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moneyeditorial<br />
EDITORIAL<br />
Über den Sinn des Lebens,<br />
21 Jahre FOCUS-MONEY,<br />
den Abschied und einen neuen Anfang<br />
FRANK PÖPSEL<br />
CHEFREDAKTEUR<br />
FOCUS-MONEY<br />
Was ist der Sinn des Lebens? „Wenn ich am Ende meines<br />
Lebens konstatieren kann, dass ich meinen Spaß gehabt<br />
habe, vielleicht sogar reichlich: Soll das dann wirklich alles<br />
gewesen sein? Will ich nicht eine Spur in der Weltgeschichte hinterlassen,<br />
auf die ich stolz sein kann, auch wenn sie sich schon nach wenigen<br />
Hundert Jahren verliert? Ist nicht Albert Schweitzer ein Mensch,<br />
dessen Leben in jedermanns Augen, einschließlich seiner eigenen, in<br />
ganz besonderem Maße einen Sinn hatte?“, schreibt der Wissenschaftsjournalist<br />
Christoph Poppe in einer Rezension über Bernulf<br />
Kanitscheiders Buch „Entzauberte Welt“.<br />
Der Alltag der meisten Menschen sieht jedoch ganz anders aus.<br />
Stress beim Aufstehen. Danach schnell ins Büro, das Projekt wartet<br />
schon. „Herr Maier, der Kunde beschwert sich, dass es zu Verzögerungen<br />
kommt!“ Das Team zusammenrufen, Lösungen suchen, ein Beschwichtigungsanruf.<br />
„Bis heute Abend sind die Probleme beseitigt.<br />
Versprochen!“ Stress in der Abteilung. Um 12.00 Uhr schnell in die<br />
Kantine, ein wenig Tratsch. Gegen 19.00 Uhr läuft das Projekt dann<br />
tatsächlich. Endlich nach Hause.<br />
„Kinder, hört endlich auf mit dem Fernsehen! War die Mathe-Schulaufgabe<br />
gut?“ Noch schnell ein Plausch am Küchentisch und dann einen<br />
Wein aufmachen. Endlich Feierabend und „Tatort“ sehen. Wieder<br />
ein Tag vorbei!<br />
Ist das der Sinn des Lebens? Der mitteleuropäische Mann lebt<br />
durchschnittlich rund 75 Jahre, die Frau 82 Jahre. Die meiste Zeit verbringt<br />
der Mensch in diesem Rhythmus: aufstehen, arbeiten, Feierabend.<br />
Schlafen, aufstehen, arbeiten. Das kann der Sinn des Lebens<br />
doch nicht sein!<br />
Zwei Drittel der Deutschen sehen einer Allensbach-Umfrage zufolge<br />
ihren Lebenssinn darin, „glücklich zu sein“ und „möglichst viel Lebensgenuss<br />
zu haben“ – ist das der Sinn des Lebens? Schwer zu sagen.<br />
Nach der vom österreichisch-britischen Philosophen Karl Popper<br />
begründeten Wissenschaftstheorie des Falsifikationismus vollzieht<br />
sich Erkenntnisfortschritt durch „trial and error“: Auf offene Fragen<br />
geben wir versuchsweise eine Antwort und unterziehen diese einer<br />
strengen Prüfung. Wenn die Antwort die Prüfung nicht besteht, verwerfen<br />
wir sie und versuchen, sie durch eine bessere zu ersetzen.<br />
Wenn sie besteht, gehen wir davon aus, dass die Antwort richtig ist,<br />
solange sie nicht doch irgendwann falsifiziert werden kann.<br />
Wenn der Sinn des Lebens darin liegen sollte, „Lebensgenuss“ zu haben,<br />
wäre das Leben von Milliarden Menschen, die in bitterer Armut<br />
leben, „unsinnig“. Läge der Zweck darin, „geachtet und beliebt“ zu sein,<br />
müssten alle Unterprivilegierten in Verzweiflung untergehen. Und<br />
käme es allein auf das „Glück“ an, müssten alle Unglücklichen folgerichtig<br />
sofort Selbstmord begehen, denn ihr Leben hätte ja keinen Sinn.<br />
Viktor E. Frankl, einer der berühmtesten Neurologen des vergangenen<br />
