30.05.2022 Aufrufe

audimax TECH. 1-2022 - Karrieremagazin für ITler und Ingenieure

Von neuen Helden, Büchern, Filmen und Songs, die dein Mindset auf links drehen *** Unser Master-Special für alle Unentschlossenen: Studiengänge, Erfahrungsberichte aus erster Hand, Finanzierung und was sonst noch wichtig ist *** Diversity in MINT: Wie ausgeprägt ist Vielfalt in Unternehmen wirklich? *** Wenn Waren watscheln. Nachhaltige City-Logistik und innovative Entwicklungen für die letzte Meile *** Fahren.Flitzen.Fliegen – Einstiegs-Know-how für die Mobilität der Zukunft *** Was Willi Weitzel mit Pippi Langstrumpf, Wollwurst und Popelsammlungen zu tun hat: Er verrät’s in Mut Zur Lücke

Von neuen Helden, Büchern, Filmen und Songs, die dein Mindset auf links drehen *** Unser Master-Special für alle Unentschlossenen: Studiengänge, Erfahrungsberichte aus erster Hand, Finanzierung und was sonst noch wichtig ist *** Diversity in MINT: Wie ausgeprägt ist Vielfalt in Unternehmen wirklich? *** Wenn Waren watscheln. Nachhaltige City-Logistik und innovative Entwicklungen für die letzte Meile *** Fahren.Flitzen.Fliegen – Einstiegs-Know-how für die Mobilität der Zukunft *** Was Willi Weitzel mit Pippi Langstrumpf, Wollwurst und Popelsammlungen zu tun hat: Er verrät’s in Mut Zur Lücke

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BRAINSTORMING<br />

INTERESTING<br />

Konventionen sind also unverzichtbar <strong>für</strong> Verständigung <strong>und</strong> Interaktion,<br />

zugleich können sie problematische, gesellschaftliche Strukturen<br />

festschreiben. Dann kann es sinnvoll sein, Konventionen zu kritisieren<br />

oder auch zu brechen.<br />

Das Ziel, Diskriminierungen zu beenden, kann die daraus resultierende<br />

gesellschaftliche Verunsicherung rechtfertigen. Die Vorstellung allerdings,<br />

man könne durch eine Art »Kulturrevolution« das Gesamt der<br />

Konventionen der wechselseitigen Erwartungen zum Einsturz bringen<br />

<strong>und</strong> durch ein neues ersetzen, wurde schon in der auslaufenden 68er Rebellion<br />

enttäuscht <strong>und</strong> diese Enttäuschung hat Generationen über Jahrzehnte<br />

geprägt.<br />

In der Philosophie unterscheidet man zwischen konsequentialistischen<br />

<strong>und</strong> deontologischen Ethiken. Für konsequentialistische Ethiken bestimmt<br />

sich das richtige Handeln allein aus seinen Folgen <strong>für</strong> menschliches<br />

Wohlergehen. Regeln spielen hier allenfalls eine instrumentelle<br />

Rolle. Für deontologische Ethiken dagegen bestimmen f<strong>und</strong>amentale Regeln<br />

über das Richtige oder Falsche. Bei Immanuel Kant ist es ein einziges<br />

Prinzip, der sogenannte kategorische Imperativ. Bei dem britischen<br />

Philosophen David Ross sind es eine Reihe von »prima facie«-Pflichten,<br />

die einzuhalten sind, außer im Falle eines Konflikts zwischen diesen –<br />

dann entscheidet die moralische Urteilskraft. Regeln sind <strong>für</strong> deontologische<br />

Ethiken nicht lediglich Instrumente. Ich habe in meiner »Theorie<br />

praktischer Vernunft« diese beiden Ansätze zu einem kohärenten Ganzen<br />

integriert.<br />

WELCHEN EINFLUSS HAT DAS STRIKTE BEFOLGEN VON<br />

KONVENTIONEN IN DER FRÜHEN KINDHEIT AUF DAS<br />

ERWACHSENENLEBEN?<br />

Ich bin kein Psychologe, aber kenne die empirischen Studien von Lawrence<br />

Kohlberg <strong>und</strong> seinen Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen, darunter auch<br />

