akzent Magazin September '21 BO
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN www.akzent-magazin.com
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KULTUR 67<br />
HANNAH STOLLMAYER<br />
studierte Deutsche Sprache und Literatur, Soziologie und Theaterwissenschaft<br />
in Hamburg, Jena und Porto und forschte an der<br />
Uni Hamburg zu gegenwärtiger Aufführungspraxis an deutschen<br />
Stadttheatern. Seit der Spielzeit 20/21 ist sie Dramaturgin am<br />
Theater Konstanz. Sie schätzt die tollen Joggingstrecken um Konstanz<br />
herum und teilt ihre Café-Geheimtipps in Konstanz nur off<br />
the record.<br />
men. Sie sind ein eingespieltes Team<br />
auf Augenhöhe. Was auf die Bühne<br />
kommt, trägt die Handschrift der Regie,<br />
und die Dramaturgie bietet kritische<br />
Unterstützung. So auch in ihrer<br />
zweiten Spielzeit in Konstanz, die den<br />
Titel „Wo gehen wir hin?“ trägt.<br />
Aus uns schöpfen<br />
Zum Stück, das das Team um Intendantin<br />
Karin Becker als Auftakt gewählt<br />
hat, sagt die Dramaturgin, dass<br />
es „extrem im Hier und Jetzt verortet“<br />
sei – und das, obwohl der Autor eine<br />
poetische Sprache gewählt habe, die<br />
aber nicht verstaubt anmutet. „Man<br />
findet Reime und Versmaße, doch ist<br />
die Sprache unglaublich heutig, weil<br />
es ein ganz enges Sprachgeflecht ist,<br />
was aus uns und unseren Erfahrungen<br />
schöpft. Das macht das Stück reizvoll“,<br />
so Hannah über Palmetshofers Drama.<br />
Es spielt mit Vereinzelung und dem<br />
Verlorensein in der Gesellschaft und in<br />
der Gemeinschaft. Es gebe aber auch<br />
immer wieder den Moment, so die<br />
Dramaturgin, der fragt: Wie könnte es<br />
anders sein? „Und das hoffe ich, dass<br />
sich das auf das Publikum überträgt.“<br />
Dadurch, dass das Stück erst 2018<br />
geschrieben wurde, gibt es keine Sekundärliteratur<br />
wie bei alten Klassikern,<br />
auf die man zurückgreifen könnte.<br />
„Wir, unsere Gesellschaft und das<br />
Drumherum sind momentan unser<br />
Fundus, aus dem wir schöpfen. Dass<br />
aber in diesem Alleinsein, in dieser<br />
Vereinzelung und dem Verlorensein<br />
doch so viel Witz und Humor steckt –<br />
und eine wahnsinnig schöne Poetik –<br />
das macht das Stück so besonders“, so<br />
die Regisseurin über „Die Verlorenen“.<br />
Es gebe Höhen und Tiefen im Leben;<br />
es gehe einem gut, dann komme ein<br />
Schlag von der Seite und man stehe wieder<br />
auf. Es gehe eben immer weiter –<br />
und genau das erlebten die Figuren auf<br />
der Bühne auch. Allerdings stellte sich<br />
das ganze Team gemeinsam die Frage,<br />
ob es überhaupt das richtige Stück<br />
für die Eröffnung der Spielzeit 2021/<br />
2022 sein könnte: „Mitten in Corona<br />
‚Die Verlorenen‘ – braucht man das?“,<br />
so Franziska. „Aber als wir es im März<br />
entschieden hatten, haben wir uns<br />
selbst alle darin wiedergefunden. Momentan<br />
sind wir doch alle irgendwie<br />
vereinzelt und verloren auf eine gewisse<br />
Art und Weise. Sei es, weil man<br />
aufgrund der Pandemie nicht arbeiten<br />
kann – so wie wir Künstler*innen, die<br />
Gastronomen und viele andere –,weil<br />
jemand in der Familie krank oder gestorben<br />
ist, weil man Geldprobleme hat<br />
usw. All das sind wir. Und wie schön<br />
ist es, wenn man sich dann als Zuschauende<br />
im Stück wiederfindet und<br />
wir quasi gemeinsam da durchgehen<br />
und merken ‚hey, so allein bin ich gar<br />
nicht‘.“<br />
Wo gehen wir hin?<br />
Das „doch nicht Alleinsein“ spiegelt<br />
sich denn auch im Spielzeitmotto (nach<br />
Jack Kerouac) wider: Wo gehen wir<br />
hin? Ich weiß es nicht, aber wir müssen<br />
los. „Das entspricht genau meiner<br />
Perspektive auf das nächste Jahr“, so<br />
Franziska. „Wir wissen nicht wohin,<br />
aber wir müssen los – und zwar gemeinsam!<br />
Einfach los.“ Hannah findet<br />
sich ebenso darin: „Es ist so ein utopisches<br />
Moment. Wir wissen nicht, was<br />
uns erwartet, aber wir gehen gemeinsam.“<br />
Es sei ein pragmatisches Motto,<br />
greifbar für uns alle.<br />
ab 24.09. Spielzeit 2021/ 22<br />
Theater Konstanz<br />
D-78462 Konstanz<br />
+49 7531 900 2106<br />
www.theaterkonstanz.de