Burgblatt_2021_03_01-40_red
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ANNO 1926 | TEIL 5<br />
Hilpoltstein im Jahr 1926<br />
von Peter Hagenmaier<br />
Im Stadtarchiv in Hilpoltstein befinden<br />
sich die gebundenen Jahrgänge<br />
des Hilpoltsteiner Wochenblatts.<br />
Sie bilden eine sehr gute Informationsquelle<br />
über das Geschehen in<br />
unserer Kleinregion der vergangenen<br />
Epochen.<br />
Verwendete Abkürzungen:<br />
WB für Hilpoltsteiner Wochenblatt<br />
FT für Fränkisches Tagblatt<br />
HIP für Hilpoltstein<br />
In der Beilage „In der Heimat“ wird detailliert<br />
die neue, von der Firma Bittner<br />
in Eichstätt gebaute Orgel beschrieben<br />
und als Meisterwerk der deutschen Orgelbaukunst<br />
bezeichnet. Sie verfügt über<br />
960 Pfeifen (2<strong>01</strong>9 wurde sie durch eine<br />
der Firma Goll ersetzt). Außerdem wird<br />
in der Beilage genau der Burgstall „Burschel“<br />
auf dem Auer Berg bei Kleinhöbing<br />
beschrieben. Am 25.<strong>03</strong>.1926 braucht das<br />
FT anscheinend einen Spaltenfüller und<br />
beschreibt deshalb folgenden Vorfall aus<br />
Offenbau. Schlecht ergangen ist es jüngst<br />
dahier einem auf dem Weg der Liebe wandelnden<br />
Jüngling. Um den nicht gerade<br />
liebkosenden mächtigen Ochsenziemer,<br />
seitens des Papas der Angebeteten zu entkommen,<br />
sprang der Liebestolle aus der<br />
Dachluke ins Ungewisse. Außer dem Verlust<br />
seiner Hose erlitt der Jüngling keinen<br />
Schaden.<br />
Über eine weitere, belustigende Geschichte<br />
wird am 28.<strong>03</strong>. aus einer kleinen Thalach-Gemeinde<br />
berichtet. Der dortige Gemeindediener<br />
– es wird behauptet er sei<br />
ziemlich rot - brachte dem Ortsvorsteher<br />
die Einzeichnungslisten des Volksbegehrens<br />
mit den Worten: „Vielleicht kannst as<br />
für di andern Wähler a glei machen“, worauf<br />
der Ortsgewaltige darauf antwortete:<br />
„Dös mach i freili glei selber, da brauch i<br />
die andern net dazu“. Richtig schrieb er<br />
auch die Namen der anderen Wähler in<br />
die Liste, doch wurde er bald von anderen<br />
belehrt, dass er das nicht dürfe.<br />
Einen Tag später wird über das Ergebnis<br />
der Versteigerung des Pflasterzolls informiert.<br />
Herr Michael Metzger erhielt die<br />
Heidecker Straße für 1<strong>40</strong> Mark, die Solarer<br />
Straße ging für 45,50 Mark an die Witwe<br />
Waltl, Herr Alois Haußner erhielt die<br />
Freystädter Straße für 120 Mark, die Rother-<br />
und Allersberger Straße ging ebenfalls<br />
an Haußner für 153 Mark. An den<br />
Kirchentüren der Diözese Eichstätt ist ein<br />
Erlass seiner Bischöflichen Gnaden angeschlagen,<br />
indem darauf hingewiesen wird,<br />
dass Personen weiblichen Geschlechts zu<br />
den heiligen Sakramenten, insbesondere<br />
zur Kommunion, zur hl. Firmung und<br />
zur Teilnahme an kirchlichen Trauungen<br />
nur in geziemender Kleidung zugelassen<br />
werden. Frauen und Mädchen dürfen<br />
zum Gottesdienst nur erscheinen, wenn<br />
ihre Kleider bis zum Hals geschlossen und<br />
