08.08.2022 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 30

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>syndicom</strong><br />

<strong>Nr</strong>. <strong>30</strong> Juli-August 2022<br />

<strong>magazin</strong><br />

Unsere<br />

Gesundheit<br />

ist nicht<br />

aus Stein


Anzeige


Inhalt<br />

4 Teamporträt<br />

5 Kurz und bündig<br />

6 Die andere Seite<br />

7 Gastautorin<br />

8 Gesunde, sichere Arbeit<br />

15 Infografik<br />

17 Gesund am Steuer<br />

22 Nein zu «AHV21»<br />

25 Recht so!<br />

26 Freizeit<br />

27 1000 Worte<br />

28 Bisch im Bild<br />

<strong>30</strong> Aus dem Leben von ...<br />

31 Kreuzworträtsel<br />

32 Inter-aktiv<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

am 10. Juni hat die tripartite Internationale Arbeitskonferenz<br />

erstmals in 25 Jahren ein neues<br />

grundlegendes Arbeitsrecht anerkannt: das<br />

Recht auf gesunde und sichere Arbeitsbedingungen.<br />

Dieses Recht ist ein wesentlicher Bestandteil<br />

des neuen Sozialvertrags, den wir fordern,<br />

um Erholung und Resilienz nach Covid-19<br />

herzustellen. Die Änderung nimmt die Regierungen<br />

aller 187 ILO-Mitgliedstaaten in die Pflicht.<br />

Das neue Recht wird Eingang finden in die<br />

Handelsabkommen, Investitionsentscheide und<br />

globalen Lieferketten, insbesondere, wenn auch<br />

die Sorgfaltspflicht gilt. Darüber hinaus wird es<br />

die Gewerkschaften ermächtigen, die Arbeitnehmenden<br />

besser zu schützen.<br />

Die Regierungen müssen die in den Kernübereinkommen<br />

enthaltenen Rechte und Pflichten<br />

achten, und wir rufen zu ihrer universellen<br />

Ratifizierung und Umsetzung auf. Die Schweiz<br />

brauchte nach der ursprünglichen Erklärung von<br />

1998 nur drei Jahre, um die anderen drei grundlegenden<br />

Übereinkommen zu ratifizieren, und<br />

wir fordern dringend dazu auf, hier vergleichbar<br />

vorzugehen. Die Arbeitnehmenden in der<br />

Schweiz würden das Recht erhalten, in Fragen<br />

der Prävention konsultiert zu werden und gefährliche<br />

Arbeiten zu verweigern. In Ländern wie<br />

Bangladesch würden Brände in Fabriken zukünftig<br />

verhindert. Wir sehen einen Fortschritt von<br />

historischem Zuschnitt. Die Gewerkschaften<br />

müssen diese Gelegenheit nutzen, um sicherzustellen,<br />

dass niemand sterben muss, weil er<br />

einfach seinen Lebensunterhalt verdient.<br />

4<br />

8<br />

22<br />

Owen Tudor, stv. Generalsekretär<br />

Internationaler Gewerkschaftsbund ITUC-IGB


4<br />

Das GAV-Team<br />

bei Smood<br />

«Der GAV baut die Rechte der Kurier:innen<br />

bei Smood massiv aus»<br />

Von links nach rechts:<br />

David Roth, Zentralsekretär des Sektors<br />

Logistik von <strong>syndicom</strong> in Bern, hat den<br />

Branchen-Gesamtarbeitsvertrag der<br />

Velo- und Foodkurier:innen ausgehandelt<br />

und kennt die Branche wie seine<br />

eigene Velotasche.<br />

Davide Negri, bei Smood seit 2019,<br />

fährt als Kurier mit seinem Zweiräder in<br />

Zürich.<br />

Kalin Atanasov, bei Smood seit 2019,<br />

fährt als Kurier mit dem Auto in<br />

Winterthur.<br />

Auf dem kleinen Bild:<br />

Michel Guillot, Regionalsekretär von<br />

<strong>syndicom</strong> in Genf, lange Jahre Zusteller<br />

bei der Post, kennt die Bedürfnisse der<br />

Velo- und Foodkuriere aus erster Hand;<br />

arbeitet eng mit Kurier:innen verschiedener<br />

Firmen zusammen.<br />

Text: Matthias Loosli<br />

Bild: Patrick Gutenberg<br />

«Jetzt haben auch wir<br />

vernünftig geplante<br />

Arbeitszeiten»<br />

... es war ein harziger Start mit vielen<br />

Rechtsfällen. Seit 2018 waren wir auf<br />

juristischem Weg mit der Smood SA in<br />

Kontakt. Ende 2020 standen eine<br />

HR-Mitarbeiterin und Zentralsekretär<br />

David Roth vor der Schlichtungsstelle<br />

in Luzern. Für einmal war Smood nicht<br />

durch einen Anwalt vertreten! David<br />

schlug also vor, dass sich Smood und<br />

<strong>syndicom</strong> auch einmal direkt treffen<br />

könnten, statt nur vor den Schlichtungsstellen<br />

im ganzen Land – Smood<br />

willigte ein.<br />

So trafen wir uns zu Gesprächen,<br />

bei denen wir Smood bestehende GAV<br />

und unsere Bedürfnisse erläuterten.<br />

Die Gespräche unterbrachen wir zwischen<br />

November 21 und März 22, als<br />

ein Arbeitskonflikt in der Romandie<br />

ausgebrochen war. Im Zentrum des<br />

Konfliktes: Der Personalverleiher «SimplePay»,<br />

mit dem Smood in Genf und<br />

in der Waadt zusammen arbeitete. Es<br />

ging um Missstände, die eigentlich<br />

nicht vorkommen sollten im Personalverleih.<br />

Schliesslich besteht für Temporäre<br />

ein allgemein verbind licher Gesamtarbeitsvertrag,<br />

der offensichtlich<br />

vernachlässigt wurde. Nachdem eine<br />

Schlichtung keine Lösung brachte,<br />

starteten wir Vertragsverhandlungen<br />

für einen GAV. Als Delegierte unserer<br />

Kolleg:innen, die auch bei <strong>syndicom</strong><br />

organisiert sind, hatten wir eine hohe<br />

Verantwortung. Michel war in Kontakt<br />

mit seinen Vertrauenspersonen oder<br />

mit Gewerkschaftsorganen wie dem<br />

«Branchenvorstand der Velo- und<br />

Food kurier:innen». Kalin und Davide<br />

tauschten sich an ihren Standorten mit<br />

den Kolleg:innen aus.<br />

Für Davide war zentral, ein faires,<br />

nachvollziehbares Spesensystem zu<br />

finden. Natürlich auch ein Mindestlohn,<br />

der seinen Namen verdient.<br />

Die 23 Franken pro Stunde tun das.<br />

Mit dem Sonntagszuschlag von 5 %<br />

kommt noch etwas oben drauf. Wertvoll,<br />

denn sonntags fällt viel Arbeit<br />

an bei den Foodkurier:innen. Für Kalin<br />

zählt vor allem, dass er regelmässig<br />

arbeiten kann. Er braucht Arbeit,<br />

die planbar ist, natürlich ohne unbezahlte<br />

Wartezeiten. Mit den wöchentlich<br />

garantierten Arbeitsstunden,<br />

einer Mindestdauer von 2 Stunden<br />

pro Schicht und der Einsatzplanung,<br />

die er 14 Tage im Voraus erhält, gibt<br />

ihm der GAV genau das.<br />

Mit 324 zu 22 Stimmen haben die<br />

Smood-Leute in der Urabstimmung<br />

dem Vertragswerk, das wir ausgehandelt<br />

haben, zugestimmt. Das war eine<br />

Bestätigung für uns. Der GAV Smood<br />

gilt ab Oktober 2022 mit einer dreimonatigen<br />

Übergangsfrist. Und er verbessert<br />

die Stellung der Smood-Angestellten<br />

massiv.


Kurz und<br />

bündig<br />

Presserat kurzfristig gerettet \ Neue PeKo bei Sunrise UPC \<br />

Erste Verbesserungen bei der Tessiner Post \ Sommerjob und<br />

Arbeitsrechte \ Flankierende Massnahmen wirksam \ PostNetz<br />

will Verkaufsziele korrigieren \ Kita-Initiative unterschreiben!<br />

5<br />

Überleben des Presserats<br />

zunächst gesichert<br />

Der Schweizer Presserat hat von seinem<br />

Stiftungsrat, dem auch <strong>syndicom</strong> angehört,<br />

einen Betrag von 100 000 Franken<br />

zur Verfügung gestellt bekommen. Diese<br />

einmalige Finanzierung ermöglicht es,<br />

die Aktivitäten der Medienselbstregulierung<br />

bis Ende 2023 fortzusetzen.<br />

Ein bisschen Sauerstoff nach der Ablehnung<br />

des Förderpakets für die Medien im<br />

Februar, das auch den Presserat alimentiert<br />

hätte. Die Suche nach Wegen für<br />

eine nachhaltige finanzielle Stützung<br />

der Medien geht weiter.<br />

Neue Personalvertretung bei<br />

Sunrise UPC gewählt<br />

In die neue Personalvertretung von<br />

Sunrise UPC wurden auch 10 <strong>syndicom</strong>-<br />

Mitglieder gewählt. Es sind Alban Ahmeti,<br />

Alexander Drews, Beat Isler, Bettina<br />

Huber, Matthias von Strantz, Mariem<br />

Fia djigbe, Peter Schneller, Rudolf Lippuner,<br />

Stefano Lendaro und Tayfun Aksoy.<br />

Herzlichen Glückwunsch im Namen von<br />

<strong>syndicom</strong>!<br />

Prekariat bei der Tessiner Post<br />

wird zurückgedrängt<br />

Die im April im Tessin lancierte Petition<br />

«Stoppt das Prekariat bei der Post» hat<br />

bereits ein Ergebnis erzielt. Die befristeten<br />

Verträge von Neuangestellten<br />

(mehr als 40 allein in der Region Lugano),<br />

die nicht dem GAV entsprachen,<br />

wurden regularisiert und in unbefristete<br />

Verträge umgewandelt. Die Forderung<br />

nach einer Erhöhung der Löhne für Neueinsteiger<br />

wird auf nationaler Ebene<br />

eingebracht, derweil im Tessin eine<br />

Arbeitsgruppe eingesetzt wird, die konkrete<br />

Lösungen für die Erhöhung des<br />

Beschäftigungsgrads, die Gewährleistung<br />

eines stabilen Beschäftigungsverhältnisses<br />

und die Wahrung der vom<br />

GAV vorgesehenen Rechte finden soll.<br />

Kleiner Job im Sommer?<br />

Jugendliche haben Rechte<br />

Die grossen Ferien sind für viele junge<br />

Leute die Zeit, sich mit Gelegenheitsjobs<br />

ein Taschengeld zu verdienen.<br />

Wenn man einen Job hat, ist man ein<br />

Arbeitnehmer wie jeder andere auch.<br />

Und für Arbeitnehmerinnen gelten<br />

arbeitsrechtliche Bestimmungen, ein<br />

angemessener Lohn und die Einhaltung<br />

von Sicherheitsvorschriften am Arbeitsplatz.<br />

Infos: <strong>syndicom</strong>.ch/7qmp7<br />

Flankierende Massnahmen<br />

wirken – weiter nötig<br />

Der SGB kommentiert den 18. Bericht<br />

zum Freizügigkeitsabkommen wie folgt:<br />

Die Flankierenden Massnahmen bewähren<br />

sich. Dank Kontrollen und Bussen<br />

kamen die Schweizer Löhne nie unter<br />

Druck. Lohndumping bleibt zwar eine<br />

Realität: Jeder 5. Betrieb bleibt in den<br />

Kontrollen hängen, und die prekären<br />

Arbeitsformen der Entsendung und der<br />

Kürzestaufenthalte haben stark zugenommen.<br />

Gerade die Schweiz braucht<br />

darum Lohnschutz, schreibt der SGB.<br />

Verkaufsziele bei PostNetz<br />

sollen gelockert werden<br />

Die <strong>syndicom</strong>-Resolution PostNetz<br />

«Stoppt den Zielwahnsinn und ungebührlichen<br />

Verkaufsdruck» zeigt erste<br />

Resultate: Die Leitung von PostNetz<br />

habe die Mängel erkannt und wolle sie<br />

korrigieren, so die Aussagen an der<br />

Sitzung der Fachkommission PN.<br />

Die Gewerkschaft bleibt dran.<br />

Initiative für bezahlbare Kitas<br />

Plätze in der Kinderbetreuung gibt es<br />

zu wenige, sie sind zu teuer, und die<br />

Arbeitsbedingungen der Branche und<br />

damit die Betreuungsqualität sind zu<br />

schlecht. Alle drei Probleme können<br />

mit der Kita-Initiative gelöst werden.<br />

Am besten gleich unterschreiben:<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/kwwx6<br />

Agenda<br />

August<br />

25. 8.<br />

Illustrator:innen-Stammtisch<br />

Einladung zum ersten Stammtisch der<br />

Illustrator*innen im Garten von <strong>syndicom</strong>.<br />

Ein informeller Austausch zum<br />

Thema «Selbständig als Illustrator:in».<br />

18 bis 22 Uhr, Bern Monbijou.<br />

31. 8.<br />

Juristische Tagung des SGB<br />

Mobile und flexible Arbeitsformen wie<br />

Homeoffice oder Telearbeit allgemein<br />

werfen viele juristische Fragen auf. An<br />

der Tagung (auch für Nicht-Jurist:innen<br />

aus der Gewerkschaft) im Hotel<br />

Bern werden sie aktuell diskutiert.<br />

September<br />

10. 9.<br />

Tag der Freien 2022<br />

«Älter werden als Freie» ist das grosse<br />

Thema in Zürich, Kulturhaus Helferei,<br />

13.15–17.15 Uhr, nachher Apéro.<br />

12.–25. 9.<br />

comPlan-Wahl bei Swisscom<br />

Alle bei Swisscom und cablex, denen<br />

die Rente nicht egal ist, nehmen teil an<br />

der Wahl zum Stiftungsrat von com-<br />

Plan und wählen die <strong>syndicom</strong>-Liste.<br />

Oktober<br />

1. 10.<br />

Journée Romande<br />

de la Typographie<br />

Ab 10 Uhr bei UNI Global Union in Nyon.<br />

Mit einer Ausstellung von den schönsten<br />

Büchern des vergangenen Jahres.<br />

bis 23. 10.<br />

Bilderbücher<br />

Im Winterthurer Gewerbemuseum sind<br />

illustrierte Bücher für Kinder und Erwachsene<br />

zu sehen. Mit Live-Ateliers.<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/agenda


