Steueranwaltsmagazin 5/2007 - Wagner-Joos Rechtsanwälte
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Jürgen Wessing Compliance – Ein Thema auch im Steuerstrafrecht ? � Beiträge<br />
Tatbestand als solcher feststeht, muß noch nicht einmal die<br />
individuelle Person identifiziert werden, die schuldhaft<br />
oder fahrlässig gehandelt hat. Ausreichend ist, daß nach<br />
Lage der Dinge eine solche Person mit Sicherheit tatsächlich<br />
existiert. Neben der unmittelbaren Geldbuße gegen das<br />
Unternehmen kann auch der Inhaber eines Betriebes oder<br />
Unternehmens zur Verantwortung gezogen werden. Dies<br />
dann, wenn er betriebliche Aufsichtspflichten verletzt hat<br />
(§ 130 OWiG). Wir sind hiermit wieder am Anfang unseres<br />
Themas – die den Unternehmen obliegende Organisationspflicht<br />
kann dazu führen, daß ihre Verletzung mit Bußgeld<br />
belegt wird. Dies ist ein deutlicher Anreiz dafür, durch ein<br />
nachvollziehbares und angemessenes Organisations-, Kontroll-<br />
und Überwachungssystem – mithin ein Compliance-<br />
System – sicherzustellen, daß Schaden vom Unternehmen<br />
und Unternehmer abgewendet wird. Über das Ordnungswidrigkeitenrecht<br />
wird allerdings nicht nur eine Buße möglich,<br />
vielmehr kann die Ordnungsbehörde auch anordnen,<br />
daß der aus der Verletzung einer Pflicht entstandene Schaden<br />
im Wege des Verfalles ausgeglichen wird. Nach § 29 a<br />
OWiG kann der illegitime Vermögensvorteil, der an den<br />
Täter oder auch an einen Dritten geflossen ist, dem Staate<br />
zugezogen werden. Gleiches gilt für die Gewinnabschöpfung<br />
über die Regeln des Verfalls nach § 73 ff. StGB. Auch<br />
hier sollen Vermögensvorteile, die aus der Tat erlangt wurden,<br />
dem Täter entzogen werden. Dazu gilt prinzipiell das<br />
Bruttoprinzip. Dies bedeutet, daß nicht nur der nach betriebswirtschaftlichen<br />
Grundsätzen ermittelte Gewinn, sondern<br />
grundsätzlich alles das, was der Täter aus der Tat oder<br />
für sie erlangt hat, dem Verfall unterliegt. Dieses Bruttoprinzip<br />
gilt auch dann, wenn das Unternehmen nicht durch<br />
seine Organe, sondern durch seine Mitarbeiter gehandelt<br />
hat. Auf die Frage, ob jemand schuldhaft gehandelt hat,<br />
kommt es dabei nicht an. 11 Eine Begrenzung des harten<br />
Bruttoprinzipes, welches in der Realität dazu führen kann,<br />
daß eine mit Millionenaufwand erstellte Anlage wegen<br />
einer „Minikorruption“ von wenigen Tausend Euro dem<br />
Verfall unterliegt und damit ein Unternehmen von heute<br />
auf morgen in die Insolvenz geraten kann, ist durch den<br />
BGH in jüngster Zeit vorgenommen worden. Nach dieser<br />
Entscheidung ist das Erlangte in der Mehrzahl der Korruptionsfälle<br />
nicht der Gesamtpreis, sondern die erhöhte Gewinnchance.<br />
Im steuerlichen Bereich wird der Gewinn im<br />
allgemeinen bereits durch die nachfolgende Besteuerung<br />
entzogen, so daß in diesen Fällen nur noch die „sonstigen<br />
erlangten Vorteile“ entzogen werden können.<br />
Weitere Abschöpfungsmöglichkeiten ergeben sich aus<br />
den §§ 34 und 34 a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen<br />
(GWB). Nach diesen Vorschriften können Kartellbehörden<br />
bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen<br />
gegen eine Vorschrift des GWB, gegen Artikel 81 oder 82<br />
des Vertrages für Gründung der Europäischen Gemeinschaft<br />
oder einer Verfügung der Kartellbehörde den wirtschaftlichen<br />
Vorteil durch Abschöpfung verlieren und bebußt<br />
steueranwaltsmagazin 5 /<strong>2007</strong><br />
werden. Welche Höhe diese Geldbußen annehmen können,<br />
ist aus der aktuellen Presse bekannt – dreistellige Millionenbußen<br />
sind keine Seltenheit mehr.<br />
3. Anforderung an ein Steuermanagement –<br />
Risikoerkennung und Risikobewertung<br />
a. Allgemein<br />
Grundsätzlich müssen im Rahmen des Risikomanagements<br />
und damit im Rahmen von Compliance sowohl Aufsichtsrat<br />
als auch Vorstand den Vorgaben aus den §§ 93, 116<br />
AktG folgen – sie haben sich der Sorgfalt eines ordentlichen<br />
und gewissenhaften Kaufmannes zu bedienen. Das Risikomanagementsystem<br />
hat in diesem Sinne folgendes zu leisten:<br />
� Eine Risikoinventur, die sämtliche Risiken im Unternehmen<br />
identifiziert und bewertet.<br />
� Eine Risikoanalyse, die sämtliche gesetzlichen Anforderungen,<br />
sämtliche tatsächlichen Besonderheiten des<br />
Unternehmens in Kongruenz bringt – die Entwicklung<br />
eines Systems, welches geeignet ist, die Aufgaben eines<br />
Compliance-Systems zu erfüllen.<br />
� Eine Aufgabenverteilung, welche die Ziele der Compliance<br />
berücksichtigt<br />
� Kontinuierliche Weiterentwicklung unter ständiger Berücksichtigung<br />
geänderter rechtlicher und tatsächlicher<br />
Parameter<br />
� Sicherung der Qualität und Befugnisse der Kontrollorgane<br />
wie Controlling, interne Revision, Vorstand und Prüfer<br />
� Sicherung der Qualität der Berichterstattung an den Aufsichtsrat<br />
� Dokumentation.<br />
Es ist ein Risikofrüherkennungssystem für unternehmensgefährdende<br />
Entwicklungen aufzubauen, das jedenfalls vorhersehbare<br />
und erkennbare Risiken identifiziert. Ohne Kontrollsystem<br />
läuft Risikoerkennung leer, das Kontrollsystem<br />
ist letztendlich nichts anderes als die Umsetzung der Risikoerkenntnis.<br />
b. Unternehmenskultur<br />
Unabhängig von der Ausgestaltung und Organisation eines<br />
Compliance-Systems wird ein derartiges System nicht funktionieren,<br />
wenn es nicht von den Entscheidern im Unternehmen<br />
akzeptiert und verinnerlicht ist. Wie jedes Regelungs-<br />
und Kontrollsystem wird auch Compliance erst<br />
einmal von den Mitarbeitern eines Unternehmens als lästig<br />
empfunden. Oft genug geht dies weiter: Bestimmte Einladungen<br />
nicht mehr aussprechen zu können, Nettigkeiten<br />
nicht mehr verteilen zu dürfen, strenge Formen einhalten<br />
11 Siehe BGH, wistra 2004, 465 ff. Diese Rechtsprechung ist durch die<br />
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus NJW 2004,<br />
2073 ff. abgedeckt.<br />
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