audimax TECH. 1-2022 - Karrieremagazin für ITler und Ingenieure
Von neuen Helden, Büchern, Filmen und Songs, die dein Mindset auf links drehen *** Unser Master-Special für alle Unentschlossenen: Studiengänge, Erfahrungsberichte aus erster Hand, Finanzierung und was sonst noch wichtig ist *** Diversity in MINT: Wie ausgeprägt ist Vielfalt in Unternehmen wirklich? *** Wenn Waren watscheln. Nachhaltige City-Logistik und innovative Entwicklungen für die letzte Meile *** Fahren.Flitzen.Fliegen – Einstiegs-Know-how für die Mobilität der Zukunft *** Was Willi Weitzel mit Pippi Langstrumpf, Wollwurst und Popelsammlungen zu tun hat: Er verrät’s in Mut Zur Lücke
Von neuen Helden, Büchern, Filmen und Songs, die dein Mindset auf links drehen *** Unser Master-Special für alle Unentschlossenen: Studiengänge, Erfahrungsberichte aus erster Hand, Finanzierung und was sonst noch wichtig ist *** Diversity in MINT: Wie ausgeprägt ist Vielfalt in Unternehmen wirklich? *** Wenn Waren watscheln. Nachhaltige City-Logistik und innovative Entwicklungen für die letzte Meile *** Fahren.Flitzen.Fliegen – Einstiegs-Know-how für die Mobilität der Zukunft *** Was Willi Weitzel mit Pippi Langstrumpf, Wollwurst und Popelsammlungen zu tun hat: Er verrät’s in Mut Zur Lücke
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BRAINSTORMING<br />
INTERESTING<br />
Konventionen sind also unverzichtbar <strong>für</strong> Verständigung <strong>und</strong> Interaktion,<br />
zugleich können sie problematische, gesellschaftliche Strukturen<br />
festschreiben. Dann kann es sinnvoll sein, Konventionen zu kritisieren<br />
oder auch zu brechen.<br />
Das Ziel, Diskriminierungen zu beenden, kann die daraus resultierende<br />
gesellschaftliche Verunsicherung rechtfertigen. Die Vorstellung allerdings,<br />
man könne durch eine Art »Kulturrevolution« das Gesamt der<br />
Konventionen der wechselseitigen Erwartungen zum Einsturz bringen<br />
<strong>und</strong> durch ein neues ersetzen, wurde schon in der auslaufenden 68er Rebellion<br />
enttäuscht <strong>und</strong> diese Enttäuschung hat Generationen über Jahrzehnte<br />
geprägt.<br />
In der Philosophie unterscheidet man zwischen konsequentialistischen<br />
<strong>und</strong> deontologischen Ethiken. Für konsequentialistische Ethiken bestimmt<br />
sich das richtige Handeln allein aus seinen Folgen <strong>für</strong> menschliches<br />
Wohlergehen. Regeln spielen hier allenfalls eine instrumentelle<br />
Rolle. Für deontologische Ethiken dagegen bestimmen f<strong>und</strong>amentale Regeln<br />
über das Richtige oder Falsche. Bei Immanuel Kant ist es ein einziges<br />
Prinzip, der sogenannte kategorische Imperativ. Bei dem britischen<br />
Philosophen David Ross sind es eine Reihe von »prima facie«-Pflichten,<br />
die einzuhalten sind, außer im Falle eines Konflikts zwischen diesen –<br />
dann entscheidet die moralische Urteilskraft. Regeln sind <strong>für</strong> deontologische<br />
Ethiken nicht lediglich Instrumente. Ich habe in meiner »Theorie<br />
praktischer Vernunft« diese beiden Ansätze zu einem kohärenten Ganzen<br />
integriert.<br />
WELCHEN EINFLUSS HAT DAS STRIKTE BEFOLGEN VON<br />
KONVENTIONEN IN DER FRÜHEN KINDHEIT AUF DAS<br />
