Gesucht: Richterinnen und Richter - Heer - admin.ch
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A16<br />
Eine Herausforderung für engagierte Milizangehörige<br />
«Mens<strong>ch</strong>enkenntnis<br />
<strong>und</strong> eine grosse Portion Zuhörfähigkeit»<br />
P eter Sieber <strong>und</strong> P eter R. Ts<strong>ch</strong>antré sind beide seit mehr als zehn<br />
Jahren als T ruppenri<strong>ch</strong>ter an einem Militärgeri<strong>ch</strong>t tätig. Pro Jahr<br />
verbringen sie einen bis fünf T age im Geri<strong>ch</strong>tssaal <strong>und</strong> beurteilen<br />
P ersonen, die im Militärdienst ein Delikt begangen haben. ARMEE<br />
aktuell hat mit ihnen über ihre faszinierende <strong>und</strong> verantwortungs-<br />
volle Aufgabe als T ruppenri<strong>ch</strong>ter gespro<strong>ch</strong>en.<br />
Herr Ts<strong>ch</strong>antré <strong>und</strong> Herr Sieber,besitzen Sie einen se<strong>ch</strong>sten Sinn, den<br />
Sinn für Gere<strong>ch</strong>tigkeit?<br />
Ts<strong>ch</strong>antré: Gere<strong>ch</strong>tigkeit bedeutet für mi<strong>ch</strong>, dass alle Mens<strong>ch</strong>en glei<strong>ch</strong><br />
behandelt werden in Bezug auf bestimmte wi<strong>ch</strong>tige Kriterien. Für diese<br />
wahrheitsliebende Gere<strong>ch</strong>tigkeit habe i<strong>ch</strong><br />
einen ausgeprägten Sinn, davon bin i<strong>ch</strong> über-<br />
zeugt.<br />
Sieber: I<strong>ch</strong> sehe das ein wenig anders:<br />
«Gere<strong>ch</strong>tigkeitssinn» ist ein komplexer<br />
Begriff –allzu komplex, als dass i<strong>ch</strong> ihn als<br />
Basis meiner Arbeit am Geri<strong>ch</strong>t bezei<strong>ch</strong>nen<br />
würde. Für mi<strong>ch</strong> ist eher ein Wertigkeitsge-<br />
fühl wi<strong>ch</strong>tig, das mir hilft, die Beurteilung<br />
einer angeklagten Person mitzutragen.<br />
Zudem brau<strong>ch</strong>t es Mens<strong>ch</strong>enkenntnis <strong>und</strong><br />
eine grosse Portion Zuhörfähigkeit, wenn<br />
man an einem Geri<strong>ch</strong>t tätig ist.<br />
Was fasziniert Sie an Ihrer Tätigkeit als<br />
Truppenri<strong>ch</strong>ter?<br />
Sieber: Mi<strong>ch</strong> spre<strong>ch</strong>en vor allem der juristi-<br />
s<strong>ch</strong>e Aspekt <strong>und</strong> das aktive Erleben der ange-<br />
klagten Personen an. Eine interessante Herausforderung ist für mi<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong>,<br />
dass am Geri<strong>ch</strong>t immer die Uns<strong>ch</strong>uldsvermutung gilt. Das heisst, dass i<strong>ch</strong><br />
einer angeklagten Person au<strong>ch</strong> dann zuhöre <strong>und</strong> versu<strong>ch</strong>e, ihr gere<strong>ch</strong>t zu<br />
werden, wenn sie mir persönli<strong>ch</strong> von Anfang an unsympathis<strong>ch</strong> ist.<br />
Ts<strong>ch</strong>antré: Truppenri<strong>ch</strong>ter ist keine alltägli<strong>ch</strong>e Funktion. Man trägt eine<br />
hohe Verantwortung <strong>und</strong> brau<strong>ch</strong>t die Reife, eine Verhandlung neutral mit-<br />
zuverfolgen. Das fasziniert mi<strong>ch</strong> an dieser Tätigkeit.<br />
Betra<strong>ch</strong>ten Sie es als Na<strong>ch</strong>teil, dass Sie ein «Laie» sind, also keine<br />
juristis<strong>ch</strong>e Ausbildung haben?<br />
Ts<strong>ch</strong>antré: Nein. Dank unserer praktis<strong>ch</strong>en Militärerfahrung besteht für<br />
die angeklagte Person Gewähr,dass sie von jemandem beurteilt wird, der<br />
weiss, um was es geht. Wir sind Fa<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ter,<strong>und</strong> unser Fa<strong>ch</strong>wissen ist für<br />
mi<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tiger als eine juristis<strong>ch</strong>e Ausbildung.<br />
