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„Unsere<br />
teil der Menschen dazu zu bringen, wirklich weniger zu fliegen.<br />
Wir schaffen es in Deutschland ja nicht mal, die Bahnpreise so<br />
zu gestalten, dass sie ein Anreiz zum Zugfahren sind“, sagte ich<br />
kritisch. Ich erklärte, dass es in meinen Augen auch keine Lösung<br />
sei, Flugreisen einfach teurer und damit exklusiver zu machen.<br />
Sie müssen wirklich nachhaltiger werden. Das Gute ist, dass in<br />
der Luftfahrtindustrie bereits daran getüftelt wird. Angeblich sollen<br />
in 15 Jahren bereits die ersten mit Wasserstoff angetriebenen<br />
Flugzeuge durch die Lüfte düsen. Weil die Pandemie der Branche<br />
jedoch gehörig zugesetzt hat, bleibt nur zu hoffen, dass die einzelnen<br />
Airlines sich bis dahin so weit finanziell erholt haben, dass sie<br />
die neuen, nachhaltigen Alternativen auch kaufen können.<br />
„Okay, Schluss jetzt!“, rief Pia und sprang auf. „Nun sind<br />
wir hier und sollten es auch genießen. Ich bekomm langsam<br />
Hunger“, sagte sie und schlüpfte in ihre Schuhe.<br />
„Okidoki“, rief ich und tat es ihr gleich. Wir spazierten durch<br />
die bunte Augustinergasse, verliefen uns und kauften spontan ein<br />
Baguette, Antipasti und eine Flasche Wein. Dann setzten wir uns<br />
in die Bahn und fuhren den Uetliberg hoch, wo wir uns auf unsere<br />
Jacken setzten, den Wein aufmachten und uns der kühle Wind<br />
Gänsehaut zauberte, während wir das Baguette aßen.<br />
Ein halbes Jahr später trafen wir uns bei Sarah in Dortmund,<br />
um ihren Geburtstag zu feiern. Am Tag davor liefen wir durch<br />
den Lebensmittelladen, um alles fürs Frühstück am nächsten<br />
Morgen einzukaufen.<br />
„Avocado?“, fragte Pia und hielt die Frucht hoch. Wir beide<br />
wussten, wie sehr Sarah Avocadobrot liebte.<br />
„Nee, ich versuche, darauf zu verzichten“, sagte Sarah und<br />
schob den Einkaufswagen weiter.<br />
„Aber du liebst Avocadobrot?“, beharrte Pia.<br />
„Tue ich, ja, aber für nur zwei Avocados werden über tausend<br />
Liter Wasser verbraucht. Das will ich nicht unterstützen“,<br />
argumentierte Sarah.<br />
„Aber du liebst Avocadobrot, und morgen ist dein verdammter<br />
Geburtstag?!“, wiederholte Pia und schrie dabei fast. Verwundert<br />
schaute sie mich an, ich war auch ein wenig irritiert.<br />
„Leute, ihr checkt es nicht, oder? Ich versuche, wirklich<br />
mein Bestes zu geben und mein Konsumverhalten zu reflektieren.<br />
Das sollten wir alle tun, okay?“, sagte Sarah scharf und<br />
schob den Einkaufswagen um die nächste Ecke.<br />
Pia wollte gerade erneut ansetzen, als ich einwarf: „Hey,<br />
lass gut sein. Es ist ihr Geburtstag…“ Zaghaft hielt ich sie am<br />
Ärmel fest.<br />
„Ja, genau, deswegen kann sie sich ja wohl eine verdammte<br />
Avocado gönnen, oder?“, wetterte Pia.<br />
„Aber sie will eben nicht. Das ist doch okay“, versuchte ich,<br />
sie zu beschwichtigen.<br />
„Ihr Ökoverhalten in allen Ehren, aber sie kasteit sich total.<br />
Das ist doch nicht gut“, zischte Pia mich an und hielt dabei immer<br />
noch die Avocado in der Hand. Wir wussten beide, dass es<br />
eigentlich nicht wirklich um die Avocado ging.<br />
„Ja, aber was willst du denn machen?“, fragte ich schulterzuckend.<br />
„Ihr klarmachen, dass sie übertreibt! Ihr sagen, dass sie<br />
allein damit nicht die Welt retten kann!“, antwortete Pia geradeheraus,<br />
und ich war mir nicht sicher, ob ich ihr zustimmen sollte<br />
oder nicht.<br />
Zumindest mit einem Teil ihrer Aussage hatte Pia jedoch<br />
recht: Sarahs Wirken war begrenzt.<br />
74 Januar / Februar 2022