25.12.2012 Aufrufe

wuw_2011-03.pdf - Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

wuw_2011-03.pdf - Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

wuw_2011-03.pdf - Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

42<br />

Talentierten und exzellent ausgebildeten Frauen steht<br />

<strong>die</strong> Welt offen. In Deutschland aber wird ihr Wunsch, in<br />

Führungsetagen und Vorstände vorzudringen, hitzig diskutiert.<br />

Harte Kritiker postulieren: Wenn <strong>die</strong> Frauenquote<br />

kommt, geht es bergab mit der deutschen Wirtschaft,<br />

dann wandern besser qualifizierte Männer aus. Parallel<br />

verankern immer mehr Dax-Konzerne eigene Frauenquoten<br />

und Diversity-Ziele in ihrer Firmenphilosophie. Was<br />

passiert da gerade?<br />

Was uns aktuell bei der Frauenquotendebatte entgegenschlägt,<br />

ist dem Thema völlig unangemessen<br />

und rückwärtsgewandt. Initiativen mit merkwürdigen<br />

Frauen- und überholten Rollenbildern schießen<br />

plötzlich wie Pilze aus dem Boden und finden in den<br />

Me<strong>die</strong>n Gehör; Managerinnen wehren <strong>die</strong> Frauenquote<br />

ab, wohl wissend, dass sie vermutlich selbst<br />

Quotenfrauen sind; und all dem schaut unser topausgebildeter<br />

weiblicher Nachwuchs zu und wundert<br />

sich, was andere alles über ihr Innerstes zu wissen<br />

scheinen. Dabei geht <strong>die</strong>se unschöne Debatte<br />

ihnen ziemlich unter <strong>die</strong> Haut. Und ich frage mich, ob<br />

wir mit all <strong>die</strong>sem Getöse womöglich in eine Phase<br />

der Re-Traditionalisierung rutschen.<br />

Sind Quoten der richtige Weg zu mehr Chancengleichheit?<br />

Für eine Übergangszeit sind Frauenquoten sinnvoll,<br />

um mehr weibliche Spitzenkräfte da zu zeigen, wo sie<br />

hingehören: in Toppositionen. Diese Vorbilder werden<br />

<strong>die</strong> gläserne Decke durchbrechen und weitere talentierte<br />

Frauen nach sich ziehen. Damit wird auch <strong>die</strong><br />

Qualität der deutschen Führungskräfte insgesamt<br />

steigen. Aktuell verengen wir nämlich den Pool, aus<br />

dem wir unsere Führungskräfte schöpfen, künstlich:<br />

Frauen schreiben beachtliche Abschlussarbeiten,<br />

glänzen mit innovativen Ideen – <strong>die</strong> Arbeitswelt ruft<br />

<strong>die</strong>se Potenziale aber gar nicht ab. Das müssen wir<br />

dringend ändern. Quoten werden in Deutschland<br />

zudem zu negativ und einseitig gesehen. In den USA<br />

beispielsweise ist das anders, da ist man stolz auf<br />

Quoten, <strong>die</strong> zu mehr Diversität führen, man wirbt<br />

mit ihnen. Ich gehöre derzeit dem Beirat einer Privatuniversität<br />

an, wo nur 33 Prozent der Stu<strong>die</strong>renden<br />

Frauen sind. Ein amerikanischer Kollege wies<br />

mich darauf hin, dass man mit <strong>die</strong>sem geringen Frauenanteil<br />

gute Chancen habe, hochtalentierte Ame-<br />

rikanerinnen anzuziehen – man müsste damit nur<br />

explizit in den USA werben. Hintergrund sind <strong>die</strong><br />

Geschlechterquoten an den Top-Universitäten wie<br />

Stanford oder Harvard, wo sich mittlerweile weitaus<br />

mehr Frauen als Männer bewerben und Frauen<br />

der Zugang nun aufgrund der gewünschten Chancengleichheit<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Geschlechter erschwert wird.<br />

Bleiben wir beim internationalen Vergleich. Wie divers<br />

ist unser Bildungssystem?<br />

In Deutschland war diversity nie stark verankert. Wir<br />

verstehen <strong>die</strong>ses Thema immer noch nicht richtig.<br />

Wir sind weiter sehr stark auf einen Bildungsbegriff<br />

fixiert, der an den kognitiven Kompetenzen hängt, an<br />

Wissen. Kompetenzen rund um das Thema diversity<br />

tun wir lapidar als soft skills ab, obgleich es genau<br />

<strong>die</strong>se Fähigkeiten sind, <strong>die</strong> unsere Gesellschaft heute<br />

am meisten benötigt. Genau betrachtet nehmen wir<br />

<strong>die</strong> kulturellen Kompetenzen sogar systematisch aus<br />

unserem Bildungssystem heraus: Im Schulsystem<br />

fällt das Auslandsjahr raus, der komprimierte Lehrplan<br />

an Schulen und Hochschulen verengt den Raum<br />

<strong>für</strong> Fächer jenseits der harten Fakten, auch der Bachelor<br />

und der Master werden bei uns weitaus weniger<br />

breit angelegt verstanden. In Deutschland beginnt<br />

Diversität im Grunde erst mit dem Berufseintritt in<br />

einen international ausgerichteten Konzern.<br />

Diversity-Management wird in deutschen Unternehmen<br />

immer stärker Thema. Hintergrund sind <strong>die</strong> globalen<br />

Geschäfte, aber auch der demografische Wandel und der<br />

drohende Fachkräftemangel. Frauen werden dabei als<br />

größtes Potenzial gesehen. Wie bewerten Sie <strong>die</strong> Öffnung<br />

hin zu kreativeren Arbeitszeitmodellen?<br />

Das ist ein Fortschritt, ohne Frage. Ich sehe in Deutschland<br />

aber bislang keinen wirklichen Kulturwandel<br />

weg vom vergötterten Alleinver<strong>die</strong>nermodell, das<br />

sich ja auch im Renten- und Krankenkassensystem<br />

widerspiegelt. Es gibt vereinzelt kreative Arbeitsangebote,<br />

<strong>die</strong> gut ausgebildete Arbeitskräfte mittlerweile<br />

auch einfordern. Aber <strong>die</strong>se Angebote werden<br />

von den Unternehmen längst nicht so überzeugend<br />

und leidenschaftlich umgesetzt und gelebt wie in<br />

den USA, in England oder den skandinavischen Ländern,<br />

wo man in den vergangenen Jahren <strong>die</strong>sbe-<br />

<strong>Stifterverband</strong> | W&W 3-<strong>2011</strong><br />

Fotos: Peter Himsel

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!