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BB_Preimesberger_Code Alpha_160x230mm_2.Aufl_2022 Leseprobe

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Mein beruflicher Werdegang führte mich in ein Rehazentrum, wo ich nach drei<br />

Monaten kündigte, um eine Fixanstellung in einer Kuranstalt anzunehmen. Dort<br />

fand ich wenig bis gar keine berufliche Herausforderung. Meine Gier nach Zufriedenheit<br />

befriedigte ich mit unzähligen Wochenendbereitschaftsdiensten und hochgeschraubten<br />

sportlichen Zielen (50 Berg- bzw. Schitouren). Kurzerhand bewarb ich<br />

mich in Bad Reichenhall, die Wartezeit auf eine Stelle als Allgemeinmediziner war<br />

lange, ich hatte nach anderen Lösungen suchen müssen. Mit gemischten Gefühlen, einer<br />

Mischung aus Unsicherheit und Verlorenheit, absolvierte ich das Vorstellungsgespräch.<br />

Durch das selbstsichere, typisch deutsche Auftreten des Klinikleiters – „Warum<br />

wollen Sie nach Ihrem bisherigen Werdegang in eine Klinik zurück? Hier sind<br />

Sie für 20 Patienten zuständig, schaffen Sie das? Sie müssen großen Einsatz zeigen,<br />

in der Freizeit viel lesen, nur so werden Sie ein guter Arzt.“ – zutiefst verunsichert<br />

verließ ich die Klinik. Die endgültige Entscheidung ließ lange auf sich warten. Der<br />

Anruf über die Zusage erreichte mich, als wir im Haus meiner Großeltern die Kündigung<br />

ihrer Mieter besprachen. Der Prozess der Entscheidungsfindung fiel mir erneut<br />

extrem schwer. Es fehlte mir an Selbstvertrauen, in Panik rief ich Kollegen an in der<br />

Hoffnung, so leichter zu einem Entschluss zu kommen.<br />

Am nächsten Morgen sagte ich ab. Statt nach Reichenhall führte mich die Odyssee<br />

zurück ins Rehazentrum. Nervlich war ich am Zenit, der Mangel an jeglichem<br />

beruflichem Selbstvertrauen hatte mich zu dieser Entscheidung geführt. Meine Mutter<br />

war zutiefst enttäuscht. Zurückblickend verstehe ich sie. Ich vergab die Chance,<br />

mein Vorwissen, meine Fähigkeiten, die ich schon oft unter Beweis gestellt hatte,<br />

mein Interesse und Wissen in der Medizin gebührend einzusetzen. Mit dieser Wahl<br />

hatte ich mich sehr unter meinem Wert verkauft. Dies bewies sich in den folgenden<br />

neun Monaten. Im Umfeld meiner zu Systemerhaltern geformten Kollegen ohne jegliche<br />

medizinische Motivation stellte ich meine medizinische Kompetenz des Öfteren<br />

unter Beweis. Es war Zeit, an diesem Schwachpunkt zu arbeiten, meine Fähigkeiten,<br />

meinen Ehrgeiz, meine Ausdauer und mein Interesse an der Medizin gebührend<br />

einzusetzen und meine Chancen zu nutzen. Trotz des Wunsches meiner Kollegen,<br />

dass ich eine Fixanstellung bekommen sollte, entschied der ärztliche Leiter anders.<br />

„Machen Sie Ihre Facharztausbildung fertig. Dann sind Sie jemand. Sie sind schon so<br />

weit“, so seine Worte.<br />

War nun der perfekte Zeitpunkt, um eine längere Reiseauszeit zu nehmen, gegebenenfalls<br />

auch allein? Im „kuk“, meinem Stammlokal, kam ich mit einem Schulkollegen<br />

aus dem Gymnasium, der seinen Lebensunterhalt als Kellner auf Kreuzfahrtschiffen<br />

verdiente, mehr oder weniger durch Zufall ins Gespräch. Er weckte sogleich<br />

mein Interesse, gab mir eine Bewerbungs-E-Mail-Adresse – und Tage später sendete<br />

ich meinen Lebenslauf an die amerikanische Reederei in Miami.<br />

Es vergingen Wochen. Dann erreichte mich der Anruf eines gewissen Prof. Sol<br />

Edelstein. Es folgten mehrere Interviews, in denen ich meine Englischkenntnisse und<br />

fachliche Kompetenz – über Skype musste ich mehrere medizinische Fälle lösen – unter<br />

Beweis stellte. Einen Monat vor Ablauf meines Vertrags im Rehazentrum waren<br />

alle Hürden geschafft. Ich erhielt jedoch wider Erwarten kein Jobangebot, sondern<br />

folgendes Statement: „Sie haben alle Voraussetzungen bestens erfüllt, leider ist derzeit<br />

keine Stelle vakant, wir halten Sie aber in Evidenz.“<br />

Am ersten Tag meiner Arbeitslosigkeit beschloss ich, mit meinem Bruder einen<br />

Kurztrip nach Albanien und in den Kosovo zu machen. Ursprünglich hatten wir uns<br />

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