6 Die andere<br />

Gertrud Hierzer leitet als Vice President HR und Mitglied der<br />

Seite<br />

Geschäftsführung die Personalabteilung Schweiz und Österreich<br />

bei T-Systems Alpine. Sie ist seit 2012 im Unternehmen<br />

und hat u. a. einen Master als Digital Engineer, einen Magister<br />

als Wirtschaftspsychologin und ist ausgebildeter Coach.<br />

1<br />

Welche Chancen sehen Sie für T-Systems<br />

Alpine für die Schweiz und<br />

Österreich in den nächsten Jahren?<br />

Alles wird schneller, technischer, digitaler<br />

und muss gleichzeitig kosteneffizienter,<br />

reibungsloser, fehlerresistenter<br />

und performanter sein. Und<br />

genau da sehe ich die grosse Chance:<br />

Unsere Hauptaufgabe ist aktuell, gute<br />

Leute zu halten, weiterzubilden und<br />

ihnen den Freiraum zu geben, kreativ<br />

und innovativ für unsere Kunden zu<br />

sein. Wenn wir das alles im Blick haben,<br />

sind wir nicht aufzuhalten.<br />

2<br />

Warum braucht es Gesamtarbeitsverträge<br />

in der IT-Branche?<br />

Der Gesamtarbeitsvertrag gibt den<br />

Mitarbeitenden Verlässlichkeit. Gerade<br />

in unsicheren Zeiten ist er ein Signal<br />

sowohl ins eigene Unternehmen<br />

als auch nach aus sen: wir gehören zusammen<br />

– auch in weniger guten Zeiten.<br />

Stabilität neben all den Instabilitäten<br />

– geopolitisch, geoökonomisch,<br />

durch den immensen Innovationsschub<br />

– kann durchaus ein Argument<br />

für unser Unternehmen sein. Dazu<br />

trägt ein gut verhandelter GAV bei.<br />

3<br />

Inwiefern profitiert T-Systems, wenn<br />

sich Mitarbeitende an der Weiterentwicklung<br />

des GAV beteiligen können?<br />

Es ist immer eine gute Idee, Mitarbeitende<br />

an Themen zu beteiligen, die<br />

sie unmittelbar betreffen. Nur so ist<br />

man am Puls der Zeit und trifft die<br />

Bedürfnisse, die es zu beachten gilt.<br />

Ohne Beteiligung der Mitarbeitenden<br />

ist die Wahrscheinlichkeit recht<br />

hoch, dass das Ergebnis weder den<br />

Erwartungen entspricht noch gut<br />

akzeptiert wird.<br />

4<br />

Sie sind gleichzeitig für die Schweiz<br />

und für Österreich zuständig. Sehen<br />

Sie Unterschiede in den sozialpartnerschaftlichen<br />

Kulturen?<br />

Die gibt es schon – alleine durch die<br />

unterschiedliche Gesetzgebung.<br />

In Deutschland sind die Mitbestimmungsrechte<br />

ganz anders als in Österreich<br />

oder in der Schweiz. Ich habe<br />

die besten Erfahrungen gemacht,<br />

wenn die Sozialpartner sich auf das<br />

eine gemeinsame Ziel konzentrieren,<br />

nämlich dass sich wirtschaftlicher Erfolg<br />

nur als gesunde Einheit einstellt.<br />

Somit steht das für mich im Vordergrund<br />

und weniger rechtliche oder<br />

mentalitätsbedingte Unterschiede.<br />

5<br />

Was tut T-Systems, um in einer sogenannten<br />

Männerbranche weibliche<br />

Talente anzuziehen?<br />

Einerseits investieren wir viel in die<br />

Nachwuchsförderung und bekommen<br />

durch unser IT­Lernenden­Programm<br />

doch einige junge Frauen ins<br />

Unternehmen. Diese jungen Frauen<br />

gilt es natürlich zu fördern und zu<br />

unterstützen, damit sie uns auch erhalten<br />

bleiben. Wir haben Gleichstellungsprogramme<br />

wie das Aufheben<br />

des Gender­Payment­Gaps, das Zerschlagen<br />

der «gläsernen Decke» hinsichtlich<br />

Karrierechancen für Frauen,<br />

und auf manche Führungspositionen<br />

setzen wir auch Quoten.<br />

6<br />

Inwiefern stellt der Fachkräftemangel<br />

in der IT-Branche für T-Systems eine<br />

Herausforderung dar?<br />

Wir haben in der IT­Branche einen<br />

gewissen Vorteil, da wir viele Prozesse<br />

relativ einfach digitalisieren bzw.<br />

automatisieren können. Natürlich<br />

braucht es auch dafür erst einmal<br />

Personal. Ich fürchte, die Lage wird<br />

nicht besser – wir sind alle gehalten,<br />

wirklich kreativ zu werden, um Mitarbeitende<br />

zu finden, auszubilden, zu<br />

halten. Im HR heisst es: Früher mussten<br />

sich Mitarbeitende auf Jobs bewerben,<br />

heute bewerben sich Unternehmen<br />

bei den Leuten. Darauf läuft<br />

es hinaus.<br />

Text: Miriam Berger<br />

Bild: zVg


Gastautorin<br />

Leider sind Berufskrankheiten,<br />

Arbeitsunfälle und Todesfälle bei der Arbeit immer<br />

noch zu häufig. Nach Schätzungen der WHO<br />

und der ILO waren von 2000 bis 2016 Berufskrankheiten<br />

für 81 Prozent der arbeitsbedingten<br />

Todesfälle verantwortlich. Die restlichen 19 Prozent<br />

entfielen auf Arbeitsunfälle.<br />

Wir wissen zwar, dass sich Geschlecht und<br />

Gender auf die Berufe, die Arbeitsbedingungen<br />

und die Art, wie Männer und Frauen behandelt<br />

werden, auswirken. Weniger bekannt ist vielleicht,<br />

dass sich das Geschlecht auch in den<br />

Gesundheits risiken zeigt. Vielfach werden die<br />

von Frauen ausgeführten Arbeiten fälschlich<br />

als sicher und unkompliziert angesehen. Viele<br />

Frauen kommen zum Beispiel bei der Arbeit<br />

mit Chemikalien in Kontakt, trotzdem sind<br />

geschlechts spezifische Auswirkungen der stofflichen<br />

Exposition auf ihre Gesundheit noch kaum<br />

untersucht. Besonders verletzlich sind auch<br />

Personen, die mit Fristverträgen, im Schichtdienst<br />

oder auf Abruf tätig sind oder weitgehend<br />

ungeschützt selbständige Tätigkeiten ausüben.<br />

Mit der Prekarität der Arbeit nehmen Gesundheitsprobleme,<br />

Depressionen und Medikamentenabhängigkeit<br />

zu.<br />

Es muss dringend eingegriffen werden mit<br />

Schutz- und Präventionsmassnahmen, die den<br />

ständigen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt<br />

Rechnung tragen: für die Callcenter-Agentin, die<br />

Familie und Beruf vereinbaren muss, den Fahrer<br />

auf Abruf oder den selbständigen Gärtner. Dank<br />

der nationalen Frauensession setzt sich das<br />

Parlament für die Gendermedizin ein. Dank<br />

mehrerer parlamentarischer Vorstösse hat der<br />

Bundesrat auch beschlossen, das ILO-Übereinkommen<br />

190 zur Beseitigung von Gewalt und<br />

Belästigung in der Arbeitswelt zu ratifizieren.<br />

Können wir die psychische und physische Gesundheit<br />

der atypischen Arbeitnehmenden besser<br />

schützen? Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz<br />

müssen eine nationale Priorität aller<br />

Akteur:innen werden, angefangen bei der Politik.<br />

Gesunde Arbeit für eine<br />

starke Gesellschaft<br />

Marina Carobbio ist seit 2019 Ständerätin<br />

(SP/TI), zuvor war sie 12 Jahre lang<br />

Nationalrätin, 2018 und 2019 als Präsidentin<br />

des Nationalrats. Sie ist Mitglied<br />

der Kommission für soziale Sicherheit<br />

und Gesundheit, der Kommission für<br />

Wissenschaft, Bildung und Kultur, der<br />

Finanzkommission und der Schweizer<br />

Delegation des Europarates. Ausserdem<br />

ist sie Präsidentin oder aktives Mitglied<br />

zahlreicher Vereinigungen in den<br />

Be reichen Gesundheit, Soziales und<br />

Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Siehe auch marinacarobbio.ch<br />

7


Dossier<br />

10 Der ewige Kampf um sichere und gesunde Arbeit<br />

12 Was die ILO aus den Erfahrungen der Pandemie gemacht hat<br />

13 Selbständige und Plattformarbeit: nicht im sozialen Netz<br />

14 Konkrete Erfolge durch Beharrlichkeit und gute Daten: cablex


9<br />

Gesundheit<br />

geht vor


10 Dossier<br />

Das Gleichnis vom Elefanten<br />

Lange glaubte man, der Kampf um gesunde<br />

Arbeit sei gewonnen. Irrtum: Er hat gerade<br />

erst begonnen.<br />

Text: Oliver Fahrni<br />

Bild: Cécile Monnier<br />

Wenn im November die besten Mannschaften der Welt in<br />

Katar um die Fussball-Weltmeisterschaft spielen, sind<br />

die Millionen-Kicker auf Friedhöfen zugange. Denn im<br />

kleinen, reichen Emirat am arabischen Golf sind mehr<br />

als 6500 Arbeitsmigranten aus Indien, Pakistan, Nepal,<br />

Bangla desch und Sri Lanka zu Tode gekommen, seit die<br />

FIFA Katar mit der Ausrichtung der WM betraut hat. Die<br />

meisten von ihnen arbeiteten auf dem Bau der sieben<br />

neuen Stadien und der gigantischen WM-Infrastrukturen.<br />

Dies enthüllte eine Recherche der britischen Zeitung<br />

«The Guardian».<br />

Die Todesursachen wurden in der Regel als «natürlich»<br />

vertuscht. Viele starben den Hitzetod, andere an Erschöpfung,<br />

durch Stürze aus grosser Höhe, elektrische Schläge<br />

oder explodierende Schweissgeräte, manche wurden<br />

erdrückt von Lasten, Maschinen und einbrechenden Gerüsten.<br />

Auf vielen Baustellen fehlten sogar Helme. Wo<br />

keine Gewerkschaft für sichere Arbeitsverhältnisse sorgt,<br />

ist Arbeit am Bau mörderisch. In der Verzweiflung über<br />

die sklavischen Arbeitsbedingungen hat sich eine unbekannte<br />

Zahl von Arbeitenden das Leben genommen.<br />

Das heimliche Massensterben für den globalen Glitzer-<br />

Anlass ruft in Erinnerung, was in europäischen Staaten<br />

mit gut ausgebautem Arbeitsschutz gerne verdrängt wurde,<br />

zumindest bis zur Corona-Epidemie: Am Arbeitsplatz<br />

holt man sich oft Tod oder Krankheit.<br />

Das Ringen um Sicherheit und Gesundheit stand am<br />

Anfang der Gewerkschaftsbewegung und die solidarischen<br />

Kassen der Arbeitenden gegen «Ungfehl» waren die<br />

Vorläuferinnen aller Sozialversicherungen.<br />

Bei guter Gesundheit von der Arbeit nach Hause zu kommen,<br />

bleibt eine permanente Anstrengung und brandaktuell,<br />

wie der Erfahrungsbericht von <strong>syndicom</strong>-Sekretärin<br />

Valentina Smajli zeigt (Seite 14). Eigentlich ist sichere Arbeit<br />

seit dem letzten Kongress der Welt-Arbeitsorganisation<br />

ILO ein international verbrieftes Grundrecht. Doch<br />

während wir dieses Heft produzieren, gehen gerade Tausende<br />

von Bauarbeitenden in der Schweiz durch die Hölle<br />

von Gluthitze und Ozon – und dies bei extrem langen Arbeitstagen.<br />

Die Gewerkschaft Unia fordert den Baustopp<br />

ab 35 Grad, die Konzerne sperren sich, Rentabilität geht<br />

vor. Dabei sind die Zahlen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt<br />

SUVA eindeutig: Ab <strong>30</strong> Grad steigen die<br />

Unfälle auf dem Bau wie im Transportgewerbe um 7 Prozent.<br />

Das sind Hunderte von vermeidbaren Opfern, andere<br />

Folgen wie etwa Hautkrebs gar noch nicht eingerechnet.<br />

Das ist brisant, weil mit der Klimaerwärmung extreme<br />

Wettersituationen gerade die Norm werden. Jetzt machten<br />

die Arbeitenden per Grossdemo Druck auf die Unternehmen,<br />

um bessere Hitze- und Schlechtwetter-Regelungen<br />

im Bau-GAV (LMV) zu verankern.<br />

Hitze ist nur eines von vielen Risiken. Gifte, gefährliche<br />

Chemikalien, Nanopartikel, Staub, schwere Lasten,<br />

Lärm, falsch eingesetzte Maschinen richten Verheerungen<br />

an. Aber auch Stress, überlange Arbeitszeiten, Schichtund<br />

Nachtarbeit. Und Viren. Und der Verkehr. Für 2019<br />

weist das Bundesamt für Statistik an die 280 000 Berufsunfälle<br />

aus. Besonders exponiert, nach den Bauarbeitenden:<br />

Arbeitende in der Industrie, Chauffeure und Kurierinnen,<br />

Mechanikerinnen und Mechaniker. Doch es gibt<br />

kaum Berufe ohne starke Gesundheitsrisiken.<br />

Zudem bilanziert die SUVA rund 3500 Fälle von Berufskrankheiten.<br />

Diese Zahl täuscht. Manche Gesundheitsschäden,<br />

die man bei der Arbeit erleidet, werden nicht<br />

mitgezählt. Teilweise, weil sie offiziell nicht als Berufskrankheit<br />

gelten. Teilweise, weil sie als unausweichlich<br />

hingenommen werden. Etwa die Kopfschmerzen der<br />

Uhrenarbeiterinnen, die dazu führten, dass sie morgens<br />

ihre Pausenbrote mit Schmerzmitteln belegten («Saridon-<br />

Sand wich»). Die Arthrosen, die Pflegepersonal und manche<br />

Bauern gemeinsam haben. Oder die Stressfolgen und<br />

Schlafstörungen der Busfahrerinnen und Busfahrer (wie<br />

eine gemeinsame Studie dreier Gewerkschaften belegt,<br />

Seite 17). Und viele weitere psychosomatische Störungen,<br />

bis hin zu Depressionen und Burn-outs.<br />

Gewicht auf der Brust: Die Antwort der Versicherer<br />

Derzeit wird um die Anerkennung des Burn-outs ein erbitterter<br />

Streit zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeber-Lobbyisten<br />

und Versicherungen geführt. Dabei geht<br />

es um viel: Die Absenzen wegen psychischer Probleme haben<br />

seit 2010 um mehr als 50 Prozent zugenommen. Doch<br />

erst wenn bestimmte Gesundheitsschäden als Berufskrankheit<br />

offiziell anerkannt sind, können die Gewerkschaften<br />

wirksame Vorsorge in Gesamtarbeitsverträgen<br />

und notfalls im Gesetz durchsetzen. Arbeitgeber und Versicherungen<br />

aber versuchen oft, eine solche Anerkennung<br />

zu verhindern – denn dann werden auch Entschädigungen,<br />

Versicherungsleistungen und betriebliche<br />

Investitionen (etwa Personalaufstockungen) fällig.<br />

Zählt eine Infektion mit Covid-19 am Arbeitsplatz als<br />

Berufskrankheit? Sehr viele Menschen haben sich die<br />

Gesund von<br />

der Arbeit<br />

nach Hause<br />

zu kommen,<br />

ist ein<br />

Grundrecht.


Seuche bei der Arbeit geholt. Doch die Praxis der SUVA<br />

und der Versicherungen zeigt, dass eine Ansteckung im<br />

Job nicht genügt. Weitere Kriterien müssen erfüllt sein.<br />

So muss etwa das Risiko, das Virus bei der Arbeit zu erwischen,<br />

sehr viel höher sein als im üblichen Alltag. Was im<br />

Einzelfall, etwa bei Pöstlern oder Expresskurieren, schwierig<br />

nachzuweisen ist (Hintergrund dazu auf Seite 12).<br />

Versicherungen und Arbeitgeber halten es lieber mit<br />

dem Gleichnis vom Elefanten: Ein Politiker sieht einen<br />

Mann am Boden. Auf dessen Brust sitzt ein Elefant. Der<br />

Mann sagt: «Bitte helfen Sie mir, ich kann kaum noch atmen.<br />

Sagen Sie dem Elefanten, dass er von mir runter<br />

soll.» Darauf der Politiker: «Ich bin mir nicht sicher, dass<br />

der Elefant das Problem ist. Vielleicht rauchen Sie zu viel.<br />

Vermutlich ist der Elefant nur ein Vorwand, um eine<br />

Sozial leistung zu erschleichen.»<br />

Patrons nahmen das Raucherargument, mit dem sie<br />

über Jahrzehnte die Staublunge kleingeredet hatten, sogar<br />

als Ausrede beim Asbestkrebs. Asbest ist eine gigantische<br />

Industriekatastrophe. Seit 100 Jahren kennt man die<br />

Lungenkrankheit Asbestose. Doch der Stoff ist billig und<br />

hat nützliche Eigenschaften. Seit 1962 weiss man, dass<br />

seine Fasern auch einen besonders tödlichen Krebs hervorrufen.<br />

Zehntausende sind daran gestorben. Doch die<br />

Asbestbarone (Zementindustrie) blockierten bis 1990 ein<br />

Verbot. Sie vertuschten, täuschten und gaben nur zu, was<br />

schon bewiesen war. Das EU-Verbot folgte 2005. Heute<br />

noch tötet Asbest allein in der Schweiz rund 170 Personen.<br />

Weltweit sind es Hunderttausende. Denn seine Produktion<br />

wurde nicht gestoppt, sondern einfach in ärmere<br />

Länder mit laschen Arbeits- und Umweltschutzgesetzen<br />

(und schwachen Gewerkschaften) ausgelagert.<br />

Wie mit dem Asbest verfuhr das Kapital mit vielen<br />

heiklen Produktionen. Als Folge der neoliberalen Globalisierung<br />

schlagen sich jetzt vor allem die Industrie länder<br />

in Asien und Lateinamerika mit immensen Gesundheitsproblemen<br />

und ökologischen Katastrophen herum. Der<br />

afrikanische Kontinent seinerseits wird gerade zur Sondermüllhalde<br />

der Welt. Immense Herausforderungen für<br />

die internationalen Gewerkschaften und die ILO. In 113<br />

Lange Arbeitszeiten<br />

sind medizinisch<br />

mörderisch und<br />

gesellschaftlich<br />

tödlich<br />

von 148 Ländern, die der Internationale Gewerkschaftsbund<br />

ITUC jährlich untersucht, sind die Arbeitenden von<br />

jedem gewerkschaftlichen Schutz ausgeschlossen, 87 Prozent<br />

der Länder verletzten das Grundrecht auf Streik.<br />

Jetzt attackiert das Kapital den erkämpften Schutz der<br />

Arbeitenden in der reichen Welt. Seine Hebel sind Digitalisierung<br />

und Plattformarbeit. Auch in der Schweiz steigt<br />

der Anteil von «untypisch» Beschäftigten rasch (die Probleme<br />

der Scheinselbständigen: Seite 13). Bereits warnt die<br />

Arbeitsmedizin vor wahren Epidemien an Diabetes, Herzund<br />

Kreislaufkrankheiten und Krebs, wenn die Absicht<br />

rechter Parlamentarier:innen Erfolg haben sollte, die Arbeitszeit<br />

zu entgrenzen. Sie wollen bis zu 67 Stunden pro<br />

Woche arbeiten lassen, an 50 bis 60 Tagen pro Jahr 10<br />

Stunden pro Tag. Damit stiege das Risiko für Herz- und<br />

Hirninfarkte um die Hälfte, die Lebenserwartung würde<br />

stark verkürzt. Zwei Jahre Erfahrung mit Homeoffice haben<br />

uns gelehrt: Entgrenzte Arbeitszeit, digitaler Stress<br />

und 24-Stunden-Verfügbarkeit sind medizinisch mörderisch<br />

und gesellschaftlich tödlich. Der Kampf um die Gesundheit<br />

am Arbeitsplatz hat erst begonnen.


