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FACES_0222_DE

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unser Bestes zu geben, wenn es Politik und Wirtschaft schon<br />

nicht tun. Deswegen haben F. und ich eine Joghurtmaschine im<br />

Schrank stehen – weil wir denken, damit zumindest teilweise auf<br />

Joghurtbecher aus Plastik verzichten zu können. Deshalb habe<br />

ich mir von meinen Eltern eine neue Regenhose zum letzten<br />

Geburtstag gewünscht – damit ich weiterhin bei Wind und Wetter<br />

mit dem Fahrrad überallhin fahren kann. Und aus diesem Grund<br />

teilen wir uns auch das Auto mit dem Vater von F. – weil wir ein<br />

eigenes Auto in der Stadt für unnötig halten und es nur hin und<br />

wieder für einen Wochenendtrip an die Nordsee brauchen.<br />

Die Last der Verantwortung<br />

Gleichzeitig wissen wir mittlerweile aus wissenschaftlichen<br />

Berichten, dass die wachsende individuelle Verantwortung und<br />

das Gefühl, quasi allein den Klimawandel aufhalten zu müssen,<br />

die Psyche belasten kann. Es kann zum Stressfaktor werden und<br />

Schuldgefühle, Überforderung oder gar Panik auslösen. Was das<br />

im konkreten Fall bedeutet, zeigt das Verhalten meiner Freundin<br />

Sarah. Sie, Pia und ich kennen uns seit der Schule. Mittlerweile<br />

leben wir drei in unterschiedlichen Städten: Dortmund, Berlin<br />

und Hamburg. Wir sehen uns nur noch unregelmäßig, aber haben<br />

die unausgesprochene Regel, unsere Geburtstage miteinander zu<br />

verbringen. Ich feiere meinen großen Tag am 6. August immer im<br />

Garten meiner Eltern. Meistens grillen wir mit ein paar Leuten,<br />

sitzen bis spät in die Nacht unter den Lichterketten, die meine<br />

Mutter um den Baum gewickelt hat, und quatschen einfach.<br />

Dabei trage ich jedes Jahr eine pinke Prinzessinnenkrone, die mir<br />

meine Eltern an meinem 18. Geburtstag zum ersten Mal auf den<br />

Kopf gesetzt haben. Das ist eine absurde, aber so schöne Tradition,<br />

die ich jedes Jahr fortsetzen will. Meine zwei Freundinnen<br />

hingegen wollten an ihren Ehrentagen meist wegfahren und ein<br />

Wochenende irgendwo anders verbringen. Mit der Zeit änderte<br />

sich allerdings Sarahs Einstellung hierzu.<br />

„Ich würde an meinem Geburtstag im April gern nach<br />

Zürich! Von Donnerstag bis Sonntag. Ich habe nach Flügen<br />

geguckt, und das sollte easy für alle passen“, verkündete Pia ihre<br />

Pläne bei einem unserer Telefonate zu dritt.<br />

„Ui, das wird teuer! Aber gut, machen wir“, stimmte ich zu<br />

und blockte meinen Kalender für die Daten.<br />

„Kommt man da auch mit dem Zug hin? Ich guck mal<br />

eben...“, sagte Sarah.<br />

„Lohnt sich das dann?“, fragte ich skeptisch. Ich hatte keine<br />

Lust, pro Strecke einen ganzen Tag im Zug zu sitzen, und fing<br />

parallel ebenfalls an zu googeln.<br />

„Uff, jeweils acht Stunden Fahrt und insgesamt knapp dreihundert<br />

Euro für Hin- und Rückweg. Fliegen spart Zeit und<br />

Geld“, meinte ich.<br />

„Ja, aber es ist auch beschissen für die Umwelt“, entgegnete<br />

Sarah. Natürlich hatte sie damit recht.<br />

„Wegen des Praxissemesters habe ich das ganze letzte Jahr<br />

keinen wirklichen Urlaub gemacht, außer ein paar Tage bei meinen<br />

Eltern in der Heimat. Ich muss endlich mal wieder weg“,<br />

sagte Pia, die tatsächlich wegen sämtlicher Uniprojekte im letzten<br />

Jahr nicht verreist war und den verlängerten Wochenendtrip<br />

daher als unproblematisch empfand.<br />

„Dann fahrt ihr ohne mich“, forderte Sarah.<br />

„Das geht nicht“, entgegnete ich und bestand darauf, dass<br />

wir das Wochenende gemeinsam verbrachten.<br />

„Warum? Du hast ja recht: Wenn die Bahnfahrt teurer ist als<br />

der Flug und dann auch noch ultralange dauert, hat es wirklich<br />

72 Januar / Februar 2022

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