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Fachzeitschrift "Gewerbemiete und Teileigentum" (GuT)

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Neue Rechtsprechung zu mietrechtlichen AGB-Klauseln<br />

– Inhaltskontrolle;<br />

die Klauselverbote der §§ 308, 309 gelten für die Gewerberaummiete<br />

gegenüber Unternehmern gemäß §§ 310<br />

Abs.1, 14 nicht unmittelbar; die Inhaltskontrolle greift ein<br />

über § 307, wonach die Einschlägigkeit der Klauselverbote<br />

die Unwirksamkeit bei der <strong>Gewerbemiete</strong> zu indizieren<br />

vermag.<br />

–Vertragszweckgefährdung;<br />

die Beeinträchtigung wesentlicher Pflichten des Gewerberaumvermieters<br />

führt zu der – widerleglichen – Vermutung,<br />

dass die jeweilige Klausel gegen § 307 Abs. 2 Nr.1 oder<br />

Nr. 2 verstößt. Die Gebrauchsgewährungs- <strong>und</strong> -erhaltungspflicht<br />

des Vermieters erlangt bei der <strong>Gewerbemiete</strong><br />

oft besonderes Gewicht, verbringt der Mieter typischerweise<br />

wertvolle Gegenstände in die Mietsache95, deren Gefährdung<br />

bzw. Beschädigung existenzielle Auswirkungen<br />

für den Mieter zeitigen können.<br />

– Kardinal- bzw. Kernpflicht;<br />

davon kann sich der Klauselverwender nicht mehr wirksam<br />

freizeichnen. 96 Dazu zählen nicht nur Hauptpflichten wie<br />

§ 535 Abs.1; hinzukommen können im Einzelfall Nebenpflichten,<br />

wie Schutz- <strong>und</strong> Fürsorgepflichten, z. B. wenn<br />

der Mieter einer repräsentativen Büroanlage sich vertraglich<br />

Empfangs-, Sicherheits- <strong>und</strong> Versorgungsdienste ausbedungen<br />

hat <strong>und</strong> dafür eine zusätzliche Miete zahlt. Die<br />

Pflicht zur rechtzeitigen Herstellung der Mietsache findet<br />

sich öfters in Bau-Projektentwicklungsfällen <strong>und</strong> einem dabei<br />

abgeschlossenen Mietvertrag (z. B. Mietsache vom<br />

„Reißbrett“). Die wertende Einteilung bedeutet zugleich,<br />

dass Freizeichnungsklauseln – außerhalb des (eng zu fassenden)<br />

Bereichs des vorhersehbaren typischerweise eintretenden<br />

Schadens – unwirksam sind. 97<br />

– Risikozuweisungen;<br />

ähnlich werden wertende Betrachtungen angestellt bei Zuweisung<br />

von Verantwortlichkeiten wegen der möglichen<br />

<strong>und</strong> zumutbaren Beeinflussung <strong>und</strong> Beherrschung von<br />

Räumlichkeiten <strong>und</strong> Risikosphären, z. B. der Mietsache,<br />

Außenanlagen, öffentlichen Flächen. Der Rechtsanwender<br />

ergreift im jeweiligen Fall tatsächliche Möglichkeiten, auf<br />

den Risikobereich schadensvermeidend einzuwirken oder<br />

potenzielle Risiken vorausschauend zu erkennen <strong>und</strong> zu beherrschen<br />

(„Wer ist näher dran-Test“). Demnach kann der<br />

<strong>Gewerbemiete</strong>r für die von ihm tatsächlich beherrschbare<br />

Mietsache eher einstehen als für die „Außenhaut“ der Mietsache,<br />

„Dach <strong>und</strong> Fach“, zumal dann, wenn es sich um ein<br />

komplexes Gebäude, z. B. ein Shopping-Center, handelt. 98<br />

–Versicherungsschutz;<br />

die Unangemessenheit eines Haftungsausschlusses kann<br />

gegeben sein, wenn der Vermieter anders als der Mieter typischerweise<br />

das relevante Risiko durch eine verkehrsübliche<br />

Versicherung hätte abdecken können. 99<br />

Unter – vorsichtiger – Beantwortung der eingangs aufgeworfenen<br />

Frage: „Was geht überhaupt noch an Haftungsfreizeichnung?“<br />

sollte der Kautelarjurist vorrangig bei Zweifelsfragen<br />

eine Individualvereinbarung treffen. Auch dabei sind<br />

die „Grenzen der drei Gr<strong>und</strong>festungen“ zu beachten, <strong>und</strong> zwar:<br />