12<br />

Dossier<br />

Lehren aus Corona und ein neues<br />

Grundrecht für alle Arbeitenden<br />

Covid-19 hat uns einige bittere Erkenntnisse<br />

über den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz<br />

geliefert. Was die ILO, die einzige tripartite<br />

Organisation der Uno (aus Regierungen, Gewerkschaften<br />

und Arbeitgebern), aus ihnen<br />

macht.<br />

Text: Federico Franchini<br />

Bild: Cécile Monnier<br />

Die Pandemie war für uns alle sehr schwierig – umso wichtiger,<br />

dass wir nun Erkenntnisse daraus gewinnen. Zum<br />

Beispiel zum Thema Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz:<br />

Wie in Zukunft die Ausbreitung neuer Viren<br />

oder Krankheiten am Arbeitsplatz verhindert werden<br />

kann, lässt sich mit Covid-19 besser verstehen. Die Internationale<br />

Arbeitsorganisation (ILO) hat vor kurzem Technische<br />

Richtlinien zu biologischen Gefahren verabschiedet.<br />

Denn mit Covid-19 sind diverse normative Lücken ans<br />

Licht gekommen, die ausgefüllt werden müssen.<br />

In Genf haben die Expert:innen der ILO anhand verschiedener<br />

Studien analysiert, was während der Pandemie<br />

geschah und welche Lehren daraus zu ziehen sind.<br />

Eine erste Erkenntnis betrifft die Zusammenarbeit zwischen<br />

Arbeitnehmenden, Arbeitgebern und Regierungen.<br />

Dafne Papandrea, Autorin eines neuen Reports der ILO zu<br />

diesem Thema, sagt: «Die Zusammenarbeit zwischen den<br />

Akteuren der Arbeitswelt ist wesentlich, um sicherzustellen,<br />

dass beschlossene Massnahmen von den Arbeitnehmenden<br />

und Arbeitgebern akzeptiert und unterstützt<br />

«Die Pandemie hat<br />

gezeigt, wie wichtig der<br />

Sozialschutz ist.»<br />

Dafne Papandrea, ILO<br />

werden. So steigen die Chancen, dass sie wirklich umgesetzt<br />

werden.» Für die Wissenschaftlerin hat die Krise gezeigt,<br />

wie «Massnahmen, die von oben angeordnet werden,<br />

weniger wirksam sind als partizipative Prozesse».<br />

In vielen Ländern hat diese Zusammenarbeit schon<br />

zur Verabschiedung von Gesetzen beigetragen. Dazu zählen<br />

Massnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von<br />

Covid-19 am Arbeitsplatz sowie Vereinbarungen zum<br />

Homeoffice. Das Homeoffice ist besonders interessant:<br />

Von einem Tag auf den anderen arbeiteten viele von zu<br />

Hause aus und mussten gleichzeitig den Familienalltag<br />

meistern. Dafne Papandrea: «Auf internationaler Ebene<br />

gibt es eine Verpflichtung, die Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz<br />

zu schützen oder einen sicheren und gesunden<br />

Arbeitsplatz zu gewährleisten. Aber ist das Zuhause ein<br />

Arbeitsplatz? Als Expert:innen der ILO haben wir nicht<br />

nur die Auswirkungen des Homeoffice auf die Gesundheit,<br />

die Sicherheit und das Wohlbefinden beobachtet,<br />

sondern dann auch praktische Leitlinien zum Schutz und<br />

zur Förderung der körperlichen und geistigen Gesundheit<br />

derjenigen, die zu Hause arbeiten, bereitgestellt.»<br />

Ein weiterer Aspekt ist der Sozialschutz. Wie Dafne Papandrea<br />

weiter erklärt, befanden sich alle, die während<br />

Covid-19 in der informellen Wirtschaft oder über Plattformen<br />

arbeiteten, in einer sehr komplizierten Lage: «Wer<br />

krank war und in dieser Schattenwirtschaft tätig war,<br />

konnte nicht nicht arbeiten. Ohne Sozialschutz hätte er<br />

oder sie nichts verdient. Dies trug zur Ausbreitung des<br />

Virus bei und gefährdete die Arbeitnehmenden selbst und<br />

die Gesellschaft insgesamt. Die Pandemie hat also gezeigt,<br />

wie wichtig der Sozialschutz und seine Ausweitung<br />

auch auf die Plattformarbeitenden ist.»<br />

Der Prozess hin zu besseren Gesundheits- und Sicherheitsgarantien<br />

am Arbeitsplatz auf internationaler Ebene<br />

hat derweil einen Schritt nach vorne getan. Vor kurzem<br />

hat die Internationale Arbeitskonferenz das Recht auf<br />

eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung in die fundamentalen<br />

Prinzipien und Rechte der Internationalen Arbeitsorganisation<br />

aufgenommen. Damit verpflichten sich<br />

alle Mitgliedsländer der ILO, das grundlegende Recht auf<br />

sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu achten und<br />

zu fördern, unabhängig davon, ob sie die Vereinbarungen<br />

selber ratifiziert haben oder nicht.


Dossier<br />

Selbständig, enthusiastisch,<br />

aber im Notfall ohne Schutz<br />

13<br />

Die Gesundheitsgefahren in der Selbständigkeit<br />

und in der Plattformarbeit zeigen sich<br />

exemplarisch am Burn-out. Es ist nicht einmal<br />

als Berufskrankheit anerkannt.<br />

Text: Mattia Lento<br />

Bilder: Cécile Monnier<br />

1956 eröffnet der junge Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger,<br />

ein deutscher Jude, der dem Nationalsozialismus<br />

entkommen war, in New York eine eigene Praxis. Er<br />

ist glücklich, und er beginnt pausenlos zu arbeiten.<br />

Abends engagiert er sich freiwillig und hilft jungen Menschen,<br />

von Drogen wegzukommen. Freudenberger, der<br />

auch verheiratet und Vater dreier Söhne ist, hat wahrscheinlich<br />

sehr viel Energie und eine grosse Leidenschaft<br />

für seine Arbeit, aber nach einigen Jahren zerbricht etwas<br />

in ihm. Er fühlt sich erschöpft, ausgelaugt, resigniert und<br />

unausgeglichen. Nach einiger Zeit verfällt er in einen Zustand<br />

völliger physischer und psychischer Erschöpfung.<br />

Er beginnt, mit Kollegen darüber zu sprechen und Artikel<br />

zu schreiben. Zur Beschreibung seines Zustands benutzt<br />

er 1974 erstmals den Begriff «Burn-out», der zuvor im<br />

Sport verwendet und dann in der Psychologie und Arbeitsmedizin<br />

populär wurde.<br />

Selbständige Erwerbsarbeit heisst oft Prekarität<br />

Freudenberger war nicht nur ein genauer Beobachter und<br />

begabter Wissenschaftler, sondern auch Freiberufler. Er<br />

war zwar hochqualifiziert, beruflich gut situiert und wahrscheinlich<br />

ohne grosse Geldsorgen. Dennoch blieb er ein<br />

selbständig Erwerbstätiger, dem es aus dem einen oder<br />

anderen Grund nicht gelang, Arbeitsbelastung und verfügbare<br />

Energie im Gleichgewicht zu halten.<br />

Die selbständige Erwerbsarbeit ist explosionsartig angestiegen.<br />

Wie der Ökonom und Philosoph Christian Marazzi<br />

wiederholt geschrieben hat, ist das ein Produkt des<br />

spätkapitalistischen Systems. Die Free lancer:innen von<br />

heute laufen Gefahr, aufgrund eines in stabilen Wirtschafts-<br />

und Sozialsystems, das wenig Schutz bietet, krank<br />

zu werden. Eine freiberufliche Tätigkeit ist nicht immer<br />

freiwillig, und sie ist oft gleichbedeutend mit Prekarität.<br />

Francesco Giudici und Davide Morselli haben in einer<br />

neuen Studie mit Daten aus dem Schweizer Haushalts-<br />

Panel der letzten zwanzig Jahre gezeigt, wie Prekarität eng<br />

mit psychischem Unwohlsein, vor allem Depression, zusammenhängt.<br />

Einer Krankheit, die häufig mit einem<br />

Burn-out einhergeht. Für die Arbeitnehmenden der Gig-<br />

Economy – die zwar keine Freelancer:innen sind, aber als<br />

solche behandelt werden – ist die Lage nicht besser. Sie<br />

sind nicht nur äusserst prekär beschäftigt, sondern auch<br />

sozialer Isolation und der Überwachung durch Algorithmen<br />

ausgesetzt. Häufig leiden sie unter einem Mangel an<br />

beruflicher Identität und beruflichen Aussichten. Dies<br />

macht sie anfällig für Depressionen, Angststörungen,<br />

Schlafprobleme und Burn-out. Erst in einigen Jahren werden<br />

wir das Ausmass der Schäden, die mit der Plattformarbeit<br />

einhergehen, quantitativ erfassen können.<br />

Das Arbeitsrecht ist nicht auf der Höhe der Zeit<br />

Das Schweizer Arbeitsrecht ist auf diese Herausforderungen<br />

nicht vorbereitet. Das geginnt damit, dass «Burn-out»<br />

auch weiterhin keine Krankheitsdiagnose, sondern als<br />

Berufsphänomen definiert ist, das aber «multifaktorielle»<br />

Ursachen hat. Damit fällt es im Gegensatz zu anderen europäischen<br />

Ländern nicht unter die Berufskrankheiten.<br />

Anja Zyska Cherix, Chefärztin Arbeitsmedizin bei der<br />

SUVA, erklärt, dass «psychische Krankheiten (z. B. Depression)<br />

in der Schweiz dann als Berufskrankheiten gelten<br />

können, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit<br />

auf die Arbeit als Hauptursache zurückgeführt werden<br />

können». Die Einstufung von Burn-out als Krankheit hätte<br />

vor allem Folgen für die Krankenkassen.<br />

Die Versicherungsfrage allgemein ist auch ein brisantes<br />

Thema für Plattform-Arbeitnehmende und Selbständige.<br />

Erstere müssen endlich als Angestellte behandelt<br />

werden, wie das Bundesgericht für die Uber-Fahrer:innen<br />

entschieden hat. Für Letztere ist es wichtig, dass sie sich<br />

gegen Erwerbs ausfälle wegen Krankheit und Unfall versichern.<br />

Hier und heute noch ein teurer Schutz, den sich leider<br />

nicht alle leisten können.


14<br />

Dossier<br />

«Erkenntnisse aus meiner Diplomarbeit<br />

fliessen jetzt in den GAV cablex ein»<br />

Ein Beispiel sozialpartnerschaftlicher Zusammenarbeit<br />

von Gewerkschaft und Unternehmen<br />

– für den Gesundheitsschutz bei cablex.<br />

Text: Valentina Smajli,<br />

eidg. dipl. Gewerkschaftssekretärin<br />

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) sollte für<br />

jede Firma eine Selbstverständlichkeit sein – denn es<br />

zahlt sich doppelt aus. Ökonomisch liegen die Vorteile auf<br />

der Hand: krankheitsbedingte Abwesenheiten sind teuer!<br />

3 Prozent der Lohnkosten (Faustregel) werden direkt für<br />

krankheits- und unfallbedingte Absenzen aufgewendet.<br />

Aber das ist nicht alles: Bei Ausfällen muss die Arbeitgeberin<br />

die liegengebliebene Arbeit auf die verbleibende Belegschaft<br />

verteilen, was das Risiko von weiterer Überlastung<br />

und stressbedingten Krankheiten oder Unfällen<br />

erhöht. Ein Teufelskreis.<br />

Investitionen in sinnvolle Prävention sind nicht nur<br />

arbeitnehmerfreundlich, sie schonen auch die knappen<br />

personellen und finanziellen Ressourcen des Unternehmens<br />

und erhöhen die Reputation und Attraktivität der<br />

Firma. Deshalb sollte betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

auch aus Arbeitgebersicht eine Selbstverständlichkeit<br />

sein, auch wenn es noch nicht überall der Fall ist. Dafür<br />

setze ich mich ein!<br />

Von Baustellenbesuchen zur Diplomarbeit<br />

Während meinen Besuchen auf den cablex-Baustellen<br />

habe ich erlebt, wie anstrengend die Arbeit der Kabelzugmitarbeiter<br />

ist und wie stark sie Körper und Gesundheit<br />

strapaziert. Vor Ort wurde ich informiert, dass die Folgen<br />

davon überdurchschnittlich hohe krankheits- oder unfallbedingte<br />

Absenzen sind. Als Arbeitnehmervertreterin<br />

und als Spross einer Arbeiterfamilie hat mich diese Situation<br />

betroffen gemacht und mich dazu bewogen, meine<br />

Diplomarbeit diesem Thema zu widmen. Ziel meiner Diplomarbeit<br />

war es, einen Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen<br />

Situation der Tiefbau- und Kabelzugmitarbeitenden<br />

zu leisten.<br />

Denn: Die Gesundheit der Arbeiter ist ein zentrales Anliegen<br />

der Gewerkschaft! Und es ist im Interesse der Sozialpartner,<br />

Gesundheitsrisiken zu erkennen und in der<br />

Folge zu minimieren.<br />

Gemäss Arbeitsgesetz ist es Pflicht des Arbeitgebers,<br />

die Gesundheit seiner Mitarbeitenden zu schützen. Und<br />

Aufgabe der Gewerkschaft ist, das Einhalten des Arbeitsgesetzes<br />

zu überprüfen und bei Bedarf zu intervenieren.<br />

Die Frage, wie sich die krankheits- und unfallbedingten<br />

Absenzen bei den Tiefbau- und Kabelzugmitarbeitenden<br />

reduzieren lassen, ist somit sowohl für cablex selbst als<br />

auch für die Gewerkschaft essenziell.<br />

Zehn Handlungsfelder für cablex<br />

Ziel meiner Diplomarbeit war es, einen Ideenkatalog für<br />

Massnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen<br />

Situation der Kabelzugmitarbeiter zu erstellen. Mittels<br />

Interviews, Umfragen und Analysen habe ich die Bedürfnisse<br />

der Mitarbeitenden bezüglich ihrer Gesundheit<br />

untersucht und zusammengetragen. Der Umgang mit<br />

Gesund heits- bzw. Krankheits- und Unfalldaten ist für<br />

Unter nehmen heikel, verbunden mit Risiken des Datenschutzes<br />

und des Imageschadens. Die Diplomarbeit führte<br />

deshalb unweigerlich sowohl innerhalb von cablex als<br />

auch der Gewerkschaft zu willkommenen, klärenden Diskussionen.<br />

Nur dank des bereits geschaffenen Vertrauens<br />

und der Kooperationsbereitschaft der Entscheidungsträger<br />

und der Kabelzug- und Tiefbaukollegen ist es mir gelungen,<br />

den Ideenkatalog und darauf aufbauend ein<br />

10-Punkte-Handlungsfelder-Programm für die cablex zu<br />

erstellen.<br />

Dieses konnte ich den Entscheidungsträgern vorstellen<br />

und ihnen die damit verbundenen Erwartungen für<br />

ein wirkungsvolles und umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

kommunizieren: eine Kombination<br />

aus verhaltens- und verhältnisorientierten Massnahmen.<br />

Für eine soziale und zukunftsgerichtete Firma wie<br />

cablex liegen der gesundheitliche und ökonomische Nutzen<br />

eines systematischen BGM auf der Hand. Themen<br />

rund um psychische Gesundheit und Stress werden an Bedeutung<br />

gewinnen und sollten fokussiert angegangen<br />

werden.<br />

Fotostrecke<br />

Um die Gesundheit zu beschreiben, die es zu schützen und<br />

zu erhalten gilt, nahm die Fotografin und Künstlerin Cécile<br />

Monnier das symbolische Bild eines Blumenstrausses, der<br />

verwelkt und vergeht. Aber auch das Bild selbst wird angegriffen,<br />

zerknittert, zerrissen.<br />

Cécile Monnier ist seit 2016 selbständige Fotografin und<br />

unterrichtet an der Eracom in Lausanne und der HEAD in<br />

Genf. Sie hat ihre Werke in mehreren Gruppenausstellungen<br />

in Arles, Vevey, Basel und Zürich gezeigt.<br />

2020 gewann sie den VFG-Preis und letztes Jahr den Prix<br />

Enquête photographique fribourgeoise. Seit 2019 ist sie im<br />

Vorstand von standard/deluxe, einem unabhängigen<br />

Kunstraum in Lausanne.<br />

cecilemonnier.com


Gesundheit und Sicherheit<br />

am Arbeitsplatz in Zahlen,<br />

im In- und Ausland<br />

Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz sind wesentliche Bestandteile einer<br />

würdigen Arbeit. Die physischen und psychischen Anforderungen des Arbeitsplatzes<br />

bestimmen in hohem Masse das Wohlergehen der Arbeitnehmenden. Arbeitsunfälle<br />

verursachen erhebliche menschliche, soziale und wirtschaftliche Kosten,<br />

die wir beseitigen sollten, indem wir für sichere Arbeitsplätze für alle sorgen.<br />

