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Die Schreie der Fledermäuse DDR-Literatur nach 1961 Von Jörg B ...

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von Greiz, wo er wohnte, <strong>nach</strong> Ostberlin ins höchste Parteigremium einbestellt und bedroht<br />

wurde („Das überleben Sie nicht!“), ein halbes Jahr später wurde er ausgebürgert.<br />

Auch Reiner Kunze war in seiner Jugend Kommunist gewesen und dann „Renegat“<br />

geworden. Ähnlich verlief die Entwicklung auch bei Kurt Bartsch, <strong>der</strong> aus einer<br />

altkommunistischen Familie stammte und wegen seines 1979 in Hamburg erschienen Buches<br />

„Ka<strong>der</strong>akte“ ausgebürgert wurde. Er hatte in seinen Kurzerzählungen einen Tatbestand<br />

aufgegriffen, <strong>der</strong> streng tabuisiert war: die von <strong>DDR</strong>-Frauen gegen Westgeld betriebene<br />

Prostitution. Und selbst <strong>der</strong> Dramatiker Peter Hacks, <strong>der</strong> 1955 als Kommunist von München<br />

<strong>nach</strong> Ostberlin übergesiedelt war, konnte sich die „klassenlose Gesellschaft“ nur durch den<br />

Umsturz gegenwärtiger Verhältnisse vorstellen, wenn er in seinem schließlich verbotenen<br />

Stück „<strong>Die</strong> Sorgen und die Macht“ (1962) schreibt: „Kollegen, Kommunismus, wenn Ihr<br />

Euch den vorstellen wollt, dann richtet Eure Augen auf das, was jetzt ist, und nehmt das<br />

Gegenteil; denn wenig ähnlich ist dem Ziel <strong>der</strong> Weg. Nehmt so viel Freuden, wie Ihr Sorgen<br />

kennt, nehmt so viel Überfluss, wie Mangel ist und malt Euch also mit den grauen Tinten <strong>der</strong><br />

Gegenwart <strong>der</strong> Zukunft buntes Bild.“<br />

<strong>Die</strong> spannungsreiche und diskussionswürdige <strong>DDR</strong>-<strong>Literatur</strong> wurde <strong>nach</strong> dem Mauerbau<br />

ohnehin in Westdeutschland veröffentlicht, wobei Christa Wolfs unkonventioneller und stark<br />

pessimistischer Roman „Nachdenken über Christa T.“ (1968/69) in <strong>der</strong>art niedriger Auflage<br />

erschien, dass er die Öffentlichkeit kaum erreichte und zudem sofort von<br />

<strong>Literatur</strong>funktionären wegen angeblicher Verzerrung <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>-Wirklichkeit nie<strong>der</strong>gemacht<br />

wurde. Das gleiche Verdikt traf Jurek Beckers Lehrerroman „Schlaflose Tage“ (1978) und<br />

Monika Marons Umweltverschmutzungsroman „Flugasche“ (1981), die beide <strong>nach</strong> jenem<br />

Stichdatum 17. November 1976, als Erich Mielkes „Ministerium für Staatssicherheit“ die<br />

<strong>DDR</strong>-<strong>Literatur</strong>politik übernommen hatte, nur in Westverlagen erschienen. Zu den verbotenen<br />

Büchern zählte auch <strong>der</strong> Bericht Joachim Seyppels „Ich bin ein kaputter Typ“ (1982). Der<br />

Westberliner Autor wurde 1973 <strong>DDR</strong>-Bürger und reiste sechs Jahre später, vom SED-Staat<br />

bitter enttäuscht, <strong>nach</strong> München aus. <strong>Von</strong> dort fuhr er heimlich mit seinem noch gültigen<br />

<strong>DDR</strong>-Pass <strong>nach</strong> Leipzig, um <strong>nach</strong> gedruckten, aber nie veröffentlichen Büchern zu fahnden.<br />

Im Schweinestall eines LPG-Bauern im Leipziger Umland fand er Hun<strong>der</strong>te von verbotenen<br />

Büchern, darunter auch seine eigenen, die dort von <strong>der</strong> Kulturbürokratie eingelagert worden<br />

waren. Nichts wirft ein dunkleres Licht auf die Behandlung von Schriftstellern, wenn sie nicht<br />

im Zuchthaus saßen wie Erich Loest und Jürgen Fuchs, als dieser Vorgang!

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