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FINE Das Weinmagazin Ausgabe 52 - 01/2021

Die Themen dieser Ausgabe sind: DIE GROSSE FINE-CHARTA Warum und wie wir Wein bewerten Weitere Themen sind: EDITORIAL Ralf Frenzel BORDEAUX Saskia de Rothschild hat große Pläne mit dem Weinimperium CHAMPAGNE Champagner: Die große Verkostung Teil 1 JURA Die Vielfalt des Jura: Domaine André & Mireille Tissot TOSKANA Eine neue Spielart von Merlot: Der Cont'Ugo TASTING Die Glorreichen Sieben WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Döllerers Wirtshaus in Österreich DIE PIGOTT KOLUMNE Die Gewurztraminer-Krise im Elsass DAS GROSSE DUTZEND Champagner Jahrgang 2010 VINOTHEK Jacques' Wein-Depot: Ein Gespräch mit Kathy-Ferón WEIN UND ZEIT Die wechselhafte Geschichte des Weinbaus in Böhmen GENIESSEN Genießen Feinherb

Die Themen dieser Ausgabe sind:
DIE GROSSE FINE-CHARTA Warum und wie wir Wein bewerten

Weitere Themen sind:

EDITORIAL Ralf Frenzel
BORDEAUX Saskia de Rothschild hat große Pläne mit dem Weinimperium
CHAMPAGNE Champagner: Die große Verkostung Teil 1
JURA Die Vielfalt des Jura: Domaine André & Mireille Tissot
TOSKANA Eine neue Spielart von Merlot: Der Cont'Ugo
TASTING Die Glorreichen Sieben

WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Döllerers Wirtshaus in Österreich
DIE PIGOTT KOLUMNE Die Gewurztraminer-Krise im Elsass
DAS GROSSE DUTZEND Champagner Jahrgang 2010
VINOTHEK Jacques' Wein-Depot: Ein Gespräch mit Kathy-Ferón
WEIN UND ZEIT Die wechselhafte Geschichte des Weinbaus in Böhmen
GENIESSEN Genießen Feinherb

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1| <strong>2021</strong> Deutschland € 15 Österreich € 16,90 Italien € 18,50 Schweiz chf 30,00<br />

4197772 515002 <strong>01</strong><br />

DOMAINE DIE GROSSE DE LA <strong>FINE</strong>-CHARTA<br />

ROMANÉE-CONTI<br />

WARUM VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT UND WIE WIR WEIN UND BEWERTEN ETHIK<br />

Château Chardonnay L’Église-Clinet Bordeaux Champagne Krug Chateau Wunderschön Musar Valdespino Reife Rieslinge Kabinett<br />

Winningen<br />

Pomerol Die Magie von Die Geschichte Der Purismus Der Geheimnisvolle <strong>Das</strong> Roséprojekt Der Der Sherry-König ungewöhnliche Die Sarah Leidenschaft<br />

Löwensteins<br />

feinstem des Montrachet Glanz der Wein-Subskription im Clos du Mesnil aus dem vom Libanon Roten Hang von Jahrgang Jerez 2<strong>01</strong>0 des Rieslinge Klaus Peter Keller


<strong>FINE</strong><br />

DAS WEINMAGAZIN 1|<strong>2021</strong><br />

CHÂTEAU LAFITE ROTHSCHILD 18<br />

BONNEAU DU MARTRAY 32<br />

CHAMPAGNER-VERKOSTUNG I 38<br />

WEIN BEWERTUNG 12<br />

DOMAINE TISSOT 48 GUADO AL TASSO 56 CHATEAU MUSAR 62<br />

DIE GLORREICHEN SIEBEN 68<br />

BODEGAS VALDUERO 76 BODEGAS VALDESPINO 122 HEYMANN-LÖWENSTEIN 134 RHÔNE MEETS CALIFORNIA 112<br />

9 <strong>FINE</strong> EDITORIAL ________________Ralf Frenzel<br />

12 <strong>FINE</strong> IN EIGENER SACHE _______Eine neue Charta für die Punktevergabe<br />

18 <strong>FINE</strong> BORDEAUX ________________Saskia de Rothschild hat große Pläne mit dem Weinimperium<br />

28 <strong>FINE</strong> BORDEAUX ________________Eine Geschichte der Weinsubskription<br />

32 <strong>FINE</strong> BURGUND _________________Nur zwei Weine: Bonneau du Martray<br />

38 <strong>FINE</strong> CHAMPAGNE ______________Champagner: Die große Verkostung Teil 1<br />

48 <strong>FINE</strong> JURA ______________________Die Vielfalt des Jura: Domaine André & Mireille Tissot<br />

56 <strong>FINE</strong> TOSKANA _________________Eine neue Spielart von Merlot: Der Cont’Ugo<br />

62 <strong>FINE</strong> LIBANON __________________Ein wilder, aufregend köstlicher Naturwein: Chateau Musar<br />