Jahrhunderts, fand denn auch eine ganz andere Antwort auf die<br />
Sinnfrage. Frankl begründete die Theorie der „Logotherapie“ (griechisch<br />
„logos“ = Sinn). Entwickelt hat er sie in den Konzentrationslagern<br />
Theresienstadt, Auschwitz und Dachau, die er dank seiner persönlichen<br />
Sinnfindung überlebte. Frankls Credo: „Im Dienst an einer<br />
Sache oder in der Liebe zu einer Person erfüllt der Mensch sich selbst.“<br />
Bleibt die Frage: Lässt sich auch diese Theorie von der Liebe als „Sinn<br />
des Lebens“ im Popper’schen Sinne falsifizieren? Findet sich ein Gegenbeweis,<br />
der besagt, „Menschen, die lieben oder sich mit vollem Engagement<br />
in den Dienst an einer Sache stellen, sind unglücklich? Die<br />
Antwort lautet: „Nein.“<br />
Eine US-amerikanische Studie kommt zu dem Ergebnis: „Menschen,<br />
die etwa als Trainer einer Jugendmannschaft ein Ehrenamt ausüben,<br />
helfen nicht nur anderen, sondern auch sich selbst.“<br />
Forscher der British Columbia University in Vancouver fanden heraus,<br />
dass durch eine von Nächstenliebe oder Begeisterung für eine<br />
Sache angeregte Handlung körpereigene Botenstoffe im Belohnungszentrum<br />
des Gehirns ausgeschüttet werden. Diese Ausschüttung ist<br />
vergleichbar mit der, die nach dem Genuss von Rauschmitteln einsetzt.<br />
In seinem Buch „Schluss mit lustig – das Ende der Spaßgesellschaft“,<br />
zitiert der bekannte ZDF-Journalist Peter Hahne aus einem Kabarettbeitrag<br />
des Düsseldorfer „Kom(m)ödchens“: „Lebensangst und Kreislaufstörung,<br />
Hasten, Jagen, Kampf und Gier. Was stabil ist, ist die<br />
Währung, was labil ist, das sind wir. Lass die Puppen schneller tanzen,<br />
ohne Ziel in dem Getriebe, hochgepeitscht durch Dissonanzen, ohne<br />
Glaube, Hoffnung, Liebe.“ „Der Sinn des Lebens“, so Hahne, „sieht<br />
anders aus.“<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser, 21 Jahre lang war FOCUS-MONEY neben<br />
meiner Familie und meinen Freunden ein Teil von meinem „Sinn<br />
des Lebens“. Nach dem Tod meines Sohnes Julian hat mir die Arbeit für<br />
und mit meinen Kollegen und Ihnen geholfen, wieder ins Leben zurückzufinden.<br />
Das „Ehrenamt“, das ich als Chefredakteur von FOCUS-MO-<br />
NEY ausfüllen durfte, hat mich erfüllt – und ich hoffe, Ihnen auch etwas<br />
geholfen. Und ja: Wenn ein Heft besonders gut gelungen war oder mich<br />
ein besonders netter Leserbrief erreichte, war das durchaus schon mal<br />
mit dem „Genuss von Rauschmitteln“ zu vergleichen. <br />
Ich habe im Dezember vergangenen Jahres den Vorstand gebeten,<br />
aus meinen Amt ausscheiden zu dürfen. Mit Georg Meck ist seit 1. Oktober<br />
mein Nachfolger an Bord. Ich möchte mich von Ihnen verabschieden<br />
und Sie bitten: Bleiben Sie FOCUS-MONEY gewogen, bleiben<br />
Sie meinem Nachfolger Georg Meck gewogen und bleiben Sie mir gewogen.<br />
Die Begeisterung für Journalismus bleibt auch weiter ein Teil<br />
von meinem „Sinn des Lebens“.<br />
Ihr<br />
FOCUS-MONEY <strong>43</strong>/<strong>2021</strong><br />
Foto: D. Gust/FOCUS-MONEY Composing: FOCUS-MONEY 3
moneyinhalt<br />
20. OKTOBER <strong>2021</strong> www.money.de<br />
6<br />
Auf Inflations-Gewinner setzen<br />
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat das<br />
Gelddrucken eine neue Dimension erreicht. Die<br />
