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Bajour Magazin #1

Unsere journalistischen Perlen des ersten Jahres zusammengefasst in einem Magazin.

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Massenkündigungs-Ticker<br />

<strong>Bajour</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>#1</strong> | 2020<br />

<strong>Bajour</strong>-Leser*innen<br />

melden sieben weitere<br />

Massenkündigungen<br />

Der <strong>Bajour</strong>-Massenkündigungs-Ticker wächst: Mittlerweile<br />

erfasst die Liste 25 dokumentierte Renovationen in<br />

den letzten zwei Jahren, bei denen Mieter*innen raus<br />

mussten. Danke fürs Mithelfen, liebe Community.<br />

Samuel Hufschmid<br />

Franziska Zambach<br />

Am 27. August 2020 baten wir euch, liebe <strong>Bajour</strong>-<br />

Leser*innen, um Hilfe. Wir fragten:<br />

«Hast du Kenntnis einer Massenkündigung seit<br />

2018, die auf unserem Übersichts-Ticker noch<br />

fehlt? (...) Dann hilf uns mit, unser Bild zu vervollständigen.»<br />

Und ihr habt uns in zahlreichen Mails geantwortet♥!<br />

Fast 20 Hinweise habt ihr uns innerhalb einer<br />

Woche geschickt. Wir haben eure Informationen<br />

überprüft und konnten für sieben Massenkündigungen<br />

Belege finden, etwa Wohnungsinserate<br />

zum «Erstbezug nach Renovation».<br />

Einige von euch lieferten uns die Quellen gleich<br />

mit, etwa <strong>Bajour</strong>-Leser Luca. Er hatte eine Radio-Basilisk-Sendung<br />

aufgenommen, in der über<br />

die Massenkündigung an der Gerbergasse 16 berichtet<br />

wurde. Wir bedanken uns ganz herzlich!<br />

Schorenweg, Erikastrasse, Haltingerstrasse – es<br />

gibt Adressen, die sind in Basel vor allem für ihre<br />

Massenkündigungen bekannt. Hier eine ältere Frau,<br />

die nach 35 Jahren umziehen muss, da eine WG,<br />

die lautstark über den Wegfall ihrer 200-Franken-<br />

Zimmer in Gehdistanz zur Uni klagt. Die Medien<br />

erzählen die einzelnen Schicksale in der Regel so:<br />

pro Mieter*innen, contra Vermieter*innen. Doch<br />

das Bild ist komplexer und die Faktenlage dünn.<br />

<strong>Bajour</strong> hat in einer aufwendigen Recherche 25<br />

belegte Fälle von Massenkündigungen seit 2018<br />

analysiert. Diese Recherche bildet den Grundstock<br />

zum Massenkündigungs-Ticker, den wir ab<br />

sofort führen. Unser Ziel: Wir möchten nicht nur<br />

über einzelne aufsehenerregende Kündigungen<br />

berichten, sondern beobachten, wie es danach<br />

weitergeht:<br />

Wie teuer wird die sanierte 900-Franken-Wohnung<br />

der älteren Frau tatsächlich vermietet?<br />

Was entsteht aus der Studenten-WG?<br />

Oder genereller: Wie stark steigen die Kosten<br />

nach Sanierungen an?<br />

Die 25 dokumentierten Massenkündigungen zeigen,<br />

dass die Preise teilweise heftig ansteigen. In<br />

einem Fall ist eine renovierte 2,5-Zimmer-Wohnung<br />

für 1420 Franken ausgeschrieben, die vor<br />

der Sanierung gemäss Medienberichten 400<br />

Franken gekostet haben soll. Anderswo wurde<br />

den Mieter*innen die eigene Wohnung zum<br />

doppelten Preis angeboten. Es sind Einzelfälle,<br />

in denen der Mietpreis jeweils vor und nach einer<br />

Massenkündigung publik ist – deshalb ist die Aussagekraft<br />

gering.<br />

Um das zu ändern, brauchen wir das Wissen der<br />

Masse, brauchen wir dich: Wurde dir selbst gekündigt<br />

oder kennst du jemand, die*der in einer<br />

von einer Massenkündigung betroffenen Woh-<br />

-6- -7-<br />

nung gelebt hat? Oder hast du sogar Belege für<br />

eine Massenkündigung seit 2018, die wir noch gar<br />

nicht auf dem Radar hatten? Dann schreibe uns<br />

deine Informationen per E-Mail auf info@bajour.ch.<br />

Ein Basel ohne WCs auf dem Gang<br />

Ein bisschen Licht können wir aber bereits jetzt<br />

ins Dunkle bringen. Für <strong>Bajour</strong> hat das Statistische<br />

Amt in den Rohdaten seiner Mietpreiserhebung<br />

gewühlt. Damit werden die Mietpreise von 4000<br />

Wohnungen auf Kantonsgebiet überwacht und<br />

auch Sanierungen werden berücksichtigt. (Korrigendum<br />

der Redaktion: Wir hatten zuerst fälschlicherweise<br />

geschrieben, es handle sich um das<br />

Mietpreisraster mit 15'000 Wohnungen. Dieses<br />

stützt sich auf Daten der Strukturerhebung des<br />

Bundes. Im Gegensatz zur Mietpreiserhebung<br />

sind hier die Preiserhöhungen aufgrund von Sanierungen<br />

nicht zu vergleichen.)<br />

Schaut man sich die jeweils letzte Mietpreis-Meldung<br />

vor und unmittelbar nach einer Sanierung<br />

an, ergibt sich eine durchschnittlich 26 Prozent<br />

höhere Nettomiete, wie der zuständigen Produktteamleiter<br />

Tobias Erhardt sagt. Dafür berücksichtigt<br />

worden sind 121 Beobachtungen seit<br />

Februar 2019.<br />

26 Prozent, das ist weit weg von einer Verdoppelung.<br />

Aber es verändert die Stadt. 1500 statt<br />

1200 Franken Monatsmiete zieht andere Bewohner*innen<br />

an – oder sorgt dafür, dass die gleichen<br />

Bewohner*innen weniger Geld für ein Essen im<br />

Restaurant oder einen Konzertbesuch haben. Und<br />

mit der letzten 5-Zimmer-Wohnung mit WC auf<br />

dem Gang schwindet auch der Platz für Lebenskünstler*innen<br />

im 4057. Das kann man gut finden<br />

oder bedauern, fördern oder verbieten wollen.<br />

<strong>Bajour</strong> macht den Anfang, indem wir die Transformation<br />

aufzeigen. Mit dem Massenkündigungs-<br />

Ticker. ●<br />

Der Massenkündigungs-Ticker ist ein prima<br />

Beispiel, * wie sich <strong>Bajour</strong> glaubwürdigen und dialogischen<br />

Journalismus vorstellt. Als Erstes haben wir Beispiele von<br />

bekannten Massenkündigungen gesammelt und eine Mediensuche<br />

gemacht. Anschliessend haben wir jede einzelne<br />

Kündigung mit den Einträgen im Grundbuch und mit<br />

den entsprechenden Wohnungsdossiers/-inseraten abgeglichen.<br />

Nach der ersten Veröffentlichung kamen weitere<br />

Nennungen durch die Leser*innen hinzu. Den Massenkündigungs-Ticker<br />

schreiben wir laufend fort.<br />

<strong>Bajour</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>#1</strong> | 2020

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