68 <strong>FINE</strong> TASTING ___________________Die Glorreichen Sieben<br />

76 <strong>FINE</strong> RIBERA DEL DUERO _______Der Mut der Unterschätzten: Bodegas Valduero<br />

84 <strong>FINE</strong> WEIN UND SPEISEN _______Jürgen Dollase im »Döllerers Wirtshaus« in Österreich<br />

92 <strong>FINE</strong> WISSEN ___________________Der Chardonnay vom Zauberberg<br />

98 <strong>FINE</strong> VINOTHEK _________________Jacques’ Wein-Depot: Ein Gespräch mit Kathy Féron<br />

104 <strong>FINE</strong> DAS GROSSE DUTZEND __Champagner Jahrgang 2<strong>01</strong>0<br />

110 <strong>FINE</strong> WORTWECHSEL ___________Der Hype um Natur- und Orange-Weine<br />

112 <strong>FINE</strong> TASTING ___________________Rhône meets California<br />

118 <strong>FINE</strong> DIE PIGOTT KOLUMNE ____Die Gewurz traminer-Krise im Elsass<br />

122 <strong>FINE</strong> SHERRY ___________________Grand Cru von Jerez: Bodegas Valdespino<br />

130 <strong>FINE</strong> WEIN UND ZEIT ___________Die wechselhafte Geschichte des Weinbaus in Böhmen<br />

134 <strong>FINE</strong> RHEINHESSEN ____________Die Balance von Suchen und Finden: Sarah Löwenstein<br />

