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Warum es weiter aufwärtsgeht. Jens Ehrhardt, Altmeister der deutschen<br />
Vermögensverwaltung, spricht über seine Prognose für den Dax und<br />
den gesamten Aktienmarkt, über Niedrigzinsen und Spekulationsblasen.<br />
Außerdem: wie er jetzt 10000 Euro anlegen würde<br />
Interview von MARIO LOCHNER<br />
ÜBER 50 JAHRE<br />
ERFAHRUNG<br />
bringt Ehrhardt in seine<br />
Arbeit mit und zu nahezu<br />
jedem Thema hat er<br />
Zahlen parat.<br />
Vita<br />
Dr. Jens Ehrhardt<br />
Geboren am 17. März<br />
1942 in Hamburg<br />
Ab 1969 war Ehrhardt<br />
für fünf Jahre Partner<br />
der Vermögensverwaltung<br />
Portfolio Management.<br />
1974 hat er seine<br />
eigene Vermögensverwaltung<br />
DJE Kapital<br />
AG gegründet.<br />
Außerdem gibt er seit<br />
1974 den wöchentlich<br />
erscheinenden<br />
Börsenbrief „Finanzwoche“<br />
heraus.<br />
Die Fondsmanager-Umfrage der Bank of America<br />
zeigt: Die Profis sind so stark investiert wie seit Jahren<br />
nicht. Haben die Großanleger ihr Pulver schon verschossen?<br />
Dr. Jens Ehrhardt: Ich glaube nicht. Es ist zwar<br />
richtig, dass es nach der Fonds-Umfrage nur noch<br />
3,9 Prozent an Barreserven gibt. Zuletzt hatten<br />
wir Mitte 2013 eine ähnlich niedrige Barreserve,<br />
aber der Aktienmarkt ging das ganze Jahr danach<br />
weiter hoch. Außerdem sind viele Institutionelle<br />
immer noch stark in Anleihen investiert. Wenn die<br />
jetzt in Aktien gehen, dann macht es auch nichts,<br />
dass die Fondsbarreserven niedrig sind, weil einfach<br />
im Hintergrund noch so viel Geld wartet, das<br />
aus anderen Anlagen in den Aktienmarkt fließen<br />
könnte. Noch ein wichtiger Hinweis: Solche Kontraindikatoren<br />
wie die niedrige Barreserve wirken<br />
besonders gut in der Seitwärts- oder Abwärtsbörse<br />
– aber in einem Bullenmarkt wie jetzt versagen<br />
sie häufig.<br />
Wie sieht dann nach Ihrer Analyse das zutreffendere Bild<br />
aus?<br />
Ehrhardt: Ich glaube schon, dass der Anstieg im<br />
Trend weitergeht, natürlich immer mit Schwankungen.<br />
Es gibt ja ein paar Leute, die zuletzt ein<br />
bisschen nervös geworden sind, weil die Zinsen<br />
steigen, vor allem in den USA, und damit der Dollar<br />
an Stärke gewinnt. Das ist manchmal auch ungünstig,<br />
gerade für die Schwellenländer. Aber dieser<br />
monetäre Druck, den wir im Hintergrund<br />
haben, diese Liquiditätswelle, die erschlägt im<br />
Grunde diese ganzen antizyklischen Indikatoren,<br />
die nach der Contrarian-Methode jetzt eher zur<br />
Vorsicht mahnen.<br />
Die Bären vergleichen die derzeitige Lage schon länger<br />
mit der Internet-Blase, die ihren Höhepunkt im Jahr 2000<br />
erreichte. Jetzt haben wir viele IPOs gesehen, die auch<br />
meist durch die Decke gegangen sind. Schrottaktien<br />
werden hochgeprügelt, wir erleben den Hype um Gamestop<br />
& Co. – was ist heute anders als 2000?<br />
Ehrhardt: Bei der vorletzten Fed-Sitzung haben<br />
auch einige kluge Leute gefragt: Ähnelt das nicht<br />
der Situation im Jahr 2000 und sollte man nicht<br />
aus Gründen der Sicherheit des Finanzsystems die-<br />
se Blase entschärfen und die Luft rauslassen?<br />
Denen hat US-Notenbank-Chef Jerome Powell<br />
entgegnet: Eine Notenbank hat noch nie eine Blase<br />
zum Platzen gebracht. Er sähe das als ungünstig<br />
an für den Finanzmarkt, aber auch für die<br />
Wirtschaft – und er hat gleichzeitig gesagt: Alles,<br />
was für die Arbeitsplätze gut ist, ist auch für ihn<br />
gut.<br />
Also ist der Arbeitsmarkt der wichtigste Indikator?<br />
Ehrhardt: Die Investoren müssen wirklich darauf<br />
achten, wann in den USA wieder Vollbeschäftigung<br />
erreicht wird. Das könnte ein Zeitpunkt<br />
sein, wo man konstatieren kann: Jetzt kann die<br />
Notenbank schlecht noch mehr stimulieren. Und<br />
es kommt darauf an, ob die Notenbank das tut oder<br />
nicht. Aber nach meiner Meinung dauert es Jahre,<br />
bis wir am Arbeitsmarkt das Niveau vor Corona<br />
wieder erreichen. Wir müssen vorläufig nicht befürchten,<br />
dass die Notenbanken jetzt bremsend<br />
eingreifen.<br />
Entdecken Sie folglich kaum eine Parallele zum Jahr<br />
2000?<br />
Ehrhardt: Die Bewertungen sind zum Teil sehr<br />
hoch und es ist schon ein bisschen ungesund, wie<br />
Neuemissionen nach oben gejagt werden – ebenso,<br />
dass der Großteil der an der Nasdaq gehandelten<br />
Aktien Verluste schreibt. Aber ich glaube, dass<br />
Spekulationsblasen, die an 2000 erinnern, noch<br />
wesentlich größer werden könnten. Warum? Weil<br />
die Liquidität eben noch wesentlich größer ist als<br />
damals und vor allem, weil die Zinsen heute null<br />
betragen und damals sechs Prozent erreichten. Es<br />
wird wahrscheinlich einige Volatilitäten, einige<br />
Merkwürdigkeiten geben wie zuletzt eben mit<br />
Gamestop. Aber insgesamt sehe ich den Hauptbörsentrend<br />
weiter deutlich aufwärtsgerichtet. Wenn<br />
die Leute jetzt zum Teil verkaufen, weil die Bewertungen<br />
hoch sind, was machen sie mit dem Geld<br />
am nächsten Tag? Vom Angebots-Nachfrage- Verhältnis<br />
an der Börse her ist die Situation weiter<br />
günstig.<br />
Aber die Gier ist ja gestiegen. Und Privatanleger haben<br />
eine ganz schöne Wucht entwickelt, zumindest bei<br />
FOCUS-MONEY <strong>15</strong>/<strong>2021</strong><br />
Foto: Heider-Sawall/FOCUS-MONEY 9