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Red Bulletin Aug 2021

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Mode<br />

Ein paar Zentimeter über<br />

ihrem linken Handgelenk<br />

hat Marina Hoermanseder<br />

eine kleine Tätowierung.<br />

Es ist nicht die einzige, da<br />

ist auch noch ein Kreuzchen<br />

knapp unterhalb des Ellbogens,<br />

ein gefräßiger Pac-Man und ein zartes<br />

Porträt einer Löwin auf dem rechten<br />

Unterarm.<br />

Aber nur diese drei blassen Großbuchstaben<br />

über dem rosa Uhrband, das sich<br />

zweimal um ihr Handgelenk schlingt,<br />

irritieren den Betrachter – auch auf den<br />

zweiten Blick.<br />

Da steht: GUT.<br />

Erster Gedanke: Was, bitte, ist GUT?<br />

Zweiter Gedanke? Meint Marina Hoermanseder<br />

damit sich selbst?<br />

Ganz so einfach ist es – wie so oft –<br />

nicht. Tatsächlich werden sich diese drei<br />

Buchstaben als Statement entpuppen –<br />

allerdings ganz anders als gedacht. Aber<br />

davon später.<br />

Marina Hoermanseder, gerade 35<br />

geworden, hat in den vergangenen acht<br />

Jahren eine beneidenswerte Karriere<br />

hingelegt – von null auf hundert in Nullkommanichts<br />

könnte man sagen. Zuerst<br />

schafft sie das Kunststück, dass Lady<br />

Gaga einen ihrer Entwürfe trägt. Drei<br />

Jahre später feiert sie die Modebibel<br />

„Vogue“ als „neue Modestimme“ Berlins,<br />

wo sich inzwischen ihr Hauptquartier<br />

befindet. Und heute gilt sie außerdem als<br />

Königin der Kooperationen, eine Frau von<br />

„entschieden ungewöhnlicher Substanz“,<br />

wie es in einem Statement der Schweizer<br />

Uhrenmarke Rado heißt, die sich von<br />

Hoermanseder eben eine Uhr hat entwerfen<br />

lassen.<br />

„Ich sehe mich als fleißige, kreative<br />

Unternehmerin, das beschreibt mich<br />

am besten“, sagt Marina Hoermanseder,<br />

„mein Leben ist auf Werte gebaut, die mir<br />

stets gegenwärtig sind.“<br />

the red bulletin: Und die wären?<br />

marina hoermanseder: Fleiß,<br />

Anstand, Dankbarkeit und Loyalität –<br />

auf mich kann man sich verlassen.<br />

Du hast ja geradezu rasant Karriere<br />

gemacht.<br />

Das habe ich damals gar nicht so erlebt,<br />

nicht so wahrgenommen. Ich habe die<br />

Firma gegründet, weil Lady Gaga meine<br />

erste Kollektion bestellt hat. Man kann<br />

sagen: Ich habe einfach auf den Zuspruch<br />

reagiert, den ich bekommen habe.<br />

Marina Hoermanseder in Berlin<br />

bei der Arbeit, erste Skizzen vor sich<br />

„Ich habe meine<br />

Lookbooks in die<br />

Briefkästen der zehn<br />

Top-Stylisten in L. A.<br />

werfen lassen.“<br />

Lady Gaga in der Buckle-Jeans<br />

von Marina Hoermanseder, getragen<br />

2015 bei New Yorks Pride Parade<br />

US-Sängerin Janelle Monáe in Hoermanseder<br />

auf dem „Variety“-Cover<br />

Wie bist du damit umgegangen?<br />

Es war wie ein Wirbelwind, bei dem<br />

ich in der Mitte war. Aber im Zentrum<br />

eines Sturms ist es immer am ruhigsten.<br />

Ich habe einfach in Ruhe gemacht und<br />

gemacht und gemacht.<br />

Erzähl doch bitte, wie Lady Gaga<br />

auf dich gekommen ist.<br />

Ich gehe mit offenen <strong>Aug</strong>en durchs<br />

Leben, ich interessiere mich für Erfolgsgeschichten.<br />

Und überlege mir, was ich<br />

daraus lernen kann. Ich hatte gelesen,<br />

dass Ed Hardy (US-Tattookünstler, Anfang<br />

des neuen Jahrtausends für kurze<br />

Zeit als Designer extrem populär; Anm.)<br />

seine T-Shirts und Kappen vor Hotelzimmern<br />

deponierte, in denen Stars<br />

übernachteten. Und seine Sachen hat<br />

dann immerhin Madonna getragen. Also<br />

habe ich 2013 eine Liste mit den zehn<br />

wichtigsten Stylisten in L. A. gemacht<br />

und eine Freundin gebeten, meine Lookbooks<br />

in deren Briefkästen zu werfen.<br />

Und das hat tatsächlich funktioniert.<br />

Der Mann, der sich für Hoermanseders<br />

Entwürfe interessiert, heißt Nicola Formichetti.<br />

Er ist zu dieser Zeit auch für die<br />

Outfits von Popstar Lady Gaga verantwortlich<br />

– er ist es etwa, der der Sängerin<br />

das berühmt gewordene „Fleisch-Kleid“<br />

verpasst. Und er erkennt das Potenzial<br />

von Marina Hoermanseder.<br />

Lady Gaga schlüpft schließlich 2015 bei<br />

der Pride Parade in New York in die Buckle-<br />

Jeans der Österreicherin – Jeans, die an der<br />

Vorderseite mit Schnallen in Regenbogenfarben<br />

geschmückt sind. Stars wie Kylie<br />

Jenner, Kourtney Kardashian und Jennifer<br />

Lopez kopieren den Trend. Und Marina ist<br />

praktisch über Nacht berühmt. Ein Kinderspiel,<br />

könnte man glauben. Tatsächlich<br />

hat sie all das akribisch vorbereitet.<br />

Marina Hoermanseder absolviert<br />

ein Wirtschaftsstudium, das Vater Wilhelm,<br />

langjähriger Vorstandschef des<br />

österreichischen Industrieunternehmens<br />

Mayr-Melnhof Karton, ihr abgerungen<br />

hat. 2010 liefert sie ihre Diplomarbeit ab,<br />

belegt parallel Kurse am Central Saint<br />

Martins College of Art and Design in London<br />

und wechselt schließlich nach Berlin<br />

an die Mode-Uni ESMOD. 2012 macht sie<br />

ein Praktikum im Unternehmen des 2010<br />

verstorbenen britischen Star-Designers<br />

Alexander McQueen, das heute von<br />

Kreativ direktorin Sarah Burton geführt<br />

wird. Als sie für ihre Abschlusskollektion<br />

recherchiert, entdeckt sie orthopädische<br />

DDP IMAGES<br />

62 THE RED BULLETIN

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