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EM 2020 2021<br />
// LÖW–SEIN LETZTES TURNIER<br />
#12<br />
ANGSTVORM<br />
ALBTRAUM<br />
ZumEndeseiner Karriereals Bundestrainer steht JoachimLöw voreiner denkbar<br />
schwierigen Aufgabe.Bei der EM musser sich deshalb selbstnoch mal neu erfinden.<br />
Es ist seine letzte<br />
Mission als<br />
Bundestrainer.<br />
Nach der Europameisterschaft<br />
tritt<br />
Joachim Löw tatsächlich<br />
und freiwillig ab. Gut<br />
15 Jahre und knapp 200 Länderspiele<br />
–soviele wie noch<br />
kein DFB-Trainer vor ihm –<br />
wird der 61-Jährige dann als<br />
wichtigster Coach im deutschen<br />
Fußball auf dem Buckel<br />
haben. Und eines steht schon<br />
jetzt fest: Die Aufgabe bei seinem<br />
Abgang könnte größer<br />
kaum sein.<br />
Bereits in der Gruppenphase<br />
trifft das DFB-Team nämlich<br />
auf zwei Topfavoriten des Turniers:<br />
Weltmeister Frankreich<br />
und Titelverteidiger Portugal.<br />
Wehmut verspürt Löw laut<br />
eigener Aussage nicht. „Ausschließlich<br />
Vorfreude“, sagte<br />
er. „Wir haben ihm viel zu verdanken<br />
und wollen Jogi den<br />
bestmöglichen Abgang ermöglichen“,<br />
schwört Ilkay Gündogan<br />
stellvertretend für viele,<br />
die Löw groß gemacht hat<br />
oder die mit ihm groß wurden.<br />
Bei den ersten fünf Turnieren<br />
seit seiner Amtsübernahme als<br />
vorheriger Assistent von Jürgen<br />
Klinsmann 2006 führte er<br />
die Mannschaft mindestens<br />
bis ins Halbfinale. 2008 bis<br />
ins Finale, 2014 bis zum Titel.<br />
2018 folgte dann das desaströse<br />
Vorrundenaus bei der WM<br />
in Russland. Danach leitete<br />
Löw den (überfälligen) Umbruch<br />
ein und sortierte mit Jérôme<br />
Boateng, Mats Hummels<br />
und Thomas Müller gleich drei<br />
verdiente Weltmeister überraschend<br />
aus. Zwar qualifizierte<br />
sich Deutschland souverän<br />
als Gruppensieger für die EM,<br />
kassierte im vergangenen<br />
Winter aber eine historische<br />
0:6-Klatsche<br />
in der Nations<br />
League in<br />
Spanien. Doch<br />
damit nicht genug.<br />
Im März folgte ein pein-<br />
liches 1:2 in der WM-Quali gegen<br />
den Fußballzwerg Nordmazedonien.<br />
Vorseiner letzten Endrunde<br />
machte Jogi deshalb den Salto<br />
rückwärts, brach seinen Umbruch<br />
ab – und holte Müller<br />
und Hummels für das Turnier<br />
zurück. Beide sind wichtiger<br />
Bestandteil seiner Achse, die<br />
der Bundestrainer stets bei<br />
Turnieren bildete. Vor Torhüter<br />
Manuel Neuer und Hummels<br />
zählen Toni Kroos (Real<br />
Madrid), Joshua Kimmich<br />
(FC Bayern) und eben Müller<br />
dazu. Beim ersten EM-Test<br />
gegen Dänemark (1:1) spielten<br />
beide Rückkehrer durch.<br />
Im knapp zweiwöchigen<br />
Trainingslager in Seefeld (Tirol)<br />
arbeitete Löw mit seinem<br />
Team neben den sportlichen<br />
Baustellen wie Standardsituationen<br />
auch am Zusammenhalt,<br />
der der Mannschaft vor<br />
drei Jahren in Russland abging,<br />
die Truppe aber beim<br />
WM-Sieg von Rio ausgezeichnet<br />
hatte. Der Bundestrainer:<br />
„Wichtig wird sein, dass wir<br />
eine Gewinnermentalität aufbauen.<br />
Jeder muss bereit sein,<br />
auch wenn er anfangs mal<br />
draußen sitzt. Das müssen wir<br />
leben, jeden Tagerfüllen, auch<br />
im Training. Das beste Beispiel<br />
waren 2014 Miro Klose, Mario<br />
Götze oder André Schürrle,<br />
die dem Team entscheidende<br />
Impulse geben konnten und<br />
immer darauf gebrannt haben,<br />
dass sie reinkommen, wie<br />
auch Christoph Kramer.“<br />
Vor seiner letzten Mission<br />
zeigte sich Löw von Beginn<br />
der Vorbereitung an fokussiert<br />
und motiviert. Selten hatte<br />
man ihn in den Jahren zuvor<br />
so engagiert und laut<br />
auf dem Trainingsplatz<br />
erlebt. Immer wieder<br />
unterbrach er die<br />
Einheiten. Korrigierte,<br />
schimpfte, forderte.<br />
„Ich weiß, was es braucht,<br />
um bei einem Turnier erfolgreich<br />
zu sein“, sagte er.<br />
Foto:IMAGO/Laci Perenyi