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wuw_2011-03.pdf - Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

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Interview<br />

„Das Ruhrgebiet hat großes Potenzial“<br />

Welche Dimension hat das Thema diversity<br />

<strong>für</strong> Sie als Hochschulpräsidenten?<br />

Wir können in Deutschland unseren<br />

Wohlstand auf Dauer nur erhalten,<br />

wenn es auch Hochschulen gelingt, neue<br />

Zielgruppen zu erschließen und zu Fachkräften<br />

auszubilden. Wie macht man<br />

das? Indem man <strong>die</strong> Talente gewinnt,<br />

<strong>die</strong> es in der Region gibt und deren<br />

Berufsweg bislang – aus den unterschiedlichsten<br />

Gründen – an der Hochschule<br />

vorbeiging. Wir haben gerade<br />

hier im Ruhrgebiet <strong>die</strong> Potenziale, solche<br />

Fachkräfte zu gewinnen. Bislang<br />

wird <strong>die</strong>ses enorme Potenzial aber von<br />

der Bildungspolitik übersehen.<br />

Woran machen Sie <strong>die</strong>s fest?<br />

Man verteilt <strong>die</strong> Bildungsinvestitionen<br />

weiter ausschließlich nach dem Modell<br />

des Normstu<strong>die</strong>renden und ignoriert<br />

dabei <strong>die</strong> Diversität der Hochschulen, <strong>die</strong><br />

regionalen Unterschiede, <strong>die</strong> Zusammensetzung<br />

der Stu<strong>die</strong>rendenschaft. Dabei<br />

haben Hochschulen in bildungsbürgerlich<br />

geprägten Regionen ganz andere<br />

Themen zu bespielen als Hochschulen in<br />

Ballungsgebieten mit einem hohen Anteil<br />

an Arbeiter- und Migrantenkindern. Stu<strong>die</strong>n<br />

belegen, dass rund 80 Prozent der<br />

Akademikerkinder an <strong>die</strong> Hochschule<br />

gehen, aber nur 20 Prozent der Arbeiterkinder.<br />

Das führt uns vor Augen, wo <strong>die</strong><br />

Bildungsinvestitionen eigentlich zuvor-<br />

derst hinfließen sollten: dorthin, wo sich<br />

sehr viele Kinder und Eltern bislang eine<br />

Hochschulkarriere nicht vorstellen können,<br />

wo das Wort Hochschule in den Biografien<br />

der Familie überhaupt nicht auftaucht<br />

– wo also enorme Entwicklungspotenziale<br />

mit entsprechendem Einsatz<br />

aktiviert werden könnten.<br />

Wie gewinnen Sie hochschulferne Talente<br />

<strong>für</strong> ein Studium?<br />

Diese bildungsbiografischen Vorprägungen<br />

zu durchbrechen, ist nicht trivial<br />

und richtige Wühlarbeit. Unsere Maxime<br />

ist: hingehen und ansprechen. Wir probieren<br />

neue Kommunikationswege aus.<br />

Aktuell ist <strong>die</strong> FH Gelsenkirchen so intensiv<br />

im Schulbereich aktiv, wie sie es noch<br />

nie war. Wir sprechen beispielsweise<br />

Lehrer auf Kinder an, <strong>die</strong> mit ihrem<br />

Talent auffallen, <strong>die</strong> aber vermutlich<br />

ohne spezielle Ansprache nie stu<strong>die</strong>ren<br />

würden. Zudem sehen wir, dass bei einer<br />

anderen Klientel <strong>die</strong> direkte Ansprache<br />

der Kinder nicht funktioniert. Bei Migranten<br />

beispielsweise finden wir den<br />

Zugang vor allem über <strong>die</strong> Eltern, weshalb<br />

<strong>die</strong> FH Gelsenkirchen jetzt auch<br />

eine Elternakademie aufbaut. Wir wollen<br />

Eltern einladen und ihnen im kleinen<br />

Kreis vermitteln, was eine Hochschule<br />

ist, was ein Studium mit sich bringt und<br />

wie es sich anfühlt, wenn das eigene<br />

Kind dort eine Karriere startet.<br />

Schwerpunkt<br />

Bernd Kriegesmann, Präsident der<br />

Fachhochschule Gelsenkirchen Foto: Lichtblick/Guido Frebel<br />

Die Stu<strong>die</strong>renden haben unterschiedliche<br />

Lernniveaus, ihre Lernstrategien können je<br />

nach Kultur und sozialer Prägung stark variieren.<br />

Wie begegnen Sie <strong>die</strong>sen Herausforderungen?<br />

An der FH Gelsenkirchen gibt es keine<br />

Abschlüsse im Discountbereich – an der<br />

Qualitätsschraube wird nicht gedreht.<br />

Wir haben aber <strong>die</strong> Verantwortung, <strong>die</strong><br />

Heterogenität junger Menschen aufzugreifen,<br />

<strong>die</strong>se Verantwortung nehmen<br />

wir ernst. Lücken in der Einstiegsqualifikation,<br />

<strong>die</strong> zwangsläufig durch <strong>die</strong><br />

unterschiedlichen Zugangsformen entstehen,<br />

versuchen wir mithilfe unserer<br />

im Wintersemester 2010/11 gestarteten<br />

Einstiegsakademie auszugleichen.<br />

Was bieten Sie hier genau an?<br />

Es ist eine Art Gesamtpaket, wo <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden<br />

in Kleingruppen mit studentischen<br />

Tutoren üben, Defizite aufholen,<br />

Inhalte nachbereiten oder sich teilweise<br />

erst neu erschließen, weil <strong>die</strong>se Inhalte<br />

in ihren Zugangsformen so nicht vorkamen.<br />

Dabei läuft <strong>die</strong> Einstiegsakademie<br />

begleitend das ganze erste Stu<strong>die</strong>njahr<br />

und kann damit auch viel mehr leisten<br />

als eine dreiwöchige Blockveranstaltung<br />

zum Studiumsbeginn. Wir verstehen<br />

unsere Akademie als eine tagtägliche<br />

Unterstützung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden, <strong>die</strong><br />

ihre Defizite wirklich ausgleichen wollen.<br />

INTERVIEW: CORINA NIEBUHR<br />

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