Forschungsreport Daten – Innovation – Privatheit
Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)
Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)
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Datenschutz und Wirtschaft
zusammendenken
Was motiviert Menschen, die in der Forschung und Entwicklung
und im Kundendienst eines global aufgestellten Softwarekonzerns
arbeiten, sich an einem solchen Projekt zu beteiligen? Christopher
Weiß, seit Anfang 2020 Werkstudent der Software AG im Bereich
Forschung, nennt zwei Gründe. Im Rahmen seines Masterstudiums
ist er an den Schnittstellen zwischen Psychologie, Informatik
und Soziologie unterwegs. „Das Lab traf genau meine Interessen.
Und ich fand es einfach spannend, das Thema Datenschutz mit
der Welt der Wirtschaft zu verknüpfen“, sagt der 23jährige. Juliane
Harbarth, 1998 als Entwicklerin bei der Software AG gestartet, und
ihr Chef Paul Langer, der seit 35 Jahren dabei ist, gehören zu denen,
die sich schon länger Gedanken darüber gemacht haben, welche
Informationen das Ticketing-System Jira in welcher Form für wen
offenlegen kann. Trotz klarer Regelungen zwischen Betriebsrat
und Management blieben für sie immer Unsicherheiten, für welche
Zwecke diese Daten verwendet werden. „Das Lab hat uns die Möglichkeit
gegeben, dieser Frage nachzugehen“, hält Langer fest. „Ein
Mehr an Transparenz ist nicht nur im Interesse der Beschäftigten,
sondern auch wichtig für die Qualität unserer Produkte.“
Trackingtool iTrac
unter der Lupe
Jira und auch Confluence, eine Software, mit der die Mitarbeitenden
ihr Wissen teilen können, sind Systeme, die die Datenpipeline
im Unternehmen tagtäglich automatisch weiter füttern. Im
Prinzip sind diese Daten für alle einsehbar – auch wenn bislang
überwiegend die Führungskräfte hiervon Gebrauch machen.
Eine Betriebsvereinbarung schreibt fest, dass diese Daten nur
herangezogen werden dürfen, um Entwicklungsprozesse und
die Bearbeitung von Supportaufträgen optimal zu steuern, nicht
aber, um die Leistungen von Teams oder einzelner Beschäftigter zu
beurteilen. Kann ein System, das Inverse Transparenz ermöglicht,
nicht nur die Akzeptanz solcher Instrumente steigern, sondern
auch substanzielle Mehrwerte für die Beschäftigten bringen?
Und wie müsste es gestaltet sein? Als eine Stellschraube haben
die zehn Teilnehmenden des Praxislaboratoriums ein Tool
identifiziert, das die Software AG innerhalb des Jira-Frameworks
entwickelt hat. iTrac sorgt dafür, dass Aufgaben erfasst und priorisiert
werden. Es plant die Arbeitsschritte und dokumentiert
Fehler. Das Lab hat dieses Trackingsystem genauer unter die Lupe
genommen und hierfür zwei Subteams gebildet. Das gemeinsame
Ziel: Anknüpfungspunkte finden für die Umsetzung von Inverser
Transparenz.
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Use Cases für Inverse Transparenz in der Arbeitspraxis
Grundidee:
Die in iTrac generierten Daten und
getätigten Datenzugriffe für
Beschäftigte transparent,
kontrollier- und nutzbar machen
Dynamische Skilldatenbank
auf Basis erledigter Tickets –
ermöglicht Peer-to-Peer-Suche,
mit der Mitarbeiter/innen die
„richtigen“ Ansprechpartner für ein
Thema finden
Supporter Suche –
Mitarbeiter/innen können
Kolleg/innen finden, die sich mit
ahnlichen/gleichen Problemen
beschäftigen und ihre Lösungswege
nachvollziehen
Erstkontakt-Suche – erleichtert
Mitarbeiter/innen im Support
Kontaktaufnahme und Abstimmung
mit Kolleg/innen, die dasselbe
Ticket bearbeiten, mit denen man
vorher aber noch nicht zusammengearbeitet
hat
Process Visibility in agilen
Teams– Auswertungen über „Daily
Blocker“ nutzen für die Analyse von
Ursachen und Verbesserungen im
Entwicklungsprozess im Sinne einer
kontinuierlichen Integration und
Auslieferung von Software
Selbstauskunft– Abfragen von
Vorgesetzten nachvollziehen, um
Informationsasymmetrien zwischen
Beschäftigten und Führungskräften
abzubauen und Kontrolle über die
Interpretation der Daten zu erlangen
III PRAXIS