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Bild: Ein Demonstrant mit Maske beteiligt sich am Aktionstag gegen das Acta-Abkommen<br />
Viele junge Leute gehen zum ersten Mal zu<br />
einer Demo. Jetzt ist die Politik gefragt, einen<br />
neuen Rahmen für <strong>de</strong>n Umgang mit <strong>de</strong>m<br />
Copyright im Internet zu schaffen.<br />
Berlin (dpa) - Partystimmung vor <strong>de</strong>m Justizministerium:<br />
«Wer nicht hüpft, <strong>de</strong>r ist für<br />
ACTA, hey, hey!» Alle Demonstranten springen<br />
auf und ab, gegen die eisige Kälte und<br />
gegen Bestrebungen, ihren Lebensstil im Internet<br />
einzuengen. So sehen sie <strong>de</strong>n Vertrag<br />
mit <strong>de</strong>m sperrigen Namen Anti-Counterfeiting<br />
Tra<strong>de</strong> Agreement (ACTA). Der sieht eigentlich<br />
nicht viel an<strong>de</strong>res vor, als das<br />
gelten<strong>de</strong> Urheberrecht mit wirksamen Werkzeugen<br />
für ihre Durchsetzung zu stärken.<br />
Und zwar auch im Internet, wo Musik,<br />
Filme, Bücher und Software verbreitet wer<strong>de</strong>n,<br />
oft ohne Respekt für das Recht auf geistiges<br />
Eigentum. Dessen Wurzeln reichen<br />
mehr als 200 Jahre in die Zeit <strong>de</strong>r Aufklärung<br />
zurück, lange vor <strong>de</strong>r Digitalisierung aller Inhalte<br />
und vor <strong>de</strong>r globalen Vernetzung.<br />
«Wir sind alle Kriminelle», steht auf einem<br />
Schild, das Jugendliche an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>r Berliner<br />
Demonstration mit sich führen. Ebenso<br />
ironisch skandieren an<strong>de</strong>re: «Wir sind hier,<br />
wir sind laut, weil man uns die Pornos<br />
klaut!» Viele sind zum ersten Mal in ihrem<br />
Leben bei einer Demo dabei.<br />
«Hier <strong>de</strong>monstriert die Jugend für unsere<br />
digitale Zukunft», twittert <strong>de</strong>r Netzaktivist<br />
Markus Beckedahl kurz nach seiner Ansprache<br />
bei <strong>de</strong>r Auftaktkundgebung vor <strong>de</strong>m<br />
Roten Rathaus. Er selbst gehöre ja schon zu<br />
<strong>de</strong>n Ältesten, erkennt <strong>de</strong>r 35-jährige Vorsitzen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Vereins Digitale Gesellschaft, <strong>de</strong>r<br />
mit zu <strong>de</strong>n Protesten aufgerufen hat.<br />
«Das Internet ist aus <strong>de</strong>m Leben <strong>de</strong>r meisten<br />
jungen Menschen nicht mehr wegzu<strong>de</strong>nken»,<br />
sagt Beckedahl, <strong>de</strong>r sich auch als<br />
Sachverständiger <strong>de</strong>r Internet-Enquete-Kommission<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stags mit einer Reform <strong>de</strong>s<br />
Urheberrechts beschäftigt. Je<strong>de</strong> Bedrohung<br />
dieser Kommunikationswelt und neuer Formen<br />
<strong>de</strong>r Mediennutzung wer<strong>de</strong> als Angriff<br />
auf das eigene Leben aufgefasst. ACTA zementiere<br />
das traditionelle Urheberrecht, anstatt<br />
das Recht <strong>de</strong>n verän<strong>de</strong>rten<br />
Gegebenheiten im Netz anzupassen.<br />
Nie zuvor hat ein politisches Thema in <strong>de</strong>rart<br />
kurzer Zeit so viele Menschen mobilisiert wie<br />
ACTA. Über lange Zeit hinweg wur<strong>de</strong> das Abkommen<br />
gegen Produktpiraterie nur im Kurzmitteilungsdienst<br />
Twitter diskutiert - ohne<br />
Beachtung <strong>de</strong>r breiten Öffentlichkeit. Aber<br />
auch in gängigen Internet-Foren etwa für<br />
Computerspieler wur<strong>de</strong>n die vier Buchstaben<br />
zum Inbegriff einer Bedrohung <strong>de</strong>r eigenen<br />
digitalen Lebenswelt. «ACTA wird in<br />
Deutschland nicht durchkommen», schrieb<br />
am Samstag ein Gamer in <strong>de</strong>r «World of<br />
Players». «Auch wenn unsere Politiker wenig<br />
Ahnung vom Internet haben, wo wissen sie<br />
doch, was sie sich leisten können.»<br />
Die Demonstrationen in rund 60 <strong>de</strong>utschen<br />
Städten scheinen <strong>de</strong>m Bremer Wissenschaftler<br />
Peter Kruse Recht zu geben, <strong>de</strong>r die Bun<strong>de</strong>stagsabgeordneten<br />
<strong>de</strong>r Internet-Enquete<br />
schon im Juli 2010 warnte: «Was die Menschen<br />
im Moment merken, ist, dass man über<br />
die Netze mächtig wer<strong>de</strong>n kann.» Lange Zeit<br />
sei es im Netz vor allem um Information und<br />
Selbstdarstellung gegangen, jetzt gebe es Bestrebungen,<br />
sich zusammenzuschließen und<br />
gemeinsame Interessen zu verfolgen. «Wir<br />
bekommen einen extrem starken Bürger»,<br />
sagte Kruse und empfahl <strong>de</strong>n Politikern, «ein<br />
Gefühl für die Resonanzmuster <strong>de</strong>r Gesellschaft»<br />
zu entwickeln.<br />
Die für ACTA fe<strong>de</strong>rführend zuständige Justizministerin<br />
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger<br />
(FDP) ist <strong>de</strong>m Rat offenbar gefolgt.<br />
Noch En<strong>de</strong> Januar sagte sie, dass sie das Abkommen<br />
genau geprüft habe und die Be<strong>de</strong>nken<br />
<strong>de</strong>r Gegner nicht teilen könne. Einen Tag<br />
vor <strong>de</strong>n Demonstrationen aber gab das Auswärtige<br />
Amt bekannt, dass Deutschland<br />
ACTA zunächst nicht unterzeichnen wer<strong>de</strong>,<br />
weil es Be<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>r Justizministerin gebe.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN April/2012 29