blaettle 17 - November/Dezember 2017
Musik öffnet Herzen
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lättle | Ausgabe <strong>17</strong> | <strong>November</strong>/<strong>Dezember</strong> 20<strong>17</strong><br />
TITELTHEMA: MUSIK ÖFFNET HERZEN<br />
10 11<br />
... und in der Praxis<br />
„Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.“<br />
Ein Gespräch mit Günther Egold von der Werner-Egk-Musikschule in Donauwörth.<br />
> Bereits in der Antike war die Musiktheorie<br />
hochentwickelt, ihre Erfindung wird Pythagoras<br />
von Samos zugeschrieben. Interessanterweise hatten<br />
bis zum Mittelalter spielende und komponierende<br />
Musiker nichts mit theoretischen Musikern<br />
zu tun. Der Musiker und auch der Komponist<br />
galten eher als Lehrberufe und waren weniger<br />
angesehen. Die theoretische Musik wurde zum<br />
höher angesehenen mathematischen Zweig<br />
gezählt. Theoretische Musiker bezogen mathematische<br />
oder auch kosmologische Betrachtungen<br />
auf Tonleitern und Rhythmen, aber diese wurden<br />
nicht in praktische, also klingende Musik umgesetzt.<br />
Mit der Zeit veränderte sich die Bedeutung<br />
des Begriffs „Musiktheorie“. Also, was verstehen<br />
wir heute darunter?<br />
Gustav Mahler<br />
Ich habe bei jemandem nachgefragt, der Musiktheorie<br />
unterrichtet. Günther Egold ist unter<br />
anderem als Musiklehrer an der Werner-Egk-<br />
Musikschule in Donauwörth tätig. „Unser musiktheoretischer<br />
Unterricht ist gegliedert in Musiklehre<br />
1 bis 3, hinzu kommen die sogenannten<br />
D-Kurse. Musiklehre 1 sind die Grundlagen und<br />
Musiklehre 2 ist eine tiefergehende Fortsetzung<br />
dieser. Diese beiden Einheiten sind für alle Schüler<br />
vorgeschrieben und am Ende steht eine Prüfung<br />
an. Musiklehre 3 und die D-Kurse sind dann weiterführende<br />
freiwillige Kurse, in denen es eben immer<br />
komplexer wird“, erklärt mir Günther Egold.<br />
Ich möchte genaueres zu den Inhalten wissen und<br />
erfahre, dass die Schüler lernen, was Noten sind<br />
und welche Arten von Noten es gibt, was Pausenwerte<br />
sind und Tonleitern, Halbtonschritte und<br />
Ganztonschritte.<br />
Die Schüler lernen, dass Musikstücke in<br />
Takte gegliedert sind, dass Intervalle die<br />
Tonabstände der einzelnen Töne zueinander<br />
beschreiben und vieles mehr.<br />
Natürlich werden auch die italienischen Begriffe<br />
wie piano (leise), forte (laut), adagio (ruhig) oder<br />
allegro (heiter) gelernt. Sie geben dem Musiker an,<br />
wie ein Stück gespielt werden soll. Auch die vielen<br />
Zeichen, die auf einem Notenblatt zu finden sind,<br />
lernen die Schüler zu lesen.<br />
„In weiterführenden Einheiten geht es dann auch<br />
um Musikgeschichte, um Instrumentenkunde<br />
oder auch um Gehörbildung“, sagt Günther<br />
Egold. Dies lässt mich sofort aufhorchen, denn<br />
auf die Wichtigkeit des Gehörs bin ich im Laufe<br />
meiner Recherchen öfter gestoßen. Ich frage nach,<br />
wie das Gehör im Unterricht geschult wird und<br />
Günther Egold erklärt: „Ich klopfe zum Beispiel<br />
einen Rhythmus vor und die Schüler müssen ihn<br />
erkennen und aufschreiben oder einer von meh-<br />
Musik in der Theorie ...<br />
reren multiple choice Antworten zuordnen. Zur<br />
Gehörbildung gehören auch Melodiediktate die<br />
am Klavier vorgespielt werden, die Schüler müssen<br />
hier fehlende Töne ergänzen. Zum komplexeren<br />
Hören gehört es dann, Intervallabstände oder auch<br />
Dreiklänge hören und erkennen zu können. Die<br />
komplette Gehörbildung ist ein jahrelanger Reifeprozess,<br />
die gelernt und aufgebaut werden muss,<br />
dazu gehört auch die praktische Erfahrung, die<br />
dabei mit Sicherheit hilft.“<br />
Mich interessiert, ob es nötig ist, die Theorie zu<br />
kennen, wenn man ein Instrument spielt. „Meiner<br />
Ansicht nach ist vieles miteinander verzahnt und<br />
wer ein Instrument spielt, der sollte wissen, was<br />
genau er da tut und warum. Noten zum Beispiel<br />
sind wie Buchstaben, die man braucht, um einen<br />
Text zu lesen und zu verstehen. So finde ich, dass<br />
man ein Stück besser begreift, wenn man die<br />
Noten dazu lesen kann. Eigentlich ist es wie beim<br />
Führerschein – man braucht Theorie und Praxis“,<br />
lacht er. Das leuchtet mir ein. Man kann ein Auto<br />
vielleicht auch ohne die Theorie fahren, im Sinne<br />
von fortbewegen, aber sicher im Straßenverkehr<br />
bewegt man sich nur, wenn man auch die Theorie<br />
kennt und weiß, was man wann und warum tut.<br />
Aber allein mit der Theorie, kann ich noch lange<br />
