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Christian Eyselein | Tobias Kaspari (Hrsg.): Glauben üben (Leseprobe)

Die Beiträge dieser Festschrift zum 80. Geburtstag von Christel Keller-Wentorf widmen sich dem Üben konkreter Formen christlicher Religionspraxis und damit einem Lebensthema der Jubilarin: „Üben“ wird als anthropologische Konstante in den verschiedenen Feldern gelebten Glaubens sichtbar gemacht. Dadurch sind sie im Diskurs der Aszetik verortet und gewinnen gleichzeitig ihre Relevanz in der aktuellen kirchlichen Debatte: Wie kann christliche Religion im Heute Gestalt gewinnen? Die Beiträge spiegeln die vielfältigen Interessensgebiete der Jubilarin und die Vielgestaltigkeit der aszetischen Praxisfelder wider, indem sie Aspekte des Gottesdienstes, der Predigt, der Kasualpraxis, der Liturgie, der Seelsorge, des geistlichen Lebens und der Pastoraltheologie auf die Frage nach ihrer gestaltenden Kraft im Glaubensvollzug hin orientieren.

Die Beiträge dieser Festschrift zum 80. Geburtstag von Christel Keller-Wentorf widmen sich dem Üben konkreter Formen christlicher Religionspraxis und damit einem Lebensthema der Jubilarin: „Üben“ wird als anthropologische Konstante in den verschiedenen Feldern gelebten Glaubens sichtbar gemacht. Dadurch sind sie im Diskurs der Aszetik verortet und gewinnen gleichzeitig ihre Relevanz in der aktuellen kirchlichen Debatte: Wie kann christliche Religion im Heute Gestalt gewinnen? Die Beiträge spiegeln die vielfältigen Interessensgebiete der Jubilarin und die Vielgestaltigkeit der aszetischen Praxisfelder wider, indem sie Aspekte des Gottesdienstes, der Predigt, der Kasualpraxis, der Liturgie, der Seelsorge, des geistlichen Lebens und der Pastoraltheologie auf die Frage nach ihrer gestaltenden Kraft im Glaubensvollzug hin orientieren.

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Nietzsche und das Kreuz 17<br />

hören und mit ihm zu streiten, lohnt sich. Nietzsche kann uns ins Staunen und<br />

Fragen bringen, so dass wir aufgestört werden und unser gewohntes Bild nicht<br />

länger für selbstverständlich halten: »›Gott am Kreuz‹«! 20 »Es hat bisher noch<br />

niemals und nirgendwo eine gleiche Kühnheit im Umkehren, etwas gleich<br />

Furchtbares, Fragendes und Fragwürdigesgegeben«! 21 Es gilt zu erkennen, dass<br />

nicht nur jene Juden und Griechen – also: alle Welt – zur Zeit des Paulus das Wort<br />

vom Kreuz für ein Skandalon und füreine Torheit hielten, sondern dass auch wir<br />

heute nicht nur abgebrüht und gleichgültig diesem Skandal und dieser Torheit<br />

gegenüberstehen, sondern auch aktiv – wie einst Petrus – die Göttlichkeit des<br />

Leidens Jesu verkennen und deshalb von Jesus als Satan angefahren werden<br />

müssen: »Weg von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was<br />

göttlich, sondern was menschlich ist« (Mt 16,23). Das Leiden Jesu nicht zu wollen<br />

(Mk 8,33) 22 undGott nicht am Kreuz,sondern am Kreuz vorbeizusuchen, ist zwar<br />

menschlich, allzu menschlich, aber eben – wie wir es uns auch heute klar und<br />

scharf in aller Klarheit und Schärfe gesagt sein lassen müssen – etwas Satanisches,<br />

das nur Gott selbst als der Heilige Geist überwinden kann.<br />

Das Wort vom Kreuz als Gottes »Macht und Weisheit« (1. Kor 1,24) zu erkennen,<br />

anzunehmen und darauf zuvertrauen: das ist allein Gottes Werk, das<br />

Wunder, das Gott der Heilige Geist wirkt. »Ich glaube«, um nochmals mit dem<br />

Katechismus zu bekennen, »daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an<br />

Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommenkann […]« Verheißen<br />

aber ist mir, mit Nietzsche geredet, die »Kühnheit im Umkehren«. Kühn kehrte<br />

Luther um: »Kehr’s um«! predigt Luther. Nicht: »Mitten wir im Leben sind /mit<br />

dem Todumfangen« (EG 518). Vielmehr: Kehr’s um: Mitten im Tode sind wir im<br />

Leben! 23<br />

Mitten in Deiner Traurigkeit empfängst Du Trost. Mitten imZweifel Gewissheit.<br />

Mitten indrückender Sorge Freiheit. Mitten inder Angst den Mut, das<br />

Leben zu bejahen und selbst den schweren Stein wie Sisyphus auf den steilen<br />

Berg zu schleppen, von dem er doch wieder herabrollt. Der tote Kreuzespfahl wird<br />

dir so zum lebendigen Lebensbaum, dessensaftige Blätter nie verwelken. Es ist in<br />

der Tat paradox: Im Nein des furchtbaren und entehrenden Kreuzestodes Jesu<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

S. Anm. 2.<br />

Ebd.<br />

»Ja, wir danken deinen Schmerzen; /ja, wir preisen deine Treu; /ja, wir dienen dir von<br />

Herzen; /ja, du machst einst alles neu.« (EG 93, Friedrich von Bodelschwingh 1938).<br />

WA 11,141, zu Z. 22/29: »media vita in mortes kers umb media morte in vita sumus<br />

(Predigt über Lk 1,39–56; 2. Juli 1523. Vgl. WA 43,219,37 (»media morte in vita sumus«);<br />

WA 40 III,496,16 f.; WA 12,609,17 f. Dieses Lutherwort kühner Umkehrung findet sich<br />

auf Gerhard Ebelings Grabstein – nicht nur als Wort; es bestimmt die Gestalt des gehauenen<br />

Steines.

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