142 <strong>FINE</strong> GENIESSEN _______________Genießen Feinherb<br />

146 <strong>FINE</strong> ABGANG __________________Ralf Frenzel<br />

6 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> INHALT<br />

INHALT <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> 7


LIEBE LESERINNEN,<br />

LIEBE LESER,<br />

wer eine Revolution anzetteln will, der macht sich auch<br />

darauf gefasst, dass die eigene Idee auf Gegenwind triff,<br />

der womöglich zum Sturm wird. Dennoch hatten wir mit<br />

diesen Reaktionen nicht gerechnet, als wir im <strong>FINE</strong>-Heft<br />

Nummer 50, unserer Jubiläumsausgabe, nach zehn Jahren<br />

der berüchtigten 100-Punkte-(»Parker«-)Skala Adieu<br />

sagten. Wir wollten diese Höher-Schneller-Weiter-Jagd,<br />

die bisweilen absurde Züge angenommen hat, schlicht<br />

nicht mehr mitmachen.<br />

Schon als ich Sommelier und Weinhändler war – wir<br />

sprechen von den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren –<br />

hat es mich irritiert, dass durchaus intelligente Leute ihren<br />

Wein »blind« nach Parker-Punkten kauften, ohne dabei<br />

ihrem eigenen Geschmack zu vertrauen. Sie suchten ein<br />

verlässliches Urteil und zogen sich selbst dabei gar nicht<br />

in Betracht. <strong>Das</strong> kam wohl auch so, weil plötzlich das<br />

Preis-Genuss-Verhältnis, die Erwartung eines »Return<br />

of Invest«, zunehmend eine Rolle spielte. Wer etwas auf<br />

sich hielt, orientierte sich also an Robert Parker, dessen<br />

Bewertungen bald das Maß aller Dinge zu sein schienen.<br />

Was hier und da auch zu wundersamen Weinvermehrungen<br />

führte – fast war es, als sei uns ein neuer Messias geboren.<br />

Und, ja: Robert Parker hat mit seinen Weinbewertungen<br />

Akzente gesetzt, Marken gemacht, Preise<br />

gebildet. Parkerpunkte (PP) galten in der internationalen<br />

Weinwelt als Währung, der Weinjournalist war selbst zur<br />

Marke geworden. Wer sich seiner Marktmacht nicht entgegenstellen,<br />

von der Kraft dieses Riesen profitieren wollte,<br />

musste sich Parkers Geschmacksdiktat unterwerfen. Sein<br />

gängiges Muster, das Must-have, die Mode, die plötzlich<br />

jeder trug und mochte, war fett, breit, fruchtig. Nach<br />

diesem Profil wurden Weine gemacht: schnell ansprechend,<br />

leicht zugänglich. Der Stil der neuen Welt. Daneben ließ<br />

der beinahe allmächtige Kritiker alles links liegen, was<br />

komplex, schlank, elegant, fein, lang oder gar gereift war.<br />

Und schaffe so etwas, was kein Affcionado ernsthaft<br />

wollen kann: Er machte die Weinwelt eindimensional.<br />

Wer sich auskannte, stellte freilich schon damals fest,<br />

dass Parkers scheinbar objektive Bepunktung äußerst<br />

indifferent war. Heute gilt der Parker-Stil, eben noch<br />

eine Mode, als out. <strong>Das</strong> 100-Punkte-Schema, gemeinhin<br />

»Parker-Skala« genannt, hat der Anwalt aus dem<br />

amerikanischen Baltimore übrigens gar nicht erfunden,<br />

sondern ausspioniert (sollten wir netterweise sagen:<br />

adaptiert?). Fest steht: Er hat es sich in der Sowjetunion<br />

abgeschaut.<br />

Mit all dem wollten wir Schluss machen: Aussteigen<br />

aus dieser Hitparade mit ihrer Jagd auf die vorderen, mainstreamtauglichen<br />

Chartplätze. Den Blick der <strong>FINE</strong>-Leser<br />

auf unsere Weinbeschreibungen lenken. Dem, was im Glas<br />

ist, mehr Raum und Zeit zum Nachspüren geben. Weil<br />

wir meinen, dass Wein dies verdient. Weil wir wissen,<br />

dass ein solches Urteil immer eine Momentaufnahme<br />

ist. Mit einem haben wir dabei aber nicht gerechnet:<br />

Ihrem Aufbegehren. Die überwältigende Reaktion unserer<br />

Leser hat gezeigt, dass Sie das nicht wollen. In einer überraschenden<br />

Flut von Mails, Briefen, Anrufen und persönlichen<br />

Kommentaren haben Abonnenten, Weinfreunde,<br />

Händler, Gastronomen und Winzer uns klargemacht, dass<br />

ihnen viel an einer belastbaren Währung in der Weinkritik<br />

liegt. <strong>Das</strong>s sie <strong>FINE</strong> als seriöse, verlässliche Instanz<br />

in der Weinbewertung schätzen und darauf nicht verzichten<br />

wollen.<br />

Wir haben gelernt und Ihre Reaktionen als Auftrag<br />

verstanden. Die <strong>FINE</strong>-Redaktion wird bei der Bewertung<br />

von Weinen deshalb wieder zur Punkteskala zurückkehren.<br />

Wir legen Wert darauf, dass unser Urteil transparent, nachvollziehbar<br />

und verlässlich ist – und unsere Einschätzung<br />

eine belastbare Währung bleibt, die unseren Lesern verlässlich<br />

bei der Orientierung hilft. Wie wir das anstellen<br />

und welchen Aufwand wir dafür treiben, lesen Sie in<br />

unserer Geschichte zur Punkteskala, einer historischen<br />

Aufarbeitung, die eine für uns logische Folgerung krönt:<br />

das <strong>FINE</strong>-Manifest.<br />

BUCHERER.COM<br />

EINZIGARTIG WIE IHRE EMOTIONEN – SEIT 1888<br />

Ralf Frenzel<br />

Herausgeber und Verleger<br />

UHREN SCHMUCK JUWELEN<br />

EDITORIAL <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> 9


DIE GESCHICHTE<br />

DER WEIN-<br />

BEWERTUNG<br />

UND EINE NEUE CHARTA FÜR<br />

DIE PUNKTEVERGABE IN <strong>FINE</strong><br />

Seit dem ersten Heft von 2008 verkostet und bewertet <strong>FINE</strong> Weine. Teils blind,<br />

teils offen, gelegentlich in Panels, also größeren Gruppen, zumeist aber durch<br />

einzelne geschulte Verkoster. Seit dem ersten Heft verwenden wir dabei die<br />

100-Punkte-Skala. Zugleich haben wir in den über 50 Heften nach Erscheinen<br />

der Erstausgabe immer wieder Zweifel artikuliert, ob die Vielfalt und Komplexität<br />

großer Weine durch eine numerische Skala abgebildet werden kann, insbesondere<br />

bei den überaus raren und uralten Schatzkammerweinen, bei denen<br />

jede Flasche ihre eigene Individualität besitzt. Im letzten Heft 4/2020 hatten wir<br />

nun die Punktebewertung ausgesetzt – eine Notbremse, die zu einer heftigen<br />

und durchaus kontroversen Reaktion unserer Leser geführt und uns veranlasst<br />

hat, dieses Thema grundsätzlich zu durchdenken.<br />

Von STEFAN PEGATZKY<br />

Die Notbremse und ihre Gründe<br />

Ein Blick in das Angebot eines beliebigen Weinhändlers, sei<br />

es im Netz oder als gedruckter Katalog, zeigt: Kaum ein Wein<br />

kommt heute ohne Angabe einer Punktebewertung aus. Nicht<br />

einfach dezent unter der Weinbeschreibung, sondern vielfach<br />

in grellen Störern mit Adjektiven versehen wie »sensationell«<br />

oder »sagenhaft«. Hyperventilierende Händler, ratlose Kunden.<br />

Kaum ein Wein wird mit unter 90 Punkten versehen, einige<br />

Kritiker scheinen sogar kaum einmal unter 95 gehen zu wollen.<br />

Viele Händler bewerten mittlerweile eigenhändig – und liegen,<br />

welch Wunder, regelmäßig höher als parallel zitierte Kritiker.<br />

Um diese durchsichtige Strategie zu tarnen, stehen heute<br />

»Journalisten« im Handel unter Vertrag, die maßgeschneiderte<br />

Kritiken anfertigen. Denn heute sind Punkte eindeutig mit<br />

Preisen gekoppelt: Je besser das Verhältnis von Ersteren zu<br />

Letzteren ausfällt, desto lukrativer.<br />

Für <strong>Weinmagazin</strong>e ist diese Zweitverwertung ihrer Weinbewertungen<br />