1) Kardinal- bzw. Kernpflichten,<br />

2) Integritätsverletzungen,<br />

3)Vorsatz <strong>und</strong> grobe Fahrlässigkeit als Verschuldensformen.<br />

5. Mangel der Mietsache<br />

a) Subjektiver Mangelbegriff<br />

Ein Mangel i.S.v. § 536 Abs.1 ist nach dem herrschenden<br />

subjektiven Mangelbegriff die für den Mieter nachteilige Abweichung<br />

des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem<br />

vertraglich geschuldeten Zustand, wobei tatsächliche Umstände<br />

<strong>und</strong> rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache<br />

in Betracht kommen. 100 Bestimmte äußere Einflüsse oder<br />

Umstände können einen Mangel darstellen, z. B. die Behinderung<br />

des beschwerdefreien Zugangs zu einem gemieteten<br />

Ladenlokal. Um Ausuferungen des Mangelbegriffs wirksam<br />

zu begegnen, ist stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der<br />

Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Mietsache<br />

erforderlich; Umstände, welche die Eignung der Mietsache<br />

zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren,<br />

sind nicht als Mängel einzustufen. 101<br />

b) Unmittelbarkeit als Abgrenzungskriterium<br />

Die Verwendung des Unmittelbarkeits-Kriteriums bei der<br />

Mangelbegründung bzw. -verneinung vermag dem Rechtsanwender<br />

ein Argumentationstopos an die Hand zu geben, vermöge<br />

dessen er ein gerechtes Einzelfallergebnis konsensbegründend<br />

erzielen kann. Der BGH praktiziert diese Abgrenzung<br />

nicht nur im Mietrecht bei Behandlung des Mangelbegriffs,<br />

sondern beispielsweise auch im Wohnungseigentums<strong>und</strong><br />

Versicherungsrecht bei Festlegung des Haftpflichtversicherungsumfangs<br />

bei der Hausschwammsanierung im Wohnungseigentum.<br />

Der Risikoausschluss für „Schäden am Gemeinschafts-,<br />

Sonder- <strong>und</strong> Teileigentum“ nimmt nur den unmittelbaren<br />

Sachschaden, nicht jedoch Folgeschäden von der<br />

Leistungspflicht aus. 102 Gleichwohl enthält diese Leh/ e rformel<br />

kaum Aussagekraft. 103 Dessenungeachtet wird sie von der<br />

Rechtsprechung immer wieder herangezogen; diese Argumentation<br />

unterstützt die Risikobereichseinteilungen104. c) Konkretisierung des Mangels <strong>und</strong> Ausschluss der<br />

Mängelrechte<br />

Um der ständigen Ausuferung des Mangelbegriffs entgegenzuwirken,<br />

widmet sich die Judikatur ständig der inhaltlichen<br />

Ausformung des Mangelbegriffs. Dabei stellt sie ab auf<br />

die konkrete Gefährdung des Mieters durch die Mietsache<br />

<strong>und</strong>/oder durch deren Bestandteile. So kommt eine mängelbedingte<br />

Mietminderung wegen ges<strong>und</strong>heitsgefährdender<br />

Schadstoff-Konzentration im Holzschutzmittel der Mietsache<br />

in Betracht. Bereits das Fehlen der ges<strong>und</strong>heitlichen Unbe-<br />

