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Wir Steirer - Sonderausgabe - Jänner 2021

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SONDERAUSGABE<br />

Seite<br />

7<br />

POLITISCHER WECKRUF<br />

Das System Bauernbund und seine<br />

Landwirtschaftskammer –<br />

einzementierter Machterhalt in Reinkultur!<br />

Gagenkaiser<br />

Titschenbacher und Pein<br />

Am 24. <strong>Jänner</strong> <strong>2021</strong> sind die steirischen<br />

Bauern aufgerufen, ihre Interessensvertretung<br />

zu wählen. Bei der letzten Wahl<br />

erreichte der schwarze Bauernbund<br />

knapp 69 Prozent. Seit Jahrzehnten stellt<br />

er die absolute Mehrheit und reklamiert in<br />

der Landwirtschaftskammer alle wichtigen<br />

Ämter und Posten für sich. Unter<br />

den finanziell üppig bezahlten Funktionen<br />

sind vor allem jene von Präsident<br />

Franz Titschenbacher (Monatsgage rund<br />

9.000 Euro, 14-mal im Jahr) und jene der<br />

Vizepräsidentin Maria Pein (rund 4.500<br />

Euro, 14-mal im Jahr) zu nennen, die dem<br />

Vernehmen nach jeweils auch noch gut<br />

bezahlte Zusatzposten in der Raiffeisengruppe<br />

bzw. der Sozialversicherung der<br />

Selbstständigen (SVS) bekleiden. Von<br />

diesen Gehaltsprivilegien können einfache<br />

Bauern, die mit ihren Zwangsbeiträgen<br />

die Landwirtschaftskammer finanziell<br />

unterstützen müssen, nur träumen.<br />

69 Prozent Wahlergebnis, jedoch 99<br />

Prozent der Macht<br />

Der Bauernbund beansprucht nicht<br />

nur die bezahlten Ämter, sondern auch<br />

alle Obleute der neun Fachausschüsse<br />

und der drei Beiräte für sich. Allein die<br />

Freiheitlichen sind die einzig ernstzunehmende<br />

Kontrollkraft und stellen den<br />

Obmann des Kontrollausschusses. Von<br />

sieben Mitgliedern gehören diesem<br />

Gremium jedoch fünf dem Bauernbund<br />

an – für Aufklärung und Kontrolle findet<br />

sich somit nur selten eine Mehrheit. Die<br />

ÖVP-Teilorganisation sichert sich mit<br />

nur 69 Prozent der Stimmen nahezu 99<br />

Prozent der Macht innerhalb der Landwirtschaftskammer.<br />

Ein realistisches Abbild<br />

der tatsächlichen politischen Meinung<br />

der Bauernschaft wird damit keinesfalls<br />

geliefert. Schließlich betrug die Wahlbeteiligung<br />

bei der letzten Kammerwahl im<br />

Jahr 2016 lediglich 38 Prozent, in Graz fiel<br />

sie auf bedenkliche 17 Prozent. Bei jeder<br />

Klassensprecherwahl ist die Wahlbeteiligung<br />

höher.<br />

Bauernbund – wo war die Leistung?<br />

Nun könnte man meinen, dass diese<br />

Machtfülle dazu führt, dass der Bauernbund<br />

die Interessen der Landwirte<br />

durchzusetzen vermag. Über Jahrzehnte<br />

hinweg gelang es der ÖVP-Teilorganisation<br />

jedoch in keiner Weise, dem großen<br />

Bauernsterben Einhalt zu gebieten. Gab<br />

es 1995 noch 44.477 landwirtschaftliche<br />

Betriebe in der Steiermark, waren es Ende<br />

2018 nur mehr 22.460. Beim Einkommen<br />

rangiert nur der Kammerpräsident Titschenbacher<br />

an der Spitze, die einfachen<br />

Bauern selbst landen weit abgeschlagen<br />

im untersten Feld der Einkommensbezieher.<br />

In der Praxis haben heimische<br />

Milchbauern in den letzten 25 Jahren<br />

einen Kaufkraftverlust von 90 Prozent<br />

erleiden müssen. Zum Vergleich: Vor dem<br />

EU-Beitritt bekam ein Bauer für einen Liter<br />

Milch umgerechnet rund 0,53 Euro, heute<br />

sind es 0,36 Euro wiewohl Betriebsmittel<br />

und andere Kostentreiber ständig gestiegen<br />

sind.<br />

Die Kammer braucht die Bauern, die<br />

Bauern die Kammer jedoch kaum<br />

Den Anspruch, die Situation der Bauernschaft<br />

nachhaltig zu verbessern, erfüllt der<br />

Bauernbund in der Landwirtschaftskammer<br />

somit nicht. Auf völliges Unverständnis<br />

stößt bei Landwirten vielmehr die<br />

gültige Pensionsregelung für Kammer-<br />

Angestellte. Während Bauern im Schnitt<br />

mit rund 1.950 Euro das Auslangen finden<br />

müssen, dürfen sich Kammer-Angestellte<br />

über stolze 3.900 Euro freuen. Die Durchschnittsrente<br />

eines Kammer-Mitarbeiters<br />

nach 35 Jahren ist dreimal so hoch wie<br />

jene von kleinen Landwirten! Unbestritten<br />

ist, dass der Bauernbund den größten<br />

Einfluss auf die Landwirtschaftskammer<br />

hat. Kritiker meinen, dass man nur dann<br />

dort Angestellter werden könne, wenn<br />

man selbst im finsteren Tunnel noch einen<br />

Schatten wirft.<br />

Betonieren und Blockieren<br />

für den Machterhalt<br />

Die schwarze Funktionärsriege tut alles<br />

dafür, um den Status quo zu erhalten.<br />

Besonders skurril mutet dabei das Wahlsystem<br />

an. So können nicht nur natürliche<br />

(echte) Personen, sondern auch juristische<br />

Personen (Funktionäre von Genossenschaften,<br />

Gemeindevertreter etc.) von<br />

ihrem Stimmrecht Gebrauch machen.<br />

Davon profitiert in erster Linie der Bauernbund,<br />

der über ein breit verzweigtes<br />

Netzwerk an Funktionären in Genossenschaften,<br />

Verbänden und Gemeinden<br />

verfügt. Nicht selten kommt es vor, dass<br />

Funktionäre aufgrund ihrer Mitgliedschaften<br />

in diversen Gremien für ein und<br />

dieselbe Wahl mehrere Stimmen abgeben<br />

können. Ein Bauer, der schlichtweg<br />

seinen Betrieb führt, hat hingegen nur<br />

eine Stimme. Dieses System erinnert mehr<br />

an Wahlen in kommunistischen Ländern<br />

als an einen demokratischen Rechtsstaat.<br />

Das Wahlrecht an die Lebenswirklichkeit<br />

des 21. Jahrhunderts anzupassen, ist die<br />

Horrorvorstellung für die schwarzen Funktionäre.<br />

Schließlich könnte dies zu einem<br />

Machtverlust führen. Daher wird blockiert,<br />

betoniert und negiert – Bauerbund eben.

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