IMMOBILIENMARKT 05/06 2022
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Wohnraummietrecht<br />
Vermieterwechsel durch Zwangsversteigerung –<br />
Mietverhältnis kann gekündigt werden<br />
Nach dem Erwerb eines vermieteten<br />
Wohnungseigentums<br />
in der Zwangsversteigerung<br />
kann der Erwerber<br />
das Wohnraummietverhältnis<br />
kündigen, auch wenn mietvertraglich<br />
ein Kündigungsausschluss<br />
mit dem vorherigen<br />
Eigentümer vereinbart war.<br />
BGH, Urteil vom 15. September<br />
2021, VIII ZR 76/20<br />
Sachverhalt:<br />
Der Mieter einer Eigentumswohnung<br />
war mit dem Vermieter<br />
bei Abschluss des Mietvertrages<br />
übereingekommen,<br />
dass das Recht zur Eigenbedarfskündigung<br />
dauerhaft<br />
ausgeschlossen wird. Der Vermieter<br />
geriet in wirtschaftliche<br />
Schwierigkeiten und das vermietete<br />
Wohnungseigentum<br />
wurde im Wege der Zwangsversteigerung<br />
verwertet. Der<br />
Höchstbietende erhielt am<br />
16.10.2018 den sog. Zuschlag<br />
und kündigte bereits mit Schreiben<br />
vom 20.10.2018 das Mietverhältnis<br />
wegen Eigenbedarfes<br />
für den volljährigen<br />
Sohn. Das Amtsgericht hat<br />
den Mieter zur Herausgabe<br />
der Wohnung verpflichtet; die<br />
Berufung des Mieters vor dem<br />
Landgericht blieb ohne Erfolg.<br />
Vor dem BGH verfolgt der Mieter<br />
seine Auffassung, dass der<br />
vertragliche Kündigungsausschluss<br />
die Zwangsversteigerung<br />
überdauert habe, weiter.<br />
Entscheidungsgründe:<br />
Die Revision bleibt ohne Erfolg.<br />
Der BGH stellt darauf ab,<br />
dass der sog. Ersteher mit Erteilung<br />
des Zuschlages und<br />
damit vor einer Eigentumsumschreibung<br />
im Grundbuch<br />
bereits in das bestehende<br />
Mietverhältnis eintritt, § 57<br />
ZVG i.V. mit § 566 BGB. Diese<br />
gesetzliche Übernahme<br />
des Mietverhältnisses wird<br />
jedoch durch ein Sonderkündigungsrecht<br />
aus § 57a ZVG<br />
eingeschränkt, wonach der<br />
Ersteher berechtigt ist, das<br />
Mietverhältnis zum ersten<br />
zulässigen Termin unter Einhaltung<br />
der gesetzlichen<br />
Frist zu kündigen. Dieses außerordentliche<br />
Kündigungsrecht<br />
gilt auch in der Wohnraummiete,<br />
allerdings mit der<br />
Maßgabe, dass dem gesetzlichen<br />
Begründungserfordernis<br />
für Kündigungen eines<br />
Wohnraummietverhältnisses<br />
genügt werden muss. Diesem<br />
Erfordernis hat der Ersteher<br />
mit der Geltendmachung<br />
des Eigenbedarfes entsprochen.<br />
Der VIII. Zivilsenat des<br />
BGH teilt die Auffassung der<br />
Instanzgerichte, dass ein<br />
vertraglich vereinbarter Kündigungsausschluss<br />
dem Sonderkündigungsrecht<br />
aus § 57a<br />
ZVG nicht entgegensteht.<br />
Das unbeschränkte Bestehen<br />
des gesetzlichen Sonderkündigungsrechtes<br />
ergebe<br />
sich daraus, dass im Falle der<br />
Zwangsversteigerung allein<br />
der Zuschlag Inhalt und Umfang<br />
des Eigentumserwerbes<br />
des Erstehers festlege.<br />
Als privatrechtsgestaltender<br />
Hoheitsakt bestimmt der Zuschlagsbeschluss<br />
die Rechtstellung<br />
des Erstehers und die<br />
Änderungen, die durch den<br />
Zuschlag an den Rechten der<br />
Beteiligten eintreten; hiervon<br />
werde auch das Verhältnis<br />
des Erstehers zum Mieter<br />
erfasst. Die Überleitung des<br />
Mietverhältnisses durch Erteilung<br />
des Zuschlages erfolgt<br />
mithin mit der Maßgabe, dass<br />
das Sonderkündigungsrecht<br />
gesetzlich dem Ersteher zusteht.<br />
Die rechtliche Wirkung<br />
des Zuschlagbeschlusses modifiziert<br />
den ansonsten geltenden<br />