mindestens bis zu den Knien reichen. Aus<br />
Heideck wird am selben Tag berichtet,<br />
dass seit einiger Zeit mehrere junge Leute<br />
innerhalb des Stadtgebiets mit einem Militärgewehr<br />
Modell 98 schießen. So wurde<br />
am letzten Sonntag wiederum ein Teil der<br />
Stadtbevölkerung in Unruhe versetzt, als<br />
mittags innerhalb 5 Minuten drei Schüsse<br />
– von Schützen die am Anwesen Heideck<br />
Nr. 202 Aufstellung genommen hatten<br />
- abgefeuert wurden. Um 15:30 Uhr wurden<br />
noch einmal drei Schüsse abgefeuert.<br />
In den Zeitungen werden fast täglich von<br />
schweren Schussverletzungen berichtet.<br />
Am 04.04. brauchte man vermutlich wieder<br />
einmal Spaltenfüller, deshalb wird<br />
über die beiden folgenden Handlungen<br />
berichtet: Ein Bauer hatte mit seinem<br />
Hofhund ein großes Problem. Ließ er ihn<br />
freilaufen, suchte er die Hühnernester<br />
und fraß die Eier. Sein Nachbar riet ihm,<br />
er solle ein Ei mit einem Kupferdraht umwickeln<br />
und unter Strom setzen. Der Landwirt<br />
setzte den Rat um. Das Ergebnis war<br />
absolut umwerfend. Als der Hund das präparierte<br />
Ei mit der Schnauze berührte, fiel<br />
er tot um. Der zweite Fall: Ein Bauer aus<br />
Neunburg vorm Wald kaufte sich in Titt-<br />
ling ein gelbscheckiges Jungvieh. Auf dem<br />
Heinweg kehrte er in Polling in einer Gastwirtschaft<br />
ein. Während er im Gasthause<br />
saß, strichen Witzbolde sein Kalb mit<br />
schwarzer Creme ein. Ein Chauffeur bot<br />
sich ihm an, sich und sein Vieh nach seiner<br />
Heimat zu fahren. Er schlug aber den Weg<br />
nach Passau ein und setzte ihn in Weiding<br />
ab. Dort erkannte der Bauer aber, dass<br />
er statt einer Gelbscheckin eine Schwarzscheckin<br />
hatte. Kurzerhand ging er um<br />
Mitternacht zur zwei Stunden entfernten<br />
Gendarmeriestation und erstattete Anzeige<br />
wegen Austauschs des Tieres. Da der<br />
Bauer selber überall voll schwarzer Creme<br />
war, erkannten Gendarmen dessen Hereinfall,<br />
der dann ausgiebig belacht wurde.<br />
Aus Meckenhausen wird am 12.04. von einem<br />
Eierdiebstahl berichtet. Obschon die<br />
Osterzeit hinter uns liegt, geht anscheinend<br />
mancher noch aufs Eier- und Nestersuchen.<br />
Freilich möchte man annehmen,<br />
wenn in der nachösterlichen Zeit Eier und<br />
Nester fehlen, dass vierbeinige Marder die<br />
Räuber sein müssten. Nun aber gelang es<br />
dem Viehhändler und Jagdpächter Martin<br />
Stengel sogar einen zweibeinigen Eierliebhaber<br />
zu erwischen, ihm 14 Eier abzunehmen<br />
und ihn nach „vergerbtem Leder“<br />
wieder der Freiheit zu übergeben. Der<br />
„Marder“ war schon ziemlich alt, nämlich<br />
18 Jahre. Ein Glück, dass er nur zweibeinig<br />
war, ein vierbeiniger hätte mit seinem Gewehr<br />
Bekanntschaft gemacht. Zum Auffinden<br />
des Eierdiebs trug auch eine junge<br />
„Schöne“ in der Nachbarschaft bei.<br />
Im nächsten Heft:<br />
Hilpoltstein im Jahr 1926 – Teil 6<br />
<strong>03</strong> | <strong>2021</strong><br />
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