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FOCUSMONEY_2021-15_Vorschau

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Autoanalyst Jürgen Pieper von Metzler Capital Markets erklärt im Interview, warum sich<br />

alle Welt auf die VW-Aktie stürzt, der Käfer-Konzern im nächsten Jahr Tesla als Marktführer bei<br />

E-Mobilität ablöst – und welche Rechnung zu einem Kursziel von 400 Euro führt<br />

von JENS MASUHR<br />

Vor zwei Jahren waren Sie mit einem Kursziel für VW von 250 Euro allein<br />

auf weiter Flur. Der Großteil der Schätzungen lag zwischen 90 und 160 Euro.<br />

Mitte März notierte die VW-Vorzugsaktie bei 252,20 Euro! Wie fühlt man<br />

sich, wenn man eine Punktlandung hinlegt?<br />

Jürgen Pieper: Ich ziehe da gern die Parallele zum Sport. Klar kann<br />

man mit dem Fußball ein bisschen hin und her daddeln. Aber wie<br />

viele andere bin auch ich erfolgshungrig und spiele lieber um Punkte.<br />

Denn so gut man über Kurse diskutieren kann – am Ende zählt<br />

immer das Ergebnis. Um beim Bild zu bleiben: Es ist ein Gefühl, als<br />

ob ich das Tor gemacht hätte (lacht).<br />

Komisch ist der plötzliche Hype um die Aktie trotzdem.<br />

Die Argumente, die für VW sprechen, liegen<br />

seit mehr als zwei Jahren auf dem Tisch. Niemanden<br />

hat’s interessiert. Plötzlich eine Rally wie Kai aus der<br />

Kiste. Was ist passiert?<br />

Pieper: Das richtige Timing an der Börse,<br />

also der Zeitpunkt, an dem die Stimmung umschlägt,<br />

bleibt ein Mysterium. Und doch kommen<br />

bei VW einige Punkte zusammen. Zunächst<br />

einmal sind Autohersteller klassische<br />

Frühzykliker, die in der Regel besonders dann<br />

profitieren, wenn sich das Ende einer Krise abzeichnet.<br />

Die Logik dahinter ist, dass der Kauf<br />

eines Autos lange geplant ist und krisenbedingt<br />

bloß vertagt wird – anders als beim Kauf<br />

einer Flasche Sekt, auf die ich vielleicht verzichten<br />

musste, den Kauf aber nicht nachhole.<br />

Der Umsatz ist für den Händler verloren.<br />

Dazu kommt das Ende einer ganzen Reihe von<br />

Belastungsfaktoren für den Sektor, insbesondere<br />

für VW.<br />

Vita<br />

Jürgen Pieper<br />

Die da wären?<br />

Pieper: Zum einen der Dieselskandal, der<br />

langsam wie ein dicker Nebel verschwindet.<br />

Dazu baute sich durch die zahlreichen Umweltregularien, etwa<br />

Fahrverbote in Innenstädten, eine regelrechte Antihaltung gegenüber<br />

der Autobranche auf. Nicht zu vergessen: die Handelskriege,<br />

die Trump seinerzeit losgetreten hat, und die sich ganz bewusst gegen<br />

deutsche Autohersteller gerichtet haben. Das waren die Generalthemen,<br />

die VW am stärksten betroffen haben . . .<br />

Studium der Physik an den<br />

Universitäten Köln und Bonn,<br />

Abschluss als Diplom-<br />

Betriebswirt (FH Bielefeld)<br />

<strong>15</strong> Jahre Analyst bei der<br />

Deutschen Morgan Grenfell,<br />

zuständig für Transportwerte<br />

und deutsche Midcaps<br />

Seit 2017 Director Research<br />

und Senior Advisor bei<br />

Metzler im Kerngeschäftsfeld<br />

Capital Markets, zuständig<br />

für den deutschen Automobilsektor<br />

vierte Quartal nicht besonders positiv. Und dann das! Ich konnte<br />

erst gar nicht glauben, was ich da sehe.<br />

Was denn?<br />

Pieper: Zwölf Prozent Gewinnmarge! Das war bei VW bis vor Kurzem<br />

noch Utopie. Das vierte Quartal hat damit gezeigt, dass eine<br />

zweistellige Marge in Wolfsburg absolut möglich ist.<br />

Was befeuert die Aktie noch?<br />

Pieper: Ganz klar die Fantasie bei einem möglichen Börsengang<br />

von Porsche. Je höher die Sportwagentochter<br />

bei einem möglichen IPO bewertet wird, desto<br />

höher steigt auch der Wert der VW-Aktie.<br />

Als Drittes hat der sogenannte Power Day Mitte<br />

März den Investoren die Augen geöffnet.<br />

Inwiefern?<br />

Pieper: Vorstandschef Herbert Diess präzisierte<br />

dort in bester Tesla-Manier die einzelnen<br />

Schritte der Elektrostrategie und erklärte,<br />

wie man den Rivalen vom Thron stoßen werde<br />

– und zwar ohne Wenn und Aber. Selbst<br />

dem letzten Skeptiker müsste nun klar sein,<br />

dass es VW nicht dabei belassen wird, das<br />

zweite Tesla zu sein, sondern ganz klar die<br />

Nummer eins in der E-Mobilität werden will.<br />

Und das funktioniert wie?<br />

Pieper: Vor allem dank der enormen Finanzkraft.<br />

Da fließen zweistellige Milliardenbeträge<br />

in die Forschung und Entwicklung – eine<br />

ganz andere Liga als bei Tesla. Geplant sind<br />

sechs Gigafactories zur Batterieproduktion.<br />

Auch der Anspruch, selbst reinzuwollen in die<br />

Zelle, um die Eigenschaften der Batterie noch<br />

mal deutlich zu verbessern, spricht für die<br />

Konsequenz, mit der VW an die Spitze will. Dazu kommt die Ansage,<br />

nicht nur in den USA und Europa, sondern auch in China<br />

massiv ins Ladenetz zu investieren. Kurzum: Gigafactories, Batterien<br />

weiterentwickeln, Ladeinfrastruktur und die riesigen Budgets<br />

für Elektromobilität – das ist für mich der Vierklang, mit dem VW<br />

an Tesla vorbeiziehen wird.<br />

. . . aber auch alle anderen deutschen Hersteller. Warum geht gerade die VW-<br />

Aktie ab wie Schmidts Katze?<br />

Pieper: Zum einen wegen der hervorragenden Zahlen fürs<br />

Schlussquartal. Eine echte Überraschung, wenn man bedenkt,<br />

dass die vorangegangenen Quartale für VW-Verhältnisse eher enttäuschend<br />

verliefen. In der Folge waren die Markterwartungen fürs<br />

FOCUS-MONEY <strong>15</strong>/<strong>2021</strong><br />

Wann ist es so weit?<br />

Pieper: Ich glaube, VW ist im nächsten Jahr Marktführer. In den<br />

Augen der Welt dürfte es vielleicht noch ein Jahr länger dauern, weil<br />

Tesla eben diesen Vorsprung bei Image und Marktwert hat. Dann<br />

aber dürften alle realisiert haben, dass die Musik in Zukunft noch<br />

stärker in Wolfsburg spielt als in Kalifornien.<br />

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