Preise steigen weltweit. Anleger können sich wehren<br />
– mit unseren 33 Inflations-Gewinner-Aktien<br />
moneykompakt<br />
58 Krypto-Ticker: Es bleibt spannend<br />
im Krypto-Kosmos. Wie<br />
macht sich der Bitcoin gegen die<br />
Inflation?<br />
98 Andis Börsenbarometer: Der<br />
Buy-the-Dip-Ansatz wird<br />
von manchem Marktskeptiker<br />
hinterfragt<br />
moneytitel<br />
6 Strategie gegen Inflation: Kaffee,<br />
Sprit, Bauholz – steigende Preise<br />
halten die Börse in Atem. So<br />
können sich Anleger wappnen<br />
12 Große Preissetzungsmacht:<br />
14 Top-Aktien in starker Position<br />
sollten trotz Inflation zu den<br />
Gewinnern zählen<br />
16 Infrastruktur und Immobilien:<br />
Aktien aus diesen Bereichen<br />
gelten als sicherer Schutz gegen<br />
die Verteuerung<br />
20 Seetransport: Rohstoffpreise und<br />
Frachtraten steigen. Wir haben<br />
drei potenzielle Profiteure<br />
ausfindig gemacht<br />
24 Zykliker: Bestimmte Sektoren<br />
machen sich die Inflation zunutze.<br />
Drei deutsche Aktien, um den<br />
Trend zu spielen<br />
26 Burggraben gegen Inflation:<br />
Acht kaum angreifbare Konzerne<br />
moneymarkets<br />
30 Immer-Gewinner: Egal, wie sich<br />
die Globalisierung entwickelt – mit<br />
diesen Papieren sind Sie auf der<br />
sicheren Seite<br />
26<br />
Bombenfeste<br />
Geschäftsmodelle<br />
Ein ETF des Anbieters VanEck<br />
vereint Burggraben-Aktien und<br />
wuchs in den letzten fünf Jahren um<br />
124 Prozent. Acht starke Neuaufnahmen<br />
in den Aktienkorb im Porträt<br />
34 Elmos: Dem Halbleiterspezialisten<br />
aus Dortmund steht eine aussichtsreiche<br />
Zukunft bevor<br />
35 Hapag-Lloyd: Der starke<br />
Branchenführer der Containerschifffahrt<br />
im Porträt<br />
36 Überraschungen: Diese deutschen<br />
Kandidaten könnten die<br />
Erwartungen der Experten in der<br />
Berichtssaison übertreffen<br />
40 Nachhaltigkeit: Wie es sich mit<br />
gutem Gewissen investieren lässt<br />
46 Musterdepots: Jaensch steigt bei<br />
österreichischer Bank ein<br />
4 Titel: Composing: FOCUS-MONEY<br />
FOCUS-MONEY <strong>43</strong>/<strong>2021</strong>
51<br />
Hoch hinaus<br />
Wer an einen bestimmten Sektor glaubt, ist bei<br />
Themen-ETFs gut aufgehoben. Auf die Zukunftsthemen<br />
Blockchain, nachhaltige Lebensmittel,<br />
Weltraum und Zukunft der Stadt können Anleger<br />
mit Indexfonds setzen. Die Portfolios im Profil<br />
36<br />
Überraschungskandidaten<br />
Viele Unternehmen übertrafen <strong>2021</strong> die Erwartungen<br />
der Experten. Fünf deutsche Konzerne,<br />
die das auch im dritten Quartal schaffen sollten<br />
48 Paion: Eine Neuausrichtung des<br />
Biotech-Konzerns könnte Anleger<br />
bald belohnen<br />
51 Themen-ETFs: Blockchain,<br />
Lebensmittel, Weltraum, Urbanisierung<br />
– die ETF-Welt macht für<br />
jeden Zukunftstrend ein Angebot<br />
moneyyou<br />
54 Aktienanalyse: Microstrategy<br />
steckt eine Menge Kapital in<br />
Bitcoin. Lohnt sich das Risiko für<br />
Investoren?<br />
57 Chartanalyse: Der optimale<br />
Kaufzeitpunkt bei Evonik könnte<br />
bald gekommen sein<br />
57 Börsenwissen: Welche Kennzahlen<br />
zeigen die Rentabilität eines<br />
Unternehmens auf?<br />
moneyanlegerschutz<br />
61 Grüner Kapitalmarkt: Was die EU<br />
tun muss, damit er für private<br />