Peter Sieber<br />
Peter R. Ts<strong>ch</strong>antré<br />
Sieber: Bei regulären Fällen ist es überhaupt kein Na<strong>ch</strong>teil, da bin i<strong>ch</strong> ein-<br />
verstanden. I<strong>ch</strong> war jedo<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on an komplexen Fällen beteiligt, bei<br />
denen die Bea<strong>ch</strong>tung von juristis<strong>ch</strong>en Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> der Einbezug der<br />
Geri<strong>ch</strong>tspraxis sehr wi<strong>ch</strong>tig waren. Da empfand i<strong>ch</strong> die Urteilsfindung als<br />
eher s<strong>ch</strong>wierig. Aber der Geri<strong>ch</strong>tspräsident verfügt ja immer über das not-<br />
wendige juristis<strong>ch</strong>e Know-how.<br />
Wel<strong>ch</strong>e Art von Delikten müssen Sie am häufigsten beurteilen?<br />
Ts<strong>ch</strong>antré: Am häufigsten kommen Delikte wie Militärdienstverweigerung<br />
oder Militärdienst- <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>iesspfli<strong>ch</strong>tversäumnis vor.<br />
Sieber: Sehr selten müssen wir hingegen ein Delikt wie «Leisten von aus-<br />
Gefreiter in der Mob<br />
Spit Abt 43/1<br />
Direktor einer<br />
Krankenkasse<br />
Stab J5, Oberst, Of zVf<br />
Kdt, Astt 250<br />
tätig bei der Polizei<strong>und</strong><br />
Militärdirektion<br />
des Kantons Bern<br />
ländis<strong>ch</strong>em Militärdienst» beurteilen.<br />
Ts<strong>ch</strong>antré: In letzter Zeit hatten wir ver-<br />
mehrt Delikte wie Veruntreuung, Betrug oder<br />
Körperverletzung zu beurteilen –Straftaten<br />
also, die au<strong>ch</strong> im zivilen Berei<strong>ch</strong> zunehmen.<br />
Die Militärjustiz spiegelt die heutige Gesell-<br />
s<strong>ch</strong>aft.<br />
Wel<strong>ch</strong>e Rolle spielen Sie als Truppenri<strong>ch</strong>ter<br />
an einer Geri<strong>ch</strong>tsverhandlung?<br />
Ts<strong>ch</strong>antré: Unsere Rolle ist es, zuzuhören,<br />
unser analytis<strong>ch</strong>es Denkvermögen einzuset-<br />
zen, Fragen zu stellen <strong>und</strong> uns in die Lage<br />
des Täters hineinzuversetzen.<br />
Sieber: Besonders wi<strong>ch</strong>tig ist, dass wir Ri<strong>ch</strong>-<br />
ter uns trauen, während der Verhandlung<br />
gezielt Fragen zu stellen –au<strong>ch</strong> wenn sie<br />
delikate Themen betreffen.<br />
Ts<strong>ch</strong>antré: Genau. Heute findet vermehrt ein Dialog statt zwis<strong>ch</strong>en Ri<strong>ch</strong>-<br />
tern <strong>und</strong> Angeklagten. Die <strong>Ri<strong>ch</strong>ter</strong> sitzen ni<strong>ch</strong>t mehr auf dem «hohen Stuhl»<br />
<strong>und</strong> s<strong>ch</strong>auen auf die Angeklagten herab; diese Zeiten sind vorbei. Die<br />
Stimmung hat si<strong>ch</strong> geändert. Das Geri<strong>ch</strong>t geht heute stärker auf die Ange-<br />
klagten ein.<br />
Am Militärgeri<strong>ch</strong>t gilt das Unmittelbarkeitsprinzip: Das heisst, Sie beur-<br />
teilen als <strong>Ri<strong>ch</strong>ter</strong> einen Fall, ohne dass Ihnen die Akten aus der Vorun-<br />
tersu<strong>ch</strong>ung bekannt sind.<br />
Sieber: Ri<strong>ch</strong>tig. Au<strong>ch</strong> bei ho<strong>ch</strong>komplexen Fällen erhalten wir nur die<br />
Anklages<strong>ch</strong>rift, allenfalls no<strong>ch</strong> gewisse Expertisen oder te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Gut-<br />
a<strong>ch</strong>ten –<strong>und</strong> sonst ni<strong>ch</strong>ts. Wir bilden uns unser Urteil nur aufgr<strong>und</strong> des-<br />
sen, was wir in der Verhandlung zu hören bekommen. Deshalb brau<strong>ch</strong>t<br />
man wirkli<strong>ch</strong> alle fünf Sinne <strong>und</strong> ganz viel Konzentration.