mittlerweile vielfach noch vor der eigentlichen<br />

Publikation das primäre Geschäftsmodell. Entsprechend bieten<br />

die Marketingabteilungen der Medienhäuser dem Handel<br />

Promotion-Material zur Verkaufsunterstützung, das neben<br />

dem Inhalt insbesondere die Logos umfasst. Dabei werden<br />

Missverständnisse mutmaßlich bewusst in Kauf genommen:<br />

Bei »Robert Parker Wine Advocate«, der wohl führenden<br />

Weinbewertungsplattform überhaupt, legt das gleichnamige<br />

Logo nahe, dass zitierte Punktebewertungen vom Gründer<br />

Robert Parker selber stammen – dabei hat sich Parker seit<br />

Jahren vom professionellen Verkosten zurückgezogen. Doch<br />

nicht nur Handel oder Marketingabteilungen von Verlagen<br />

haben an der Demontage der Weinbewertung insgesamt einen<br />

Anteil. In Zeiten größerer Konkurrenz untereinander, nicht<br />

zuletzt durch die neuen Medien sowie sinkender Zeitbudgets<br />

der Leser versuchen Redaktionen, über einen sich ständig<br />

steigernden Wettlauf an Höchstbewertungen ihr Überleben<br />

zu sichern. Zudem finden Weinkritiker wie der Italiener Lukas<br />

Maroni durch die »revolutionäre« Entwertung klassischer<br />

Übereinkünfte, was ein großer Wein sei, neue Leser. Gerade<br />

durch Robert Parker hat zudem das Wettkampfartige von Wein-<br />

Tastings die Wahrnehmung der sinnlichen und kulturellen<br />

Qualitäten von Wein in den Hintergrund treten lassen. Dabei<br />

geht es in <strong>FINE</strong> weder um kraftstrotzende »Winner« noch um<br />

primärfruchtige Spaßweine, sondern in erster Linie um »Fine<br />

Wine«, um die großen Weine der Welt im klassischen Sinne,<br />

als Blüte historischer und moderner Kulturlandschaften sowie<br />

einzigartiger Persönlichkeiten – und um die Wege, diese Art<br />

von Wein auch noch im nächsten Jahrhundert zu produzieren<br />

und zu genießen. Angesichts der geschilderten Inflation von<br />

»Big Points« für bestenfalls korrekte Weine auf der einen und<br />

stilistisch mitunter fragwürdige Weine auf der anderen Seite,<br />

schien uns ein Aussetzen von Punktbewertungen als folgerichtiger<br />

Schritt.<br />

10 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> IN EIGENER SACHE<br />

IN EIGENER SACHE <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> 11


WIE WIR WEINE<br />

BEWERTEN<br />

DIE <strong>FINE</strong>-<br />

VERKOSTUNGEN<br />

• Wir glauben, dass der Geschmack zwar subjektiv ist, dass wir als erfahrene Verkoster und in kontrollierten<br />

Umgebungen aber dennoch gut begründete und klar formulierte Urteile über Wein geben können.<br />

• Als aufgeklärte Connaisseurs wissen wir, dass Punktebewertungen nicht objektiv sind, also keine reale<br />

»Substanz« im Wein bezeichnen. Sie sind aber auch nicht völlig subjektiv. In der <strong>FINE</strong> sind sie immer<br />

Ausdruck einer Wechselbeziehung von Wein und Verkoster. Deshalb veröffentlichen wir immer den<br />

Namen des jeweiligen Verkosters. Als neuer Leser werden Sie nach ein paar Heften die jeweiligen Unterschiede<br />

und Vorlieben unseres Teams einzuschätzen wissen.<br />

• <strong>FINE</strong> ist keine akademische Publikation, sondern will Freude am Weingenuss vermitteln. Deshalb fließen<br />

auch emotionale Elemente und stilistische Vorlieben mit ein, zudem schätzen wir den gelungenen sprachlichen<br />

Ausdruck. Wir anerkennen besonders Weine, die versuchen, ihren Ursprung zum Ausdruck zu<br />

bringen und naturnah oder gar biologisch erzeugt werden. Weltanschauliche Scheuklappen sind uns<br />

allerdings fremd. Auch deswegen verkosten wir, wenn die Situation es erlaubt, vorzugsweise blind.<br />

• Unsere Bewertungen sind nicht absolut, sondern spiegeln den Kontext einer jeden Verkostungssituation<br />

wider. Wenn wir in einer Vertikale von Château Petrus einen kleinen Jahrgang mit 92 Punkten und in<br />

einer anderen Situation einen Merlot aus der Maremma mit der gleichen Punktzahl bewerten, dann heißt<br />

das nicht, dass diese Werte gleichwertig sind. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass Scoring und<br />

schriftlicher Kommentar nur gemeinsam ein Ganzes bilden.<br />

• Um die subjektive Sicht eines Einzeltesters zu ergänzen, bemühen wir uns, wenn es irgend geht, um das<br />