Anleger sicher investierbar ist<br />
moneyservice<br />
64 Private Krankenversicherung:<br />
Neben starken Leistungen steht<br />
auch ein hervorragender Service<br />
im Mittelpunkt. Die große Analyse<br />
72 Nachhaltigkeitssieger: Wie steht<br />
es um das Zukunftsthema bei<br />
Banken, Bausparkassen und<br />
Versicherern? FOCUS-MONEY hat<br />
nachgefragt<br />
moneyanalyse<br />
81 Fonds<br />
82 Deutsche Aktien<br />
90 Internationale Aktien<br />
96 ETFs<br />
97 Zertifikate<br />
moneyrubriken<br />
3 Editorial<br />
80 Leserbriefe – Impressum<br />
98 Termine<br />
30<br />
Stabiler Stand<br />
Egal, ob sich die Wirtschaft künftig<br />
in Richtung Globalisierung oder<br />
Deglobalisierung bewegt: Einer der<br />
weltweit führenden Medienkonzerne,<br />
Walt Disney, zählt zu unseren<br />
drei Immer-Gewinnern<br />
FOCUS-MONEY <strong>43</strong>/<strong>2021</strong><br />
Inhalt: Fotos: Adobe Stock, NASA, iStock, Disney Illustration: VectorStock Composing: FOCUS-MONEY<br />
5
moneytitel<br />
HOLZ<br />
+58,0<br />
%<br />
KAFFEE<br />
+50,0<br />
%<br />
STRATEGIE<br />
TANKEN<br />
+26,5<br />
%<br />
Die Inflation<br />
ist da – so<br />
schützen Sie<br />
Ihr Geld<br />
HEIZEN<br />
+57,3<br />
%<br />
6<br />
FOCUS-MONEY <strong>43</strong>/<strong>2021</strong>
Kräftiger Anstieg<br />
Die Jüngeren kennen das gar nicht: Die Preise in<br />
Deutschland stiegen zuletzt wie seit 29 Jahren<br />
nicht mehr. Die Inflation ist gekommen, um zu<br />
bleiben – Anleger müssen sich auf neue Rahmenbedingungen<br />
einstellen.<br />
Inflationsraten in Deutschland und den USA<br />
Veränderung zum Vorjahr in Prozent<br />
2015 16 17 18 19 20 <strong>2021</strong><br />
Quelle: Bloomberg<br />
KARTOFFELN<br />
+16,3<br />
%<br />
Deutschland<br />
USA<br />
Immer höhere Welle<br />
Die Notenbanken in aller Welt fluten seit 50 Jahren<br />
die internationalen Finanzmärkte – immer mehr<br />
und in immer kürzeren Abständen. Seit Ausbruch<br />
der Corona-Pandemie ist das Gelddrucken in ganz<br />
neue Dimensionen vorgestoßen.<br />
Zentralbankbilanz in der Euro-Zone und den USA<br />
Veränderung zum Vorjahr in Prozent<br />
USA<br />
2008 10 12 14 16 18 20 2022<br />
Quelle: Bloomberg<br />
Euro-Zone<br />
Prognose<br />
5<br />
3<br />
1<br />
–1<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Hohe Preissteigerungsraten werden die<br />
Börsen länger in Atem halten. Wie Anleger<br />
sich mit den richtigen Preisbrechern<br />
gegen Inflation wappnen<br />
von MIKA HOFFMANN<br />
Der Liter Sprit kostet mehr als zwei Euro! Gut, bisher nur<br />
das teure Super Plus. Aber: „Preisschock an der Zapfsäule“,<br />
titeln die Boulevardblätter. Es ist nicht der einzige<br />
Preisschock: plus 50 Prozent bei Kaffee, Heizöl plus 57,3<br />
Prozent, Mietautos plus 53,4 Prozent, Bauholz plus 58 Prozent<br />
gegenüber dem Vorjahr. Die „Bild“-Zeitung schreibt in<br />
großen Lettern: „Monster-Inflation“.<br />
Eine Inflationsrate von 4,1 Prozent. An solche Zahlen können<br />
sich in Deutschland viele Jüngere gar nicht mehr erinnern<br />
– so schnell stiegen die Preise zuletzt vor 29 Jahren. Sollten die<br />
Preise weiterhin in dem Tempo nach oben gehen – und dafür<br />
spricht einiges – müssen Anleger umdenken. Wie Sie Ihr Erspartes<br />
jetzt vor hohen Inflationsraten schützen und welche<br />
