Kulturfenster Nr. 01|2022 - Februar 2022
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Blasmusik<br />
Mit spitzem Humor<br />
nimmt Sepp Thaler,<br />
der selbst passionierter<br />
Kartenspieler<br />
war, im „Perlagger-<br />
Lied“ die Kartenspieler<br />
und ihre Weinseligkeit<br />
aufs Korn.<br />
tete, war er wieder kreativ genug, um parteipolitisch<br />
eher im Hintergrund zu bleiben.<br />
Er nützte beispielsweise spontan die<br />
Gelegenheit, beim damals sehr geschätzten<br />
Tiroler Komponisten Josef Eduard Ploner<br />
Unterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt<br />
zu nehmen. Als Thaler im Jahre<br />
1943 wieder nach Südtirol zurückkehren<br />
durfte, war seine musikalische Kreativität<br />
natürlich allerorts gefragt. Er leitete<br />
Musikkapellen und Chöre, wurde in Auer<br />
wieder Organist und erhielt auch den Auftrag,<br />
das Blasmusikwesen in Südtirol zu<br />
reorganisieren. Der damalige Höhepunkt<br />
seiner musikalischen Karriere war sicherlich<br />
die Ernennung zum Landeskapellmeister<br />
des Verbandes Südtiroler Musikkapellen<br />
im Jahre 1948. Im VSM hatte er dann<br />
bis 1980 – ganze 32 Jahre lang – die Möglichkeit,<br />
all sein musikalisches Können und<br />
Wissen vielfältig einzusetzen.<br />
Das kreative Schaffen<br />
Sepp Thalers<br />
Denkt man an die Kreativität Sepp Thalers,<br />
so bringt man diese vor allem mit seinen<br />
Kompositionen in Verbindung. Zu seinem<br />
kompositorischen Gesamtwerk zählen die<br />
symphonische Dichtung „Die Etsch“, fünf<br />
Konzertouvertüren, acht festliche Blasmusikstücke,<br />
zwei Suiten, fünf Potpourris,<br />
drei Konzertwalzer, fünf Solostücke mit<br />
Blasorchesterbegleitung, rund 40 Märsche,<br />
acht kirchliche Blasmusikwerke, über 20<br />
volkstümliche Männerchorlieder, drei Singspiele<br />
und eine ganze Reihe Gelegenheitskompositionen.<br />
Sepp Thaler ist zudem auch<br />
Verfasser mehrerer Gedichte.<br />
Zu seinem 40. Todestag ist es legitim, sich<br />
die Frage zu stellen: „Was ist von all seinen<br />
Werken geblieben?“ Für einen Komponisten<br />
ist es ebenfalls legitim zu fragen:<br />
„Welche Werke werden ihn möglichst lange<br />
überleben?“ Bei Sepp Thaler könnten dies<br />
vor allem vier Werke sein: das „Präludium<br />
heroicum“, die symphonische Dichtung<br />
„Die Etsch“, der Marsch „Mein Heimatland“<br />
und das „Perlagger-Lied“.<br />
Blasmusik von<br />
nachhaltigem Wert<br />
Das heldenhafte Vorspiel für Blasorchester<br />
mit dem Titel „Präludium heroicum“ entstand<br />
noch während seiner Lehrzeit bei<br />
Josef Eduard Ploner, erschien aber erst im<br />
Jahre 1961 beim Philipp Grosch-Verlag in<br />
München im Druck. Diese Komposition verarbeitet<br />
vordergründig zwei markante Themen<br />
– beinhaltet u. a. ein ausdruckstarkes<br />
Fugato – und besticht den Hörer auch ohne<br />
falsches Pathos.<br />
Seine umfangreichste Komposition für Blasorchester<br />
„Die Etsch“ bezeichnet Sepp<br />
Thaler als „dreiteiliges Werk“. Es gehört<br />
eindeutig zur Gattung der Programm-Musik<br />
und erzählt mit klanglichen Mitteln den<br />
Werdegang des größten Flusses Südtirols,<br />
von seiner Quelle bis zur Mündung. Erstmals<br />
erklungen ist dieses Blasorchesterwerk<br />
beim Festkonzert anlässlich des ersten<br />
Südtiroler Landesmusikfestes 1951<br />
im Kursaal von Meran. Die Uraufführung<br />
wurde von der Musikkapelle Algund übernommen,<br />
die zu diesem besonderen Anlass<br />
Sepp Thaler selbst dirigierte. Das Notenmaterial<br />
dieser Komposition wurde damals<br />
noch im Lichtpausverfahren von Emil Hornof<br />
vervielfältigt, um es auch anderen Klangkörpern<br />
zugänglich zu machen. Die eigentliche<br />
Drucklegung erfolge erst 18 Jahre<br />
später, als der deutsche Musikverlag Wilhelm<br />
Halter „Die Etsch“ 1969 in sein Verlagsprogramm<br />
aufnahm. Seither erlebte<br />
diese „Originalkomposition für Blasorchester“,<br />
wie man damals mit Nachdruck anmerkte,<br />
zahlreiche Aufführungen.<br />
Von den rund 20 im Druck vorliegenden<br />
und einer ungefähr gleichen Anzahl nicht<br />
gedruckter Märsche aus der Feder Sepp<br />
Thalers sticht vor allem einer hervor: es<br />
ist der Marsch „Mein Heimatland“. Diese<br />
wohl meistgespielte Marschkomposition<br />
Thalers entstand bereits im Jahre 1944,<br />
wurde aber erst 1966 beim Musikverlag<br />
Georg Bauer in Karlsruhe veröffentlicht.<br />
Sie ist bewusst traditionell gehalten, verhältnismäßig<br />
leicht ausführbar und verdankt<br />
ihre Popularität nicht zuletzt jenem<br />
Umstand, dass sie im Trio das allseits beliebte<br />
Südtiroler Heimatlied „Wohl ist die<br />
Welt so groß und weit“ beinhaltet. Dieser<br />
praxisorientierte Marsch, der die Musikalität<br />
der Ausführenden besonders anspricht,<br />
wurde im Laufe der Zeit sozusagen zur inoffiziellen<br />
Hymne Südtirols.<br />
Eine Gasthausepisode wird<br />
zum bekannten Lied<br />
Von den zahlreichen dialektalen Männerchorliedern,<br />
die am Schreibtisch Sepp Thalers<br />
entstanden sind, ist eines besonders<br />
oft zu hören: das „Perlagger-Lied“. Wie<br />
bei allen seinen Männerchorliedern verfasste<br />
Thaler auch bei diesem Lied nicht<br />
nur den Text und die Melodie selbst, sondern<br />
steuerte auch noch einen hübschen,<br />
ins Ohr gehenden, vierstimmigen Satz bei.<br />
Das „Perlagger-Lied“ ist inhaltlich die authentische<br />
Schilderung einer wahren Begebenheit<br />
anlässlich eines Kartenspiels<br />
im Gasthaus „Zur Rose“ in Auer, dem Geburts-<br />
und Wohnort Sepp Thalers. Dieses<br />
mit viel Humor gespickte Lied liegt bereits<br />
seit vielen Jahren beim Musikverlag Carl<br />
Haslinger in Wien gedruckt vor.<br />
Gottfried Veit<br />
KulturFenster<br />
21 01/<strong>Februar</strong> <strong>2022</strong>