Stress am Arbeitsplatz in der EU: Noch ein langer Weg<br />

88%<br />

620 Mrd.<br />

Ein grosser Teil der Arbeitnehmenden in der EU kennt Probleme mit<br />

Stress bei der Arbeit. In der Schweiz ist es ähnlich (siehe unten).<br />

Der Betrag, den die europäische Wirtschaft jährlich<br />

allein wegen arbeitsbedingter Depression einbüsst.<br />

Die Erschöpfung von Arbeitnehmenden<br />

in der Schweiz wächst<br />

Anteil der erwerbstätigen Personen mit<br />

emotionaler Erschöpfung (ziemlich und sehr<br />

erschöpft)<br />

24,0 %<br />

25,4 %<br />

28,7 %<br />

60%<br />

Nicht weniger als 60% aller verlorenen Arbeitstage<br />

sind auf arbeitsbedingten Stress und psychosoziale<br />

Risiken zurückzuführen.<br />

2014<br />

2016<br />

2020<br />

Quelle: EndStress.EU<br />

Quelle: Gesundheitsförderung Schweiz<br />

Diskriminierung im Unternehmen<br />

ist weit verbreitet<br />

Gemäss der jüngsten Studie des BFS erlebt<br />

jede fünfte Frau Diskriminierung oder Gewalt<br />

am Arbeitsplatz.<br />

21,1 %<br />

der Frauen erfahren<br />

Diskriminierung oder<br />

Gewalt bei der Arbeit.<br />

Bei den Männern sind<br />

es 17,5%.<br />

Stress betrifft Millionen von Beschäftigten in der Schweiz<br />

Seit 2014 ermittelt Gesundheitsförderung Schweiz regelmässig Kennzahlen zu arbeitsbedingtem<br />

Stress und zu dessen Zusammenhängen mit Gesundheit und Produktivität von<br />

Erwerbstätigen in der Schweiz. Die Resultate der letzten Erhebung 2020 sind alarmierend.<br />

Vorteilhafter Bereich:<br />

Bei diesen Personen überwiegen die<br />

Ressourcen die Belastungen<br />

Sensibler Bereich:<br />

Bei diesen Personen sind die Ressourcen<br />

und die Belastungen ungefähr ausgeglichen.<br />

Kritischer Bereich:<br />

Diese Personen haben mehr Belastungen<br />

als Ressourcen.<br />

29,6%<br />

45,5%<br />

Insgesamt<br />

5,1 Millionen<br />

Erwerbstätige*<br />

24,9%<br />

Quelle: BFS<br />

Quelle: Gesundheitsförderung CH<br />

*Quelle Anzahl erwerbstätige Personen: BFS Q1/2020<br />

Arbeitsunfälle sind überall auf der Welt häufig<br />

<strong>30</strong>03<br />

7,5<br />

Mexiko<br />

Arbeitsunfälle<br />

pro 100 000<br />

Arbeitnehmende<br />

jährlich (gemäss<br />

neuesten verfügbaren<br />

Daten)<br />

nicht tödlich<br />

tödlich<br />

900<br />

5,3<br />

USA<br />

3142<br />

3,1<br />

Chile<br />

5200<br />

0,5<br />

Holland<br />

3160<br />

760<br />

2,6<br />

0,8<br />

UK<br />

Frankreich<br />

1811<br />

1,0<br />

Deutschland<br />

10,7<br />

670<br />

Ägypten<br />

1904<br />

1,3<br />

Schweiz<br />

1,2 965<br />

Israel<br />

899<br />

1,6<br />

Australien<br />

208<br />

2,0<br />

Japan<br />

Über <strong>30</strong>0 Millionen<br />

Arbeitnehmende in<br />

142 Ländern erklärten,<br />

dass sie ihrem<br />

Arbeitgeber Sicherheitsprobleme<br />

nicht<br />

melden könnten,<br />

ohne Strafen zu<br />

riskieren.<br />

Quelle: ILOSTAT


16<br />

Eine bessere<br />

Arbeitswelt<br />

Corona und die Frauen:<br />

zwei Schritte zurück<br />

Die staatlichen Massnahmen konnten Arbeitsplätze erhalten,<br />

gleichzeitig wurden bestehende Geschlechterungleichheiten<br />

verstärkt. Zu dem Schluss kommt eine Studie des Büros BASS.<br />

Die Studie des Büros für arbeits- und<br />

sozialpolitische Studien, BASS, Ende<br />

Mai erschienen, untersuchte im Auftrag<br />

der Eidgenössischen Kommission<br />

für Frauenfragen die Effekte der<br />

Covid-19-Krise auf die geschlechtsspezifische<br />

Beschäftigung und das<br />

Einkommen. Ein Ergebnis: Massnahmen<br />

wie Kita- und Schulschliessungen<br />

oder Homeoffice-Pflicht hatten<br />

bei uns ähnliche Auswirkungen auf<br />

Frauen und Männer wie in anderen<br />

Ländern: sie verstärkten die traditionelle<br />

Arbeitsteilung. Frauen übernahmen<br />

gerade im der ersten Lockdown<br />

nicht nur das Gros der zusätzlichen<br />

Betreuungs arbeit, sie reduzierten ihre<br />

Erwerbs arbeit auch stärker als Männer.<br />

Gemäss Studie spitzte sich die<br />

Lage für Haushalte mit tiefem Einkommen<br />

zu. Sie hatten mit Verlusten<br />

zu kämpfen. Betroffen waren besonders<br />

viele Mütter, Alleinerziehende<br />

und niedrig qualifizierte Frauen.<br />

Demnach leben überdurchschnittlich<br />

viele Frauen in armen Haushalten.<br />

Als im Januar 2021 die Erwerbslosenquote<br />

für beide Geschlechter einen<br />

Höchststand erreichte, war der Unterschied<br />

zwischen den Geschlechtern<br />

am grössten.<br />

Auch werden grosse Unterschiede<br />

innerhalb der verschiedenen Gruppen<br />

von Frauen festgestellt. Vor allem<br />

Frauen mit tiefen Einkommen, unsicherem<br />

Aufenthaltsstatus, Migrationshintergrund<br />

oder kleinen Teilzeitpensen<br />

gehörten zu den Verliererinnen<br />

der Krise. Einerseits Frauen im Gastgewerbe,<br />

vermutlich wegen der unregelmässigen<br />

und häufig pro Stunde<br />

bezahlten Arbeitsverhältnisse, die als<br />

Erstes wegfielen. Andererseits die Beschäftigten<br />

in Privathaushalten, die<br />

von den Covid-Hilfen ganz ausgeschlossen<br />

waren. Diese seien nicht<br />

unterstützt, sondern einfach an die<br />

Arbeitslosenversicherung verwiesen<br />

worden, konstatiert BASS. Zudem waren<br />

Selbständige, die ein festgelegtes<br />

Mindesteinkommen nicht erreichten,<br />

von Covid-Hilfen ausgenommen.<br />

Wegen der Datenlage konnte die<br />

Studie nicht auf die Geschlechterverteilung<br />

der Kurzarbeitsentschädigungen<br />

eingehen: man wisse nicht, wie<br />

viel Geld Frauen und wie viel Männer<br />

erhalten haben. Dies erschwere auch,<br />

entsprechende Massnahmen in der<br />

Zukunft zu ergreifen.<br />

Zu den Erkenntnissen und Empfehlungen<br />

der Kommission für Frauenfragen<br />

gehören im Rückschluss darum<br />

eine geschlechterbezogene Datenerhebung<br />

und -auswertung, eine bessere<br />

Unter stützung der Verliererinnen,<br />

bessere Kinderbetreuung wie<br />

Kitas oder Tagesschulen, damit Frauen<br />

in höheren Pensen berufstätig sein<br />

könnten.<br />

Zentral sind überdies generell ein<br />

besserer Lohnschutz und Rahmenbedingungen<br />

für Homeoffice. Alles<br />

Forderungen für faire Arbeitsbedingungen<br />

und Gleichberechtigung, die<br />

<strong>syndicom</strong> immer wieder formuliert<br />

hat.<br />

Patrizia Mordini<br />

Zur Studie des Büros BASS<br />

Frauen, die die Last der Betreuungsarbeit tragen, sind durch die Covid-Krise zurückgeworfen worden, so eine Studie des Büros BASS. (© Keystone-SDA)


«Der finanzielle Druck auf den öffentlichen Verkehr<br />

wird an die Angestellten weitergeleitet.» Manuel Wyss<br />

17<br />

Arbeitsplatz Bus – Wie gut<br />

geht es den Fahrer:innen?<br />

Erstmals arbeiten drei Schwestergewerkschaften Hand in Hand,<br />

um den Gesundheitszustand der Busfahrer:innen in der Schweiz<br />

zu erheben.<br />

Stress im Strassenverkehr, Verantwortung<br />

für Menschenleben, anspruchsvolle<br />

Arbeitszeiten: Die Busfahrerin<br />

und der Busfahrer sind ständig hohen<br />

Belastungen ausgesetzt. 2010 und<br />

2018 hatte die Gewerkschaft SEV bereits<br />

zwei Umfragen zur Gesundheit<br />

der Busfahrer:innen durchgeführt.<br />

Dieses Jahr arbeiten erstmals alle drei<br />

SGB-Gewerkschaften des öffentlichen<br />

Bessere Planung, weniger Stress<br />

<strong>syndicom</strong> ist bei PostAuto auf dem<br />

richtigen Weg, wie die Studie unterstreicht:<br />

gerade die Einsatzplanung<br />

wurde mit dem neuen GAV verbessert.<br />

Mit den Vertrauensleuten und<br />

den PeKos ist <strong>syndicom</strong> für einen<br />

korrekten Vollzug der Jahresplanung<br />

besorgt, auch die Monats- und<br />

Kurzfristplanung sowie die neue<br />

Möglichkeit zur Sperrung von Diensten<br />

oder ganzen Tagen stehen unter<br />

Beobachtung. Die Bedeutung von<br />

Kontrollen zur Durchsetzung von<br />

AZG und GAV geht aus der Studie<br />

deutlich hervor. Auch die ergonomischen<br />

Aspekte wird die Gewerkschaft<br />

nicht ausser Acht lassen.<br />

Verkehrs für eine dritte, erweiterte<br />

Studie im Busbereich zusammen:<br />

SEV, <strong>syndicom</strong> und VPOD. Das vergrössert<br />

den Kreis der Befragten deutlich:<br />

Im Frühjahr 22 wurden 4000<br />

Chauffeur:innen angeschrieben, über<br />

900 nahmen an der Befragung teil, davon<br />

187 allein bei PostAuto.<br />

Ein Novum ist auch die Auswertung<br />

der Studie im Zentrum für öffentliche<br />

Gesundheit der Uni Lausanne,<br />

Unisanté. Die Resultate sind schwerwiegend:<br />

Jede und jeder Zweite berichtet<br />

über anhaltende Schmerzen in<br />

Schulter oder Nacken (57 %), Rückenschmerzen<br />

(50 %) und erhöhte Müdigkeit<br />

(50 %). Mehr als ein Drittel leiden<br />

unter Schlafstörungen (43 %), Stress<br />

(42 %), Reizbarkeit (36 %) und Kopfschmerzen<br />

(33 %). Einige Störungen<br />

sind nach Dienstaltern unterschiedlich<br />

ausgeprägt, ebenfalls werden klare<br />

Unterschiede zwischen Männern<br />

und Frauen sichtbar.<br />

Im Ergonomie-Teil wurde darum<br />

gebeten, die Bedeutung einzelner Elemente<br />

der Arbeitsumgebung Bus einzustufen.<br />

Der Fahrersitz ist klar das<br />

wichtigste Element. Es folgen Einstellung<br />

und Anordnung der Bedienelemente<br />

sowie die Klimaanlage.<br />

Die Gesundheit des Fahrpersonals wurde unter<br />

die Lupe genommen. (© Keystone-SDA)<br />

Die Studie gibt auch Einblick in die<br />

Wahrnehmung der Fahrer:innen zum<br />

Umgang mit der Coronakrise. Über<br />

40 % der Busfahrer:innen erfuhren im<br />

Jahr 2021 Auswirkungen der Pandemie<br />

auf ihre Arbeit und ihre Gesundheit,<br />

sei es durch Verkürzungen ihrer<br />

Ruhephase oder kurzfristiges Einspringen<br />

für Kolleg:innen. Der Umgang<br />

des Arbeitgebers mit der Gesundheitskrise<br />

insgesamt wurde nur<br />

mit «genügend» bewertet.<br />

Die grossen Gesundheitsprobleme<br />

zeigen, dass der Finanzierungsdruck<br />

auf den öffentlichen Verkehr als Druck<br />

auf die Arbeitnehmenden weitergegeben<br />

wird. Umso wichtiger, dass Unisanté<br />

jetzt noch eine langfristige Kohortenstudie<br />

plant, unterstützt von<br />

allen drei Schwestergewerkschaften.<br />

Manuel Wyss<br />

Mehr Resultate aus der Studie:<br />

dem QR-Code folgen<br />

GAV-Verhandlungen bei<br />

cablex aufgegleist<br />

Teresa Dos Santos Lima-Matteo,<br />

Zentralsekretärin Sektor ICT<br />

<strong>syndicom</strong> hat die cablex-Angestellten<br />

zu den bevorstehenden GAV-Verhandlungen<br />

befragt. Der aktuelle GAV ist<br />

bis Ende 2022 gültig. Im Mai und Juni<br />

machten die Regionalsekretär:innen<br />

in der ganzen Schweiz Infoversammlungen.<br />

Einerseits wurden die Resultate<br />

der Umfrage präsentiert, aber es<br />

war dies auch eine gute Gelegenheit,<br />

die Arbeitnehmenden nach der Pandemie<br />

persönlich zu treffen, um zu<br />

schauen, wo der Schuh drückt.<br />

Die Hauptforderungen für den<br />

GAV sind: mehr bezahlte Reisezeit,<br />

Lohntransparenz, mehr Ferien und<br />

längerer Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub.<br />

Eine wichtige Forderung ist auch<br />

die Weiterentwicklung der Frührente.<br />

Ein dringliches Thema, denn viele<br />

leisten harte körperliche Arbeit und<br />

sind jedem Wetter ausgesetzt. Sie machen<br />

es überhaupt möglich, dass wir<br />

alle eine Internetverbindung haben:<br />

Sie bauen Telekommunikationsnetze,<br />

Stromleitungen und Fahrleitungen<br />

und halten sie instand.<br />

Ein Anliegen ist ebenfalls die Weiterentwicklung<br />

der Aus- und Weiterbildung<br />

für alle Alterskategorien. Damit<br />

sollten die Arbeitnehmenden bei<br />

cablex auf offene Ohren stossen, denn<br />

in der Netzinfrastruktur herrscht ein<br />

akuter Fachkräftemangel.<br />

Anlässlich einer Firmenvorstandssitzung<br />

sowie der anschliessenden<br />

Firmenkonferenz am 27. Juni wurden<br />

die Forderungen nochmals detailliert<br />

besprochen und validiert. Nun wird<br />

der Forderungskatalog an cablex übermittelt.<br />

Die GAV-Verhandlungen sollen<br />

im Herbst 2022 starten.