Aktien sich besonders als Preisbrecher eignen, lesen Sie in der<br />
Titelgeschichte auf den nächsten Seiten.<br />
Der Internationale Währungsfonds IWF warnt. Deutsche-<br />
Bank-Chef Christian Sewing warnt. Die Gewerkschaft Ver.di<br />
fordert schon mehr Lohn. Die Preise steigen – das Thema Inflation<br />
ist wieder voll im öffentlichen Bewusstsein. „Während<br />
dies im Sommer noch als temporäre Entwicklung interpretiert<br />
wurde, änderte sich die Wahrnehmung in den vergangenen<br />
Wochen, nachdem die Preise von Öl, Gas und Strom auf immer<br />
höhere Niveaus gestiegen sind“, analysiert Fondsmanager<br />
Bert Flossbach. „Die Inflation hat sich zurückgemeldet und<br />
es spricht einiges dafür, dass sie bleibt. Selbst wenn sich die aktuellen<br />
Engpässe im nächsten Jahr weitgehend auflösen sollten,<br />
dürfte sich aufgrund der zu erwartenden Zweitrundeneffekte<br />
ein höherer Inflationssockel bilden“, prognostiziert der<br />
Gründer und Vorstand der Vermögensverwaltung Flossbach<br />
von Storch. Mittel- und langfristig kämen mit den drei „D“ in<br />
Form von Deglobalisierung, Dekarbonisierung und Demografie<br />
weitere Inflationstreiber hinzu, erläutert Flossbach – ein<br />
baldiges Ende der hohen Inflationsraten, wie es sich die Notenbanken<br />
wünschen, ist damit wohl nicht so schnell in Sicht.<br />
Kommt der Inflationsschock? „Ein Großteil der Diskussionen<br />
über den Zustand von Weltwirtschaft und Finanzsystem<br />
dreht sich <strong>2021</strong> um die Frage, ob als Folge massiver monetärer<br />
Expansion künftig mit einem strukturellen Anstieg der Inflation<br />
oder gar einem „Inflationsschock“ zu rechnen ist“,<br />
bringt Heinz-Werner Rapp das Thema auf den Punkt. Die klare<br />
Antwort des Vorstands und Chief Investment Officer des<br />
Vermögensverwalters und Analysehauses Feri lautet: „Ja“. Als<br />
Folge massiver Geldschöpfung habe sich über einen Zeitraum<br />
von nur 13 Jahren die Bilanzsumme der US-Zentralbank Fed<br />
annähernd verzehnfacht, rechnet der Experte vor. „Damit hat<br />
der Zustand des Weltfinanzsystems ein völlig neues Niveau<br />
FOCUS-MONEY <strong>43</strong>/<strong>2021</strong><br />
Fotos: 123RF (2), iStock, Depositphotos, Can Stock Photo Composing: FOCUS-MONEY 7
moneymarkets<br />
KONJUNKTUR<br />
Auf der sicheren Seite<br />
Mit der Umkehr der Globalisierung kommen<br />
schwere Zeiten auf die Wirtschaft zu. Die gute<br />
Nachricht: FOCUS-MONEY findet drei Immer-<br />
Gewinner mit bis zu 90 Prozent Potenzial<br />
von JENS MASUHR<br />
MUSKELSPIELE:<br />
Trotz trüber Wirtschaftsaussichten<br />
gibt es auch<br />
Gewinner<br />
In China ist <strong>2021</strong> das Jahr des Ochsen. Die in diesem Jahr geborenen<br />
Menschen gelten als zuverlässig und vertrauenswürdig.<br />
Ob sich die oberste Führung in Peking davon leiten<br />
lässt, ist nicht bekannt. Nur so viel: Ganz offenbar steht das<br />
Riesenreich bei seinem Vormarsch zur größten Wirtschaftsmacht<br />
der Welt vor einer Zäsur. Wohlstand für alle statt hemmungsloses<br />
Wachstum, heißt plötzlich die Parole, unter der<br />
Chinas Staatsführung mit harter Hand insbesondere gegen<br />
die Exzesse im Technologiesektor vorgeht. Mehr noch: Im<br />
Fall des Immobiliengiganten Evergrande, ein Paradebeispiel<br />
