MLL Ausgabe 5 Jan 2021
Interaktives Leser*innen - Magazin. Bei uns schreiben Leser*innen Geschichte (Neu: The Story of My Life - Herzgeschichten aus dem Leben gegriffen)
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Geimpft –<br />
Geschimpft?<br />
von Jochen Dürselen, Arzt<br />
Es ist ein Moment, an dem wir<br />
uns wahrscheinlich alle zurück<br />
erinnern können. Wenn wir<br />
einmal ganz tief in die Kiste<br />
unserer Kindheitserinnerungen<br />
schauen, dann finden wir ihn.<br />
Diesen kleinen Moment, der<br />
dem einen mehr und dem<br />
anderen weniger Angst bereitet<br />
hatte. Die Rede ist von dem,<br />
in Kinderbüchern so oft als<br />
„Pieks“ beschriebenen Moment<br />
unserer Impfung. Dabei sind<br />
wahrscheinlich die meisten<br />
schon mehrfach geimpft worden.<br />
Manche im Rahmen der Kindheit,<br />
manche auch wegen ihrem<br />
Beruf, in dem sie besonderen<br />
Infektionsgefahren ausgesetzt<br />
sind. So manch einer erinnert<br />
sich vielleicht auch noch an<br />
die ehemals durchgeführte<br />
Schluckimpfung gegen die sog.<br />
Kinderlähmung: „Schluckimpfung<br />
ist süß, Kinderlähmung ist<br />
grausam“ – so hieß damals der<br />
bekannte Slogan.<br />
Aber auch heute noch spielen<br />
Impfungen eine sehr prominente<br />
Rolle – nicht zuletzt durch die<br />
Ereignisse um das Coronavirus<br />
neu entflammt. Lassen Sie<br />
uns einmal sachlich mit den<br />
Gegebenheiten und Begriffen<br />
beschäftigen, danach ist sicher<br />
noch etwas Raum für eine<br />
kritische Diskussion.<br />
Dabei ist eine Impfung im<br />
Wesentlichen absolut nichts<br />
Schlechtes! Ganz im Gegenteil:<br />
Die Impfungen sind in<br />
unserer Historie eine große<br />
Errungenschaft. Man muss<br />
jedoch bedenken, dass viele<br />
Maßnahmen in der Medizin in<br />
einem gewissen Maß Risiken<br />
oder auch Nachteile aufweisen.<br />
Dabei ist es hier wie vielerorts in<br />
der Medizin: Es muss abgewogen<br />
werden in welchem Verhältnis<br />
die positiven Aspekte zu den<br />
negativen stehen. Insbesondere<br />
bei Impfungen, die als solche<br />
Eingriffe am Gesunden<br />
darstellen! Je nachdem in welche<br />
Richtung ein Vorhaben tendiert,<br />
kann man Empfehlungen<br />
unterschiedlicher Abstufungen<br />
dazu äußern. Je nachdem<br />
in welchem Verhältnis man<br />
schlussendlich die positiven und<br />
negativen Aspekte abwägt, so<br />
erhält man die Überzeugung in<br />
die eine oder andere Richtung –<br />
(eher) für bzw. gegen das Impfen.<br />
Dabei ist es weiterhin wichtig zu<br />
bedenken, dass Impfung nicht<br />
gleich Impfung ist! Das Ziel ist<br />
zwar immer jenes, den Köper vor<br />
infektiösen Erregern zu schützen,<br />
der Weg dahin kann jedoch<br />
variieren. Um es ganz simpel<br />
herunter zu brechen: es gibt zwei<br />
verschiedene Arten der Impfung.<br />
Zum einen ist da die passive<br />
Impfung. Hierbei werden<br />
dem Patienten direkt fertige<br />
Antikörper injiziert. Der<br />
Organismus bedarf also keiner<br />
Eigenleistung mehr und<br />
das Ganze gleicht einer Art<br />
Lieferung frei Haus. Jedoch<br />
werden diese „gelieferten“<br />
Antikörper durch natürliche<br />
Prozesse im Organismus<br />
mit voranschreitender Zeit<br />
zunehmend abgebaut. Daher<br />
hält dieser Impfschutz nur eine<br />
bestimmte Zeit lang an.<br />
Zum anderen gibt es die aktive<br />
Impfung. Hierbei werden<br />
dem Patienten, Erreger bzw.<br />
dessen Bestandteile injiziert.<br />
Der Körper setzt sich dann mit<br />
diesem auseinander und bildet<br />
Antikörper dagegen. Es kommt<br />
hierbei jedoch nicht zu einer<br />
Erkrankung, da die injizierten<br />
Erreger zwar lebendig sind,<br />
jedoch zuvor abgeschwächt<br />
wurden. Oder es wurden wie<br />
beschrieben von vornherein nur<br />
Erregerbestandteile verwendet,<br />
also keine lebendigen und<br />
kompletten Erreger. Das ist dann<br />
so, als würde man in einem Glas<br />
frisch gepressten Orangensaft,<br />
Überreste vom Fruchtfleisch<br />
finden. Einmal mit diesem<br />
Erreger auseinandergesetzt,<br />
entwickeln sich im Körper Zellen,<br />
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