KONGRESS JOURNAL Suizidprävention Erste Hilfe für die Seele In der Suizidprävention spielt das gesamte Ordinationsteam eine große Rolle. Im Optimalfall wird in der Ordination eine psycho soziale Krise eines Menschen schnell erfasst und eine niederschwellige Krisenintervention eingeleitet. Dr. Anna Sigmund erklärt, worauf man achten sollte und was in diesen Fällen zu tun ist. Laut WHO sterben weltweit mehr Menschen an Suizid als durch Krieg, Mord oder Naturkatastrophen. Laut Statistik Austria starben im Jahr 2020 in Österreich 1.072 Menschen an Suizid. Während bei den Suiziden der Anteil der Männer mit zwei Drittel überwiegt, ist bei Suizidversuchen der weibliche Anteil höher. Experten erwarten als Folge der Corona-Pande mie eine Zunahme individueller psychosozialer Krisen und damit auch einen Anstieg der Suizidrate bei Risikogruppen. Suizidabsicht erkennen Psychische Störungen – und dabei vor allem die Depression – stellen die häufigste Ursache für suizidale Entwicklungen dar. „Die meisten Betroffenen kündigen ihren Suizid und ihre Suizid absichten an. Dann ist es wichtig, dass eine Bezugsperson den Mut hat, den Betroffenen darauf anzusprechen und zuzuhören, was so belastend ist“, erklärt Anna Sigmund. Doch oft werden diese Aussagen nicht wahrgenommen, da sie für übliche Redewendungen gehalten werden. Oft ist der Hausarzt die Vertrauensperson des Betroffenen. Durch die Nähe zum Patienten und die Kenntnis seiner Lebenssituation kommt dem gesamten Ordinations team daher eine wichtige Rolle in der Suizidprävention zu. „Eine Statistik belegt, dass niedergelassene Ärzte eine Schlüsselfunktion in der Suizidprävention haben. Bis zu 80 % konnten wieder ins Leben zurückbegleitet werden“, so Anna Sigmund. „Im Optimalfall bemerkt die Ordinationsmitarbeiterin, dass sich ein Patient, zum Beispiel im Zuge einer schwierigen Lebensphase, verändert. Oft fallen dann Bemerkungen wie ,wenn alles vorbei wäre, wären alle Probleme gelöst‘ oder ,das halte ich nicht mehr aus‘. Dann ist wichtig, den Hausarzt umgehend zu informieren“, weiß Anna Sigmund. Zuhören und Verstehen Für die Einschätzung der Suizidgefährdung sind die Fähigkeit zum Zuhören und das wohlwollende Verstehen der Situation des Betroffenen besonders wichtig. Eine Gesprächssituation, in der der Arzt Zeit und Raum für eine offene Aussprache zur Verfügung stellt, spielt daher eine große Rolle. Die Vermittlung von Hilfsmöglichkeiten eröffnet dazu neue Lebensperspektiven. „Diese ‚Erste Hilfe für die Seele‘ ist in vielen Fällen auch eine geeignete Medikation zur Linderung des seelischen Schmerzes“, so die Expertin. Danach können weitere professionelle Hilfen eher angenommen werden. Professionelle Krisenintervention Bei akuten Krisen sind die Psychosozialen Krisen zentren, die österreichweit zur Verfügung stehen, Ansprechpartner erster Wahl. Höchste Suizidgefahr besteht bei Menschen, die im Gespräch (z.B. bei Alkoholisierung) nicht mehr erreichbar sind. Sie benötigen in den meisten Fällen einen vorübergehenden Selbstschutz im geschützten Bereich einer psychiatrischen Klinik. Suizidprävention – Eine notwendige Maßnahme in der Gesundheitspolitik Dr. Anna Sigmund, FÄ für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Regionalvertreterin von GO-ON Suizidprävention Steiermark (Bezirk Leibnitz), Gamlitz 22 KONGRESSJOURNAL Lockdown-Ausgabe <strong>2021</strong> Fachkurzinformationen Seite 28 22-konjo<strong>2021</strong>J_suizid-sigmund_KORR.indd 22 01.12.21 12:05
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