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moneytitel INTERVIEW Bei der VW-Aktie ist der Knoten geplatzt“ JÜRGEN PIEPER: Der Metzler-Analyst gab inmitten der Dieselkrise ein Kursziel für die VW-Vorzugsaktie von 250 Euro aus – und behielt damit Recht Krise abgehakt Dieselgate ist abgehakt. Inzwischen notieren die VW- Vorzüge wieder über dem Niveau von vor der Krise. Treiber ist die Aufholjagd im Geschäft mit E-Mobilität. VW Aktienkurs in Euro 2014 15 16 17 18 19 20 2021 Quelle: Bloomberg 250 200 150 100 50 Aktie vor Neubewertung Noch ist die Tesla-Aktie fast viermal so viel wert wie die VW-Vorzugsaktie. Doch der Dax-Wert steht vor einer Neubewertung – die Schere beginnt sich zu schließen. Vergleich VW und Tesla 26.3.2020 = 100 2020 MÄR Quelle: Bloomberg 2021 JAN Tesla VW APR 600 500 400 300 200 100 0 –100 12 FOCUS-MONEY 15/2021
Autoanalyst Jürgen Pieper von Metzler Capital Markets erklärt im Interview, warum sich alle Welt auf die VW-Aktie stürzt, der Käfer-Konzern im nächsten Jahr Tesla als Marktführer bei E-Mobilität ablöst – und welche Rechnung zu einem Kursziel von 400 Euro führt von JENS MASUHR Vor zwei Jahren waren Sie mit einem Kursziel für VW von 250 Euro allein auf weiter Flur. Der Großteil der Schätzungen lag zwischen 90 und 160 Euro. Mitte März notierte die VW-Vorzugsaktie bei 252,20 Euro! Wie fühlt man sich, wenn man eine Punktlandung hinlegt? Jürgen Pieper: Ich ziehe da gern die Parallele zum Sport. Klar kann man mit dem Fußball ein bisschen hin und her daddeln. Aber wie viele andere bin auch ich erfolgshungrig und spiele lieber um Punkte. Denn so gut man über Kurse diskutieren kann – am Ende zählt immer das Ergebnis. Um beim Bild zu bleiben: Es ist ein Gefühl, als ob ich das Tor gemacht hätte (lacht). Komisch ist der plötzliche Hype um die Aktie trotzdem. Die Argumente, die für VW sprechen, liegen seit mehr als zwei Jahren auf dem Tisch. Niemanden hat’s interessiert. Plötzlich eine Rally wie Kai aus der Kiste. Was ist passiert? Pieper: Das richtige Timing an der Börse, also der Zeitpunkt, an dem die Stimmung umschlägt, bleibt ein Mysterium. Und doch kommen bei VW einige Punkte zusammen. Zunächst einmal sind Autohersteller klassische Frühzykliker, die in der Regel besonders dann profitieren, wenn sich das Ende einer Krise abzeichnet. Die Logik dahinter ist, dass der Kauf eines Autos lange geplant ist und krisenbedingt bloß vertagt wird – anders als beim Kauf einer Flasche Sekt, auf die ich vielleicht verzichten musste, den Kauf aber nicht nachhole. Der Umsatz ist für den Händler verloren. Dazu kommt das Ende einer ganzen Reihe von Belastungsfaktoren für den Sektor, insbesondere für VW. Vita Jürgen Pieper Die da wären? Pieper: Zum einen der Dieselskandal, der langsam wie ein dicker Nebel verschwindet. Dazu baute sich durch die zahlreichen Umweltregularien, etwa Fahrverbote in Innenstädten, eine regelrechte Antihaltung gegenüber der Autobranche auf. Nicht zu vergessen: die Handelskriege, die Trump seinerzeit losgetreten hat, und die sich ganz bewusst gegen deutsche Autohersteller gerichtet haben. Das waren die Generalthemen, die VW am stärksten betroffen haben . . . Studium der Physik an den Universitäten Köln und Bonn, Abschluss als Diplom- Betriebswirt (FH Bielefeld) 15 Jahre Analyst bei der Deutschen Morgan Grenfell, zuständig für Transportwerte und deutsche Midcaps Seit 2017 Director Research und Senior Advisor bei Metzler im Kerngeschäftsfeld Capital Markets, zuständig für den deutschen Automobilsektor vierte Quartal nicht besonders positiv. Und dann das! Ich konnte erst gar nicht glauben, was ich da sehe. Was denn? Pieper: Zwölf Prozent Gewinnmarge! Das war bei VW bis vor Kurzem noch Utopie. Das vierte Quartal hat damit gezeigt, dass eine zweistellige Marge in Wolfsburg absolut möglich ist. Was befeuert die Aktie noch? Pieper: Ganz klar die Fantasie bei einem möglichen Börsengang von Porsche. Je höher die Sportwagentochter bei einem möglichen IPO bewertet wird, desto höher steigt auch der Wert der VW-Aktie. Als Drittes hat der sogenannte Power Day Mitte März den Investoren die Augen geöffnet. Inwiefern? Pieper: Vorstandschef Herbert Diess präzisierte dort in bester Tesla-Manier die einzelnen Schritte der Elektrostrategie und erklärte, wie man den Rivalen vom Thron stoßen werde – und zwar ohne Wenn und Aber. Selbst dem letzten Skeptiker müsste nun klar sein, dass es VW nicht dabei belassen wird, das zweite Tesla zu sein, sondern ganz klar die Nummer eins in der E-Mobilität werden will. Und das funktioniert wie? Pieper: Vor allem dank der enormen Finanzkraft. Da fließen zweistellige Milliardenbeträge in die Forschung und Entwicklung – eine ganz andere Liga als bei Tesla. Geplant sind sechs Gigafactories zur Batterieproduktion. Auch der Anspruch, selbst reinzuwollen in die Zelle, um die Eigenschaften der Batterie noch mal deutlich zu verbessern, spricht für die Konsequenz, mit der VW an die Spitze will. Dazu kommt die Ansage, nicht nur in den USA und Europa, sondern auch in China massiv ins Ladenetz zu investieren. Kurzum: Gigafactories, Batterien weiterentwickeln, Ladeinfrastruktur und die riesigen Budgets für Elektromobilität – das ist für mich der Vierklang, mit dem VW an Tesla vorbeiziehen wird. . . . aber auch alle anderen deutschen Hersteller. Warum geht gerade die VW- Aktie ab wie Schmidts Katze? Pieper: Zum einen wegen der hervorragenden Zahlen fürs Schlussquartal. Eine echte Überraschung, wenn man bedenkt, dass die vorangegangenen Quartale für VW-Verhältnisse eher enttäuschend verliefen. In der Folge waren die Markterwartungen fürs FOCUS-MONEY 15/2021 Wann ist es so weit? Pieper: Ich glaube, VW ist im nächsten Jahr Marktführer. In den Augen der Welt dürfte es vielleicht noch ein Jahr länger dauern, weil Tesla eben diesen Vorsprung bei Image und Marktwert hat. Dann aber dürften alle realisiert haben, dass die Musik in Zukunft noch stärker in Wolfsburg spielt als in Kalifornien. 13
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