audimax TECH. 1-2022 - Karrieremagazin für ITler und Ingenieure
Von neuen Helden, Büchern, Filmen und Songs, die dein Mindset auf links drehen *** Unser Master-Special für alle Unentschlossenen: Studiengänge, Erfahrungsberichte aus erster Hand, Finanzierung und was sonst noch wichtig ist *** Diversity in MINT: Wie ausgeprägt ist Vielfalt in Unternehmen wirklich? *** Wenn Waren watscheln. Nachhaltige City-Logistik und innovative Entwicklungen für die letzte Meile *** Fahren.Flitzen.Fliegen – Einstiegs-Know-how für die Mobilität der Zukunft *** Was Willi Weitzel mit Pippi Langstrumpf, Wollwurst und Popelsammlungen zu tun hat: Er verrät’s in Mut Zur Lücke
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ARBEITSWELTEN<br />
46 XX<br />
HANNA UND MATILDA<br />
GLEICHBERECHTIGUNG IN DER WISSENSCHAFT –<br />
REALITÄT ODER MYTHOS?<br />
Text: Kira Benke<br />
Forschung <strong>und</strong> Wissenschaft sind maßgeblich <strong>für</strong> Weiterentwicklungen<br />
in jeglichen Bereichen – auch länderintern. In unserer Vorstellung<br />
sollten so die klügsten Köpfe unseres Landes die Möglichkeit<br />
haben, ihr Wissen nutzen <strong>und</strong> im Rahmen der Forschung<br />
umsetzen zu können – <strong>und</strong> das selbstverständlich geschlechterunabhängig.<br />
Aber ist das tatsächlich so selbstverständlich? Laut<br />
dem Statistischen B<strong>und</strong>esamt lag der Anteil von Frauen in der Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung in Deutschland lediglich bei 28 Prozent<br />
(Stand 2019), fünf Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Was ist der<br />
Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong>, dass gerade in Deutschland die Frauenquote so niedrig<br />
ist?<br />
ALLES BEFRISTET<br />
Um die Situation, in der sich Frauen in der Wissenschaft befinden,<br />
besser zu verstehen, müssen wir zunächst die Arbeitsbedingungen<br />
von Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> auch Wissenschaftlern in<br />
Deutschland betrachten. Diese sind maßgeblich vom sogenannten<br />
Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) geprägt. Seit<br />
2007 regeln diese Verordnungen die Arbeitsverträge <strong>für</strong> wissenschaftliches<br />
<strong>und</strong> künstlerisches Personal an Hochschulen <strong>und</strong><br />
Forschungseinrichtungen. Im Gegensatz zum allgemeinen Arbeitsrecht<br />
sieht die wissenschaftliche Arbeitswelt eine spezielle<br />
Regelung <strong>für</strong> Befristungen vor. Personal mit akademischer Ausbildung<br />
erhält in der Regel einen auf sechs Jahre befristeten Beschäftigungsvertrag.<br />
Nach der Promotion ist eine erneute Befristung<br />
von weiteren sechs Jahren möglich. Das B<strong>und</strong>esministerium<br />
<strong>für</strong> Bildung <strong>und</strong> Forschung rechtfertigt die zeitliche Begrenzung<br />
der Arbeitsverträge wie folgt: »Insbesondere in der Phase der Qualifizierung<br />
junger Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftler sind<br />
befristete Arbeitsverhältnisse sinnvoll <strong>und</strong> notwendig. Insbesondere<br />
wäre ohne eine durch Befristungen begünstigte Rotation <strong>für</strong><br />
nachrückende Generationen der Zugang zu wissenschaftlichen<br />
Tätigkeiten erheblich erschwert.«<br />
2016 gab es eine Änderung im WissZeitVG, um unsachgemäße<br />
Kurzbefristungen zu vermeiden. Die Dauer der Befristung muss<br />
nun an dem gesetzten wissenschaftlichen Qualifizierungsziel<br />
angepasst sein, dazu gehören unter anderem Promotion oder<br />
Habilitation.<br />
GLEICHBERECHTIGUNG? VON WEGEN!<br />
Seit 2015 will die UNESCO mit dem internationalen Tag der<br />
Frauen <strong>und</strong> Mädchen in der Wissenschaft auf deren Rolle in Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Technologie aufmerksam machen. Jedes Jahr am<br />