18 Arbeitswelt<br />

«Nun sind Lösungen auf der Grundlage der<br />

Sozialpartnerschaft erforderlich.» <strong>syndicom</strong><br />

Die PostCom zielt an der Realität<br />

vorbei<br />

Die Postregulierungsbehörde schickt einen Mindestlohn von<br />

19 Franken in die Vernehmlassung. Das unterbietet noch den<br />

tiefsten Mindestlohn der Schweiz. Gerade in der Sortierung und<br />

Zustellung von Briefen und Paketen sind solche Löhne unhaltbar.<br />

Die PostCom fixiert die Mindestnormen der Arbeit in der Postbranche. (© Keystone-SDA)<br />

Die PostCom hat die Aufgabe, die Mindeststandards<br />

der Arbeitsbedingungen<br />

der Postdienste festzulegen. Diese<br />

Mindeststandards sollen verhindern,<br />

dass der im Postsektor erwünschte<br />

Wettbewerb auf Kosten der Löhne und<br />

Arbeitsbedingungen stattfindet. Um<br />

diesen Auftrag zu erfüllen, ist es notwendig,<br />

dass sich die PostCom an der<br />

Realität orientiert.<br />

Doch mit ihrem neuesten Vorschlag,<br />

den Mindestlohn bei 19 Franken<br />

festzulegen, kommt die Behörde<br />

ihrem Auftrag nicht nach. Der tiefste<br />

Schweizer Mindestlohn gilt ab 2023<br />

im Tessin – er liegt bei Fr. 19.50. Die<br />

PostCom verkennt mit ihren 19 Franken<br />

nicht nur diese Realität: 19 Franken<br />

sind auch weit entfernt von den<br />

effek tiven Löhnen in der Paket- und<br />

Briefzustellung. <strong>syndicom</strong> erwartet,<br />

dass nach der Vernehmlassung massiv<br />

nachgebessert wird.<br />

Es braucht eine Differenzierung<br />

nach Berufsgruppen<br />

Wichtig ist zudem, dass auch zwischen<br />

den verschiedenen Berufsgruppen<br />

unterschieden wird. Die Tätigkeiten<br />

in der Zustelllogistik lassen sich<br />

nicht alle über einen Kamm scheren.<br />

Arbeitgeber- und Arbeitnehmer:innenvertretung<br />

in der Expertengruppe waren<br />

sich einig, dass die Mindestlöhne<br />

nach Berufsgruppen segmentiert werden<br />

müssen. Unverständlich, dass die<br />

Behörde diesen Konsens nicht in die<br />

Gesetzesrevision hat einfliessen lassen.<br />

Es wird offensichtlich, dass es<br />

nun sozialpartnerschaftliche Lösungen<br />

braucht. Die Zustellbranche verhandelt<br />

zurzeit einen Gesamtarbeitsvertrag,<br />

in dem solche Fragen<br />

beantwortet werden müssen. <strong>syndicom</strong><br />

wird die Erwartungen und Ansichten<br />

der Angestellten in die nun<br />

lancierte Debatte einbringen.<br />

(<strong>syndicom</strong>)<br />

Warum ist Menü-<br />

Ausfahren eine<br />

Postdienstleistung?<br />

David Roth, Zentralsekretär Sektor Logistik<br />

Zuerst die trockenen Fakten: Eine Firma,<br />

die mehrheitlich Lieferdienste für<br />

Dritte erbringt, ist eine Logistikfirma.<br />

Sofern diese Firma Briefe oder Pakete<br />

zustellt, fällt sie unter das Postgesetz.<br />

Die staatseigene Post CH AG genauso<br />

wie alle privaten Lieferdienste.<br />

Gemäss dem Postgesetz sind Pakete<br />

mehr als 2 Zentimeter dick und bis<br />

zu <strong>30</strong> Kilo schwer. Ob im Paket Kleider,<br />

Kosmetikartikel oder Esswaren<br />

transportiert werden, ist egal. Auch ob<br />

die Esswaren gekocht oder roh sind,<br />

macht keinen Unterschied. Das Postgesetz<br />

gilt somit auch für Fooddelivery,<br />

also Mahlzeiten-Lieferdienste.<br />

Das ist wichtig, weil Fooddelivery<br />

oft der Einstieg in Logistik im weiteren<br />

Sinne ist. Mit Lieferungen für<br />

Restaurants wird eine hohe Menge generiert,<br />

aber wenig Marge erzielt. Deshalb<br />

ist der nächste logische Schritt<br />

dieser Firmen, in die Zustellung von<br />

Produkten mit höheren Margen einzusteigen.<br />

Auch No time und Smood haben<br />

diesen Schritt bereits vollzogen.<br />

Damit geraten Essenskuriere zunehmend<br />

in Konkurrenz mit herkömmlichen<br />

Postdienstleistern.<br />

Der frühe Vogel fängt den Wurm<br />

<strong>syndicom</strong> hat das früh realisiert und<br />

deshalb im GAV Velokurier eine Kategorie<br />

Foodkurier:innen eingefügt.<br />

Diese Unterstellung unter einen Gesamtarbeitsvertrag<br />

von <strong>syndicom</strong> hat<br />

für die Kurier:innen erhebliche Vorteile.<br />

Während die Angestellten von<br />

Restaurants auch für nur wenige<br />

Minuten beschäftigt werden können,<br />

garantieren alle <strong>syndicom</strong>-GAV eine<br />

Mindesteinsatzdauer von 2 bis 3 Stunden.<br />

Die Löhne sind in den meisten<br />

Fällen ebenfalls höher.<br />

Seit 2018 hat <strong>syndicom</strong> auch bei<br />

Smood auf bessere Arbeitsbedingungen<br />

gepocht und konnte im Mai 2022<br />

den GAV abschliessen. Damit konnte<br />

ein weiterer Mosaikstein in der Regulierung<br />

der Zustellbranche gelegt<br />

werden.


«<strong>syndicom</strong> ruft die Mitglieder auf, sich bei ProLitteris zu<br />

registrieren und ihre Rechte geltend zu machen.» Melina Schröter<br />

19<br />

Journalistinnen,<br />

Fotografen, Grafikerinnen:<br />

Holt eure Tantiemen ab!<br />

Die Verwertungsgesellschaft ProLitteris zieht Vergütungen für<br />

die Urheberrechte an journalistischen Erzeugnissen ein und<br />

verteilt sie an ihre Mitglieder. Aber dazu müssen die Werke auch<br />

gemeldet werden.<br />

Verleihung des ProLitteris-Preises an Ekaterina Glikman und Federico Franchini. (© ProLitteris, Philip Kübler)<br />

In der Hektik des Alltags gehört dies<br />

zu den Dingen, die Medienschaffenden<br />

nicht bekannt sind, die sie vergessen<br />

oder die sie jedes Jahr wieder verpassen.<br />

Aber jedes journalistische<br />

Erzeugnis, Text oder Bild, kann an<br />

ProLitteris gemeldet werden, damit<br />

Vergütungen für die Urheberrechte<br />

ausbezahlt werden können. Jedes<br />

Werk kann registriert werden, gedruckt<br />

oder digital. Die Urheber:innen<br />

können angestellt oder freischaffend<br />

sein. Die Vergütung wird durch<br />

die Tarife bestimmt, die mit den Nutzerverbänden<br />

(Schulen, Bibliotheken,<br />

Verwaltungen, Unternehmen) verhandelt<br />

und von der Eidg. Schiedskommission<br />

genehmigt werden.<br />

Bei der Registrierung wird aber je<br />

nach Form des journalistischen Werks<br />

unterschiedlich vorgegangen. Printtexte<br />

oder -bilder werden von den<br />

Urheber:innen direkt bei ProLitteris<br />

gemeldet. Bei online publizierten<br />

Werken muss der Verlag ProLitteris<br />

die Zugriffszahlen mitteilen. Medienschaffende,<br />

die für Online-Medien tätig<br />

sind, müssen deshalb sicherstellen,<br />

dass ihr Arbeitgeber Mitglied der<br />

ProLitteris ist, Zählmarken eingebaut<br />

hat und die Daten übermittelt.<br />

<strong>syndicom</strong> ruft ihre Mitglieder auf,<br />

sich bei ProLitteris zu registrieren und<br />

ihre Urheberrechte geltend zu machen.<br />

Daneben haben Mitglieder von<br />

ProLitteris auch die Möglichkeit, bei<br />

Krankheit, Unfall oder einschneidenden<br />

Veränderungen der beruflichen<br />

Situation um Nothilfe bei der Fürsorge-Stiftung<br />

zu ersuchen.<br />

Ausserdem verleiht ProLitteris jedes<br />

Jahr einen Preis für herausragende<br />

Leistungen. 2022 wurde die in der<br />

Schweiz lebende russische Journalistin<br />

Ekaterina Glikman, stellvertretende<br />

Redakteurin der Nowaja Gaseta<br />

Europa, mit dem Hauptpreis ausgezeichnet.<br />

Ihr oblag es, den Gewinner<br />

des Förderpreises zu bestimmen. <strong>syndicom</strong><br />

ist besonders stolz, dass die<br />

Wahl auf Federico Franchini, Tessiner<br />

Journalist und Mitglied des Branchenvorstands<br />

Presse, gefallen ist.<br />

Melina Schröter<br />

QR-Code führt direkt zu<br />

ProLitteris!<br />

Mehr Respekt bitte<br />

bei Keystone-SDA<br />

Stephanie Vonarburg,<br />

Leiterin Sektor Medien und<br />

Vizepräsidentin <strong>syndicom</strong><br />

Bei der Agentur Keystone-SDA liegt<br />

wieder einiges im Argen. Die Unternehmensleitung<br />

leistet sich grobe<br />

Mängel im Umgang mit dem Personal.<br />

Aufgebrochen ist der Streit über dem<br />

neuen Personalreglement: Mehr als<br />

50 Mitarbeitende verlieren im Durchschnitt<br />

über 5 Ferien- und Kompensationstage,<br />

den Dienstälteren werden<br />

die Kündigungsfristen verkürzt, die<br />

Meldepflicht für nebenberufliche Tätigkeiten<br />

und ehrenamtliches Engagement<br />

wird verschärft.<br />

Die Personalkommission und die<br />

Mitarbeitenden, welche die Verschlechterungen<br />

und das Vorgehen<br />

kritisierten, werden unter Druck gesetzt.<br />

Die neuen Verträge wurden<br />

vordergründig «einvernehmlich», faktisch<br />

jedoch unter Androhung von<br />

Änderungskündigungen durchgesetzt.<br />

Der Unmut brodelt auch aus<br />

anderen Gründen weiter. Seit Jahrzehnten<br />

stagnieren die Löhne, viele<br />

ehemalige Keystone-Leute sind seit<br />

der Fusion vor 4 Jahren zu tief eingestuft,<br />

die interne Kommunikation ist<br />

intransparent und stiftet Unruhe.<br />

<strong>syndicom</strong> unterstützt die Belegschaft<br />

und ihre engagierte Peko in ihren<br />

Forderungen: Umgang auf Augenhöhe,<br />

Teuerungsausgleich und Lohnperspektiven.<br />

Medienunternehmen,<br />

die ihr Personal geringschätzen, sind<br />

auf dem Holzweg. Keystone-SDA erbringt<br />

einen Teil des medialen Service<br />

public, darum bekommt das Unternehmen<br />

4 Millionen Bundes-Subventionen.<br />

Das verpflichtet zu einer besseren<br />

Unternehmensführung!


20 Arbeitswelt<br />

«Wären wir geeint, hätten die Verlage nicht die Oberhand.<br />

Es gäbe keine anderen, die es billiger machen.» Marco Cagnotti<br />

Was ist meine Arbeit wert?<br />

Ein freier Journalist kritisiert den Tarifwettlauf nach unten.<br />

Handlungsbedarf bei den Freien-Tarifen: Ohne GAV hängt alles an der eigenen Chuzpe. (© Keystone-SDA)<br />

Ein Schreiner. Ein Wirt. Ein Architekt.<br />

Eine freie Journalistin. Was haben sie<br />

gemeinsam? Alle sind Freiberufler.<br />

Was haben sie nicht gemeinsam? Den<br />

Entscheid über den Wert ihrer Arbeit.<br />

Die ersten drei treffen diesen Entscheid<br />

selbst. Einige orientieren sich<br />

dabei an den Tarifen ihrer Berufsgruppe.<br />

Andere legen den Preis ihrer Leistungen<br />

selbst fest. Die Vierte kann<br />

nicht mitreden: Der Preis eines Artikels<br />

oder eines Radiobeitrags wird<br />

vom Kunden, d. h. vom Verlag, definiert.<br />

Wie wenn du im Restaurant entscheiden<br />

würdest, dass die Spaghetti,<br />

das Tiramisù und der Wein 11 Franken<br />

wert sind. Und der Wirt würde<br />

nichts sagen: Das ist dein Preis, den er<br />

akzeptieren muss. Absurd? Das ist es.<br />

Doch im Journalismus funktioniert es<br />

so: Es ist immer der Verlag, der<br />

entscheidet, wie viel ein Externer verdient.<br />

Gibt es Spielraum? Nein. Friss<br />

oder stirb. Es gilt: «Draussen stehen<br />

sie Schlange. Wenn es dir nicht passt,<br />

finden wir jemand anderen.» Was tust<br />

du? Wenn du arbeiten musst, machst<br />

du gute Miene zum bösen Spiel.<br />

Ich habe von 1998 bis 2012 für den<br />

Corriere del Ticino gearbeitet. Ich betreute<br />

den Wissenschaftsteil. Zu Beginn<br />

erhielt ich für jede Seite – Artikel<br />

und redaktionelle Bearbeitung – 550<br />

Franken. Dann nahm die Leserzahl<br />

ab, es gab weniger Werbung und unsere<br />

Tarife wurden gekürzt. Schliesslich<br />

wurden für eine Seite noch 250 Franken<br />

bezahlt. Die Arbeit war dieselbe,<br />

die Lebenshaltungskosten waren gestiegen.<br />

Aber: Friss oder stirb. Wie hätten<br />

wohl festangestellte Kolleg:innen<br />

reagiert, wenn man ihnen gesagt hätte:<br />

«Nichts zu machen. Ab nächsten<br />

Monat 50 Prozent weniger Lohn.»<br />

Aber wir sind auch schuld. Ohne<br />

Gesamtarbeitsvertrag und ohne Mindesttarife<br />

akzeptieren wir, was man<br />

uns bietet. Wären wir geeinter, hätten<br />

die Verleger nicht die Oberhand, denn<br />

draussen gäbe es keine Warteschlange.<br />

Doch es finden sich immer einige<br />

junge Menschen, die bereit sind, für<br />

wenig Geld zu arbeiten, um sich einen<br />

Namen zu machen.<br />

Ich jedoch nicht. Ich habe genug<br />

Erfahrung. Ich weiss, dass ich in meinem<br />

Job gut bin. Ich muss mir keinen<br />

Namen mehr machen. Ich habe auch<br />

nicht mehr den Drang, immer jeden<br />

Auftrag zu übernehmen. Ausserdem –<br />

ich bin privilegiert, ja – habe ich eine<br />

andere Arbeit, um würdig leben zu<br />

können. Und es reicht nun auch.<br />

Über den Wert meiner Arbeit entscheide<br />

ich jetzt selbst. Mein Tarif beträgt<br />

180 Franken pro Stunde. Scheint<br />

dir das viel? Schau, was Anwälte oder<br />

Architekten verdienen: Du siehst, wie<br />

viel eine Stunde intellektueller Arbeit<br />

eines qualifizierten und erfahrenen<br />

Freiberuflers wert ist.<br />

Wenn mich also ein Verleger anruft,<br />

sage ich ihm: Ich verlange so und<br />

so viel. Geht das? Ok, wollen Sie weniger<br />

zahlen? Nein, danke. Es wird sich<br />

schon ein anderer finden. Er wird weniger<br />

kosten, aber er wird auch weniger<br />

gebildet, weniger erfahren und<br />

weniger gut sein als ich. So wie es Restaurants<br />

gibt, die weniger kosten als<br />

Sternerestaurants. Marco Cagnotti<br />

Sichere Arbeitsumwelt –<br />

auch in der Schweiz<br />

Daniel Hügli, Leiter Sektor ICT, Mitglied der GL<br />

Im Juni beteiligte sich die Schweiz im<br />

Rahmen der Internationalen Arbeitskonferenz<br />

in Genf an den Verhandlungen<br />

über die Aufnahme der «sicheren<br />

und gesunden Arbeitsumwelt» in die<br />

grundlegenden Rechte der Internationalen<br />

Arbeitsorganisation (ILO). Die<br />

Schweiz unterstützte eine entsprechende<br />

Resolution, die schliesslich<br />

angenommen wurde. Damit wurde<br />

eine neue Kategorie von internationalen<br />

Arbeitsrechten geschaffen, zusätzlich<br />

zu den bisherigen Rechten<br />

der Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlung<br />

sowie der Pflicht zur<br />

Beseitigung von Zwangsarbeit, Kinderarbeit<br />

und Diskriminierung.<br />

Grundsätzlich tönt das ja positiv,<br />

wenn die Vertreter:innen von Bund,<br />

Arbeitgebern und Gewerkschaften<br />

solchen neuen Rechten zustimmen.<br />

Der Weg zur Umsetzung ist aber lang:<br />

Gemäss der letzten Erhebung der ILO<br />

gibt es bei uns 95 254 nicht-tödliche<br />

Arbeitsunfälle pro Jahr. Auf 100 000<br />

Arbeitnehmende gerechnet steht die<br />

Schweiz damit auf Rang 12 der Länder<br />

mit den meisten Arbeitsunfällen.<br />

Die Schweiz hat das ILO-Übereinkommen<br />

155 «Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt»<br />

von 1981 nie ratifiziert –<br />

und musste sich deswegen bisher<br />

international und den Sozialpartnern<br />

gegenüber nicht erklären. Wenn der<br />

Bundesrat tatsächlich wirksame Massnahmen<br />

ergreifen will, damit die<br />

Anzahl der Arbeitsunfälle sinkt, ist er<br />

gefordert, die entsprechenden Übereinkommen<br />

unverzüglich zur Ratifizierung<br />

vorzulegen.