für die ausufernde Schuldenmacherei und Sinnbild des „geschönten“<br />
Aufschwungs, nimmt die Parteiführung durch ihr<br />
radikales Vorgehen ein weltweites Börsenbeben in Kauf.<br />
„Chinas Regierung verfolgt in immer mehr Bereichen einen<br />
Abschottungskurs und ist bereit, dafür einen hohen<br />
Preis zu zahlen“, sagt Bernhard Bartsch vom Mercator-Institut<br />
für China-Studien (Merics).<br />
Neue Weltordnung. Die Folgen von Covid<br />
sind Öl ins Feuer. Um sich künftig unabhängiger<br />
von den globalen Lieferketten<br />
und ausländischen Technologien<br />
zu machen, droht sich<br />
die Globalisierung in der<br />
Welt umzukehren. „Wir<br />
sehen eine grundlegende<br />
Veränderung<br />
der Weltordnung<br />
mit einer langwierigen<br />
Deglobalisierung<br />
und einem<br />
Anstieg der<br />
geopolitischen<br />
Spannungen“,<br />
warnt Lale Akoner,<br />
Marktstrategin und<br />
Ökonomin bei BNY<br />
Mellon Investment Management.<br />
„Covid-19 hat den Übergang<br />
zu dieser neuen Weltordnung<br />
noch beschleunigt“, sagt die Expertin. Dazu kommen<br />
Handelsstreitigkeiten, die den Aufschwung bedrohen –<br />
allen voran der Dauerzoff zwischen Washington und Peking.<br />
Die Folgen sind vor allem für Exportnationen wie Deutschland<br />
verheerend.<br />
30<br />
Illustration: VectorStock FOCUS-MONEY <strong>43</strong>/<strong>2021</strong>
China immer wichtiger<br />
China wird als Handelspartner für die deutsche<br />
Wirtschaft immer wichtiger. Seit 2005 hat sich der<br />
Wert der Exporte ins Riesenreich mit mehr als 95<br />
Milliarden Euro nahezu verfünffacht.<br />
Deutsche Exporte in die USA und nach China<br />
Wert in Milliarden Euro<br />
Exporte in die USA<br />
Exporte nach China<br />
2000 05 10 15 2020<br />
Quellen: Bloomberg, Destatis<br />
Bevölkerung in Millionen<br />
USA 330<br />
Europäische Union 450<br />
China 1400<br />
Wirtschaftskraft in Billionen US-Dollar, Basis 2019<br />
USA 18,3<br />
Europäische Union 16,6<br />
China 11,5<br />
Anteile am weltweiten Handel<br />
und den Militärausgaben in Prozent<br />
Exporte<br />
USA 8,7<br />
EU 12,6<br />
China 13,2<br />
Hochtechnologie,<br />
Anteil an den<br />
Exporten 30,8<br />
18,9 16,1<br />
100<br />
Mächtiges Trio<br />
Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 18,3 Billionen<br />
US-Dollar stellten die USA 2019 den stärksten<br />
Wirtschaftsblock – gefolgt von der EU und China. In<br />
Zukunft bilden China und die USA die Spitze.<br />
Quellen: Weltbank, Databank<br />
Hightech aus Fernost<br />
China wird zum Technologieführer. Der Anteil von<br />
Hochtechnologie-Exporten an den Gesamtexporten<br />
betrug 2019 mehr als 30 Prozent – fast doppelt so<br />
viel wie in der EU und deutlich mehr als in den USA.<br />
Importe<br />
USA13,4<br />
EU 11,3<br />
China 10,8<br />
Quellen: Weltbank, World Development Indicators, Databank<br />
FOCUS-MONEY <strong>43</strong>/<strong>2021</strong><br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Anteil der<br />
Militärausgaben<br />
am BIP<br />
3,4<br />
1,4 1,9<br />
Aber was genau sind die Folgen für Wirtschaft und Wohlstand,<br />
wenn die USA und China die Welt dominieren und Europa als dritter<br />
Wirtschaftsblock zwischen die Fronten gerät? Gibt es Alternativen?<br />