Urteil eines Verkostungspanels. Bei diesem Urteil wird bei jedem Wein die jeweils höchste und niedrigste<br />

Note gestrichen und ein Durchschnittswert gebildet.<br />

• Wir erkennen an, dass sowohl der Wein als auch der Verkoster »lebendig« sind. Weine können von<br />

Flasche zu Flasche und von Woche zu Woche variieren. Verkoster haben unterschiedliche Tagesformen,<br />

Stärken oder Schwächen. Immer geht es uns um den Augenblick des Verkostens, Einschätzungen zum<br />

Potenzial fließen lediglich in den Begleittext ein, nicht in die Bewertung selbst.<br />

• Auch in <strong>FINE</strong> werden sie wenige Weine mit einem niedrigen Scoring finden. <strong>Das</strong> hat nichts mit der<br />

Nivellierung von Grundsätzen zu tun, sondern weil wir um Ihre kostbare Zeit wissen und der Auffassung<br />

sind, dass jeder Wein, der in <strong>FINE</strong> vorgestellt wird, es auch wert sein muss. <strong>Das</strong> kann bei einem hinreißenden<br />

Müller-Thurgau aus Baden ebenso der Fall sein wie bei einem Amphorenwein aus Georgien.<br />

Referenztabelle des 100-Punkte-Systems von <strong>FINE</strong> zum britischen 20-Punkte-System<br />

50 60 70 80 85 90 96 100<br />

0 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20<br />

<strong>Das</strong> <strong>FINE</strong>-Verfahren<br />

zur Bewertung von Wein<br />

Menschen teilen im Prinzip die gleichen Sinne und wollen sich<br />

durch eine von anderen geteilte Sprache allgemein verständigen.<br />

Aber alle sensorischen Erfahrungen sind persönliche Erlebnisse,<br />

und mögen auch bestimmte Urteile mehr oder weniger objektivierbar<br />

sein, der eigene Geschmack ist immer subjektiv. Auch bei der<br />

Bewertung von Wein spielen Erfahrung, Gaumen, persönliche<br />

Geschmacksvorlieben und sprachliche Eigenheiten sowie die<br />

Persönlichkeit des Verkosters eine Rolle. Weil es deshalb wichtig<br />

ist zu wissen, wer die Autoren dieses Magazins sind und welches<br />

ihre Präferenzen und Erfahrungen mit Weinverkostungen, veröffentlichen<br />

wir keine Verkostungsnotiz ohne Namensnennung<br />

und stellen alle Mitarbeiter zu Beginn des Heftes einzeln vor.<br />

<strong>Das</strong> Weinpunkte-System von <strong>FINE</strong><br />

Mit Ausnahme von sehr alten Schatzkammerweinen, deren<br />

Zustand von Flasche zu Flasche variieren kann, werden alle<br />

von <strong>FINE</strong> verkosteten Weine nach Punkten bewertet. Diese<br />

Bewertung folgt der 100-Punkte-Skala. Ziel ist es, dem Leser ein<br />

tieferes Verständnis von der Qualität der durch <strong>FINE</strong> evaluierten<br />

Weine zu vermitteln sowie die Trinkbarkeit der Weine zu bewerten.<br />

Dieses Bewertungssystem weicht erheblich von anderen<br />

100-Punkte-Systemen ab: Maßgeblich für die Punkte-Zahl ist<br />

unser Eindruck vom Wein am Tag der Verkostung. <strong>FINE</strong> vergibt<br />

keine zusätzlichen Punkte für das zukünftige Potenzial des Weins.<br />

<strong>FINE</strong>-Verkoster stützen sich bei ihrer Bewertung ausschließlich<br />

