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Wir Steirer - Sonderausgabe - Jänner 2021

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Seite<br />

8<br />

Heimische<br />

Bauernschaft<br />

als beständige<br />

Antriebskraft<br />

kulturellen<br />

Miteinanders<br />

Über die letzten Jahrzehnte konnte<br />

sich auch die bäuerliche Bevölkerung<br />

dem tiefgreifenden Wandel der Gesellschaft<br />

nicht entziehen. Dies betraf sowohl<br />

Produktions- und Lebensverhältnisse<br />

als auch Einstellungen und Bedürfnisse,<br />

die sich in zunehmendem Maße in einer<br />

durch die modernen Errungenschaften<br />

zusammenrückenden, kleiner werdenden<br />

Welt an jene der nichtbäuerlichen, urbanen<br />

Bevölkerung anpassten.<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten noch<br />

annähernd 75 Prozent der Bevölkerung<br />

dem sogenannten Bauernstand an. Heute<br />

arbeiten in Österreich nur noch zwei bis<br />

drei Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft.<br />

Lag die Anzahl der land- und<br />

forstwirtschaftlichen Betriebe 1951 noch<br />

bei rund 430.000, so dürfte deren Anzahl<br />

mittlerweile auf rund 150.000 gesunken<br />

sein.<br />

Durch diesen bereits Jahrzehnte andauernden<br />

Prozess rückten jedoch auch<br />

bäuerliche Traditionen und Brauchtümer<br />

in die Mitte einer sich angleichenden<br />

Gesellschaft, die gleichzeitig einer fortlaufenden<br />

Verstädterung ausgesetzt war<br />

und ist. Veranstaltungen, die heutzutage<br />

als selbstverständlich angesehen werden,<br />

hätten ohne die Bauernschaft, die in der<br />

dörflichen Gemeinschaft eine wesentli-<br />

che Stütze war, niemals Eingang in das<br />

allgemeine Brauchtum der Österreicher<br />

gefunden.<br />

Natürlich entsprangen nicht alle Brauchtümer<br />

wie etwa das Setzen des Maibaums,<br />

die Unruhnacht, das Erntedankfest,<br />

Oster- und Weihnachtsbräuche, Bergfeuer,<br />

Volkstänze, -lieder und -theater sowie<br />

Brauchtümer rund um Hochzeiten direkt<br />

aus bäuerlichen Traditionen. Trotzdem<br />

muss festgehalten werden, dass die<br />

ländliche Bevölkerung durch deren Pflege<br />

und Tradierung maßgeblich zum Fortbestand<br />

bis in die heutige Zeit beitrug, wo<br />

sie großteils als kulturelles Allgemeingut<br />

gelten. Nach wie vor sind in vielen<br />

Dorfgemeinschaften vor allem engagierte<br />

Bauern die Antriebskraft und das Rückgrat<br />

des kulturellen Miteinanders.<br />

Unter anderem ist an dieser Stelle Peter<br />

Rosegger zu nennen, der bis dahin nur<br />

mündlich überlieferte Lieder, Gedichte,<br />

Geschichten, aber auch Bräuche und<br />

Sitten sowie die bäuerliche Wohnkultur<br />

schriftlich festhielt und dadurch zu deren<br />

Überlieferung beitrug. Als Vermittler der<br />

bäuerlichen Kultur brachte er die sozialen<br />

und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner<br />

Heimat dem städtischen Publikum näher,<br />

profilierte sich als Sozialkritiker und stieß<br />

insofern auch Reformen zur Verbesserung<br />

der Lebensverhältnisse an.<br />

Warum über das Budget der Volkskultur<br />

fremdländische und multikulturelle<br />

Projekte beziehungsweise Projekte mit<br />

explizit ethnischem Hintergrund gefördert<br />

werden, obwohl diese finanziellen<br />

Mittel viel besser bei der heimischen<br />

Volkskultur aufgehoben wären und dort<br />

in weiterer Folge auch fehlen, konnte die<br />

für die Volkskultur verantwortliche ÖVP<br />

auch beim Beschluss des Budgets <strong>2021</strong><br />

in der Landtagssitzung am 15. Dezember<br />

2020 nicht erklären. Stattdessen wird die<br />

„freie Szene“, die sich vornehmlich in Graz<br />

austobt, mit über 10 Millionen Euro pro<br />

Jahr gefördert, wo sich eine selbsternannte<br />

„Kulturelite“ in abgeschlossenen Zirkeln<br />

und Elfenbeintürmen ein Stelldichein gibt<br />

und sich selbst zelebriert. Diese Geringschätzung<br />

der heimischen Volkskultur und<br />

der ländlichen Regionen durch die Bundes-<br />

und Landesregierung muss endlich<br />

beendet werden.<br />

Letztlich stehen auch die Politik sowie die<br />

gewählten Vertreter der Landwirtschaftskammer<br />

in der Verantwortung, gerade für<br />

die bäuerliche Jugend im Rahmen einer<br />

Politik der Stärkung des ländlichen Raumes<br />

die entsprechenden Voraussetzungen<br />

zu schaffen, um dem Leben am Hof<br />

und der Arbeit im landwirtschaftlichen<br />

Betrieb eine Perspektive zu bieten. Nur so<br />

kann ein weiteres Bauernsterben und damit<br />

einhergehend eine Schwächung des<br />

kulturell-gesellschaftlichen Lebens vieler<br />

steirischer Kommunen verhindert werden.

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