11. Februar soll somit gezeigt werden, wie viel Forschungspotenzial<br />
verloren geht, da zu wenige Wissenschaftlerinnen in der Forschung<br />
bleiben.<br />
Doch warum gibt es in Deutschland immer noch vermehrt das<br />
Phänomen der sogenannten »Leaky Pipeline«?<br />
Dr. Pauline Fleischmann, Neuroethologin <strong>und</strong> Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin am Lehrstuhl <strong>für</strong> Verhaltensphysiologie <strong>und</strong><br />
Soziobiologie der Universität Würzburg nannte in der Zeitschrift<br />
»Forschung & Lehre« eine weitere große Problematik <strong>für</strong> Frauen<br />
in der Wissenschaft. So verschiebe sich laut Fleischmann das Geschlechter-Verhältnis<br />
zum Nachteil der Frauen, je höher diese die<br />
Karriereleiter aufsteigen. Auch Dr. Alena Sander äußerte sich in<br />
genannter Zeitschrift. Sie erwarb ihre Promotion im Jahr 2021 in<br />
Politikwissenschaften <strong>und</strong> ist Mutter von zwei Kindern. Für Sander<br />
ist bereits die Zeit nach der Promotion als Wissenschaftlerin<br />
<strong>und</strong> Mutter sehr hart. Um Post-Doc-Positionen zu erwerben,<br />
müsse man möglichst viele Publikationen in hochgerankten Wissenschaftsjournalen<br />
veröffentlichen, internationale Mobilität aufweisen,<br />
an Konferenzen teilnehmen <strong>und</strong> vieles mehr. Dies sei, so<br />
Sander, mit sehr viel Zeitaufwand <strong>und</strong> mentaler Verfügbarkeit verb<strong>und</strong>en,<br />
was als Mutter kaum vereinbar sei. Die systematische Diskriminierung<br />
von Frauen <strong>und</strong> Müttern in der Wissenschaft, sowie<br />
die teils unmöglich umsetzbaren Anforderungen in Verbindung<br />
mit Kindern, führt zu einem vermehrten Abbruch der Karriere<br />
von Wissenschaftlerinnen. Dies bestätigt auch die GESIS-Statistik<br />
des Leibniz-Instituts <strong>für</strong> Sozialwissenschaften: »Kompetenzzentrum<br />
Frauen in Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung«. Diese untersuchte<br />
Frauen- <strong>und</strong> Männeranteile im Qualifikationsverlauf sowie die<br />
idealtypischer Karriereverläufe vom Studienbeginn (2001) bis zur<br />
Berufung (2018-2020). Laut Statistik war der Anteil an Frauen <strong>und</strong><br />
Männern bei Studienanfang <strong>und</strong> Studienabschluss etwa gleich<br />
verteilt. Beim Übergang zur Promotion sank der Frauenanteil auf<br />
44,8 Prozent. Auch im nächsten Karriereschritt, der Habilitation,<br />
verblieben lediglich 30,9 Prozent in der Wissenschaft.<br />
Ein weiteres Problem beschreibt der sogenannte Matilda-<br />
Effekt. Unter diesem versteht sich die systematische Diskriminierung<br />
von Frauen in der Wissenschaft. Die Ergebnisse<br />
<strong>und</strong> Erfolge von Wissenschaftlerinnen werden verdrängt, geleugnet<br />
oder den männlichen Kollegen zugeschrieben. Ein bekanntes<br />
Beispiel da<strong>für</strong>: der Fall Lise Meitner. Die österreichische<br />
Kernphysikerin forschte jahrelang mit ihrem Neffen <strong>und</strong><br />
erklärte erstmals die Theorie der Kernspaltung. Im Jahr 1944 erhielt<br />
nur ihr Kollege Otto Hahn alleine den Nobelpreis <strong>für</strong> eine<br />
der größten Entdeckungen des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. 1993 wurde der<br />
Matilda-Effekt erstmals diskutiert, angestoßen von der Wissenschaftshistorikerin<br />
Margaret W. Rossiter. Sie wählte den Namen<br />
zu Ehren der Soziologin, Aktivistin <strong>und</strong> Autorin Matilda Joslyn<br />
Gage, die als Vorreiterin im Kampf <strong>für</strong> die Gleichberechtigung der<br />
Frau gilt.<br />
Quelle: foschung-<strong>und</strong>-lehre.de; deutschlandfunk.de; ndr.de/kultur<br />
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