als PDF - Deutscher Fluglärmdienst eV
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das BRITE-Radar, auf welchem er den anfliegenden<br />
Verkehr, und das ASDE, mit dem er seine Kunden am<br />
Boden beobachten konnte. Ein Blick auf das BRITE<br />
sagte ihm, dass sich der nächste Anflug, eine L-1011<br />
Tristar, über dem „Outer Marker“ befand. Das ASDE<br />
sagte ihm, dass die DC-10 die Einmündung der Rollbahn<br />
T bereits passiert hatte. Daraufhin erteilte er der<br />
B727 die Freigabe, Piste 9R zu überqueren.<br />
Aufgrund der ihm vorliegenden Verkehrsinformationen<br />
und den dam<strong>als</strong> gültigen Vorschriften war diese<br />
Entscheidung nicht zu kritisieren. Dazu kam die Überlegung,<br />
dass der Staffelungsmindestwert zwischen<br />
zwei Flugzeugen der Gewichtsklasse „heavy“, nämlich<br />
der gelandeten DC-10 und dem nachfolgenden<br />
„Tristar“, vier Meilen betrug. Somit konnte sich kein<br />
weiteres Flugzeug im Anflug befinden. Zumindest<br />
nicht vor dem „Tristar“.<br />
Allerdings war ihm entgangen, dass der Approachcontroller<br />
etwas großzügig mit den vorgeschriebnen<br />
Staffelungsmindestwerten umgegangen war und zwischen<br />
der DC-10 und dem „Tristar“ noch eine B747 der<br />
Frachtfluggesellschaft Flying Tigers gequetscht hatte.<br />
Der Jumbo befand sich deshalb viel zu dicht hinter der<br />
gelandeten DC-10 oder, wie man es auch sehen kann,<br />
viel zu nah vor dem nachfolgenden „Tristar“ und hätte<br />
vom Approachcontroller eigentlich aus der Anflugfolge<br />
genommen oder vom Towercontroller zu einem<br />
„Go Around“ aufgefordert werden sollen.<br />
Doch nichts davon geschah. Vielmehr diskutierte der<br />
Towercontroller mit seinem Kollegen in der Anflugkontrolle<br />
(die sich zumindest zu jener Zeit im Untergeschoss<br />
des Towergebäudes befand), wie dieses<br />
Problem zu lösen sei. Sie kamen zu der Überzeugung,<br />
dass es sich von selbst erledigen würde. Oder wie<br />
Controller sich manchmal ausdrücken: „Geht oder<br />
klappt schon (make it work)“. Eine Haltung, die nach<br />
Aussage des inzwischen pensionierten Chicagoer<br />
Controllers Denny Cunningham alter O´Hare - Tradition<br />
entsprach („in the best O´Hare tradition“).<br />
Irgendwie lagen die beiden auch richtig. Denn <strong>als</strong> die<br />
B747 aufsetzte, hatte die vorher gelandete DC-10 die<br />
Piste bereits verlassen. Allerdings hatten sie nicht<br />
damit gerechnet, dass der „Taxi-Controller“ aufgrund<br />
seiner Informationen und im Einklang mit seinen Vorschriften<br />
der B727 eine Freigabe zum Überqueren der<br />
Piste 9R erteilt hatte. Und deren Besatzung setzte ihre<br />
Boeing im selben Moment in Bewegung <strong>als</strong> der Jumbo<br />
aufsetzte. Dazu kam, dass der Co-Pilot der B727 den<br />
landenden Frachter aus zwei Gründen nicht oder nur<br />
sehr schlecht sehen konnte. Zum einen war die Sicht<br />
wegen des Nebels eingeschränkt; zum anderen war<br />
die Sicht zur Schwelle aufgrund des Kreuzungswinkels<br />
von 50 Grad nicht gerade optimal.<br />
Unmittelbar nach dem Aufsetzen erkannte die Jumbocrew<br />
die kreuzende B727. Da die B747 aufgrund<br />
ihrer Geschwindigkeit zu schnell war, um rechtzeitig<br />
Accidents<br />
