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Forschungsreport Daten – Innovation – Privatheit

Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)

Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)

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3.2_ Datenschutzrechtliche Beeinträchtigung

von Führungskräften durch die Toolchain?

Wenn Arbeitgeber oder Vorgesetzte auf Daten von Beschäftigten

zugreifen, wird dies gespeichert und durch die Ausgabefunktion

der Toolchain dem Datensubjekt zugänglich gemacht.

Die Beschäftigten können so sehen, wann wer auf welche

Daten zugegriffen hat. Dieses Verfügbarmachen der Zugriffe

hat auch für die zugreifenden Arbeitgeber und deren Vertreter

datenschutzrechtliche Relevanz.

Zunächst ist dabei festzuhalten, dass es sich bei den

Informationen, wer zu welcher Zeit auf welche Daten zugegriffen

hat, um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr.

1 DSGVO handelt, da die hinter dem Zugriff stehende Person

durch ihren Namen oder zumindest eine Kennung eindeutig

identifiziert wird. 25 In Schritt 2 des Konzepts der Inversen

Transparenz wird die Information über den Zugriff in der Toolchain

gespeichert, sodass auch eine Verarbeitung im Sinne des

Art. 4 Nr. 2 DSGVO vorliegt 26 und die DSGVO anwendbar ist.

§ 26 BDSG ist im umgekehrten Kontext der Verarbeitung

von Daten von Arbeitgebern und Vorgesetzten durch Beschäftigte

über Art. 88 DSGVO aber nicht einschlägig. Zunächst ist

der persönliche Anwendungsbereich dieser Rechtsnorm durch

den Begriff der Beschäftigten in § 26 Abs. 8 BDSG geprägt.

Neben besonderen Formen der Beschäftigung umfasst der

Begriff insbesondere Arbeitnehmer, also vertraglich zu weisungsgebundener,

fremdbestimmter Arbeit in persönlicher

Abhängigkeit Verpflichtete. 27 Auch leitende Angestellte in

größeren hierarchischen Organisationsstrukturen sind von

diesem Begriff und damit vom Schutzzweck der Vorschrift erfasst.

28 Gegen eine Anwendbarkeit im umgekehrten Verhältnis

Arbeitnehmer – Arbeitgeber beziehungsweise Vorgesetzte

spricht neben dem Beschäftigtenbegriff schließlich auch der

intendierte Schutzzweck von Art. 88 DSGVO und § 26 BDSG,

der es vorsieht, dass den Besonderheiten des strukturellen

Machtungleichgewichts im Beschäftigungsverhältnis und

des dadurch höheren Schutzbedarfes sowie den zum Teil umfangreichen

gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers begegnet

wird. 29

Ob es datenschutzrechtlich gerechtfertigt ist, Datenzugriffe

des Arbeitgebers den betroffenen Beschäftigten

zugänglich zu machen, bestimmt sich daher maßgeblich nach

Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Neben der Erfüllung vertraglicher Pflichten

(Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO) oder der Einwilligung von Arbeitgeber

beziehungsweise Vorgesetzten (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) ist

die Verarbeitung daher insbesondere zulässig, wenn eine

Abwägung der widerstreitenden Interessen zugunsten der

Beschäftigten ausfällt (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO).

3.3_ Handlungsempfehlungen für

KI-Leistungskontrolle am Arbeitsplatz

Das Datenschutzrecht stellt keinen Hemmschuh, sondern

einen Gestaltungskorridor bei der künftig expandierenden

Implementierung technischer Instrumente zur Leistungskontrolle

am Arbeitsplatz dar. Automatisierte Einzellösungen mit

einer nicht ausschließlich automatisierten Letztentscheidung

sind in diesem Rahmen denkbar. Ein im Ergebnis angemessenes

Maß der Kontrolle erfordert dabei aber immer, bereits in der

Entwicklungsphase die Begrenzung des Einsatzes bestimmter

Technik, wie beispielsweise von KI-Systemen, zu beachten.

Eine Toolchain, wie sie im Rahmen Inverser Transparenz

verfolgt wird, stärkt in jedem Fall die Transparenz der Datenverarbeitung

im Beschäftigungskontext und dient der Akzeptanz

und der Missbrauchsprävention hinsichtlich Beschäftigtendaten.

Auch kann sie im Einzelfall datenschutzkonform gestaltet

werden. Rechtswidrige Datenverarbeitungen werden durch

ein Mehr an Transparenz aber nicht automatisch rechtmäßig.

Inverse Transparenz kann schließlich ein weiteres Element darstellen,

Leistungskontrolle am Arbeitsplatz fair zu gestalten,

indem sie das Empowerment der Mitarbeitenden erheblich

steigert.

4_ Referenzen

1 Die informationelle Selbstbestimmung als Teil des sog. Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist seit dem sog. „Volkszählungsurteil“

des BVerfG (15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a.) über Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt.

2 Lurtz, Bewertungstechnologien im Beschäftigungsverhältnis – eine (erste) datenschutzrechtliche Bewertung, ZD-Aktuell 2020,

06926; Holthausen, Big Data, People Analytics, KI und Gestaltung von Betriebsvereinbarungen – Grund-, arbeits- und datenschutzrechtliche

An- und Herausforderungen, RdA 2021, S. 19, 22 Fn. 65; Joos, Einsatz von künstlicher Intelligenz im Personalwesen unter

Beachtung der DS-GVO und des BDSG, NZA 2020, S. 1216, 1221.

3 Braun in Heckmann/Paschke, juris Praxiskommentar Internetrecht, Kapitel 7 - Arbeitsrecht Rn. 11.

4 Riesenhuber in Beck’scher Online Kommentar Datenschutzrecht, 38. Edition (Stand 01.11.2021), DSGVO Art. 88 Rn. 91; Pauly in Paal/

Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2021, DSGVO Art. 88 Rn. 17.

II – BERICHTE

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