nicht fahren, ich muss mich auch ins Auto setzen.<br />
Ähnlich verhält es sich wohl mit der Musik. |<br />
Zur Probestunde in der Harmonika Musikschule im Ries.<br />
> Theorie ist schön, aber nun muss ich an<br />
die Praxis ran. Dazu muss gesagt werden: Ich<br />
spiele kein Instrument. Ich gehe also völlig ohne<br />
Vorkenntnisse – übrigens auch ohne viel Theorie-<br />
und Notenkenntnis – zu einer Probestunde<br />
bei Michael Thum. Er ist Musiker und Lehrer für<br />
Steirische Harmonika und hat in Niederaltheim<br />
mit der Harmonika Musikschule im Ries sein<br />
Hobby zum Beruf gemacht. Zurzeit hat er rund<br />
40 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen<br />
8 und 80 Jahren. „Aber die Nachfrage steigt.<br />
Tradition ist wieder ‚in‘ und gerade viele junge<br />
Menschen greifen wieder zu Dirndl, Lederhosen<br />
und eben auch zur Steirischen Harmonika“, freut<br />
er sich.<br />
Da ich nicht einmal weiß, was genau eine Steirische<br />
Harmonika eigentlich ist – ich stelle mir eine<br />
Ziehharmonika oder halt „a Quetschn“ vor – frage<br />
ich lieber einmal nach. Michael Thum erklärt, dass<br />
es sich um ein Handzuginstrument handelt, das<br />
diatonisch ist. Diatonisch? „Das bedeutet ‚wechseltönig‘.<br />
Das Instrument macht beim Betätigen einer<br />
Taste unterschiedliche Töne je nachdem ob man<br />
zieht oder drückt. Es gibt aber auch Gleichtontasten<br />
und hinzu kommen die Bässe“, erklärt mir<br />
Michael Thum. Am besten, ich probiere das mal<br />
selbst aus und schnalle mir ein Instrument um.<br />
Als erstes bemerke ich, dass es schon ein gewisses<br />
Gewicht hat. Der Lehrer erklärt mir, dass es die<br />
Instrumente in den verschiedensten Ausführungen<br />
und Gewichten gibt. Schön finde ich, dass<br />
man sowohl im Sitzen, als auch im Stehen spielen<br />
kann. „Ich unterrichte nach der Methode von Prof.<br />
Florian Michlbauer, das ist eine relativ einfache<br />
Lernmethode, man braucht keine Noten lesen<br />
können und es stellen sich schnell erste Erfolge ein.<br />
Du wirst heute schon ein Lied spielen“, verspricht<br />
Michael Thum. Er zeigt mir die Grundhaltung der<br />
Finger und schon übe ich die ersten Töne. Die Noten<br />
muss ich nicht kennen, ich muss mir lediglich<br />
merken, welche Note welchem Finger entspricht.<br />
Ob ich auf Druck oder auf Zug spielen muss, sehe<br />
ich daran, ob die Noten unter den Notenlinien<br />
noch einmal unterstrichen sind (Druck) oder<br />
nicht (Zug).<br />
Mit nur drei Fingern kann ich so schon<br />
das „Hiatamadl“ spielen.<br />
Dann kommen die Bässe hinzu, die werden<br />
mit der linken Hand gespielt und sind auf dem<br />
Notenblatt durch Buchstaben in Groß- oder<br />
Kleinschrift gekennzeichnet. Ich merke, dass die<br />
Übung mein Gehirn fordert: Ich muss mit der<br />
linken und rechten Hand unterschiedliche Dinge<br />
tun, abwechselnd noch ziehen oder drücken und<br />
die Noten den Fingern zuordnen. Damit Hirn und<br />
Hände harmonisch zusammenspielen braucht<br />
es Übung, meine Melodien klingen noch etwas<br />
schief. „Das ist reine Übungssache“, beruhigt<br />
mich Michael Thum und ergänzt: „Ich empfehle<br />
lieber häufiger am Tag mal 10 Minuten zu üben,<br />
als gleich zwei Stunden am Stück. Anfangs sollte<br />
man auch in einem ganz langsamen Takt spielen<br />
und diesen ruhig laut mitzählen oder mit dem<br />
Fuß klopfen. Schneller spielen lernt man dann mit<br />
der Zeit.“ Takt, fällt mir auf, ist ganz wichtig. Hier<br />
macht sich etwas Theoriekenntnis doch bezahlt,<br />
wenn man weiß, was ein Dreivierteltakt oder ein<br />
Viervierteltakt ist. Auch was ganze oder halbe<br />
Noten sind. Aber in den Übungsheften ist das alles<br />
ganz einfach erklärt und ich habe Spaß an den<br />
Übungen, auch wenn es noch etwas unbeholfen<br />
klingt. „Nach 4–6 Wochen geht es leichter, und<br />
dann kannst du schon mehrere Lieder spielen. Das<br />
Schöne an der Steirischen ist, dass du mit nur fünf<br />
Tasten schon rund hundert Lieder spielen kannst“,<br />
sagt mein Lehrer und behält recht, nach einigen<br />
weiteren Übungen und knapp 30 Minuten spiele<br />
ich – etwas schief – „Hans, was tuast denn du<br />
da“. Es hat riesig Spaß gemacht und ich kann eine<br />
Schnupperstunde sehr empfehlen. Neben Michlbauer<br />
Notenheften für traditionelle Lieder gibt<br />
es übrigens auch Hefte für modernere Stücke aus<br />
dem Rock- oder Popbereich oder, jetzt zu Weihnachten,<br />
auch mit Weihnachtsliedern. |<br />
„Schon ein ganz kleines Lied kann viel Dunkel erhellen.“<br />
Franz von Assisi