Eine aktuelle Bertelsmann-Studie stellt fünf Szenarien vor<br />
– fast alle mit ernüchterndem und erschreckendem Ausgang. Die<br />
gute Nachricht dabei: FOCUS-MONEY findet drei Top-Aktien, die in<br />
jedem Marktumfeld glänzen – weil ihr Business unverzichtbar ist,<br />
schnell wächst und nahezu jederzeit und über Grenzen hinweg<br />
funktioniert: Walt Disney, Taiwan Semiconductor und Deutsche<br />
Börse (siehe Kästen ab Seite 32).<br />
Boom hinter verschlossenen Türen. Klassische Exportbranchen<br />
ächzen unter dem geostrategischen Machtgerangel zwischen Ost<br />
und West. Dazu kommt, dass China seine Rolle als größter Handelspartner<br />
kontinuierlich ausbaut. Vor 16 Jahren etwa exportierte<br />
Deutschland Waren im Wert von rund 21 Milliarden Euro in die<br />
Volksrepublik. 2020 war es mit knapp 96 Milliarden Euro fast fünfmal<br />
so viel. Chinas Exportanteil von Hochtechnologie am gesamten<br />
Exportanteil liegt aktuell bei knapp 31 Prozent – klar vor den<br />
USA und Europa (siehe Grafik links). Bereits vor Covid lag das Land<br />
mit einem Anteil von 45 Prozent aller E-Commerce-Aktionen auf<br />
Platz eins. Einerseits ein klares Zeichen dafür, dass Hightech(-Aktien)<br />
in China die Zukunft gehört. Andererseits wird immer deutlicher,<br />
dass sich diese Zukunft weitgehend hinter verschlossenen<br />
Türen abspielt.<br />
Fünf Szenarien für die Zukunft<br />
Trübe Aussichten für Exportnationen wie Deutschland, die am<br />
Aufschwung mitverdienen wollen. Aus 30 Gesprächsrunden mit<br />
Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden und Politik entwickelte die<br />
Bertelsmann-Stiftung mit Unterstützung des Bundesverbands der<br />
Deutschen Industrie (BDI) fünf Szenarien, wie es mit der (De-)Globalisierung<br />
weitergeht:<br />
Szenario 1: Globalisierung ist nicht mehr das, was sie mal war – im<br />
Modell des „reformierten Multilateralismus“ wird die Welt regionaler.<br />
Dennoch: Die drei großen Wirtschaftsblöcke Europa, USA<br />
und China sind um Kooperation und Lösungen auf multilateraler<br />
Ebene bemüht. Der Welthandel ist geprägt von diversen Freihandelsabkommen.<br />
Während China seine technologische Aufholjagd<br />
fortsetzt, um in Schlüsselbranchen die Nummer eins zu werden,<br />
setzen die USA auf Exportkontrollen. Die EU ist um technologische<br />
Souveränität bemüht und investiert massiv in Innovationen – das<br />
laut Experten günstigste Szenario für die deutsche Wirtschaft,<br />
wenn auch das am wenigsten Wahrscheinliche.<br />
Szenario 2: Ruppiger wird’s in einer „Welt mit mehreren Blöcken“.<br />
Auch hier stehen sich starke Kraftzentren gegenüber. Allerdings<br />
sind die Blöcke klar voneinander abgegrenzt und streiten darum,<br />
welche Regierungsform – Demokratie oder Autokratie – die besten<br />
Bedingungen für Wohlstand und Sicherheit zu bieten hat. Voraussetzung,<br />
um in der Top-Liga mitzuspielen, ist, dass die EU<br />
durch politische Geschlossenheit an Relevanz gewinnt. Folge:<br />
höheres Konfliktpotenzial, steigende Ausgaben für Rüstung und<br />
Cybersicherheit, Streben nach mehr Unabhängigkeit bei Hochtechnologien.<br />
Szenario 3: Verliert Europa dagegen an wirtschaftlicher Bedeutung,<br />
droht eine „Welt in der Dauerkrise“. In diesem Szenario<br />
31
moneymarkets<br />
DÄMMERZUSTAND? Mit<br />
