möbel kultur 10/21
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1Fehlendes Fundament<br />
Nach anderthalb Jahren Pandemie<br />
hat die Branche ihre Bezugsgrößen<br />
verloren. Weder der V-Verlauf im<br />
vergangenen Jahr noch die vom<br />
langen Winter-Lockdown geprägte<br />
diesjährige Konjunktur lassen sich<br />
miteinander vergleichen. Also<br />
schauen die Zahlen-Experten auf<br />
das „normale“ Jahr 2019, was wohl<br />
die sinnvollste Maßnahme ist. Das<br />
hilft aber immer noch kein bisschen<br />
weiter, um zu prognostizieren,<br />
wie und auf welcher Basis sich das<br />
Jahr 2022 entwickeln wird. Da gibt<br />
es fast so viele Meinungen, wie es<br />
Aussteller auf den Herbstmessen gab.<br />
Der größte Konsens lässt sich wohl<br />
so zusammenfassen: Die Nachfrage<br />
hält an, die Unwägbarkeiten entlang<br />
der Wertschöpfungskette aber<br />
auch. Unter allen Preissegmenten<br />
leidet der Discount am meisten,<br />
weil die Renditen schon dramatisch<br />
abgeschmolzen sind. Dieter<br />
Hilpert hat das für die Bega-Gruppe<br />
mit zuletzt 525 Mio. Euro Umsatz<br />
als Problem erkannt und zu einer<br />
Ertrags-Trendumkehr im kommenden<br />
Jahr aufgerufen.<br />
2<br />
Decke.“ „Das sind Hiobsbotschaften<br />
mit gewaltiger Spontaneität.“ Um<br />
nur einige der Stimmen aus der<br />
Industrie zu nennen, die die „<strong>möbel</strong><br />
<strong>kultur</strong>“-Redaktion während ihres<br />
Messebesuches aufgeschnappt hat.<br />
Auf der M.O.W.-Pressekonferenz,<br />
zu der auch Jan Kurth geladen war,<br />
Handel und Industrie<br />
betonte der VDM-Geschäftsführer<br />
liegen im Clinch<br />
abermals, dass die Beschaffung<br />
Die Totenstille, die sich in einige und die Preisgestaltung derzeit die<br />
Händler-Lieferanten-Beziehungen herausfordernden Themen in der<br />
eingeschlichen hat, ist eigentlich Möbelindustrie sind. „Alles ist knapper<br />
und teurer geworden, um Möbel<br />
eher aus der Lebensmittelbranche<br />
bekannt. Wenn Edeka und Uni- herzustellen.“ Sicher sei, dass die<br />
lever miteinander streiten, herrscht Preissteigerungen am Markt weitergegeben<br />
werden. In Gesprächen mit<br />
drei Monate Schweigen, bevor eine<br />
Partei zuerst zuckt. In der Möbelbranche<br />
ist das in diesem Umfang Erhöhungen von <strong>10</strong> bis 15 Prozent<br />
den Herstellern wurden durchaus<br />
neu und wäre ohne das „Bamberger genannt. Ob damit die gestiegenen<br />
Kosten aber auf den Vorstufen<br />
Urteil“ kaum möglich gewesen. Laut<br />
VDM sei damit eindeutig festgestellt kompensiert werden können, bleibt<br />
worden, dass der unter dem Begriff abzuwarten, weil die weitere Entwicklung<br />
bis ins nächste Jahr völlig<br />
„Konventionalstrafen“ eingeforderte<br />
Schadensersatz unzulässig ist. Dieses unwägbar ist. Nicht ohne Grund<br />
Urteil hatte das Selbstbewusstsein spricht Bega-Boss Dieter Hilpert von<br />
der Industrie gestärkt – bei Rauch, einer Renditedelle, denn die Rohstoffpreiserhöhungen<br />
kann auch die<br />
Forte und anderen in ganz besonderem<br />
Maße, was teilweise Vertragskündigungen<br />
nach sich gezogen und die gestiegenen Preise habe man<br />
große Bega-Gruppe nicht abfedern<br />
hatte, wenn der Handel das Urteil in vielen Fällen für die polnischen<br />
anders interpretierte. Das wiederum<br />
führte dazu, dass die Händler<br />
Produktionspartner 4geschultert.<br />
ihre Einkaufszettel neu schreiben<br />
mussten, weil einige Kernlieferanten<br />
zur Herbstmesse nun mit einem<br />
roten X markiert waren. Das Ergebnis:<br />
Seit Jahren haben Erstaussteller<br />
keine so gute Chance mehr gehabt<br />
in Deutschland ins Geschäft zu kommen.<br />
Denn der Handel ist mehr<br />
oder weniger gezwungen, offen für<br />
Alternativen zu sein.<br />
Für oben<br />
ohne gab es<br />
keinen Eintritt:<br />
Humorvoll<br />
inszenierte die<br />
3 C-Gruppe die<br />
Maskenpflicht<br />
während der<br />
Möbelmeile.<br />
3Materialversorgung problematisch,<br />
Preise steigen<br />
Die schwierige Beschaffung von<br />
Vormaterialien, damit verbundene<br />
Preiserhöhungen und auch Lieferzeiten<br />
waren das beherrschende<br />
Thema auf der Messe. Die Problematik<br />
ist zwar nicht neu, hat<br />
sich allerdings im Laufe des Jahres<br />
immer mehr zugespitzt. Und betrifft<br />
inzwischen sämtliche Materialien.<br />
Aktuell besonders im Fokus: Metallteile.<br />
„Verfügbarkeiten und Materialpreise<br />
– es bleibt nervenaufreibend“.<br />
„Die Preise gehen durch die<br />
Logistikkosten explodieren<br />
In brisante Höhen katapultieren sich<br />
im Übrigen auch die Container-<br />
Preise. Die Frachtkosten aus Asien<br />
sind in den letzten 18 Monaten<br />
gigantisch gestiegen und liegen aktuell<br />
im fünfstelligen Bereich. Damit<br />
einher gehen könnte ein Umdenken<br />
in puncto Sourcing Richtung Europa.<br />
Polster<strong>möbel</strong> im Einstiegsbereich<br />
beispielsweise aus China zu importieren,<br />
dürfte sich kaum noch rechnen.<br />
Ganz abgesehen davon, dass es<br />
inzwischen fast nicht mehr möglich<br />
ist, Lieferzeiten für Möbel aus Asien<br />
präzise zu benennen. „Wir finden<br />
eine Marktsituation vor, in der der<br />
Handel auf verlässliche Lieferungen<br />
angewiesen ist“, sagte Jan Kurth. Verfügbarkeit<br />
schlägt also Preis – Europa<br />
schlägt Asien?<br />
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