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unser Bestes zu geben, wenn es Politik und Wirtschaft schon<br />
nicht tun. Deswegen haben F. und ich eine Joghurtmaschine im<br />
Schrank stehen – weil wir denken, damit zumindest teilweise auf<br />
Joghurtbecher aus Plastik verzichten zu können. Deshalb habe<br />
ich mir von meinen Eltern eine neue Regenhose zum letzten<br />
Geburtstag gewünscht – damit ich weiterhin bei Wind und Wetter<br />
mit dem Fahrrad überallhin fahren kann. Und aus diesem Grund<br />
teilen wir uns auch das Auto mit dem Vater von F. – weil wir ein<br />
eigenes Auto in der Stadt für unnötig halten und es nur hin und<br />
wieder für einen Wochenendtrip an die Nordsee brauchen.<br />
Die Last der Verantwortung<br />
Gleichzeitig wissen wir mittlerweile aus wissenschaftlichen<br />
Berichten, dass die wachsende individuelle Verantwortung und<br />
das Gefühl, quasi allein den Klimawandel aufhalten zu müssen,<br />
die Psyche belasten kann. Es kann zum Stressfaktor werden und<br />
Schuldgefühle, Überforderung oder gar Panik auslösen. Was das<br />
im konkreten Fall bedeutet, zeigt das Verhalten meiner Freundin<br />
Sarah. Sie, Pia und ich kennen uns seit der Schule. Mittlerweile<br />
leben wir drei in unterschiedlichen Städten: Dortmund, Berlin<br />
und Hamburg. Wir sehen uns nur noch unregelmäßig, aber haben<br />
die unausgesprochene Regel, unsere Geburtstage miteinander zu<br />
verbringen. Ich feiere meinen großen Tag am 6. August immer im<br />
Garten meiner Eltern. Meistens grillen wir mit ein paar Leuten,<br />
sitzen bis spät in die Nacht unter den Lichterketten, die meine<br />
Mutter um den Baum gewickelt hat, und quatschen einfach.<br />
Dabei trage ich jedes Jahr eine pinke Prinzessinnenkrone, die mir<br />
meine Eltern an meinem 18. Geburtstag zum ersten Mal auf den<br />
Kopf gesetzt haben. Das ist eine absurde, aber so schöne Tradition,<br />
die ich jedes Jahr fortsetzen will. Meine zwei Freundinnen<br />
hingegen wollten an ihren Ehrentagen meist wegfahren und ein<br />
Wochenende irgendwo anders verbringen. Mit der Zeit änderte<br />
sich allerdings Sarahs Einstellung hierzu.<br />
„Ich würde an meinem Geburtstag im April gern nach<br />
Zürich! Von Donnerstag bis Sonntag. Ich habe nach Flügen<br />
geguckt, und das sollte easy für alle passen“, verkündete Pia ihre<br />
Pläne bei einem unserer Telefonate zu dritt.<br />
„Ui, das wird teuer! Aber gut, machen wir“, stimmte ich zu<br />
und blockte meinen Kalender für die Daten.<br />
„Kommt man da auch mit dem Zug hin? Ich guck mal<br />
eben...“, sagte Sarah.<br />
„Lohnt sich das dann?“, fragte ich skeptisch. Ich hatte keine<br />
Lust, pro Strecke einen ganzen Tag im Zug zu sitzen, und fing<br />
parallel ebenfalls an zu googeln.<br />
„Uff, jeweils acht Stunden Fahrt und insgesamt knapp dreihundert<br />
Euro für Hin- und Rückweg. Fliegen spart Zeit und<br />
Geld“, meinte ich.<br />
„Ja, aber es ist auch beschissen für die Umwelt“, entgegnete<br />
Sarah. Natürlich hatte sie damit recht.<br />
„Wegen des Praxissemesters habe ich das ganze letzte Jahr<br />
keinen wirklichen Urlaub gemacht, außer ein paar Tage bei meinen<br />
Eltern in der Heimat. Ich muss endlich mal wieder weg“,<br />
sagte Pia, die tatsächlich wegen sämtlicher Uniprojekte im letzten<br />
Jahr nicht verreist war und den verlängerten Wochenendtrip<br />
daher als unproblematisch empfand.<br />
„Dann fahrt ihr ohne mich“, forderte Sarah.<br />
„Das geht nicht“, entgegnete ich und bestand darauf, dass<br />
wir das Wochenende gemeinsam verbrachten.<br />
„Warum? Du hast ja recht: Wenn die Bahnfahrt teurer ist als<br />
der Flug und dann auch noch ultralange dauert, hat es wirklich<br />
72 Januar / Februar 2022