«Das Homeoffice in der Pandemie hat die traditionelle<br />

Auffassung von Büroarbeit verändert.» Miriam Berger<br />

21<br />

Google ruft zurück ins Büro<br />

«Return to Office», erstmals nach der Pandemie. Die neue<br />

Flexibilität muss von den Mitarbeitenden mitbestimmt werden.<br />

Die Google-Mitarbeitenden in Zürich («Zoogler») sind wieder in den Büros. (© Keystone-SDA)<br />

Anfang Juni hat Google seine Mitarbeitenden<br />

wieder ins Büro geholt.<br />

Auch in Zürich hiess es zurück an die<br />

Europaallee und die Brand schenkestras<br />

se. CEO Sundar Pichai liess zum<br />

Return to Office (RTO) verlauten, es<br />

sei ein guter Anlass, um die Art, wie wir<br />

arbeiten, neu zu denken: «Reimagine<br />

how we work.» Das hat sich auch eine<br />

Gruppe von <strong>syndicom</strong>-Mitgliedern bei<br />

Google gedacht und den RTO zum Anlass<br />

genommen, um bei ihren Kolleg:innen<br />

mit einer Umfrage nachzuhaken,<br />

wie die neue Art zu arbeiten<br />

ankommt. Denn der Suchmaschinengigant<br />

wählt für das New Normal eine<br />

hybride Mischung aus fixen Office-Tagen<br />

und freiwilligen Homeoffice-Tagen.<br />

Ortsflexibles Arbeiten ist das Thema<br />

der neuen Arbeitswelt und sicher<br />

mit Risiken wie Chancen verbunden.<br />

Einerseits sparen Mitarbeitende den<br />

Arbeitsweg und können die Zeit flexibler<br />

gestalten. Gerade für fokussierte,<br />

produktive Arbeiten scheint der Arbeitsplatz<br />

zu Hause zweckdienlicher<br />

zu sein. Es geht auch um grössere Zeitsouveränität<br />

und um plan- und gestaltbare<br />

Arbeitszeiten, die mit dem<br />

Privatleben vereinbar sind.<br />

Mit dem mobilen Arbeiten kommt<br />

eine Verdichtung und Entgrenzung<br />

der Arbeit. Menschen arbeiten zu<br />

Randzeiten, leisten mehr unbezahlte<br />

Arbeit. Meetings werden ohne Pausen<br />

geplant und man soll immer erreichbar<br />

sein. Jede:r Zweite kürzt die Pausen<br />

im Homeoffice, ergab eine neue<br />

Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes.<br />

Das alles hat Folgen für die<br />

Gesundheit der Menschen, denen weniger<br />

Erholungszeit zur Verfügung<br />

steht oder das Abschalten weniger gut<br />

gelingt.<br />

In der Pandemie hat sich auch der<br />

Blick auf die Arbeit im Office verändert.<br />

Auch bei Google gibt es Fürsprecher:innen<br />

und Gegner:innen von Remote<br />

Work. <strong>syndicom</strong> bleibt mit der<br />

Gruppe von Mitgliedern bei Google<br />

dran und vertieft Themen wie mangelnde<br />

Flexibilität bei der Wahl des<br />

Arbeits modells, Angst vor Infektion<br />

bei hohen Covid-Zahlen oder Knappheit<br />

an Bürofläche.<br />

Was wichtig bleibt, und nicht nur<br />

für Google: Flexibilität muss durch Arbeitnehmende<br />

mitbestimmt werden<br />

können. Der Einbezug der Belegschaft<br />

und von Personalvertretungen beim<br />

Etablieren und Überarbeiten von Regelungen<br />

ist zentral.<br />

Miriam Berger<br />

Älter werden als<br />

Freie in der Presse<br />

Einmal jährlich lädt <strong>syndicom</strong> ihre<br />

freischaffenden Mitglieder aus der<br />

Pressebranche zum spannenden Austausch.<br />

Am 10. September in Zürich<br />

diskutieren wir das Älterwerden. Gar<br />

nicht so einfach, wenn man als Freelancer<br />

unterwegs ist. Wie ist das mit<br />

den Aufträgen? Was ist mit Pensionskasse<br />

und dritter Säule? Wie ist es,<br />

sich nach 20 Jahren auf Zeitungsredaktionen<br />

selbständig zu machen?<br />

Gibt es überhaupt eine Zukunft im<br />

freien Journalismus? Und wie kann<br />

mir die Gewerkschaft dabei helfen?<br />

Über diese und andere Fragen wollen<br />

wir uns austauschen. Denn sie<br />

sind aktuell wie nie. In einem sich stetig<br />

und schnell verändernden Markt,<br />

in einer Schweiz mit einer komplexen<br />

Altersvorsorge bieten sich aber vielleicht<br />

auch spannende Chancen.<br />

Aus dem Programm<br />

In den Tag einführen wird Klara Obermüller,<br />

Grande Dame des Schweizer<br />

Journalismus. Auch mit über 80 publiziert<br />

sie weiter und berichtet über<br />

Tücken und Vorteile als Freie. Danach<br />

steht der Austausch im Vordergrund.<br />

Die erfahrenen Freien Bettina Büsser,<br />

Simon Koechlin, Martin Müller und<br />

Rolf Neeser geben Einblick in ihre<br />

langjährige freie Tätigkeit, in den erfolgreichen<br />

Einstieg in die Selbständigkeit<br />

und in den umkämpften Markt<br />

der freien Pressefotograf:innen.<br />

Es geht auch um das<br />

Bestehen in der Branche<br />

Der Anlass richtet sich nicht nur an<br />

ältere Freie. Gerade viele junge Journalist:innen<br />

stellen sich Fragen zum<br />

Bestehen in der Branche und damit<br />

auch zum Älterwerden im Beruf. Denn<br />

mit guter Vorbereitung erleben viele<br />

Freie das Älterwerden als befreiend.<br />

Der Tag der Freien findet am<br />

10. September von 13.15 bis 17.15 Uhr<br />

in der Helferei in Zürich statt; danach<br />

sind alle Teilnehmenden zum Apéro<br />

eingeladen. <strong>syndicom</strong>-Mitglieder nehmen<br />

kostenlos teil. Das ganze Programm<br />

mit Online-Anmeldung findet<br />

sich unter <strong>syndicom</strong>.ch/tdf22.<br />

Dominik Fitze


22 Politik<br />

Wir müssen die Vorlage<br />

«AHV21» stoppen<br />

Der historische Kampf für einen Altersruhestand mit einer<br />

würdigen Rente für alle geht von der Gewerkschaftsbewegung<br />

aus. Er wurde schon immer gegen konservative Widerstände<br />

geführt. – Beim Landesstreik 1918 war die spätere AHV eine<br />

Hauptforderung, und seit ihrer Einführung 1947 braucht sie<br />

unseren Schutz. Das Abbaupaket «AHV21» greift nun unser<br />

einziges soziales Altersvorsorgesystem frontal an und muss<br />

gestoppt werden. Ein Gespräch mit Gabriela Medici, Rentenexpertin<br />

beim Gewerkschaftsbund, und Patrizia Mordini,<br />

Leiterin Gleichstellung in der GL bei <strong>syndicom</strong>, moderiert von<br />

Romi Hofer, Leiterin Kommunikation bei <strong>syndicom</strong>, über die<br />

Gefährlichkeit der Vorlage und wie den teils zynischen Argumenten<br />

begegnet werden kann.<br />

Text: Romi Hofer<br />

Bild: Katja Leudolph<br />

Warum braucht es die gebündelte<br />

Kraft der Gewerkschaften im<br />

Abstimmungskampf gegen die<br />

Rentenreform «AHV21»?<br />

Gabriela Medici: Diese Vorlage zielt<br />

in die komplett falsche Richtung,<br />

sie will eine Schwächung der AHV<br />

anstatt einer Stärkung. Die AHV ist<br />

eine hochsolidarische und nachhaltige<br />

Errungenschaft, die es mit allen<br />

Mitteln zu verteidigen gilt. Mit der<br />

Abstimmung am 25. September stehen<br />

wir an einem Scheideweg. Wird<br />

die Reform angenommen, ist die Erhöhung<br />

des Rentenalters für Frauen<br />

nur der Anfang, die Erhöhung des<br />

Rentenalters für alle auf 67 ist bereits<br />

vorprogrammiert. Wir haben<br />

einen schleichenden Prozess hin zu<br />

einer Privatisierung und Entsolidarisierung<br />

in der Altersvorsorge.<br />

Patrizia Mordini: Apropos Frauen:<br />

Sie erhalten bereits heute einen<br />

Drittel weniger Rente als Männer.<br />

Dabei können sie fast nur auf die<br />

AHV zählen. Diese Rentenlücke<br />

spiegelt die ungleiche Verteilung<br />

der Erwerbschancen. Frauen übernehmen<br />

häufig Arbeiten in anstrengenden,<br />

aber schlechter bezahlten<br />

Berufen. Auch sind es hauptsächlich<br />

Frauen, die sich um die Kinder<br />

und kranke Angehörige kümmern.<br />

Deshalb arbeiten sie öfter Teilzeit,<br />

was ebenfalls zu tieferen Einkommen<br />

führt. Mit einer Erhöhung des<br />

Frauenrentenalters soll noch zusätzlich<br />

auf ihrem Buckel gespart werden.<br />

Die Frauen müssten mit Rentenverlusten<br />

von 1200 Franken<br />

jährlich rechnen, sofern sie überhaupt<br />

bis 65 arbeiten können.<br />

Gabriela Medici: Absolut. Die<br />

Hauptlast tragen hier die Frauen, ja.<br />

Aber Ehepaare sind genauso betroffen.<br />

Heute haben sie eine plafonierte<br />

AHV­Rente, mit der «AHV21»­Reform<br />

werden auch sie eine Kürzung<br />

haben. Nicht zu vergessen, dass mit<br />

«AHV21» auch noch die Mehrwertsteuer<br />

erhöht werden soll. Zusammen<br />

mit dem kommenden Krankenkassenschock<br />

im Herbst und<br />

der Teuerung werden – insbesondere,<br />

wenn die Löhne nicht ausreichend<br />

nachziehen – die einkommensschwachen<br />

Personen und<br />

Familien stark unter Druck geraten.<br />

Was bedeutet dies konkret für<br />

unsere Mitglieder?<br />

Patrizia Mordini: Viele unserer Mitglieder<br />

haben eine körperlich anstrengende<br />

Arbeit, bei der es schon<br />

jetzt eine Herausforderung ist, bis<br />

zum Pensionsalter ohne gesundheitliche<br />

Beeinträchtigungen zu<br />

arbeiten. Eine Frühpensionierung<br />

kommt bei vielen aufgrund des Einkommens<br />

nicht in Frage. Ein erhöhtes<br />

Rentenalter wäre für sie fatal.<br />

Gabriela Medici: Dazu ist die Arbeitslosenquote<br />

nirgends so hoch<br />

wie bei den 60+. Mit anderen Worten,<br />

wenn Frühpensionierung<br />

mit tieferer Rente nicht in Frage<br />

kommt: ein Jobwechsel ist für diese<br />

Personen meistens auch keine Option.<br />

Die zweite Säule kann diese<br />

Lücke übrigens nicht schliessen,<br />

und die dritte Säule darf man gar<br />

nicht erst erwähnen. Nur ca. 10 %<br />

der Bevölkerung können hier überhaupt<br />

den Maximalbetrag einzahlen.<br />

Patrizia Mordini: Der drohende<br />

AHV­Abbau betrifft auch viele unserer<br />

freischaffenden Mitglieder. Auch<br />

für sie funktioniert die zweite Säule<br />

in der Regel nicht und eine stabile<br />

AHV ist gerade für sie essenziell.


«Wenn diese Reform durchkommt, ist das Rentenalter 67<br />

für alle ein Fait accompli!» Gabriela Medici, SGB<br />

23<br />

Dann liegt das Problem eigentlich<br />

gar nicht bei der AHV, sondern bei<br />

der zweiten Säule ...<br />

Gabriela Medici: Richtig, die grosse<br />

Rentenlücke klafft in der 2. Säule.<br />

Die Lücke zwischen Männern und<br />

Frauen beträgt in der AHV 3 Prozent,<br />

bei den Pensionskassen volle<br />

63 Prozent. Das Problem der Rentenlücke<br />

der Frauen muss jedoch<br />

trotzdem auch in der AHV mitgedacht<br />

werden, denn fast ein Drittel<br />

der erwerbstätigen Frauen sind gar<br />

nicht in einer Pensionskasse. Und<br />

in der 2. Säule vergeht viel Zeit, bis<br />

eine Massnahme zu höheren Renten<br />

führt. Eine Schwächung der AHV<br />

liegt in dieser Konstellation einfach<br />

nicht drin.<br />

Die Werbung für «AHV21» behauptet,<br />

die AHV sei kein stabiles System<br />

und ihre Finanzierung wäre nicht<br />

gesichert.<br />

Patrizia Mordini: Das stimmt einfach<br />

nicht und wird uns von bürgerlicher<br />

Seite seit Jahren falsch eingebläut!<br />

Die AHV ist für die nächsten<br />

10 Jahre gesichert und schreibt<br />

schwarze Zahlen. Sie ist solide und<br />

fair.<br />

Gabriela Medici: Die Geschichte der<br />

Falschprognose der AHV ist etwa so<br />

alt wie die AHV selbst. Allein im letzten<br />

Jahr hat sie tatsächlich 2,5 Milliarden<br />

Überschuss generiert. Die<br />

AHV ist eine Staatsaufgabe und als<br />

solche in der Verfassung verankert.<br />

Die AHV kann gar nicht bankrottgehen,<br />

schon rein juristisch wäre<br />

dies gar nicht möglich.<br />

Also ist den heutigen Jungen eine<br />

AHV-Rente sicher?<br />

Gabriela Medici: Ja! Und gerade für<br />

die Jungen ist eine starke AHV besonders<br />

wichtig. Denn sie zahlen für<br />

ihre Rente viel weniger in die AHV<br />

ein, als wenn sie mittels dritter Säule<br />

für ihre Altersvorsorge allein sorgen<br />

müssten. Bei einer 20­jährigen<br />

Person mittleren Einkommens<br />

sprechen wir hier von einem Unterschied<br />

von fast einer Viertelmillion!<br />

Für Familien ist der AHV­Vorteil mit<br />

einem Betrag von 400 000 Franken<br />

noch grösser.<br />

Eine Lanze für die AHV …<br />

Gabriela Medici: In der Tat (lacht).<br />

Die AHV ist ein Zukunftsprojekt. In<br />

der AHV gibt es keinen Generationenkonflikt.<br />

Die AHV ist unglaublich<br />

solidarisch. Das heisst konkret,<br />

dass 92 % der Bevölkerung mehr aus<br />

der AHV erhalten, als sie einzahlen.<br />

Der Grund dafür ist, dass für Millionenboni<br />

unbegrenzt eingezahlt<br />

wird, diese machen die restlichen<br />

8 % aus. Ein anderer Vorteil der solidarischen<br />

Umverteilung liegt darin,<br />

dass in der AHV die unbezahlte<br />

Care­Arbeit anerkannt wird. Es ist<br />

egal, ob sich Mann oder Frau um die<br />

Kinder kümmert, es ist egal ob Jung,<br />

Alt, Mann oder Frau einzahlt. Es<br />

geht nur darum, dass sich alle –<br />

inkl. Topmanagement – daran beteiligen,<br />

die AHV zu finanzieren. Gerade<br />

deshalb ist das Ziel der AHV so<br />

wichtig und muss endlich erreicht<br />

werden: existenzsichernde Renten<br />

für alle.<br />

Zu guter Letzt: Welches Stammtisch-Argument<br />

mögt ihr nicht mehr<br />

hören?<br />

Patrizia Mordini: Das Argument, es<br />

gehe bei der Angleichung des Rentenalters<br />

um Gleichberechtigung,<br />

weshalb wir das begrüssen müssten.<br />

Das nervt mich besonders. Das<br />

Gleichberechtigungsargument ist<br />

schlicht zynisch. Frauen haben immer<br />

noch tiefere Löhne, einen Drittel<br />

weniger Rente und sollen jetzt<br />

noch die AHV finanzieren.<br />

Gabriela Medici: Mich ärgert wirklich,<br />

dass über die Altersvorsorge<br />

komplett losgelöst von der Rentenhöhe<br />

diskutiert wird.<br />

Massgebend dafür, wann Menschen<br />

in die Rente gehen, ist bereits<br />

heute nicht das im Gesetz festgelegte<br />

Alter, sondern die Rentenhöhe.<br />

Diejenigen, die bis zum Rentenalter<br />

arbeiten müssen, weil sie sich keine<br />

Frühpensionierung leisten können,<br />

haben eine massiv tiefere Rente als<br />

diejenigen, die frühzeitig in Rente<br />

gehen.<br />

So erhalten heute Männer, die<br />

bis 65 arbeiten müssen, weniger als<br />

1800 Franken aus der Pensionskasse.<br />

Dagegen beziehen Männer, die<br />

sich mit 60 pensionieren lassen<br />

können, mehr als das Doppelte, also<br />

fast 4000 Franken, aus der Pensionskasse.<br />

Frühpensionierungen<br />

werden statistisch nach Branchen<br />

erhoben. Und die Branche, die am<br />

frühesten in die Pension geht, ist<br />

die Versicherungs­ und Finanzbranche.<br />

Also diejenigen, die Studien<br />

publizieren und behaupten, dass<br />

wir länger arbeiten sollen und mehr<br />

ansparen müssen, gehen selbst<br />

möglichst früher.<br />

Infos lesen, Plakate bestellen, spenden:<br />

https://ahv21­nein.ch<br />

Deshalb sagen<br />

wir 2x NEIN<br />

Am 25. September stimmen<br />

wir ab über die Änderung des<br />

AHV­Gesetzes und über die<br />

Finanzierung der AHV durch<br />

eine MWST­Erhöhung:<br />

5 klare Gründe für 2x Nein!<br />

NEIN zu dieser angeblichen<br />

«Gleichstellung»<br />

Die AHV­Reform erfolgt auf Kosten<br />

der Frauen, die statt bis 64 neu bis<br />

65 arbeiten sollen.<br />

NEIN zu 26 000 Franken Verlust<br />

für jede Frau<br />

Frauen erhalten bereits heute einen<br />

Drittel weniger Rente als Männer.<br />

Mit «AHV21» sollen auf ihre Kosten<br />

noch 7 Milliarden gespart werden.<br />

Jede Frau würde jedes Jahr 1200 Fr.<br />

weniger Rente haben – insgesamt<br />

etwa 26 000 Franken weniger.<br />

Nein zur angeblichen<br />

Flexibilisierung<br />

Die Reform sieht einen flexiblen<br />

Beginn des Rentenbezugs zwischen<br />

62/63 und 70 Jahren vor. Arbeitnehmende<br />

mit tiefen Löhnen oder<br />

Erwerbsunterbrüchen sind heute<br />

aber gezwungen, auch nach Erreichen<br />

des Rentenalters weiterzuarbeiten.<br />

Weil ihre AHV­Renten nicht<br />

zum Leben reichen.<br />

Nein zur Pensionierung mit 67<br />

Die AHV­Reform streicht das gesetzliche<br />

Rentenalter und ersetzt es<br />

durch ein «Referenzalter», das leicht<br />

nach hinten verschoben werden<br />

kann. Mit der flexiblen Pensionierung<br />

steht die Türe für eine Erhöhung<br />

des Rentenalters für alle weit<br />

offen.<br />

Nein zur unsozialen Besteuerung<br />

Die Reform will zur Teil­Finanzierung<br />

der AHV die Mehrwertsteuer<br />

erhöhen. Dies belastet die ärmeren<br />

Bevölkerungsteile viel stärker, die<br />

von ihrem Einkommen viel mehr<br />

für Konsumgüter ausgeben müssen<br />

als die Reichen. Das ist unsozial.