Carol Gilligan. Demnach gibt es sechs Stufen der Moralentwicklung,<br />

die allerdings nicht von allen im Laufe ihres Erwachsenwerdens bis zum<br />

Schluss durchlaufen werden. Es scheint <strong>für</strong> die Ausbildung der verantwortlichen<br />

Person unverzichtbar zu sein, die egoistische Phase der frühen<br />

Kindheit durch eine regelfixierte zu überwinden. Diese muss aber dann<br />

ebenfalls hinter sich gelassen werden, um das eigene, kritische Urteil, das<br />

die Lebenspraxis anleiten sollte, zu ermöglichen. Es ist ein wesentliches<br />

Merkmal praktischer Vernunft, eine hinreichende Distanz zu etablierten<br />

Regeln zu haben, um das eigene Leben gestalten zu können, zugleich aber<br />

auch in Rücksichtnahme auf andere, sich an Regeln zu halten.<br />

WO VERLÄUFT DIE GRENZE ZWISCHEN KONVENTIONELL UND<br />

UNKONVENTIONELL? WENN DIE MEHRHEIT UNKONVENTIONELLE<br />

LEBENSSTILE PFLEGT, FILME SCHAUT ODER BÜCHER LIEST, IST<br />

DAS DANN NICHT SCHON WIEDER KONVENTIONELL?<br />

Es kann durchaus eine Konvention werden, unkonventionell zu sein. Es<br />

gibt gesellige Ereignisse, da legen die Teilnehmer*innen großen Wert<br />

darauf, den Dresscode zu kennen, um nicht zu irritieren. Auf manchen<br />

Parties geht es umgekehrt gerade darum, möglichst anders gekleidet zu<br />

sein als die übrigen. Vielfalt wird zur Konvention.<br />

MEIST WIRD DER JÜNGEREN GENERATION UNTERSTELLT, SIE<br />

HANDLE UNKONVENTIONELL ODER FÜHRE EINEN UNKONVEN-<br />

TIONELLEN LEBENSSTIL. KANN HIER VON EINEM GENERATI-<br />

ONENKONFLIKT GESPROCHEN WERDEN, DER IMMER WIEDER<br />

AUFTAUCHT?<br />

Jede heranwachsende Generation möchte ihr Leben nach eigenen Vorstellungen<br />

gestalten <strong>und</strong> es gibt Phasen des Experimentierens. Das ist <strong>für</strong><br />

die Persönlichkeitsentwicklung wichtig. Für viele stellt sich dann heraus,<br />

dass nicht alle Experimente erfolgreich waren <strong>und</strong> manche der zuvor<br />

abgelegten Konventionen durchaus sinnvoll sind: die Generationen<br />

nähern sich dann wieder einander an.<br />

JULIAN NIDA-RÜMELIN<br />

... hat Philosophie <strong>und</strong> Physik studiert <strong>und</strong><br />

war Professor <strong>für</strong> Philosophie an den Universitäten<br />

Minnesota, Tübingen, Göttingen<br />

<strong>und</strong> München sowie Gastprofessor<br />

an ausländischen Universitäten, vor allem<br />

in Italien. Er war Kulturstaatsminister<br />

<strong>und</strong> Präsident der Gesellschaft <strong>für</strong><br />

Philosophie. In seinem aktuellen Buch<br />

»Eine Theorie praktischer Vernunft«,<br />

das 2020 im DeGruyter Verlag erschien,<br />

zieht er eine Summa seiner rationalitätstheoretischen<br />

Schriften.<br />

Heute lehrt er Philosophie <strong>und</strong> politische Theorie<br />

an der Ludwig-Maximilians-Universität München.<br />

Ready. Study. Go!<br />

An der TH Köln studieren <strong>und</strong><br />

gemeinsam Zukunft gestalten.<br />

www.th-koeln.de th_koeln technischehochschulekoeln

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