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von Werner Fischbach der flugleiter 2008/01 Accidents 38 Der Effizienz geschuldet – Unfall trotz dreifacher Redundanz?! Es hätte eine ganz große Katastrophe werden können, was sich da am 15. Februar 1979 am International O´Hare Airport von Chicago ereignete. Glücklicherweise endete es „nur“ mit einer demolierten B747 im weichen Untergrund neben der Piste – weil die Controller mal wieder an die Grenze (und darüber hinaus) gegangen waren, um eine möglichst hohe Zahl von Flügen abzuwickeln. Das Wetter war nicht das beste an diesem 15. Februar 1979. Am Flughafen O`Hare herrschte Nebel und die Sichtwerte lagen unter einer Meile. „A typical RVRday“, meinte einer der Controller. Und die waren ziemlich beschäftigt. Die Approachcontroller, den nicht endenden Strom anfliegender Flugzeuge zum ILS der Pisten 9L und 9R zu führen, ihre Kollegen im Tower damit, einen möglichst effizienten und sicheren Verkehrsablauf zwischen ab- und anfliegenden Flugzeugen sicher zu stellen. Wobei unter effizient zu verstehen ist, innerhalb eines bestimmten Zeitraums möglichst viele Flugzeuge abzufertigen. Was man gewöhnlich mit einer optimalen Nutzung der Flughafenkapazität zu umschreiben pflegt. Bekanntlich ist der Job der „Taxi-Controller“ in Chicago – O´Hare kein einfacher und es soll Kollegen geben, die diesen als nervenaufreibender bezeichnen als den ✈ Beim „runway-crossing“ beinahe verunglückt – Delta B727 Photo: Werner Fischbach des „Local Controllers“. Unter den Flugzeugen, die sich unter der Kontrolle des „Taxi-Controllers“ befanden, war auch eine B727 der Delta Air Lines, die sich zu ihrem Flug nach Orlando aufmachte. Im Cockpit des Dreistrahlers hatte auch ein Controller des Chicago Centers auf dem Jumpseat Platz genommen. Die B727 rollte auf der parallel zur Piste 14R/32L verlaufenden Rollbahn „T“. Gemäß ihrer Freigabe stoppte die Besatzung kurz vor der Kreuzung mit der Piste 9R und bat den „Taxi- Controller“, diese überqueren zu dürfen. Der Unfallhergang Die Sichtverhältnisse waren, wie bereits ausgeführt, nicht die besten und die Controller im Tower von O´Hare konnten die Pisten, Rollbahnen und Vorfelder nur teilweise einsehen. So konnte der „Taxi-Controller“ eine DC-10, die auf der 9R gelandet war und sich im „Roll-Out“ befand, nur schemenhaft erkennen. Aber er hatte ja zusätzliche Hilfsmittel. Zum einen
das BRITE-Radar, auf welchem er den anfliegenden Verkehr, und das ASDE, mit dem er seine Kunden am Boden beobachten konnte. Ein Blick auf das BRITE sagte ihm, dass sich der nächste Anflug, eine L-1011 Tristar, über dem „Outer Marker“ befand. Das ASDE sagte ihm, dass die DC-10 die Einmündung der Rollbahn T bereits passiert hatte. Daraufhin erteilte er der B727 die Freigabe, Piste 9R zu überqueren. Aufgrund der ihm vorliegenden Verkehrsinformationen und den damals gültigen Vorschriften war diese Entscheidung nicht zu kritisieren. Dazu kam die Überlegung, dass der Staffelungsmindestwert zwischen zwei Flugzeugen der Gewichtsklasse „heavy“, nämlich der gelandeten DC-10 und dem nachfolgenden „Tristar“, vier Meilen betrug. Somit konnte sich kein weiteres Flugzeug im Anflug befinden. Zumindest nicht vor dem „Tristar“. Allerdings war ihm entgangen, dass der Approachcontroller etwas großzügig mit den vorgeschriebnen Staffelungsmindestwerten umgegangen war und zwischen der DC-10 und dem „Tristar“ noch eine B747 der Frachtfluggesellschaft Flying Tigers gequetscht hatte. Der Jumbo befand sich deshalb viel zu dicht hinter der gelandeten DC-10 oder, wie man es auch sehen kann, viel zu nah vor dem nachfolgenden „Tristar“ und hätte vom Approachcontroller eigentlich aus der Anflugfolge genommen oder vom Towercontroller zu einem „Go Around“ aufgefordert werden sollen. Doch nichts davon geschah. Vielmehr diskutierte der Towercontroller mit seinem Kollegen in der Anflugkontrolle (die sich zumindest zu jener Zeit im Untergeschoss des Towergebäudes befand), wie dieses Problem zu lösen sei. Sie kamen zu der Überzeugung, dass es sich von selbst erledigen würde. Oder wie