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120 Jahre Knastgeschichte:<br />
Letzter Umschluss in <strong>de</strong>r «Ulmer Höh’»<br />
Nach fast 120 Jahren hat die berühmtberüchtigte<br />
«Ulmer Höh’» ausgedient.<br />
In <strong>de</strong>m Düsseldorfer Gefängnis an <strong>de</strong>r<br />
Ulmenstraße saßen Nazis und Kommunisten,<br />
Serienmör<strong>de</strong>r und Terroristen.<br />
Düsseldorf (dpa/lnw) - Die schweren Riegel<br />
sind zurückgeschoben, von <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n lächeln<br />
Pin-up-Mädchen in verwaiste Zellen.<br />
Nach 120 Jahren hat ein berüchtigter Bau<br />
in Düsseldorf ausgedient. Das Gefängnis<br />
«Ulmer Höh’» soll bald abgeris<br />
sen wer<strong>de</strong>n. Nun räumen Häftlinge das Mobiliar<br />
aus. Im rot gestrichenen C-Trakt<br />
haben Terroristen <strong>de</strong>r RAF wie Andreas Baa<strong>de</strong>r<br />
gesessen und <strong>de</strong>r islamistische «Kalif<br />
von Köln». In <strong>de</strong>n 1920er Jahren gruselten<br />
sich die Mitgefangenen vor Serienmör<strong>de</strong>r<br />
Peter Kürten, <strong>de</strong>m «Vampir von Düsseldorf»,<br />
bis er 1931 in Köln geköpft wur<strong>de</strong>.<br />
In <strong>de</strong>m kreuzförmigen Bau hat sich seit 1893<br />
Kriminal- und politische Geschichte abgespielt.<br />
Während <strong>de</strong>r NS-Zeit waren hier Kommunisten<br />
eingekerkert, danach Nazis,<br />
darunter <strong>de</strong>r KZ-Kommandant von Treblinka<br />
und Sobibor, Franz Stangl, <strong>de</strong>r 1971 in <strong>de</strong>r<br />
«Ulmer Höh’» starb.<br />
68 DAS BEHÖRDENMAGAZIN April/2012<br />
Um die große grüne Glocke, die im Zentrum<br />
<strong>de</strong>s kreuzförmigen Baus hängt, ranken sich<br />
Mythen. Ältere Anwohner erzählen, die Anstaltsgeistlichen<br />
hätten sie bei Hinrichtungen<br />
geläutet und die SS habe sie dann vom Dach<br />
<strong>de</strong>r Anstaltskapelle in <strong>de</strong>n Kreuzbau schaffen<br />
lassen, um ihr mör<strong>de</strong>risches Treiben buchstäblich<br />
nicht an die «große Glocke» zu hängen.<br />
Eine an<strong>de</strong>re Version lautet, die Glocke sei bei<br />
einem Bombentreffer von Dach gefallen und<br />
dann <strong>de</strong>r Einfachheit halber im Knast aufgehängt<br />
wor<strong>de</strong>n. Devotionalien aus <strong>de</strong>r Ulmer<br />
Höh’ wer<strong>de</strong>n bereits im Internet versteigert.<br />
In <strong>de</strong>r Gefängniskirche hatten 300 Gefangene<br />
Platz. Die Gottesdienste waren gut besucht.<br />
«Das war <strong>de</strong>r größte Umschlagplatz<br />
für diverse Geschäfte»,<br />
sagt ein Wärter. Die Kirche war auch Kulturzentrum<br />
<strong>de</strong>s Knasts: Hier traten die Toten<br />
Hosen auf und die Kelly Family.<br />
Der trostloseste Ort inmitten von Gittern und<br />
Schlössern liegt zwei Stockwerke tiefer: die<br />
B-Zelle. Ein kahler Raum mit einer Matratze<br />
in <strong>de</strong>r Mitte. Als Klo ist ein mit E<strong>de</strong>lstahl verklei<strong>de</strong>tes<br />
Loch in <strong>de</strong>n Fußbo<strong>de</strong>n eingelassen.<br />
Neonröhren und eine Überwachungskamera<br />
stecken hinter Panzerglas. «Das ist die Ultima<br />
Ratio <strong>de</strong>s Strafvollzugs», erklärt Vollzugs-Mitarbeiter<br />
Heribert Pick. «Für hochgradig<br />
selbstmordgefähr<strong>de</strong>te Gefangene.»<br />
Meterhoher Sicht- und Wurfschutz schirmt<br />
das Gefängnis im Stadtteil Derendorf von<br />
<strong>de</strong>n Wohngebäu<strong>de</strong>n ab, die bis an die gut<br />
fünf Meter hohe Außenmauer ragen. Während<br />
<strong>de</strong>s RAF-Terrorismus wur<strong>de</strong>n futuristisch<br />
anmuten<strong>de</strong> Beobachtungskanzeln in die<br />
Mauer eingebaut, mit Klappen zum Hinausschießen.<br />
In <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Knasts hängt noch <strong>de</strong>r vertrocknete<br />
Adventskranz, in <strong>de</strong>r Anstaltskirche<br />
na<strong>de</strong>ln Weihnachtsbäume. Es habe nur wenige<br />
Übergriffe auf die Wärter gegeben, berichtet<br />
ein altgedienter Vollzugsbeamter.<br />
«Der menschliche Umgang mit <strong>de</strong>n Gefangenen<br />
ist <strong>de</strong>r beste Schutz», sagt er.<br />
1991 stellten die Wärter das unter Beweis.<br />
Wegen Schwarzfahrens sollte ein Tscheche,<br />
<strong>de</strong>r seine Geldstrafe nicht bezahlen konnte,<br />
zehn Tage lang einsitzen. Es ging ihm aber<br />
<strong>de</strong>rart schlecht, dass das Gefängnispersonal<br />
spontan eine Spen<strong>de</strong>naktion organisierte, um<br />
die Geldstrafe zusammen zu bekommen. So<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gefangene durch die Vollzugsbeamten<br />
«freigekauft».<br />
Peter Zimmermann, Leiter <strong>de</strong>r Inventarverwaltung <strong>de</strong>r JVA in Schleswig-Holstein.