95) BGH, NJW 1985, 914; Joachim, NZM 2003, 387; ders., AIM 2004,<br />

142, 145; zust. Borutzki-Pasing, NZM 2004, 161, 167; ders., in:<br />

Beck’sches Formularbuch Mietrecht, A VI 1 Anm. 23.<br />

96) Kraemer, in: Bub/Treier, III Rdn.1214; Leo,A Rdn. 432 m.w. N.; Treumann,<br />

S. 578; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, § 536a Rdn.171;<br />

Borutzki- Pasing, Beck’sches Formularbuch Mietrecht, A VI 1 Anm.<br />

23.<br />

97) BGH, NJW 1993, 335; Graf v. Westphalen, NJW 2004, 1993, 2000;<br />

Joachim, AIM 2004, 142, 145.<br />

98) BGHZ 149, 89 = WM 2002, 141 = <strong>GuT</strong> 2002, 45; Schmitz-Reischauer,<br />

NZM 2002, 1019, 1020; Schlemminger /Tachezy, NZM 2000, 416;<br />

Joachim, <strong>GuT</strong> 2003, 166; ders., ZGS 2003, 177; ders., NZM 2000,<br />

785; Ostermann, <strong>GuT</strong> 2003, 39; Heinz, <strong>GuT</strong> 2004, 79.<br />

99) BGHZ 149, 89 = WM 2002, 141 = <strong>GuT</strong> 2002, 45; Schmitz-Reischauer,<br />

NZM 2002, 1019; Borutzki-Pasing, NZM 2004, 161, 167; Joachim<br />

NZM 2003, 387; ders., AIM 2004, 142, 146.<br />

100) BGH, Urteil vom 16. 2. 2000 – XII ZR 279/97, NZM 2000, 492 = NJW<br />

2000, 1714 = WM 2000, 593; dazu die Bespr. Emmerich, LM H.<br />

10/2000 § 537 Nr. 51; Eckert, EWiR § 537 1/2000, 469; Leo, MDR<br />

2000, 821; zuvor BGH, NJW-RR 1991, 204 = WM 1990, 546; aktuell<br />

OLG Rostock, NZM 2003, 282, 283; OLG Naumburg, NZM 1998,<br />

373 = WM 1997, 675; Kraemer, in: Bub/Treier, III B Rdn.1328 ff;<br />

ders., NZM 2000, 1121; Derleder, NZM 2002, 676; Eisenschmid, in:<br />

Schmidt-Futterer, § 536 Rdn.16; König, Rdn. 3 ff, 178 ff; Wolf/Eckert,<br />

Rdn. 218 ff, 224 ff; Joachim, NZM 2000, 785, 793 ff.<br />

101) BGH, NZM 2000, 492, 493 = WM 2000, 593; NJW 1981, 2405; Kraemer,<br />

in: Bub/Treier, III B Rdn.1342; Staudinger/Emmerich, Vorb.<br />

§ 537 Rdn. 32; Ostermann, <strong>GuT</strong> 2003, 39, 40; Eisenschmid, in:<br />

Schmidt-Futterer, § 536 Rdn. 386.<br />

102) BGH, Urt. v 11.12. 2002 – IV ZR 226/01, NZM 2003, 197, 199 =<br />

WM 2003, 226 = <strong>GuT</strong> 2003, 100 L; Eisenschmid, in: Futterer-Blank,<br />

§ 536 Rdn.12 f.<br />

103) Koller, NJW 1982, 201; Joachim, BB 1988, 779; ders., NZM 2000,<br />

785, 793 ff; ders., <strong>GuT</strong> 2003, 166; Ostermann, <strong>GuT</strong> 2003, 39, 41;<br />

Borutzki-Pasing, Beck’sches Formularbuch Mietrecht, VI 2 Anm. 5 f.<br />

104) So z. B. das OLG Bamberg bei der Beurteilung einer nicht vertragsgemäßen<br />

Zufahrt zum Supermarkt als Mangel, dazu <strong>und</strong> allgemein<br />

zu dieser Argumentation Joachim, BB 1988, 779, 780 ff.<br />

216 <strong>Gewerbemiete</strong> <strong>und</strong> Teileigentum · 6/04 · November/Dezember 2004

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