Grundsatz, dass der<br />
Erwerber einer vermieteten<br />
Wohnung die Rechtstellung<br />
des vorherigen Vermieters<br />
auch mit vereinbarten Beschränkungen<br />
übernimmt.<br />
Bei der staatlichen Eigentumsverleihung<br />
im Wege der<br />
Zwangsversteigerung wird<br />
dieser Grundsatz durch die<br />
Sonderregelungen des ZVG<br />
durchbrochen.<br />
Der BGH weist jedoch zugleich<br />
darauf hin, dass der Mieter<br />
grundsätzlich die Möglichkeit<br />
hat, in dem laufenden Zwangsversteigerungsverfahren<br />
seine<br />
vertraglichen Rechte geltend<br />
zu machen. Der Mieter kann<br />
darauf hinwirken, dass der<br />
Zuschlag auf ein Gebot erteilt<br />
wird, dem als Versteigerungsbedingung<br />
– abweichend von<br />
den gesetzlichen Bedingungen<br />
– der Ausschluss des Sonderkündigungsrechts<br />
des Erstehers<br />
zugrunde liegt. Der<br />
Mieter kann dies aus § 59 Abs. 1<br />
ZVG noch im Versteigerungstermin<br />
vor der Aufforderung<br />
zur Abgabe von Geboten verlangen,<br />
da der Mieter Verfahrensbeteiligter<br />
aus § 9 Nr. 2<br />
ZVG ist. Der Mieter kann mithin<br />
eine Verbesserung seiner<br />
Rechtsposition dem späteren<br />
Ersteher gegenüber verlangen<br />
und so einen individuellen Ausschluss<br />
des ansonsten geltenden<br />
Sonderkündigungsrechtes<br />
bewirken.<br />
Stimmen nicht sämtliche<br />
Beteiligte der Abweichung<br />
von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen<br />
zu,<br />
kommt es in der Bieterstunde<br />
zu sog. Doppelausgeboten,<br />
da sodann sowohl zu den<br />
gesetzlichen Bedingungen<br />
als auch zu den geänderten<br />
Bedingungen Gebote abgegeben<br />
werden können. Wird<br />
auf die geänderten Versteigerungsbedingungen<br />
das<br />
höchste Gebot abgegeben,<br />
ist der Mieter sodann weiterhin<br />
vor Eigenbedarfskündigungen<br />
geschützt. Der Mieter<br />
in dem hier erörterten<br />
Sachverhalt hatte geänderte<br />
Versteigerungsbedingungen<br />
im Zwangsversteigerungsverfahren<br />
geltend gemacht,<br />
das Gebot auf die geänderten<br />
Versteigerungsbedingungen<br />
betrug jedoch lediglich<br />
100.000,– €, während der Ersteher<br />
zu den gesetzlichen<br />
Bedingungen 447.000,– € für<br />
das Wohnungseigentumsrecht<br />
geboten hatte. Der Mieter<br />
war mithin trotz der Ausschöpfung<br />
der gesetzlichen<br />
Gestaltungsmöglichkeiten im<br />
Zwangsversteigerungsverfahren<br />
mit dem Bemühen,<br />
seinen Kündigungsausschluss<br />
zu bewahren, gescheitert.<br />
Fazit:<br />
Ricarda Breiholdt<br />
In der Zwangsversteigerung<br />
besteht die Gelegenheit, vermietetes<br />
Wohnungseigentum<br />
ohne Belastung mit individuellen<br />
mietvertraglichen Sonderregelungen<br />
zu erwerben.<br />
Das Sonderkündigungsrecht<br />
aus § 57a ZVG schützt insbesondere<br />
vor manipulativen<br />
Änderungen der mietvertraglichen<br />
Regelungen, die in der<br />
Praxis immer wieder versucht<br />
werden, um das Zwangsversteigerungsprozedere<br />
zu erschweren.<br />
Mieterseitig zeigt<br />
die Entscheidung des BGH<br />
auf, dass eine aktive Beteiligung<br />
im Zwangsversteigerungsverfahren<br />
geboten ist.<br />
Wenngleich hier der Mieter<br />
mit seinen Schutzinteressen<br />
ausgeboten wurde, ist die<br />
Inanspruchnahme der Beteiligtenrechte<br />
in der Zwangsversteigerung<br />
für den Mieter<br />
stets sinnvoll.<br />
Rechtsanwältin Ricarda Breiholdt<br />
Fachanwältin für<br />
Miet-/WEG-Recht<br />
Immobilienmediatorin (DIA)<br />
www.breiholdt-voscherau.de<br />
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