24 Politik<br />

«Produktivität» ist eine<br />

frauenfeindliche Idee<br />

Laetitia Vitaud, Autorin und<br />

Vortragende zur Zukunft<br />

der Arbeit und des Managements,<br />

übt feministische<br />

Kritik an der Produktivität,<br />

einem Indikator, der die<br />

unsichtbare und unbezahlte<br />

Arbeit der Frauen nicht<br />

berücksichtigt.<br />

Gespräch: Muriel Raemy<br />

Bild: zVg<br />

Laetitia Vitaud, im April erschien<br />

Ihr Buch «En finir avec la productivité<br />

– Critique féministe d’une notion<br />

phare de l’économie et du travail»<br />

(Schluss mit der Produktivität:<br />

Feministische Kritik an einem<br />

Leitkonzept in Wirtschaft und<br />

Arbeit). – Was ist Produktivität?<br />

Die Produktivität entspricht einem<br />

Verhältnis, einem Anteil. Zum Beispiel:<br />

Anzahl Autos, die am Abend<br />

das Werk verlassen, im Verhältnis<br />

zur Anzahl der anwesenden Arbeiter:innen.<br />

Daraus ergibt sich eine<br />

eindeutige Zahl – und die Illusion<br />

eines unumstösslichen Fakts. In der<br />

Realität ist es aber schwierig, einen<br />

einzigen Produktionsfaktor isoliert<br />

zu betrachten. Das ist sehr künstlich<br />

und verkennt das Wesentliche.<br />

Das heisst?<br />

Produktivität lässt sich in der Fabrik<br />

oder in der Landwirtschaft ganz gut<br />

messen. Aber wie kann man Wissen,<br />

Care, Wohlbefinden, Beziehungen,<br />

die Auswirkungen auf die Umwelt,<br />

auf die urbane Vitalität, auf das soziale<br />

Gefüge beziffern? Per Definition<br />

ignoriert die Produktivität die<br />

Wechselwirkung von Aktivitäten<br />

ebenso wie die externen Effekte<br />

und alle Besonderheiten einer<br />

Volkswirtschaft. Schon lange wird<br />

dies auch am BIP kritisiert. Produktivität<br />

und BIP definieren aber, ob<br />

eine Wirtschaft gesund ist oder<br />

nicht. Aus ökonomischer Sicht<br />

beruht meine Kritik darauf, dass<br />

Produktivität als Kennzahl sehr<br />

beschränkt oder gar falsch ist.<br />

«Derweil der<br />

Mann produktiv<br />

arbeiten geht, ist<br />

die Frau zu Hause<br />

unsichtbar.»<br />

Ihre Kritik ist in erster Linie<br />

feministisch.<br />

Ja, mit der industriellen Wirtschaft<br />

wird die Produktion den Männern<br />

ausser Haus anvertraut. Für die<br />

Reproduktion seiner Arbeitskraft<br />

(Kinder betreuen, kochen, haushalten,<br />

während der Mann arbeitet)<br />

ist die Frau zuständig, zu Hause eingesperrt.<br />

Der Lohn des Mannes soll<br />

alle Bedürfnisse der Familie abdecken.<br />

Die Aufgaben der Frauen (die<br />

jedoch für die Produktion unerlässlich<br />

sind!) hingegen werden nicht<br />

entlohnt. Ihre Arbeit ist nicht Teil<br />

der Marktwirtschaft. Die Frauen<br />

werden unsichtbar gemacht.<br />

Im 20. Jahrhundert haben die<br />

«Reproduktionsaufgaben» grösstenteils<br />

Eingang in die Marktsphäre gefunden:<br />

die Essenszubereitung in<br />

der Kantine, die Betreuung der Alten<br />

zu Hause, die Kinderbetreuung.<br />

Diese Berufe sind noch weit gehend<br />

weiblich und deutlich entwertet.<br />

Ökonom:innen bezeichnen alle<br />

diese Tätigkeiten als «wenig produktiv»!<br />

Produktivität ist in vielerlei<br />

Hinsicht frauenfeindlich.<br />

Produktivität hätte aber etwas Gutes<br />

sein können, oder? Mehr mit<br />

weniger produzieren – wir hätten<br />

eben gerade mehr Zeit gewinnen<br />

sollen für unsere Hobbys oder<br />

dafür, uns um andere zu kümmern.<br />

Man dachte, die Arbeitszeit würde<br />

sich verringern. Das war auch bis zu<br />

den 1990er­Jahren zu beobachten:<br />

Die Leute hatten Zeit für Hobbys,<br />

konnten verreisen. Nur kam die<br />

Verkürzung der Arbeitszeit zum<br />

Stillstand. Die Produktivität hat zugenommen,<br />

aber die produktivsten<br />

Arbeitnehmenden haben weiterhin<br />

immer mehr gearbeitet, besonders<br />

in wichtigen Positionen, in Bereichen<br />

wie Finanz oder Technologie.<br />

Gleichzeitig wurden den Arbeitnehmenden,<br />

die als weniger produktiv<br />

galten, schlecht bezahlte und Teilzeitstellen<br />

angeboten: Die Arbeit<br />

wird einfach nicht richtig aufgeteilt.<br />

Das Buch ist in der Essay­Reihe von Payot<br />

erschienen, es kostet 18 Franken.


Recht so!<br />

25<br />

Liebe Rechtsberatung:<br />

Ich arbeite als Journalistin<br />

in einem grossen Medienunternehmen.<br />

Ein Arbeitskollege<br />

äussert sich häufig<br />

mit sexuell anzüglichen<br />

Bemerkungen zu meiner<br />

Kleidung, manchmal auch<br />

vor anderen Arbeitskolleg:innen.<br />

Wenn ich ihn<br />

darauf anspreche, erklärt<br />

er seine Aussagen als<br />

Komplimente, die ich<br />

falsch verstehen würde.<br />

Mir ist nicht wohl dabei.<br />

Kann ich etwas dagegen<br />

unternehmen?<br />

Falls mein Arbeitgeber<br />

nicht intervenieren sollte,<br />

wie kann ich vorgehen?<br />

Habe ich eine Kündigung<br />

zu befürchten?<br />

Wie kann ich gegen<br />

meinen Arbeitskollegen<br />

vorgehen? Schliesslich hat<br />

er mich herabwürdigend<br />

behandelt.<br />

Antwort des <strong>syndicom</strong>-Rechtsdienstes<br />

Art. 4 des Gleichstellungsgesetzes (GlG) verbietet sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz,<br />

wobei jedes belästigende Verhalten sexueller Natur mittels Worten,<br />

Gesten oder Taten, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz<br />

beeinträchtigt, dazugehört, insbesondere auch anzügliche Bemerkungen und<br />

sexistische «Witze». Hier gibt es keine falsch verstandenen Komplimente,<br />

denn nicht die Absicht ist entscheidend. Ist die sexistische Bemerkung für<br />

dich unerwünscht, gilt diese als sexuelle Belästigung. Dagegen solltest du dich<br />

rasch und bestimmt wehren, dies zeugt nämlich von mangelndem Respekt,<br />

verletzt die Würde, kann demotivieren oder sogar krank machen. Zuerst solltest<br />

du dem Arbeitskollegen mündlich klar machen, dass du sein Verhalten<br />

nicht tolerierst. Falls er mit der Belästigung nicht aufhört, solltest du ihn<br />

schriftlich zur Unterlassung auffordern, gleichzeitig Tagebuch über die Belästigungen<br />

führen und die zuständige Fachperson im Unternehmen, den<br />

Personaldienst oder deine:n Vorgesetzte:n informieren.<br />

Im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht muss der Arbeitgeber im Sinne des GlG<br />

intervenieren. Informiere dich, ob es in deinem Unternehmen ein Reglement<br />

gibt, das Rechte und Pflichten von Betroffenen sowie das geeignete Verfahren<br />

festlegt (allenfalls auch ein internes formelles Beschwerdeverfahren).<br />

Lässt sich schliesslich betriebsintern keine Lösung finden, kann kostenlos<br />

die kantonale Schlichtungsstelle angerufen werden.<br />

Wenn er nicht interveniert, kannst du ihn gestützt auf das GlG verklagen. Das<br />

Gericht kann einerseits anordnen, die bestehende Diskriminierung zu beseitigen<br />

(Art. 5 Abs. 1 GlG), andererseits dir eine Entschädigung zusprechen, wenn<br />

der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er die nötigen Massnahmen getroffen<br />

hat (Art. 5 Abs. 3 GlG). Sollte dein Arbeitgeber, weil du einen Anspruch gemäss<br />

GlG geltend machst, das Arbeitsverhältnis tatsächlich kündigen, kannst<br />

du ihn vor Gericht auf eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung<br />

verklagen (Art. 10 GlG). Ein Kündigungsschutz von sechs Monaten ist zu<br />

berücksichtigen. Leider entfaltet aber eine missbräuchliche Kündigung<br />

Rechtswirkung und beendet dennoch das Arbeitsverhältnis. Im Gleichstellungsverfahren<br />

werden keine Verfahrenskosten erhoben, allenfalls Parteientschädigungen<br />

zugesprochen. Deine Gewerkschaft bietet hier Rechtshilfe<br />

an und deckt im Rahmen vom Berufsrechtsschutz auch die Kosten.<br />

Parallel zum Gleichstellungsverfahren kann allenfalls eine Strafanzeige gegen<br />

den Belästigenden erhoben werden, wenn es sich um eine sexuelle Belästigung<br />

«in grober Weise durch Worte» im Sinne von Art. 198 Strafgesetzbuch<br />

handelt. Gemäss Bundesgericht ist diese anhand der konkreten Umstände<br />

und des Gesamtumfelds zu würdigen. Sie muss vom Standpunkt eines oder<br />

einer objektiven Betrachtenden aus klar erkennbar sein. Ausserdem muss die<br />

Belästigung bewiesen werden. Die Aussagen von Arbeitskolleg:innen können<br />

hilfreich sein. Die Strafanzeige ist innert drei Monaten seit der letzten Belästigung<br />

einzureichen.<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/rechtso


26 Freizeit<br />

Tipps<br />

© Stiftung Comensoli<br />

© Grafik: Teo Schifferli<br />

Gesundheitsthemen bei<br />

Movendo<br />

Stress am Arbeitsplatz ist sicher<br />

eines der wichtigsten Themen auch<br />

bei Movendo. Der wiederkehrende<br />

Kurs «Umgang mit Stress in Beruf<br />

und Alltag», der dieses Jahr noch<br />

zweimal abgehalten wird, ist denn<br />

auch beide Male ausgebucht. Die<br />

Warteliste für den Termin im<br />

Dezember ist noch etwas kürzer,<br />

ansonsten wird der Kurs voraussichtlich<br />

nächstes Jahr wieder 4-mal<br />

durchgeführt.<br />

Besonders an Personen mit Vorgesetztenfunktion<br />

richtet sich der<br />

Kurs «Gesund bleiben am Arbeitsplatz:<br />

Führungsaufgabe Gesundheit».<br />

Vorgesetzte müssen die Gesundheit<br />

ihrer Mitarbeitenden im<br />

Auge behalten und genauso zu ihrer<br />

eigenen Gesundheit Sorge tragen.<br />

Dieser Kurs stellt Methoden und<br />

Instrumente zur Gesundheitsförderung<br />

vor und hilft bei der eigenen<br />

Führungsarbeit. Franziska Schneider<br />

vom SEV leitet den Kurs, er ist<br />

zweitägig, 25. 8.–26. 8. in Männedorf,<br />

es hat noch Plätze. Kursgebühr,<br />

Übernachtung und Verpflegung<br />

für Mitglieder kostenlos!<br />

Eine notorische Quelle von<br />

Stress: «Auf Stellensuche mit 50+».<br />

Genau dafür gibt es den gleichnamigen<br />

Kurs. Der Coach Rolf Summermatter<br />

beackert mit den Teilnehmenden<br />

den Lebenslauf und stellt<br />

sicher, dass am Ende ein wunderbares<br />

Dossier mit motivierendem<br />

Anschreiben vorliegt und die Absolvent:innen<br />

sich auf das Bewerbungsgespräch<br />

freuen. Doch der<br />

Kurs bleibt nicht auf der individuellen<br />

Ebene stehen: SGB-Chefökonom<br />

Daniel Lampart füttert die Teilnehmenden<br />

mit Wissen und Argumenten<br />

zu Gewerkschaftspositionen<br />

beim Thema Arbeitsmarktpolitik.<br />

Am 24. und 25. Oktober in Olten,<br />

ohne Übernachtung.<br />

(Red.)<br />

Mario Comensoli:<br />

Kunstwerke für die 99%<br />

Seine Werke sind bis heute im «Ristorante<br />

Cooperativo» ausgestellt, wo<br />

sich früher Migrant:innen und Antifaschist:innen<br />

trafen und das bis<br />

heute ein traditioneller Treffpunkt<br />

der Zürcher Linken ist. Zum 100.<br />

Geburtstag von Mario Comensoli,<br />

der den kritischen Schweizer Realismus<br />

vertritt, gab und gibt es dieses<br />

Jahr verschiedene Ausstellungen.<br />

Als Adoptivsohn zweier Schwestern,<br />

die vom Cesena nach Lugano<br />

migriert waren, wuchs er in den<br />

1920er-Jahren im Quartier Molino<br />

Nuovo in Lugano auf, wo viele Arbeiter:innen<br />

und italienische Emigranten<br />

lebten. In der Jugend verdingte<br />

er sich als Kellner und Hilfsarbeiter<br />

und verkaufte seine erste Kunst an<br />

Tourist:innen. In den 50er-Jahren<br />

befasste er sich in Ölbildern mit<br />

dem Alltag der Menschen aus seinem<br />

Umfeld, den italienischen Arbeiter:innen<br />

im Baugewerbe, in den<br />

Fabriken und im Dienstleistungssektor.<br />

Die Bildserie «Uomini in blu»<br />

begründete seine frühe Bekanntheit.<br />

Die politische und gesellschaftliche<br />

Aktualität der Schweiz beschäftigte<br />

Comensoli zeitlebens,<br />

seine Bildsprache entwickelte er<br />

ständig weiter, davon zeugen farbige<br />

Bilder der 68er, geprägt von<br />

Feminismus, Emanzipation und<br />

reiner Lebens- und Konsumfreude.<br />

Ab den 80er-Jahren konnte er von<br />

seinem Atelier an der Letten-Station<br />

direkt auf den Platzspitz blicken.<br />

Die Verzweiflung und das sich vor<br />

ihm abspielende Drogenelend verarbeitete<br />

er in seinen düstersten Bildkompositionen.<br />

Seine «Peinture du Mouvement»<br />

ist bis Ende September 2022 in Zürich,<br />

Centro Comensoli, Heinrichstrasse<br />

267, zu bestaunen. Oder bei<br />

einem gemütlichen Kaffee im «Ristorante<br />

Cooperativo» in Zürich.<br />

(Lydia Schebesta)<br />

Schweizer Künstlerbücher<br />

Mit der Publikation «Schweizer<br />

Künstlerbücher – Livres d’artistes<br />

suisses – Libri d’artista svizzeri –<br />

Swiss artists’ books» gibt die<br />

Schweizerische Nationalbibliothek<br />

im Verlag der Buchhandlung<br />

Walther und Franz König eine kritische<br />

Übersicht zum Schweizer<br />

Künstlerbuch heraus.<br />

Allgemein Kunstinteressierten<br />

kaum bekannt und als Gegenstand<br />

eher verschlossen, ist das Künstlerbuch<br />

eine Art Ikone und Kultobjekt<br />

der Kunst- und Bibliotheksgeschichte<br />

geworden. Das Buch an sich ist<br />

einer der funktionalsten und liberalsten,<br />

oft auch preiswertesten<br />

Informations träger der Kulturgeschichte.<br />

Welche Rolle spielt dabei<br />

das Künstlerbuch?<br />

Ausgehend von einer der umfassendsten<br />

Künstlerbücher-Sammlungen<br />

der Schweiz, derjenigen der<br />

National bibliothek, hat die Herausgeberin<br />

und Autorin Susanne Bieri<br />

anhand von 112 Interviews das<br />

schweizerische «Artist’s Book» im<br />

internationalen Kontext verhandelt,<br />

rund 450 Fragen gestellt, jedoch<br />

mehr als 450 Antworten erhalten, da<br />

diese erneut zu rund 650 Annotationen,<br />

Assoziationen und Anekdoten<br />

führten.<br />

Damit liegt mit «Schweizer<br />

Künstlerbücher – Livres d’artistes<br />

suisses – Libri d’artista svizzeri –<br />

Swiss artists’ books» erstmals ein<br />

einzigartiges enzyklopädisches<br />

Künstlerbücher-Kompendium vor.<br />

(Nationalbibliothek)<br />

Alle Kurse des Jahres:<br />

Movendo.ch<br />

Späte Arbeiten werden vom 10. Sep. bis<br />

12. Nov. im Valleyart Kemptthal gezeigt.<br />

Das Buch wird am 25. August an der<br />

MAMCO in Genf präsentiert.


