akzent Magazin September '21 BO
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN www.akzent-magazin.com
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN www.akzent-magazin.com
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
SEERAUM 47<br />
Christuskirche Konstanz: Seitenaltar<br />
Fake-Giebel in der Kreuzlinger Straße in Konstanz<br />
INFOS<br />
Schloss Meersburg<br />
Deutschland:<br />
Tag des offenen Denkmals, 12.09.<br />
www.tag-des-offenen-denkmals.de<br />
Österreich:<br />
Tag des Denkmals, 26.09., www.tagdesdenkmals.at<br />
Schweiz:<br />
Europäische Tage des Denkmals, 11./12.09.:<br />
Unter dem Motto „Gewusst wie“ geht es um die alten<br />
Handwerkstechniken, die bei der Restaurierung ebenso<br />
wichtig sind wie beim Bau<br />
www.nike-kulturerbe.ch/de/hereinspaziertch-denkmaltage/<br />
land, in der Schweiz in den einzelnen<br />
Kantonen, und auf beiden Seiten des<br />
Sees ist es nicht immer die Hauptstadt.<br />
In Baden-Württemberg ist es dieses<br />
Jahr nicht mal eine Kreisstadt, sondern<br />
eine Kleinstadt am Bodenseeufer, die<br />
„mit ihrer hohen Denkmaldichte hervorragend<br />
geeignet“ ist: Meersburg.<br />
Die Eröffnung ist dort sogar schon am<br />
Samstag, sodass es am Abend noch<br />
eine „Nacht des offenen Denkmals“<br />
gibt, die um Mitternacht schon zu<br />
Ende ist. In diesen Stunden gibt es aber<br />
ein volles Programm mit Führungen in<br />
sonst nicht zugänglichen Bauten, Frauenlyrik<br />
im Fürstenhäusle und Walking<br />
Acts einer Schauspieler-Truppe.<br />
In Konstanz, der größten Stadt am<br />
See, ist die Eröffnung am Sonntagmittag<br />
auch nicht in einem der größten<br />
und bekanntesten Baudenkmäler<br />
(etwa dem Münster oder dem Konzil),<br />
sondern in einer Kirche, die zwischen<br />
dem Münster und dem Stadttheater oft<br />
übersehen wird: Die Christuskirche<br />
St. Konrad ist ein Barockjuwel, das als<br />
ehemalige Jesuiten- und Schülerkirche<br />
auch ein wichtiges Kapitel der Stadtgeschichte<br />
illustriert, denn sie hat noch<br />
Kirchenbänke mit Hunderten von Inschriften<br />
der Schüler.<br />
Schöner Schein durch die<br />
Jahrhunderte<br />
Der Barock war die erste Stilepoche,<br />
in der bewusst mit Illusionen gearbeitet<br />
wurde, teils aus der Not heraus,<br />
wenn bestimmte Materialien in der<br />
Region nicht verfügbar waren, teils<br />
um bestimmte Effekte zu erzielen: Was<br />
in den Barockschlössern und -kirchen<br />
aussieht wie Marmor, ist in den meisten<br />
Fällen nicht das, was es scheint, es<br />
ist Stuckmarmor, also ein in mehreren<br />
Schichten aufgetragener Edelputz, der<br />
durch die Bemalung marmoriert wurde.<br />
Und wenn man sich Gold nicht<br />
leisten konnte, wurde einfach der Gips<br />
vergoldet. Zur hohen Kunst wurde im<br />
Barock auch die illusionistische Deckenmalerei<br />
entwickelt, mit der eine<br />
einfache flache Decke zu einer komplexen<br />
Gewölbe- und Kuppeldecke werden<br />
konnte.<br />
Die Neo-Stile des Historismus sind<br />
Schein-Architektur im großen Maßstab,<br />
denn da gehört es zum Prinzip: In<br />
der Zeit der Industrialisierung wurden<br />
laufend neue Technologien eingeführt,<br />
aber stilistisch war das 19. Jahrhundert<br />
an vergangenen Zeiten orientiert, man<br />
„recycelte“ die Stile des Mittelalters<br />
und der frühen Neuzeit. Da steht in<br />
Singen im Osten der Innenstadt eine<br />
große spätromanische Kirche, aber im<br />
Mittelalter und noch lange später war<br />
die Stadt ein kleines Dorf – die Herz-<br />
Jesu-Kirche ist neoromanisch. Nach<br />
der Romanik gab es im 19. Jahrhundert<br />
„Neuaufgüsse“ der nächsten Stile: Gotik,<br />
Renaissance, Klassizismus. Was<br />
im Barock schon vorkam, wurde im<br />
Historismus der „Gründerzeit“ schon<br />
fast obligatorisch: Viele schön verzierte<br />
Giebel stellen sich von der Seite gesehen<br />
als Scheingiebel heraus.<br />
Noch offensichtlicher ist der „schöne<br />
Schein“ in der Architektur, sobald<br />
man bei historischen wie bei zeitgenössischen<br />
Bauten genauer hinschaut.<br />
Am meisten verbreitet ist die Schein-<br />
Architektur bei modernisierten Altbauten,<br />
wenn statt dem Denkmalschutz<br />
der Baumarkt beteiligt war. Da gibt es<br />
Fachwerkhäuser, bei denen die Balken<br />
nur auf die Fassade genagelte Bretter<br />
sind, und es gibt Naturstein-Mauern,<br />
die nur wenige Zentimeter dick sind.<br />
Zu solchem Stil passt dann oft ein „Garten<br />
des Grauens“ ...