LÄUFT. Herbst 2021 - Leseprobe

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› DIE PLÄNE VON MARATHON-STAR MELAT KEJETA ‹ — GUT FÜR GOLD — ↦ Vor acht Jahren kam Melat Kejeta als Asylbewerberin aus Äthiopien nach Deutschland. Zeitweise musste sie sich als Putzfrau durchschlagen. Im Sommer <strong>2021</strong> lief sie für Deutschland auf Rang sechs im olympischen Marathon. Schon im nächsten Jahr kann sie nach dem EM-Gold greifen, das am 15. August 2022 im Rahmen der European Championships mit neun Sportarten in München vergeben wird. Die attraktive Marathonstrecke mit Start- und Ziel am Odeonsplatz verläuft entlang der schönsten Münchner Sehenswürdigkeiten. Vor zwei Jahren war der 28-Jährigen ein fantastisches Marathondebüt gelungen: Beim BMW Berlin-Marathon wurde sie in 2:23:57 Stunden auf Anhieb zur drittschnellsten deutschen Marathonläuferin aller Zeiten. Schnellere Zeiten erzielten überhaupt nur die deutsche Rekordlerin Irina Mikitenko (2:19:19 h in Berlin 2008) und Uta Pippig, die auf der allerdings nicht rekordkonformen Strecke in Boston 1994 eine Zeit von 2:21:45 Stunden erreicht hatte. Vielleicht noch höher zu bewerten als ihre Berliner Leistung ist das Rennen, das Kejeta bei den Olympischen Spielen in Japan abgeliefert hat. In ihrem erst zweiten Marathonrennen lief sie bei fast 30 Grad nach 2:29:16 Stunden ins Ziel. Es ist die beste Olympia-Platzierung einer deutschen Marathonläuferin seit dem vierten Rang von Katrin Dörre-Heinig 1996 in Atlanta. Wenn sie bei ihrem nächsten Marathon auf einer schnellen Strecke läuft, sollte sie in der Lage sein, den deutschen Rekord von Irina Mikitenko (2:19:19 h) zu unterbieten und als zweite Deutsche unter 2:20 Stunden zu laufen. ELIUD KIPCHOGES TRAINER ERKANNTE FRÜH DAS POTENZIAL DER DEUTSCHEN Einer der Ersten, die das Potenzial der gebürtigen Äthiopierin erkannten, war kein Geringerer als Patrick Sang. Nachdem der Kenianer sie 2019 in einem zweimonatigen Höhentrainingslager in seinem Heimatland beobachtet hatte, schätzte er ihr Marathon-Leistungsvermögen schon damals auf 2:19 bis 2:22 Stunden. Und Patrick Sang kennt sich aus. Schließlich ist der ehemalige Weltklasse-Hindernisläufer aus Eldoret auch der Mann hinter den großartigen Leistungen von Doppelolympiasieger, Weltrekordler und Unter-Zwei-Stunden-Marathonläufer Eliud Kipchoge. Wir hart sie kämpfen kann, zeigte Melat Kejeta bei Olympia: Auch nachdem sie aus der Spitzengruppe herausgefallen war, gab die 28-Jährige alles und machte auf den letzten Kilometern noch zwei Plätze gut. Das hat sie in Kenia und in ihrer Heimat Äthiopien gelernt. Trainingsläufe bis zu 40 Kilometern absolvierte sie dort in Höhen von über 2000 Metern – und das immer mit den stärksten Trainingspartnerinnen und -partnern, die sich weltweit finden lassen. Vor Olympia war sie in den Hügeln von Ngong in der Nähe von Kenias Hauptstadt Nairobi. Dort hat sie in der Gruppe mit der Marathon-Weltmeisterin Ruth Chep- ngetich trainiert. Ihr Wochenpensum waren um die 200 Kilometer. Sie hat sich sogar an Ugali gewöhnt, jenen legendären Maisbrei, der das Grundnahrungsmittel der Kenia-Läufer ist. Normalerweise bevorzugt sie Kartoffeln. Pellkartoffeln mit Spinat sind ihr Leibgericht, da ist sie schon sehr deutsch geworden, seitdem sie vor acht Jahren nach Deutschland gekommen ist. In Äthiopien hatte ihre Familie mit der politischen Situation zu kämpfen. Deshalb blieb sie nach einem Wettkampf in Italien, kam nach Deutschland und beantragte Asyl. Ihrem Antrag wurde stattgegeben. Auch mit dem Sport begann sie wieder, obwohl sie sich zwischenzeitlich als Putzfrau durchschlagen musste. FÜR DIE TRAININGSPLÄNE IST EX-BUNDESTRAINER WINFRIED AUFENANGER ZUSTÄNDIG Dann wurde der ehemalige Marathon-Bundestrainer Winfried Aufenanger auf sie aufmerksam. In ihrer neuen Heimat Kassel wird sie seitdem von ihm trainiert – auch wenn sie den Großteil des Jahres in Trainingslagern in Ostafrika verbringt, woran sie künftig nichts ändern wird. „Ja, ich werde während einer Marathonvorbereitung auch zukünftig längere Zeit in der Höhe in Äthiopien oder Kenia trainieren. Mein Trainer ist aber weiterhin Winfried Aufenanger, ihm verdanke ich meinen Erfolg“, sagt sie. Dass sie ein Faible für weite Distanzen besitzt, weiß sie schon seit ihren Teenagertagen. „In Äthiopien hat mein 74
Text: Christian Ermert & Jörg Wenig | Fotos: Norbert Wilhelmi, imago images/von der Laage/Zuma/Gora LÄUFER —— LEUTE Melat Kejeta ist erst zwei Marathons gelaufen. Und dennoch ist sie auf dem besten Weg, eine der besten deutschen Marathonläuferinnen der Geschichte zu werden. 2022 kann die Olympia-Sechste von Sapporo bei den Europameisterschaften in München ihre erste Goldmedaille bei einer großen internationalen Meisterschaft gewinnen.
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