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gab April 2022

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18 STUTTGART<br />

FOTO: SILVIE BRUCKLACHER-GUNZENHÄUSER<br />

INTERVIEW<br />

ZUVERSICHT<br />

UND MUT<br />

„Mein Name ist Torsten Poggenpohl<br />

und ich bin schwul, bipolar und<br />

HIV-positiv“ – mit diesem offenen Worten<br />

beginnt der autobiografische Roman<br />

„einfach!ch“ von Torsten Poggenpohl.<br />

Das Buch beschreibt den nervenaufreibenden<br />

und zum Teil selbstzerstörerischen<br />

Trip, den Torsten sieben Jahre mit seiner<br />

psychischen Störung durchlebt hat. Heute<br />

leitet er Tom‘s Bar. Im Interview sprechen<br />

wir außerdem über sein Engagement<br />

gegen die Stigmatisierung von kranken<br />

Menschen.<br />

Was hat dich veranlasst, so offen<br />

über deine HIV-Infektion und deine<br />

bipolare Störung zu sprechen?<br />

Mir ist irgendwann bewusst geworden,<br />

dass heute immer noch unglaublich viel<br />

Stigmatisierung sowohl mit der einen als<br />

auch mit der anderen Erkrankung einhergeht<br />

und dass insbesondere mit psychischen<br />

Erkrankungen in der Gesellschaft<br />

nicht gut umgegangen wird.<br />

Aus meiner Perspektive muss man selbst<br />

mit seinem eigenen Gesicht aus der Masse<br />

der Gesellschaft hervortreten, wenn man<br />

gegen Stigmatisierung kämpfen möchte.<br />

Du möchtest mit deinem Buch<br />

aufklären und informieren und dem<br />

Ganzen ein Gesicht geben. Das kann<br />

aber auch nicht jeder!<br />

Ein Hauptanliegen ist, dass ich Zuversicht<br />

schenken und Mut machen will. Wir haben<br />

in der heutigen Zeit wirklich megagute<br />

Therapien für das eine als auch für<br />

das andere, und man kann auch wieder<br />

ein richtig gutes Leben führen, wenn man<br />

diese Therapien wahrnimmt.<br />

Und zu deiner Frage, ob jeder nach<br />

vorne treten soll oder ob jeder das kann:<br />

Ich habe für mein Leben entschieden,<br />

mich meinen Erkrankungen zu stellen<br />

und mich therapieren zu lassen. Ich<br />

gehe sehr proaktiv mit meinen Erkrankungen<br />

um. Auch wenn ich Menschen<br />

kennenlerne, kommt das mittlerweile<br />

im Gespräch schon relativ zeitnah, weil<br />

ich einfach für mich entschieden habe:<br />

Wenn jemand damit nicht umgehen<br />

kann, das ist nicht mein Problem, sondern<br />

das ist das Problem des Gegenübers.<br />

Das hat auch etwas mit Achtsamkeit<br />

mit sich selbst zu tun.<br />

Was versteht man unter einer bipolaren<br />

Störung? Früher benutzte<br />

man den Begriff „manisch-depressiv“.<br />

Wie äußert sich das bei dir?<br />

Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt<br />

– das sind die zwei Pole: „bipolar“.<br />

Bei Depression wissen die meisten, was es<br />

ist. Die Manie kann man sich so vorstellen:<br />

Man schwebt wie in einem Raumschiff<br />

durch die Welt, und hat tausend Ideen,<br />

jede Sekunde kommt irgendein neuer<br />

Input in deinem Kopf an. Du fängst an,<br />

das abzuarbeiten, aber währenddessen<br />

kommt schon die nächste Idee, dann die<br />

übernächste und so weiter. Und du fängst<br />

alles halb an bringst nichts zu Ende. Da<br />

ist dann nur noch Chaos. Und dann folgt<br />

auf jede manische Phase immer eine tiefe<br />

Depression.<br />

Medizinisch kurz erklärt ist das eine genetisch<br />

veranlagte Neurotransmitterstörung<br />

im Gehirn; sie muss nicht ausbrechen, aber<br />

wenn man zum Beispiel zu viel Stress hat,<br />

kann sie ausbrechen. Und dann beginnt<br />

dieser Karneval der Synapsen.<br />

Du kannst – so wie ich – eine ganz lange<br />

manische Phase haben; bei mir ging das<br />

zum Beispiel fast fünf Monate, und das<br />

ist sehr lang. Und im Anschluss dann die<br />

bitterböse Depression.<br />

„<br />

Ich gehe sehr proaktiv<br />

mit meinen<br />

Erkrankungen um.<br />

“<br />

Eine der Auswirkungen war ja auch,<br />

dass du den Bezug zur Realität<br />

verloren hast, ein gewisser Größenwahn<br />

…<br />

Ja, das ist ein Hauptmerkmal einer bipolaren<br />

Störung, dass man zum Beispiel auch<br />

fast komplett den Bezug zu Geld verliert.<br />

Ich habe im Buch beschrieben, dass ich im

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