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Objektspuren. 25 Exponate aus dem LiMo, kommentiert von Schülerinnen und Schülern der Kulturakademie Literatur 2011 (Entwurf eines Marbacher Magazins)

Die Texte zu diesem Magazin-Entwurf entstanden vom 6. bis 11. März 2011 im Rahmen der 2. Kulturakademie der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg im Deutschen Literaturarchiv Marbach. 20 Schülerinnen und Schüler, die bereits im Sommer 2010 eine Schreibwoche in Marbach verbracht hatten, wurden von Silke Scheuermann und Matthias Göritz in das Schreiben von Literatur eingeführt. Ein Schwerpunkt in dieser Woche war: Wie schreibt man über Dinge? Und wie entsteht daraus ein Buch? Organisiert und betreut wurde die Kulturakademie 2010/11 von Martina Wolff (mit Unterstützung von Heike Gfrereis und Magdalena Hack, den Buchworkshop betreute Diethard Keppler).

Die Texte zu diesem Magazin-Entwurf entstanden vom 6. bis 11. März 2011 im Rahmen der 2. Kulturakademie der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg im Deutschen Literaturarchiv Marbach. 20 Schülerinnen und Schüler, die bereits im Sommer 2010 eine Schreibwoche in Marbach verbracht hatten, wurden von Silke Scheuermann und Matthias Göritz in das Schreiben von Literatur eingeführt. Ein Schwerpunkt in dieser Woche war: Wie schreibt man über Dinge? Und wie entsteht daraus ein Buch?

Organisiert und betreut wurde die Kulturakademie 2010/11 von Martina Wolff (mit Unterstützung von Heike Gfrereis und Magdalena Hack, den Buchworkshop betreute Diethard Keppler).


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in dieser Gegend gewesen. Und doch ist sie so vertraut. Da: das H<strong>aus</strong><br />

seiner Kindheit. Es steht verlassen, mit kaputten Türen <strong>und</strong> Fenstern.<br />

Doch die Blumen auf den Fensterbänken glühen noch rot, selbst im<br />

Halbdunkel. Das knarrende Holz, als er die Tür aufschiebt, hat etwas<br />

Beruhigendes. Er fischt <strong>aus</strong> seiner Jackentasche einen Schlüssel,<br />

humpelt, ihn fest in die F<strong>aus</strong>t gepresst haltend, die Treppen hinab zum<br />

Keller. Ein kalter Luftstrom umweht ihn. Er zieht das Stück Stoff auf<br />

seinen Schultern, das er als Jacke bezeichnet, fester.<br />

Im Keller ist alles so, wie die Familie es verlassen hat, um in die<br />

winzige Mietwohnung in <strong>der</strong> Stadt zu ziehen. Ein Rest Tee in einer<br />

Blechdose: alles noch da. Sobald <strong>der</strong> grüne, mit Kacheln besetzte Ofen<br />

Feuer fängt <strong>und</strong> Wärme abgibt, kocht er sich seinen Lieblingstee.<br />

Ohne Zucker. Das ist er so gewohnt. So vieles ist für ihn Mangelware,<br />

Teebeutel <strong>und</strong> Wasser kann er sich immer leisten, manchmal etwas<br />

zerlaufenen Käse <strong>und</strong> einen vertrockneten Laib Brot. Gierig isst er<br />

dann Stück um Stück, bis nicht einmal mehr ein Krümel übrig bleibt,<br />

<strong>und</strong> er lächelt dabei verstohlen. Aber nicht jetzt. Jetzt zieht er einen<br />

Karton <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> einzigen Schrank. Der Deckel ist <strong>aus</strong>gefranst. Die<br />

damals so kirschrote Farbe ist abgeblättert, seinen Erinnerungen<br />

kann das nichts anhaben. Was seine Hände hier umfassen, ist <strong>der</strong><br />

einzige Sinn in seinem Leben. Er hat versucht, ohne seine Musik zu<br />

leben. Ist fast umgekommen dabei.<br />

Er legt die Maultrommel an den leicht geöffneten M<strong>und</strong>. Atmet ein,<br />

genießt, <strong>und</strong> presst die Luft durch die beidseitigen Schlitze hindurch.<br />

Der Stahlstab, <strong>der</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> M<strong>und</strong> ragt, vibriert. Die Backen zittern, <strong>der</strong><br />

Kopf flimmert. Ein sanfter, hoher Ton erklingt. Ein vertrautes Gefühl<br />

durchfließt ihn. Jetzt ist er ganz er selbst.<br />

Deborah Stefan (geb. 18.11.1996)

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