auf die gegenwärtige Qualität des Weins und dessen Fähigkeit,<br />

jetzt Genuss zu bereiten – physisch wie mental.<br />

Da das Potenzial des Weins nicht in die Punktewertung einfließt,<br />

wird darüber eine Anmerkung in den Verkostungsnotizen<br />

abgegeben. Wein wird blind, halb-blind und offen verkostet.<br />

Die entsprechende Methode findet sich in den Anmerkungen<br />

zur Verkostung.<br />

Aufschlüsselung unserer Punkte<br />

100 Punkte Vollkommenheit. Ein vollkommener Wein,<br />

der alle Sinne erfüllt, vollkommen in allen<br />

Aspekten der Qualität – ein unschätzbares<br />

Geschenk der Natur.<br />

97–99 Punkte Ein beinahe perfektes Erlebnis. Der Wein und<br />

seine Geschichte sind einzigartig: unvergesslich<br />

makellose Harmonie, Komplexität und<br />

außergewöhnliche Persönlichkeit.<br />

94–96 Punkte Ein überragender Wein von höchstem Qualitätsanspruch<br />

und einzigartiger Ausgewogenheit.<br />

91–93 Punkte Ein exzellenter Wein, der einen verfeinerten Stil,<br />

eine ausgewogene Struktur und eine nuancierte<br />

Finesse aufweist.<br />

88–90 Punkte Ein guter Wein, nahezu exzellent. Harmonisch,<br />

lässt aber die Komplexität und den Charakter<br />

eines exzellenten Weines vermissen.<br />

80–87 Punkte Durchschnittlicher Wein mit weniger Charakter,<br />

Intensität, Struktur und Eleganz.<br />

70–79 Punkte Ein bescheidener und einfacher Wein, dem<br />

Leben und Harmonie fehlen.<br />

50–69 Punkte Ein beinahe untrinkbarer, leerer Wein.<br />

Zum Verständnis der Verkostungsnotizen<br />

Art und Schwerpunkt der Weinverkostung variieren individuell.<br />

Die Experten von <strong>FINE</strong> sind sich bei den meisten wichtigen<br />

Bewertungs-Parametern einig. Sie konzentrieren sich auf die<br />

Beschreibung des Charakters und der Essenz des Weines: Säure,<br />

Frucht, Tannin, Struktur, Tiefe und Länge. All diese Faktoren<br />

beeinflussen die Ausgewogenheit des Weins, seine Balance – und<br />

neben der Komplexität ist nach Meinung aller <strong>FINE</strong>-Experten vor<br />

allem die Balance das entscheidende Kriterium für seine Qualität.<br />

14 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> IN EIGENER SACHE<br />

IN EIGENER SACHE <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> 15


SASKIA DE<br />

ROTHSCHILD<br />

ALS JOURNALISTIN HAT SIE DIE WELT GESEHEN,<br />

JETZT BRINGT SIE FRISCHEN WIND IN DAS<br />

LEGENDÄRE CHÂTEAU LAFITE ROTHSCHILD.<br />

SASKIA DE ROTHSCHILD HAT GROSSE PLÄNE<br />

MIT DEM WEINIMPERIUM IHRER FAMILIE – UND<br />

SCHAUT DABEI WEIT ÜBER DIE GRENZEN<br />

FRANKREICHS HINAUS.<br />

Von BIRTE JANTZEN<br />

Fotos LEIF CARLSSON<br />

18 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> BORDEAUX<br />

BORDEAUX <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> 19


»WIR<br />

WOLLEN WEINE,<br />

DIE LEBEN!«<br />

IN DEN WIRREN DES 15-JÄHRIGEN BÜRGERKRIEGES IM<br />

LIBANON IST EINER DER EIGENWILLIGSTEN WEINE DER<br />

WELT ZUR IKONE HERANGEWACHSEN: CHATEAU MUSAR, EIN<br />

WILDER, JAHRZEHNTE LANG REIFENDER, AUFREGEND KÖST-<br />

LICHER NATURWEIN, DER SO GAR NICHT ZU UNSEREM BILD<br />

VOM PERFEKTEN SPITZENWEIN PASSEN WILL.<br />

Von CHRISTIAN VOLBRACHT<br />

Fotos Arne Landwehr<br />

Chateau Musar ist die Schöpfung des Weinmachers Serge Hochar, der vor sieben Jahren<br />

im Alter von 75 Jahren bei einem Badeunfall in Mexiko gestorben ist. Seinem Sohn Marc<br />

sitze ich nun vor dem Zoom-Bildschirm gegenüber, er in München, ich in Hamburg. Der<br />

<strong>52</strong>-jährige Marc Hochar ist der internationale Sales-Manager seiner Familie und lebt in<br />

Deutschland. Er ist Abstand zur Heimat gewohnt, ein eloquenter Botschafter des Weingutes<br />