anzuhalten und es für einen „Go-Around“ nicht mehr<br />
reichen würde („to fast to stop, to slow to fly“), entschied<br />
sich deren Kapitän für das Nächstliegende. Er<br />
schlug eine scharfe Rechtskurve ein und steuerte den<br />
Jumbo von der Piste ins Gras. Unmittelbar danach versank<br />
das Bugfahrwerk des Jumbos im aufgeweichten<br />
Boden (zum Zeitpunkt des Unfalls herrschte Tauwetter),<br />
das Hauptfahrwerk und Triebwerke auf der rechten<br />
Seite wurden abgerissen. Der Center-Controller im<br />
Cockpit der B727 erwähnte später, dass er die Nieten<br />
des Triebwerks 1 der B747 zählen konnte, <strong>als</strong> dieses<br />
nur wenige Meter vor den Cockpitscheiben vorbeirauschte<br />
und die Tragfläche des Jumbos nur knapp<br />
über das Cockpit wischte. Niemand wurde bei dem<br />
Unfall verletzt.<br />
Unfallursachen und nachfolgende Maßnahmen<br />
So kurios dieser Unfall auch erscheinen mag, so muss<br />
man sich fragen, wie es dazu kommen konnte. Dass<br />
vom Approachcontroller die Mindeststaffelung nicht<br />
eingehalten wurde, steht ebenso außer Zweifel wie<br />
das Versäumnis des Towercontrollers, der 747-Besatzung<br />
einen „Go Around“ anzuweisen. „Inadequate<br />
spacing of aircraft“ und „traffic personnel issued<br />
improper or conflicting instructions“, stellte das NTSB<br />
(National Transport Safety Board) denn auch fest.<br />
Dass die Unfalluntersucher auch der 727-Besatzung<br />
eine Mitschuld gaben („pilot failed to maintain vigil<br />
for landing traffic“), hilft da nicht besonders. Zudem<br />
diese Kritik auch nicht so richtig nachvollziehbar ist.<br />
Welche Rolle spielte der „Taxi-Controller“? Nach den<br />
dam<strong>als</strong> gültigen Vorschriften konnte ihm kein Vorwurf<br />
gemacht werden. Aber weshalb hatte er keine Informationen<br />
über die anfliegende B747 erhalten? Dass<br />
er den Jumbo auf dem ASDE nicht erkennen konnte,<br />
ist klar. Denn schließlich handelt es sich dabei um<br />
ein Boden- oder Rollradar; zum Zeitpunkt, <strong>als</strong> er die<br />
Freigabe zum Überqueren der Piste erteilte, hatte die<br />
B747 die Schwelle noch nicht überflogen und konnte<br />
auf dem ASDE (noch) nicht dargestellt werden. Doch<br />
weshalb konnte der „Taxi-Controller“ den Jumbo nicht<br />
auf dem BRITE erkennen?<br />
Die Radarantenne, welche die Daten für das BRITE<br />
lieferte, befand sich am westlichen Ende des Flughafengeländes.<br />
Untersuchungen ergaben später, dass<br />
Ziele, die sich rund zwei Seemeilen westlich der Piste<br />
9R befanden, nicht dargestellt wurden. Und eben in<br />
diesem „Radarloch“ befand sich die B747, <strong>als</strong> der<br />
„Taxi-Controller“ die Verkehrslage überprüfte! Es ist<br />
erstaunlich: obwohl die Controller über drei unterschiedliche<br />
Systeme verfügten, um einen sicheren<br />
Verkehrsablauf zu garantieren, haben alle drei versagt.<br />
Der Blick nach draußen wurde durch den Nebel<br />
eingeschränkt, das ASDE konnte den anfliegenden<br />
Jumbo noch nicht erfassen und das BRITE war im entscheidenden<br />
Augenblick von Blindheit geschlagen. So<br />
ereignete sich ein Unfall, bei welchem den Controllern<br />
eigentlich drei redundante Systeme zur Verfügung<br />
standen.<br />
39 der flugleiter 2008/01