Controller sich manchmal ausdrücken: „Geht oder klappt schon (make it work)“. Eine Haltung, die nach Aussage des inzwischen pensionierten Chicagoer Controllers Denny Cunningham alter O´Hare - Tradition entsprach („in the best O´Hare tradition“). Irgendwie lagen die beiden auch richtig. Denn als die B747 aufsetzte, hatte die vorher gelandete DC-10 die Piste bereits verlassen. Allerdings hatten sie nicht damit gerechnet, dass der „Taxi-Controller“ aufgrund seiner Informationen und im Einklang mit seinen Vorschriften der B727 eine Freigabe zum Überqueren der Piste 9R erteilt hatte. Und deren Besatzung setzte ihre Boeing im selben Moment in Bewegung als der Jumbo aufsetzte. Dazu kam, dass der Co-Pilot der B727 den landenden Frachter aus zwei Gründen nicht oder nur sehr schlecht sehen konnte. Zum einen war die Sicht wegen des Nebels eingeschränkt; zum anderen war die Sicht zur Schwelle aufgrund des Kreuzungswinkels von 50 Grad nicht gerade optimal. Unmittelbar nach dem Aufsetzen erkannte die Jumbocrew die kreuzende B727. Da die B747 aufgrund ihrer Geschwindigkeit zu schnell war, um rechtzeitig Accidents anzuhalten und es für einen „Go-Around“ nicht mehr reichen würde („to fast to stop, to slow to fly“), entschied sich deren Kapitän für das Nächstliegende. Er schlug eine scharfe Rechtskurve ein und steuerte den Jumbo von der Piste ins Gras. Unmittelbar danach versank das Bugfahrwerk des Jumbos im aufgeweichten Boden (zum Zeitpunkt des Unfalls herrschte Tauwetter), das Hauptfahrwerk und Triebwerke auf der rechten Seite wurden abgerissen. Der Center-Controller im Cockpit der B727 erwähnte später, dass er die Nieten des Triebwerks 1 der B747 zählen konnte, als dieses nur wenige Meter vor den Cockpitscheiben vorbeirauschte und die Tragfläche des Jumbos nur knapp über das Cockpit wischte. Niemand wurde bei dem Unfall verletzt. Unfallursachen und nachfolgende Maßnahmen So kurios dieser Unfall auch erscheinen mag, so muss man sich fragen, wie es dazu kommen konnte. Dass vom Approachcontroller die Mindeststaffelung nicht eingehalten wurde, steht ebenso außer Zweifel wie das Versäumnis des Towercontrollers, der 747-Besatzung einen „Go Around“ anzuweisen. „Inadequate spacing of aircraft“ und „traffic personnel issued improper or conflicting instructions“, stellte das NTSB (National Transport Safety Board) denn auch fest. Dass die Unfalluntersucher auch der 727-Besatzung eine Mitschuld gaben („pilot failed to maintain vigil for landing traffic“), hilft da nicht besonders. Zudem diese Kritik auch nicht so richtig nachvollziehbar ist. Welche Rolle spielte der „Taxi-Controller“? Nach den damals gültigen Vorschriften konnte ihm kein Vorwurf gemacht werden. Aber weshalb hatte er keine Informationen über die anfliegende B747 erhalten? Dass er den Jumbo auf dem ASDE nicht erkennen konnte, ist klar. Denn schließlich handelt es sich dabei um ein Boden- oder Rollradar; zum Zeitpunkt, als er die Freigabe zum Überqueren der Piste erteilte, hatte die B747 die Schwelle noch nicht überflogen und konnte auf dem ASDE (noch) nicht dargestellt werden. Doch weshalb konnte der „Taxi-Controller“ den Jumbo nicht auf dem BRITE erkennen? Die Radarantenne, welche die Daten für das BRITE lieferte, befand sich am westlichen Ende des Flughafengeländes. Untersuchungen ergaben später, dass Ziele, die sich rund zwei Seemeilen westlich der Piste 9R befanden, nicht dargestellt wurden. Und eben in diesem „Radarloch“ befand sich die B747, als der „Taxi-Controller“ die Verkehrslage überprüfte! Es ist erstaunlich: obwohl die Controller über drei unterschiedliche Systeme verfügten, um einen sicheren Verkehrsablauf zu garantieren, haben alle drei versagt. Der Blick nach draußen wurde durch den Nebel eingeschränkt, das ASDE konnte den anfliegenden Jumbo noch nicht erfassen und das BRITE war im entscheidenden Augenblick von Blindheit geschlagen. So ereignete sich ein Unfall, bei welchem den Controllern eigentlich drei redundante Systeme zur Verfügung standen. 39 der flugleiter 2008/01
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