bei Beirut mit seinen Weinbergen in der an Syrien grenzenden Bekaa-Ebene.<br />

Beim Zoom-Gespräch steht ein Glas mit<br />

weißem Chateau Musar 2002 neben mir.<br />

Ich habe die Flasche am Vorabend geöffnet,<br />

aber noch immer verändert sich das Aroma ständig.<br />

Ein paar Tage später folgt der rote Jahrgang 20<strong>01</strong>.<br />

Sofort verstehe ich, warum die außergewöhnlich<br />

langlebigen Weine von Serge Hochar mit ihrem<br />

komplexen Aroma voller Frucht- und Gewürznoten,<br />

ihrer frischen Säure und einer animalischen Wildheit<br />

so hoch geschätzt werden. Ich verstehe aber auch,<br />

warum sie von manchen Kritikern und Liebhabern<br />

im Vergleich zu harmonisch-eleganten, »perfekten«<br />

Spitzenweinen abgelehnt werden. »Some will hate<br />

it«, notierte Robert Parker bei einer Probe. »Manche<br />

werden ihn hassen.«<br />

Die Familie Hochar greift auf die uralte Weinbautradition<br />

des Libanon zurück, die vor 6000<br />

Jahren von der Seefahrer- und Handelsnation der<br />

Phönizier begründet wurde. In der fruchtbaren<br />

Bekaa-Hochebene zwischen den beiden bis auf<br />

3000 Meter ansteigenden, schneebedeckten Bergketten<br />

des Libanon finden die Reben in 900 bis 1500<br />

Metern Höhe ideale Bedingungen. Heiße Sommer,<br />

kalte Winter und genügend Feuchtigkeit. <strong>Das</strong> Land<br />

an der Ostküste des Mittelmeeres im Norden des<br />

biblischen Landes Kanaan gehörte im Lauf seiner<br />

turbulenten Geschichte zu den Großreichen der<br />

Ägypter, Assyrer, Babylonier, Perser, Makedonier<br />

und Griechen. Die Römer errichteten im zweiten<br />

Jahrhundert den prächtigen Tempel zu Ehren des<br />

Weingottes Bacchus in Baalbek.<br />

Ein Schmelztiegel vieler Völker und Religionen:<br />

Im oströmischen Reich wird das Gebiet zum<br />

Zentrum des Christentums, bis es die Araber im<br />

7. Jahrhundert eroberten und der Islam sich verbreitete.<br />

Die Römische Kirche versuchte fast 200<br />

Jahre lang vergeblich, den Islam mit ihren Kreuzzügen<br />

zurückzudrängen. Auch der Ahnherr der<br />

Familie Hochar soll als Kreuzritter aus der Picardie in<br />

Nordfrankreich gekommen und sich in den Bergen<br />

als maronitischer Christ niedergelassen haben. Einen<br />

sicheren historischen Beleg für diese viel zitierte<br />

Familiengeschichte, so sagt mir Marc Hochar, gibt<br />

es aber nicht.<br />

600 Jahre lang gehörte der Libanon zum türkischosmanischen<br />

Reich. Später wuchs der Einfluss Frankreichs,<br />

das 1860 intervenierte, um einen Bürgerkrieg<br />

zwischen christlichen Maroniten und islamischen<br />

Drusen zu beenden. Die Bank- und Handelsgeschäfte<br />

der Familie Hochar brachen am Ende des Ersten<br />

Weltkrieges mit dem Osmanischen Reich zusammen.<br />

So begann Marc Hochars Großvater Gaston als junger<br />

Mann in Paris Medizin zu studieren, wo er sich aber<br />

»in den Wein verliebte«, wie man in der gerade veröffentlichten<br />

Familienchronik nachlesen kann. Als<br />

kaum 20-Jähriger kehrte er 1930 in sein Land zurück,<br />

um dort anstelle der üblichen Massenware Weine<br />

nach französischem Vorbild zu erzeugen. Dafür gab<br />

es wegen der in Libanon und Syrien stationierten<br />

französischen Truppen einen guten Markt.<br />

62 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> LIBANON<br />

LIBANON <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> 63


DAS GROSSE<br />

DUTZEND<br />

CHAMPAGNER<br />

JAHRGANG 2<strong>01</strong>0<br />

Der Jahrgang 2<strong>01</strong>0 war eine echte Herausforderung. Denn kaum gingen die großen Mengen<br />

des Dreamteams 2008 und 2009 zur Neige, richtete sich das Interesse auf den nächsten<br />

Benchmark-Vintage: den 2<strong>01</strong>2er. 2<strong>01</strong>0, von kaum einer der großen Maisons separat abgefüllt,<br />

vermisste eigentlich niemand, er gilt als vergessener Jahrgang. Tatsächlich glich die Ernte<br />

dieses Jahres einem Hochseilakt – und nicht in jedem Fall gelang das Kunststück. Wer<br />

aber präzise arbeitete, wurde mit authentischen, ausdrucksstarken Champagnern belohnt.<br />

