Zdirekt! 02-2021
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DIGITAL UNTERWEGS 39<br />
SELBSTVERPFLICHTUNGEN AUS<br />
GEWERKSCHAFTSSICHT WIRKUNGSLOS<br />
Dr. Susanne Uhl von der Gewerkschaft Nahrung-<br />
Genuss-Gaststätten hat da andere Erfahrungen gesammelt.<br />
Sie berichtete auf Nachfrage von Moderatorin<br />
Anke Plättner von überwiegend negativen Erlebnissen:<br />
„Aus meiner Sicht war das Gesetz in der Situation die<br />
einzige Möglichkeit. Ich begleite schon seit 2012 Menschen<br />
in der Fleischindustrie. Und die ganzen Kodexe<br />
und Selbstverpflichtungen haben dort nichts verbessert“,<br />
so Uhl. Dass etwas gegen die Zustände getan<br />
werden musste, darin war sich die Runde einig. „Wir<br />
sagen auch nicht, dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz<br />
insgesamt Quatsch ist, wir begrüßen weitere Kontrollen.<br />
Aber die Zeitarbeit zu verbieten, ist falsch, weil es<br />
nun mal Unterschiede zwischen Werkverträgen und<br />
Zeitarbeit gibt“, betonte iGZ-Geschäftsführer Martin<br />
Dreyer. „Arbeitsschutz beispielsweise ist für uns ein<br />
ganz wichtiges Thema. So haben wir innerhalb von<br />
zehn Jahren die Unfallquote massiv senken können. Das<br />
Gesetz ist für mich ein unverhältnismäßiger Eingriff.“<br />
SOZIALPARTNERSCHAFTLICHE UND<br />
TARIFLICHE LÖSUNGEN<br />
Vehid Alemić appellierte für andere, gemeinsam erarbeitete<br />
Lösungen. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands<br />
der Ernährungswirtschaft e.V. (VdEW) unterstrich<br />
beim iGZ-Bundeskongress: „Aus meiner Sicht wäre es<br />
wesentlich effektiver, über sozialpartnerschaftliche und<br />
tarifliche Lösungen gegen die Probleme vorzugehen.“<br />
Die Fleischindustrie sei extrem heterogen. Eines habe<br />
sie aber gemein: „Die Unternehmen der Branche leben<br />
vor allem vom Saisongeschäft in den warmen Monaten.<br />
In der Grill-Saison brauchen wir temporär mehr<br />
Mitarbeiter. Durch das Verbot der Zeitarbeit müssen wir<br />
nun schauen, wie wir diesen Bedarf zeitlich begrenzt<br />
decken – durch befristete Arbeitsverträge.“ Diese seien<br />
allerdings für die Mitarbeiter deutlich schlechter als<br />
Zeitarbeitsverträge und für die Unternehmen schwieriger<br />
zu organisieren.<br />
STEUERUNGSINSTRUMENTE FÜR<br />
SAUBERE VERTRÄGE<br />
Das Gesetz sei so nicht notwendig, ist sich Prof. Schüren<br />
sicher: „Es gibt Steuerungsinstrumente, wie man die<br />
Werkverträge sauber bekommt. Allein wenn die Arbeitszeit<br />
sauber erfasst und diese Zeit auch bezahlt<br />
würde, wäre die Lebenssituation der Menschen eine<br />
ganz andere.“ Daran sollte gearbeitet werden. Das<br />
Arbeitszeitgesetz zu nehmen und zu verbessern, das<br />
könnten sie gemeinsam in der nächsten Legislaturperiode<br />
angehen, lud Gewerkschaftlerin Uhl Professor<br />
Schüren ein: „Es gibt vielfältige Probleme, wie dass die<br />
Menschen in der Fleischindustrie trotz Krankschreibung<br />
gezwungen werden, zu arbeiten, und die schlechte<br />
Unterbringungssituation. Dagegen muss in der Gesamtheit<br />
vorgegangen werden.“<br />
GUTE ERFOLGSAUSSICHTEN FÜR<br />
VERFASSUNGSKLAGE<br />
Allen Mitarbeitern in der Fleischindustrie die besten<br />
Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, liegt auch TIME-<br />
PARTNER-Geschäftsführer Lothmann am Herzen: „Was<br />
können wir besser machen? Wenn die Töpfe Werkvertrag<br />
und Zeitarbeit klar auseinandergehalten würden,<br />
hätten wir schon viel gewonnen. Ich habe in der<br />
Fleischindustrie auch Werkverträge gesehen, die nicht<br />
sauber waren. Klappern gehört zum Handwerk, wir<br />
müssen an unserem Image arbeiten. Wir sind gut, wir<br />
sind gut aufgestellt – und deshalb klagen wir auch,<br />
weil wir unfair behandelt werden.“ Der Appell von<br />
iGZ-Geschäftsführer Dreyer lautet: „Stellt gern mehr<br />
Kontrolleure ein, denn wir haben nichts zu verbergen.<br />
Aber mit einem Gesetz pauschal auf jegliche Zeitarbeit<br />
draufzuhauen, ist einfach unverhältnismäßig.“ Ob das<br />
Gericht in Karlsruhe dies genauso sieht? „Ich schätze<br />
die Chancen der klagenden Zeitarbeitsunternehmen als<br />
gut ein“, schloss Prof. Schüren die Diskussionsrunde.<br />
„Voraussichtlich zu Anfang des neuen Jahres wird es<br />
dazu aus Karlsruhe eine Entscheidung geben.“ SaS<br />
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