1000 Worte<br />

Ruedi Widmer<br />

27


28 Bisch im Bild Fünfzigtausend: Viele gingen am 14. Juni zum Frauenstreik auf die Strasse,<br />

um Gleichberechtigung zu fordern und auch, um NEIN zu «AHV21» zu sagen.<br />

Die <strong>syndicom</strong>-Delegierten haben an der Versammlung vom 18. Juni in Bern<br />

den Abbau der AHV und höhere Mehrwertsteuer ebenfalls klar abgelehnt.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5


1. «Immer no hässig!»: der Frauenstreik 2022 fand wie gewohnt am<br />

14. Juni statt. (© Marc Wegmüller)<br />

2. Der Frauenstreik, hier beim Zytglogge in Bern. (© Marc Wegmüller)<br />

3. Non soltanto a Piazza Federale, ma in tutta la Svizzera! Schweizweit<br />

streikten 50 000 Menschen für mehr Gleichstellung. (© Marc Wegmüller)<br />

4. <strong>syndicom</strong> veranstaltete anlässlich des Frauenstreiks Aktionen<br />

in Betrieben, hier beim Personal von MS Direkt in St. Gallen. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

5. Und hier bei der Swisscom Pfingstweidstrasse in Zürich. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

6. Die Geschäftsleitung von <strong>syndicom</strong> an der Delegiertenversammlung<br />

am 18. Juni im Bierhübeli in Bern: Daniel Hügli, Matteo Antonini,<br />

Daniel Münger, Stefanie Vonarburg, Patrizia Mordini (von links).<br />

(© Bruno Dias für <strong>syndicom</strong>)<br />

7. Plaudern und Lächeln unter den Delegierten (Mariem Fiadjigbe und<br />

Janice Matthes). (© Bruno Dias für <strong>syndicom</strong>)<br />

8. Der Vortrag von Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen<br />

Gewerkschaftsbunds. (© Bruno Dias für <strong>syndicom</strong>)<br />

9. Die Intervention von Augustin Mukamba-Moyo, Interessengruppe<br />

Migration. (© Bruno Dias für <strong>syndicom</strong>)<br />

10. Zahlreiche Engagierte fanden sich an der Delegiertenversammlung von<br />

<strong>syndicom</strong> ein. (© Bruno Dias für <strong>syndicom</strong>)<br />

6<br />

7<br />

9<br />

8<br />

10


<strong>30</strong><br />

Aus dem<br />

Leben von ...<br />

Andrea Zampieri: «Ich versuche zu<br />

vermitteln und gute Lösungen zu finden»<br />

Andrea Zampieri ist im Tessin, in Tesserete,<br />

geboren und aufgewachsen.<br />

Mit zwanzig ging er für verschiedene<br />

Sprachaufenthalte nach England und<br />

zog später nach Genf, wo er bei der<br />

Schweizerischen Ausgleichskasse<br />

(AHV/IV) eine Stelle fand. Nach einem<br />

zehnmonatigen Aufenthalt in Australien<br />

kehrte er nach Genf zurück und<br />

begann, für die Swisscom als Verkaufsberater<br />

in den Shops des Unternehmens<br />

zu arbeiten.<br />

Andrea hat zwei Kinder und begeistert<br />

sich für Fussball und vor allem Musik –<br />

von Postpunk bis Electro.<br />

Text: Maria Giuditta Valorani<br />

Foto: Sandro Mahler<br />

«Mehr Gewerkschaft<br />

macht mehr<br />

Gelassenheit möglich»<br />

Einfühlsam, idealistisch und versöhnlich<br />

– ich versuche immer, Antworten<br />

und positive Lösungen zu<br />

finden. Ich arbeite im Swisscom<br />

Shop in Lugano und bin Gewerkschaftsdelegierter<br />

von <strong>syndicom</strong>.<br />

Ich habe mich erst sehr spät für<br />

die Gewerkschaft interessiert. Früher<br />

wusste ich nicht viel über Gewerkschaften<br />

und hielt sie eher für unnötig.<br />

Mit der Zeit und der grösseren<br />

Erfahrung wuchs mein Interesse und<br />

ich begriff, dass Gewerkschaften das<br />

beste Mittel sind, um sich zu wehren,<br />

sich Gehör zu verschaffen und etwas<br />

zu erreichen.<br />

Nachdem ich nach mehreren Jahren<br />

ins Tessin zurückgekehrt war,<br />

hatte ich Gelegenheit, den <strong>syndicom</strong>­<br />

Regionalsekretär Nicola Morellato<br />

kennenzulernen. Ich verstand, wie<br />

wichtig es sein kann, besser Bescheid<br />

zu wissen über die Rechte und Pflichten<br />

in der Arbeitswelt.<br />

So wurde ich zum Sprachrohr der<br />

Beschäftigten in den Swisscom<br />

Shops und zur gewerkschaftlichen<br />

Bezugsperson, um auf die Realitäten<br />

und die spezifische Dynamik dieses<br />

Sektors aufmerksam zu machen (die<br />

sich von denjenigen anderer Bereiche<br />

der Swisscom wie IT und Administration<br />

usw. unterscheiden).<br />

Ich übe also in jeder Hinsicht die<br />

Gewerkschaftsfunktion aus und bin<br />

Ansprechpartner für die Kolleginnen<br />

und Kollegen in den Betrieben und<br />

für <strong>syndicom</strong> und versuche, in verschiedenen<br />

Situationen zu vermitteln<br />

und gute Lösungen zu finden.<br />

Als aktiver Gewerkschafter verschaffe<br />

ich heute den Bedürfnissen und Anliegen<br />

der Kolleginnen und Kollegen<br />

Gehör.<br />

Angetrieben von dem starken<br />

Wunsch, mich nützlich zu machen,<br />

werde ich mit der Zeit immer mehr<br />

zu einem aktiven Mitglied, das in der<br />

Lage ist, unklare Dinge zu beeinflussen<br />

und zu verändern. Es interessiert<br />

mich besonders, gewisse Grauzonen<br />

herauszuarbeiten und zu<br />

analysieren, wie die diversen Rechte<br />

und allgemein Handlungsspielräume<br />

in einem führenden und innovativen<br />

Unternehmen wie der Swisscom<br />

aussehen könnten.<br />

Was mir besonders am Herzen<br />

liegt und für meine Rolle sehr wichtig<br />

ist: Ich versuche, immer einen<br />

konstruktiven Dialog zu führen und<br />

mehr Transparenz zu schaffen, um<br />

das Vertrauen zwischen Mitarbeitenden<br />

und Management zu stärken.<br />

Ich setze mich dafür ein, dass das<br />

Verhältnis zwischen den beiden<br />

Parteien immer besser wird.<br />

Aus meiner Sicht wäre es gut,<br />

wenn es mehr Gewerkschaftsmitglieder<br />

bei Swisscom gäbe, um für die<br />

Mitarbeitenden ein gutes Arbeitsumfeld<br />

zu schaffen und mehr Gelassenheit,<br />

und so Swisscom zum<br />

«Great Place to Work in Switzerland»<br />

zu machen.<br />

Und ich glaube, dass man alles<br />

mit Gelassenheit und Intelligenz,<br />

aber auch mit einer gesunden Dosis<br />

Humor angehen kann und sollte.


Impressum<br />

Redaktion: Robin Moret und Giovanni Valerio<br />

(Co-Leitung), Rieke Krüger, Lydia Schebesta<br />

Tel. 058 817 18 18, redaktion@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Übersetzungen: Alexandrine Bieri,<br />

Laurence Strasser, Gabriele Alleva<br />

Porträtzeichnungen: Katja Leudolph<br />

Layout und Druck: Stämpfli Kommunikation, Bern<br />

Adressänderungen: <strong>syndicom</strong>, Adressverwaltung,<br />

Monbijoustrasse 33, Postfach, <strong>30</strong>01 Bern<br />

Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17<br />

Inserate: priska.zuercher@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Das Abo ist für Mitglieder kostenlos. Für Nichtmitglieder:<br />

Fr. 35.– (Inland), Fr. 50.– (Ausland)<br />

Abo-Bestellung: info@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Verlegerin: <strong>syndicom</strong> – Gewerkschaft<br />

Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,<br />

Postfach, <strong>30</strong>01 Bern<br />

Das <strong>syndicom</strong>-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.<br />

Die Nummer 31 erscheint am 14. Oktober 2022.<br />

31<br />

Das <strong>syndicom</strong>-Kreuzworträtsel<br />

Reisegeld für die Reisezeit: Zu gewinnen<br />

gibt es ein REKA-Guthaben im Wert von<br />

50 Franken. Das Lösungswort wird in der<br />

nächsten Ausgabe zusammen mit dem<br />

Namen der Gewinnerin oder des Gewinners<br />

veröffentlicht.<br />

Lösungswort und Absender an admin@<br />

<strong>syndicom</strong>.ch oder per Postkarte an:<br />

<strong>syndicom</strong>-Magazin, Monbijoustrasse 33,<br />

Postfach, <strong>30</strong>01 Bern. Einsendeschluss:<br />

10. September 22.<br />

Der Gewinner<br />

Die Lösung des Kreuzwort rätsels aus<br />

dem <strong>syndicom</strong>-Magazin <strong>Nr</strong>. 29 lautet:<br />

MOBILISIERUNG. Gewonnen hat Georg<br />

Moser aus Uetendorf. Der Silberbarren<br />

der Bank Cler ist unterwegs.<br />

Wir gratulieren herzlich!<br />

Anzeige<br />

Ferien und Freizeit – ungeheuer<br />

günstig.<br />

Reka-Pay:<br />

bei <strong>syndicom</strong><br />

mit 7% Rabatt<br />

Gönnen Sie sich mehr für Ihr<br />

Budget: Mit Reka-Pay bezahlen Sie<br />

Tickets für den öffentlichen Verkehr<br />

und bei Bergbahnen, in Hotels,<br />

Restaurants, an Tankstellen (AVIA,<br />

BP und Coop Pronto) u.v.m.<br />

reka.ch<br />

MIT REKA LIEGT MEHR DRIN.


32 Inter-aktiv<br />

<strong>syndicom</strong> social<br />

DV <strong>syndicom</strong> 18.6.2022<br />

Im Bierhübeli Bern wird sonst getanzt<br />

und gefeiert, nicht so an der jährlichen<br />

#<strong>syndicom</strong> Delegiertenversammlung, wo<br />

mehr debattiert und abgestimmt wurde.<br />

Wir haben die Weichen gestellt für das<br />

kommende Jahr sowie Budget und Jahresrechnung<br />

abgesegnet. Auch in Zukunft setzen wir uns<br />

ein für mehr Gerechtigkeit beim Lohn, starke GAV<br />

und eine Verkürzung der Arbeitszeit.<br />

Facebook.com/<strong>syndicom</strong><br />

«Hände weg von unseren Renten!» 3.7.2022<br />

Sagt Yannick Vyaahpooree, ICT System<br />

Manager III bei Swisscom. Am 25. September<br />

2022 werden wir über das Paket «AHV21» abstimmen<br />

und sagen 2x Nein! Engagiere auch<br />

du dich mit einem Statement gegen die<br />

Abbauvorlage und sichere unsere Renten.<br />

https://twitter.com/YVyaahpooree<br />

Mehr nachhaltiges Handeln gefordert 6.7.2022<br />

Die Plattform Agenda 20<strong>30</strong> sieht die Schweiz nicht auf<br />

Kurs für eine nachhaltige Welt. Sie fordert vom Bundesrat<br />

die Halbierung der Armut und den Schutz von Klima und<br />

Menschenrechten sowie, den Finanzplatz in die Pflicht zu<br />

nehmen. Solidar Suisse<br />

Historischer Durchbruch beim Arbeitsschutz<br />

13.6.2022<br />

Die Internationale Arbeitsorganisation ILO fällte an<br />

ihrer 110. Konferenz den Entscheid, das Recht auf<br />

eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung in die<br />

ILO-Erklärung über fundamentale Prinzipien und Rechte bei<br />

der Arbeit aufzunehmen. Solidar Suisse<br />

El Salvador erlebt eine Menschenrechtskrise 2.7.2022<br />

Ab Ende März kam es in El Salvador mit der Verhängung<br />

des Ausnahmezustands zu massiven Menschenrechtsverletzungen.<br />

Mindestens 18 Menschen sind in staatlichem<br />

Gewahrsam gestorben. Amnesty International<br />

Drei Gründe, die Kita-Initiative 13.7.2022<br />

zu unterzeichnen<br />

1. Weil es an Kita-Plätzen fehlt und dadurch die Gleichstellung<br />

gefährdet wird.<br />

2. Weil Kindertagesstätten zu teuer sind. Die Initiative will,<br />

dass niemand mehr als 10 % seines Einkommens dafür<br />

ausgeben muss.<br />

3. Weil die Initiative die Aus- und Weiterbildung von Personen<br />

fördert, die Kinder betreuen.<br />

TikTok – digitales Crack-Kokain? 1.7.2022<br />

Eine neue Droge zerstört die empfindlichen Gemüter der<br />

jungen Menschen: TikTok. Dies behauptet der amerikanische<br />

Blogger Isaiah McCall, Gründer von Medium.<br />

Post in Saint-François muss bleiben! 29.6.2022<br />

Grosse Mobilisierung heute in Lausanne.<br />

Dort habe ich die Unterstützung der Ökolog:innen<br />

für lokalen Service public zum Ausdruck<br />

gebracht. Wir lassen nicht locker!<br />

# linkedin.com/in/ilias-panchard<br />

Pegasus vor Gericht 20.6.2022<br />

Der Pegasus-Abhörskandal wird jetzt von<br />

der französischen Justiz beurteilt. Das<br />

Pariser Gericht hat die Klage gegen den<br />

Softwarehersteller NSO Group angenommen,<br />

der mit dem Staatstrojaner Pegasus<br />

die illegale Überwachung von Handys ermöglicht.<br />

In Kürze wird ein Untersuchungsrichter<br />

für diesen Fall ernannt, der<br />

die Privatsphäre von uns allen betrifft.<br />

Freiheit für Julian Assange!<br />

22.6.2022<br />

<strong>syndicom</strong> schliesst sich dem Aufruf<br />

des Geneva Press Club an, der<br />

Medien, Journalist:innen und Gewerkschaften<br />

aus sechs Ländern vereint, um die Freilassung<br />

von Julian Assange zu fordern. Pressefreiheit<br />

verlangt auch den Schutz von Whistleblowern.<br />

twitter.com/<strong>syndicom</strong><br />

Der rasante Aufstieg von Uber 10.7.2022<br />

Dank dem Guardian und eines Konsortiums investigativer<br />

Journalist:innen wurden zwischen 2013 und 2017<br />

mehr als 124 000 interne Uber-Dokumente aufgedeckt,<br />

aus denen hervorgeht, wie Uber sich um Geld und Gunst<br />

bemühte, indem es (mehr oder weniger versteckt, mehr<br />

oder weniger legal) führende Politikerinnen, Milliardäre<br />

und Medien umwarb.<br />

Folge uns auf allen<br />

gängigen Kanälen!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!