tor zu lesen. Der selbstbewusste Meister ließ die Inschrift später groß auf die<br />

Fassade seines Hauses malen. (Foto: VKHT)<br />

50<br />

KulturFenster


Heimatpflege<br />

Frohe Weihnachten und<br />

ein gutes neues Jahr<br />

Wenn i a Liachtl war …<br />

Wenn i a Liachtl war,<br />

wûrat i ålm scheinen,<br />

fir di, fir mi,<br />

fir die Deinen und Meinen …<br />

Wenn i a Liachtl war,<br />

wûr i glänzn,<br />

fir ålle, dia’s brauchn,<br />

und bsunders fir dia, dia am Bodn stÜauchn …<br />

Wenn i a Liachtl war,<br />

wûrat i flimmerà und fÚnklen,<br />

wia a Stearà doubn am Himmlszelt,<br />

fir ålle Menschn af der Welt …<br />

Wenn i a Liachtl war –<br />

Und warat i â nû so kloan –<br />

nårÜ winschat i,<br />

i war’s in dëin Augablick lei fir di alloan …<br />

„Kånnsch mi du gspierà?” … –<br />

Und wenn ja …,<br />

nårÜ stÜeichlt di ’s Christkind,<br />

des der mit åll sei Liab und Wär*<br />

iatz bsunders gånz nåh!<br />

Marina Ruzzon, Gluràs<br />

(Aus: „Wenn wieder Winter weard“)<br />

Der Verband Südtiroler Musikkapellen (VSM), der Heimatpflegeverband Südtirol (HPV),<br />

der Südtiroler Chorverband (SCV) sowie die Schriftleitung mit den Redaktionen<br />

der Zeitschrift KULTURFENSTER wünschen allen frohe, gesegnete Weihnachten<br />

und viel Glück und Segen im neuen Jahr 2021.<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2020</strong> 51


Danke<br />

Danke an alle Rettungskräfte<br />

Danke an alle Pflegekräfte<br />

Danke an alle, die im Supermarkt arbeiten.<br />

Danke an alle Polizisten<br />

Danke an alle Ärzte<br />

Danke an alle Menschen,<br />

die durch ihre Arbeit dem Coronavirus ausgesetzt sind,<br />

aber trotzdem weitermachen!<br />

Ohne euch ginge es nicht!<br />

Impressum<br />

Mitteilungsblatt des Verbandes Südtiroler<br />

Musikkapellen, des Südtiroler Chorverbandes<br />

und des Heimapflegeverbandes Südtirol<br />

Eigentümer und Herausgeber:<br />

Verband Südtiroler Musikkapellen, Bozen<br />

Ermächtigung Landesgericht Bozen<br />

<strong>Nr</strong>. 27/1948<br />

Schriftleiter und im Sinne des Pressegesetzes<br />

verantwortlich:<br />

Dr. Alfons Gruber<br />

Als Pressereferenten für die Darstellung der<br />

entsprechenden Verbandsarbeit zuständig:<br />

VSM: Stephan Niederegger,<br />

E-Mail: kulturfenster@vsm.bz.it<br />

SCV: Paul Bertagnolli,<br />

E-Mail: info@scv.bz.it<br />

HPV: Florian Trojer,<br />

E-Mail: florian@hpv.bz.it<br />

Unverlangt eingesandte Bilder und Texte<br />

werden nicht zurückerstattet.<br />

Redaktion und Verwaltung:<br />

Verband Südtiroler Musikkapellen,<br />

I-39100 Bozen, Schlernstraße 1, Waltherhaus<br />

Tel. 0471 976387 - Fax 0471 976347<br />

E-Mail: info@vsm.bz.it<br />

Einzahlungen sind zu richten an:<br />

Verband Südtiroler Musikkapellen, Bozen,<br />

Waltherhaus<br />

Raiffeisen-Landesbank, BZ<br />

IBAN: IT 60S03493 11600 0003000 11771<br />

SWIFT-BIC: RZSBIT2B<br />

Jahresbezugspreis: Euro 20<br />

Gefördert von der Kulturabteilung<br />

der Südtiroler Landesregierung.<br />

Druck: Ferrari-Auer, Bozen<br />

Das Blatt erscheint als Zweimonatszeitschrift,<br />

und zwar jeweils am 15. Februar, April, Juni,<br />

August, Oktober und <strong>Dezember</strong>.<br />

Redaktionsschluss ist der 15. des jeweiligen<br />

Vormonats.<br />

52<br />

KulturFenster

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