Paions neuem Wirkstoff klappt<br />
das wesentlich besser<br />
Manche sind so humorlos, da hilft nicht mal Lachgas.<br />
Wobei Lachgas aber ganz sicher hilft, ist beim Sedieren.<br />
Und einer, der sich auf die Entwicklung und die<br />
Vermarktung sogenannter Sedativa konzentriert, ist das<br />
deutsche Biotech Paion. Um den Kreis nun zu schließen: Mit<br />
Paion könnten Aktionäre am Ende gut lachen haben, auch<br />
wenn Lachgas nicht zu dessen Repertoire zählt. Ein zentraler<br />
Baustein im Produktportfolio ist dagegen die intravenös<br />
zu verabreichende Ultrakurzsedierung Remimazolam – das<br />
einzige selbst entwickelte Medikament des Unternehmens.<br />
Doch stopp! Zunächst ein kleiner Exkurs: Unter Sedierung<br />
ist nicht die klassische (Voll-)Narkose zu verstehen, bei der Patienten<br />
nichts mehr von ihrer Umwelt wahrnehmen. Vielmehr<br />
versetzt ein Sedativum die Anästhesierten in eine Art schläfrigen<br />
und benommenen Zustand, indem die Empfindlichkeit des<br />
zentralen Nervensystems zurückgefahren wird. Die Patienten<br />
sind aber weiterhin in der Lage, auf äußere Reize zu reagieren<br />
und selbstständig zu atmen. Zu den Anwendungsgebieten<br />
zählen z. B. Endoskopien (Magen-Darm-Spiegelungen).<br />
Zweigleisige Strategie. Ein neuer Wirkstoff, um das<br />
Schmerz- und Angstempfinden drastisch zu senken, ist eben<br />
Remimazolam – und dessen Kommerzialisierung kommt<br />
jetzt so richtig ins Rollen. Was ihn auszeichnet, sind drei besonders<br />
entscheidende Merkmale: ein rascher Wirkeintritt,<br />
ein schnelles Abklingen der Wirkung, und das bei einem<br />
günstigen (kardiorespiratorischen) Sicherheitsprofil, was die<br />
Versorgung des Körpers mit Sauerstoff durch Atmung und<br />
Blutkreislauf betrifft. So zumindest preist ihn Paion selbst<br />
an. Deutlich unabhängiger sind die internationalen Zulassungs-<br />
und Regulierungsbehörden, die in ihren Bewertungen<br />
jedoch zu ähnlichen Ansichten gekommen sind. Nicht<br />
umsonst wurde Remimazolam in den vergangenen Monaten<br />
in den USA, der Europäischen Union und in China für die<br />
Kurzsedierung sowie in Japan und Südkorea für die Allge-<br />
BIOTECHNOLOGIE<br />
Dopamin-Hype<br />
durch . . .<br />
. . . ruhig stellende Wirkstoffe? Klingt paradox!<br />
Für Paion-Anleger aber möglich, wenn die<br />
anstehende Unternehmens-Transformation<br />
dem Aktienkurs endlich zum Durchbruch<br />
verhilft. Die Hintergründe<br />
von MARC BÄCHLE<br />
meinanästhesie zugelassen (siehe Meilenstein-Tafel). Was<br />
die Kommerzialisierung in den verschiedenen Märkten betrifft,<br />
setzt Paion mit Ausnahme des EU-Markts auf lokale<br />
Partner, die über ausgewiesene Vertriebsstrukturen verfügen<br />
(sogenannte String-of-Pearls-Strategie). Durch die Auslizenzierung<br />
in bestimmten Märkten sichern sich die Aachener<br />
regelmäßige Apanagen, ohne vor Ort den kostspieligen<br />
Aufbau eines Vermarktungsapparats leisten zu müssen.<br />
Denn das machen sie bereits für Europa. Diese Zweigleisigkeit<br />
stellt für das Unternehmen mit seinen etwas mehr als 40<br />
Mitarbeitern eine probate Vorgehensweise dar, um sämtliche<br />
wichtigen Märkte abzudecken.<br />
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FOCUS-MONEY <strong>43</strong>/<strong>2021</strong>