Von STEFAN PEGATZKY Fotos Rui Camilo<br />

»Ein perfektes Jahr?« François Pouillon schüttelt den<br />

Kopf. Sicherlich, so gibt der Inhaber von Champagne<br />

R. Pouillon & Fils in Mareuil-sur-Aÿ zu bedenken,<br />

gäbe es große Jahrgänge, aber das Wort perfekt<br />

sollte mit einem Jahrgang nicht verbunden werden.<br />

»Ich denke, perfekt ist er dann, wenn er die Eigenschaften<br />

eines Jahres am besten ausdrückt, selbst<br />

unter schwierigen Umständen.« Denn tatsächlich<br />

sei doch jeder Jahrgang anders: solche mit sehr viel<br />

Alterungspotenzial, solche mit einer besonderen<br />

Intensität des aromatischen Ausdrucks oder einer<br />

besonderen Reife. »Mein Ziel ist es, alle Jahrgänge<br />

anzubieten, aber dafür muss ich jedes Jahr alles dafür<br />

tun, um möglichst schöne Trauben zu produzieren.«<br />

Dieses Ziel verbindet Pouillon, einen Hersteller<br />

von gerade einmal 85 000 Flaschen Winzerchampagner,<br />

mit Vincent Chaperon, seit 2<strong>01</strong>9 Chef-de-cave von<br />

Dom Pérignon, einem der renommiertesten, aber<br />

mit einer Produktion von mehreren Millionen<br />

Flaschen auch größten Champagnerhäuser der<br />

Region. Anders als Pouillon bietet Dom Pérignon<br />

ausschließlich Vintage-Champagner an, in der Vergangenheit<br />

nur aus besonders guten Jahren. Daher<br />

überraschte Chaperon im vergangenen Jahr mit<br />

der Ankündigung, diese Strategie zu ändern. <strong>Das</strong><br />

läge, so Chaperon, an der Klimaerwärmung, die in<br />

der Champagne eben auch positive Auswirkungen<br />

hat: »Früher lag die Champagne zu weit nördlich,<br />

um Vintage-Weine zu produzieren. Noch in den<br />

achtziger Jahren waren Dom-Pérignon-Jahrgänge<br />

die Ausnahme. Dann stieg deren Anteil zuletzt<br />

bis auf sieben innerhalb eines Jahrzehnts. Für die<br />

Zukunft ist es nun das Ziel des Hauses, in jedem Jahr<br />

einen Dom Pérignon zu erzeugen. <strong>Das</strong> ist natürlich<br />

eine Herausforderung!« Ähnlich sieht es Fabrice<br />

Pouillon: »Mein Vater und mein Großvater haben<br />

es noch erlebt, dass es Ernten gab, bei denen die<br />

Trauben nicht ausreiften und dann noch Botrytis<br />

hinzukam. Ich denke, die globale Erwärmung hat<br />

dieses Risiko begrenzt.« Trotzdem sind Vintage-<br />

Champagner eine Nische für Kenner geblieben: Nicht<br />

einmal zwei Prozent aller verkauften Champagner,<br />

so zeigen es die Auswertungen des Dachverbands<br />

Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne<br />

(CIVC), werden als Jahrgang abgefüllt, ein Anteil,<br />

der sich in den vergangenen zehn Jahren eher noch<br />

verringert hat.<br />

Wie verlief nun 2<strong>01</strong>0 die Vegetation in der<br />

Champagne? Tatsächlich erinnerte der Jahresauftakt<br />

an Zeiten vor der globalen Erwärmung. Der frost-<br />

und schneereiche Winter war mit Temperaturen<br />

bis zu minus 23 Grad Celsius der kälteste seit 1996<br />

und zog sich bis in den April, bei glücklicherweise<br />

geringen Frostschäden. Entsprechend setzte der<br />

Austrieb der Reben später ein als üblich und durch<br />

eine Kältephase Anfang Mai verlangsamte sich auch<br />

das Rebwachstum. Zwischen dem 16. und dem 21.<br />

Juni erreichte dann die Rebblüte ihren Höhepunkt,<br />

fünf Tage später als im zehnjährigen Mittel. Mehrere<br />

Wochen mit heißem, trockenem Sommerwetter<br />

sorgten für gesundes Pflanzenwachstum, ein wenig<br />

Mehltau, der nach Niederschlägen um den 12. Juli<br />

auftrat, konnte gut unter Kontrolle gehalten werden.<br />

Am 15. und 16. August kam es dann aber zu sintflutartigen<br />

Regenfällen, was die Winzer zunächst einhellig<br />

begrüßten, da so drohende Trockenschäden<br />

verhindert wurden und der Zeitpunkt der Niederschläge<br />

in ausreichendem Abstand zur Ente stattfand.<br />

<strong>Das</strong> Unheil kam auf schleichenden Sohlen –<br />

und in doppelter Gestalt. Da der Boden dank des<br />

regenarmen Frühlings und Frühsommers trocken<br />

war, bildete sich die Fäulnis in den Trauben erst<br />

allmählich aus. Durch Botrytis-Pilze ausgelöster<br />

Grauschimmel machte vor allem den kompakten,<br />

kleinbeerigen Pinot-Noir-Reben und den oft an<br />

wenig gut belüfteten Standorten stehenden Pinot-<br />

Meunier-Anlagen zu schaffen. Je näher der Erntezeitpunkt<br />

heranrückte, desto deutlicher wurde das<br />

Ausmaß der Attacke, die teilweise zu einem Verlust<br />

von bis zu 40 Prozent führte, dem größten seit<br />

der legendären »Botrytis-Explosion« von 1994.<br />

Ebenso perfide war ein Angriff wenige Tage vor<br />

der Ernte, der vor allem den Chardonnay treffen<br />

sollte, und den die Region seit 1967 nicht mehr<br />

erlebt hatte: das sogenannte Tourne- oder Wechsel-<br />

Phänomen, ein Bakterienbefall, der seinen Namen<br />

104 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> DAS GROSSE DUTZEND<br />

DAS GROSSE DUTZEND <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> 105


DIE BALANCE<br />

VON SUCHEN<br />

UND FINDEN<br />

SARAH LÖWENSTEIN UND IHRE RIESLINGE<br />

Von UWE KAUSS<br />

Fotos RUI CAMILO<br />

134 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> MOSEL<br />

MOSEL <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2021</strong> 135


THE ODYSSEY<br />

HAS JUST BEGUN<br />

Hennessy empfiehlt massvoll-geniessen.de

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