ERWACHSENENLEBEN?<br />
Ich bin kein Psychologe, aber kenne die empirischen Studien von Lawrence<br />
Kohlberg <strong>und</strong> seinen Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen, darunter auch<br />
Carol Gilligan. Demnach gibt es sechs Stufen der Moralentwicklung,<br />
die allerdings nicht von allen im Laufe ihres Erwachsenwerdens bis zum<br />
Schluss durchlaufen werden. Es scheint <strong>für</strong> die Ausbildung der verantwortlichen<br />
Person unverzichtbar zu sein, die egoistische Phase der frühen<br />
Kindheit durch eine regelfixierte zu überwinden. Diese muss aber dann<br />
ebenfalls hinter sich gelassen werden, um das eigene, kritische Urteil, das<br />
die Lebenspraxis anleiten sollte, zu ermöglichen. Es ist ein wesentliches<br />
Merkmal praktischer Vernunft, eine hinreichende Distanz zu etablierten<br />
Regeln zu haben, um das eigene Leben gestalten zu können, zugleich aber<br />
auch in Rücksichtnahme auf andere, sich an Regeln zu halten.<br />
WO VERLÄUFT DIE GRENZE ZWISCHEN KONVENTIONELL UND<br />
UNKONVENTIONELL? WENN DIE MEHRHEIT UNKONVENTIONELLE<br />
LEBENSSTILE PFLEGT, FILME SCHAUT ODER BÜCHER LIEST, IST<br />
DAS DANN NICHT SCHON WIEDER KONVENTIONELL?<br />
Es kann durchaus eine Konvention werden, unkonventionell zu sein. Es<br />
gibt gesellige Ereignisse, da legen die Teilnehmer*innen großen Wert<br />
darauf, den Dresscode zu kennen, um nicht zu irritieren. Auf manchen<br />
Parties geht es umgekehrt gerade darum, möglichst anders gekleidet zu<br />
sein als die übrigen. Vielfalt wird zur Konvention.<br />
MEIST WIRD DER JÜNGEREN GENERATION UNTERSTELLT, SIE<br />
HANDLE UNKONVENTIONELL ODER FÜHRE EINEN UNKONVEN-<br />
TIONELLEN LEBENSSTIL. KANN HIER VON EINEM GENERATI-<br />
ONENKONFLIKT GESPROCHEN WERDEN, DER IMMER WIEDER<br />
AUFTAUCHT?<br />
Jede heranwachsende Generation möchte ihr Leben nach eigenen Vorstellungen<br />
gestalten <strong>und</strong> es gibt Phasen des Experimentierens. Das ist <strong>für</strong><br />
die Persönlichkeitsentwicklung wichtig. Für viele stellt sich dann heraus,<br />
dass nicht alle Experimente erfolgreich waren <strong>und</strong> manche der zuvor<br />
abgelegten Konventionen durchaus sinnvoll sind: die Generationen<br />
nähern sich dann wieder einander an.<br />
JULIAN NIDA-RÜMELIN<br />
... hat Philosophie <strong>und</strong> Physik studiert <strong>und</strong><br />
war Professor <strong>für</strong> Philosophie an den Universitäten<br />
Minnesota, Tübingen, Göttingen<br />
<strong>und</strong> München sowie Gastprofessor<br />
an ausländischen Universitäten, vor allem<br />
in Italien. Er war Kulturstaatsminister<br />
<strong>und</strong> Präsident der Gesellschaft <strong>für</strong><br />
Philosophie. In seinem aktuellen Buch<br />
»Eine Theorie praktischer Vernunft«,<br />
das 2020 im DeGruyter Verlag erschien,<br />
zieht er eine Summa seiner rationalitätstheoretischen<br />
Schriften.<br />
Heute lehrt er Philosophie <strong>und</strong> politische Theorie<br />
an der Ludwig-Maximilians-Universität München.<br />
Ready. Study. Go!<br />
An der TH Köln studieren <strong>und</strong><br />
gemeinsam Zukunft gestalten.<br />
www.th-koeln.de th_koeln technischehochschulekoeln