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wuw_2011-03.pdf - Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

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im Laufe des Films reifer, abgebrühter, älter. Paul Newmans alter<br />

Ed<strong>die</strong> hingegen wird immer jünger: Mit seinem „Hi, I’m back“ endet<br />

der großartige Film. Man muss <strong>die</strong> Spannungen, <strong>die</strong> er in <strong>die</strong>sen<br />

gegenläufigen Wegen von Vincent und Ed<strong>die</strong> in der Schwebe hält,<br />

nicht auf Formeln eindampfen. Gewiss aber zeigt Scorsese, dass <strong>die</strong><br />

Lust am Spiel ihren ökonomischen Zweck paradoxerweise allein<br />

dann erfüllen kann, wenn sie von <strong>die</strong>sem Zweck auch abzusehen in<br />

der Lage ist. Man muss das Grün des Billardtuches und das Grün der<br />

Dollarnoten auseinanderhalten können.<br />

Und das illustriert selbstverständlich ein Prinzip von Leidenschaft. Sie<br />

wird auch in Sach- und Zweckzusammenhängen benötigt, von denen<br />

sie, um funktionieren zu können, gerade nichts wissen darf. Billard<br />

gehört hierher – und wissenschaftliche Erkenntnis auch. In der Leidenschaft<br />

des Spiels wie in der Passion der Erkenntnissuche liegt eine<br />

Dimension des Nichtökonomischen, der Zweckfreiheit, des Eigen-<br />

Sinns, welche Dimension (um einen alten Kalauer über das Geld<br />

umzuwenden) gewiss nicht alles ist, ohne welche aber – hier jedenfalls<br />

– doch alles nichts ist.<br />

<strong>Wissenschaft</strong> und Finanzierungssysteme<br />

So verschiedenfarbig Billardkugeln, so gleichfarbig sind, unabhängig<br />

von ihrem Wert, <strong>die</strong> grünen Dollarnoten, <strong>die</strong> in dicken Bündeln den<br />

Besitzer wechseln und auf <strong>die</strong> sich der Filmtitel bezieht. Die „Farbe<br />

des Geldes“ ist also keine Metapher <strong>für</strong> Geldmengen, wie es in der<br />

Eurozone der Fall wäre, wo eine violette<br />

Banknote den fünffachen Wert<br />

einer grünen besitzt. Sie ist vielmehr<br />

eine Metapher <strong>für</strong> <strong>die</strong> Strukturen des<br />

Geldumlaufs, welche <strong>die</strong> Effekte des<br />

Geldes mit beeinflussen. Eben in <strong>die</strong>sem<br />

Sinne kommt es beim Billard auf<br />

<strong>die</strong> Farbe des Geldes an. Die Spieler<br />

kalkulieren in ihren Strategien<br />

ebenso wie mit den Spielzügen des<br />

Gegners mit den Regeln des Wettens,<br />

sodass <strong>die</strong>se Regeln den Verlauf<br />

des Spiels, obwohl sie ihm fremd<br />

sind, mit steuern. Finanzierungsstruktur<br />

und Spielregeln<br />

haben je ihren unabhängigen<br />

Eigen-Sinn. Und<br />

doch wirkt sich <strong>die</strong> Farbe des<br />

Geldes sehr direkt auf den Spielverlauf aus.<br />

In der <strong>Wissenschaft</strong> ist es nicht anders. Wir müssen also über Finanzierungsstrukturen<br />

reden – obwohl <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> auch darin ihren<br />

Eigen-Sinn pflegt, dass sie das Gespräch über Geld nicht selten <strong>für</strong> ein<br />

wenig indezent hält.<br />

Die <strong>Wissenschaft</strong> hat in den zurückliegenden Jahren im Verhältnis zu<br />

konkurrierenden Politikfeldern an Gewicht gewonnen. Man sieht das<br />

zumal an der Entwicklung der Einzeletats. Solchen außerordentlichen<br />

Erfolg zu sichern, wird eine herausragende Aufgabe der kommenden<br />

Jahre sein. Und keine leichte: Viele Bundesländer können aufgrund<br />

der Finanznot ihren Mitfinanzierungsanteil nicht mehr ohne Weiteres<br />

aufbringen – und das schon bevor <strong>die</strong> Schuldenbremse greift und der<br />

Solidarpakt ausgelaufen ist. Die Finanznot droht Kooperationen des<br />

Bundes mit den Ländern zu blockieren, während gleichzeitig <strong>die</strong> Verteilungskämpfe<br />

zwischen <strong>die</strong>sen offenkundig an Schärfe zunehmen.<br />

Aus solchen Verteilungskämpfen wird <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> nicht herauszuhalten<br />

sein. Zugleich macht ihr Eigen-Sinn sie in besonderer Weise<br />

darauf angewiesen, dass das Geld <strong>die</strong> richtige Farbe hat. Es ist also<br />

eine Frage der Finanzierungsstrukturen, von denen ich drei herausgegriffen<br />

habe.<br />

1. Drittmittel<br />

Die Verhältnisse zwischen stetiger Grund- und projektförmiger Drittmittelfinanzierung<br />

von <strong>Wissenschaft</strong> verschieben sich seit Jahrzehnten<br />

zulasten der Grundausstattung. Proportional zu ihr werben <strong>die</strong><br />

deutschen Universitäten mittlerweile mehr Drittmittel ein als <strong>die</strong><br />

Institute etwa der Max-Planck-Gesellschaft, <strong>die</strong> ihrerseits mit einer<br />

jährlich fünfprozentigen Steigerung ihrer Grundfinanzierung aus dem<br />

Pakt <strong>für</strong> Forschung planen können. Wenn <strong>die</strong> Drittmittelabhängigkeit<br />

der Universitäten steigt, <strong>die</strong>jenige der außeruniversitären Forschung<br />

im Vergleich dazu aber ab nimmt, dann<br />

entstehen systemische Asymmetrien:<br />

risikoreiche Forschung tut sich dann<br />

schwerer als der überraschungsarme<br />

Mainstream; Daueraufgaben wie Hochschulbau<br />

und -unterhalt, Infrastrukturen<br />

und akademische Lehre – bei über<strong>die</strong>s<br />

steigenden Stu<strong>die</strong>rendenzahlen,<br />

nota bene – drohen strukturell<br />

benachteiligt zu werden; langfristig<br />

angelegte Grundlagenforschung<br />

könnte sich aus der Universität<br />

zurückziehen; es könnte unklar<br />

werden, ob Drittmittel zur Beantwortung<br />

von Forschungsfragen<br />

gesucht werden, oder nicht umgekehrt<br />

Forschungsfragen zum<br />

Zwecke der Beantragung von<br />

Drittmitteln. Derartige Entwicklungen<br />

stellen <strong>für</strong> den produktiven Eigen-Sinn von <strong>Wissenschaft</strong>, <strong>für</strong><br />

ihre Leistungskraft und Leistungshöhe ein Risiko dar. Ich muss das<br />

hier nicht weiter ausführen. Lassen Sie mich nur <strong>die</strong> prinzipielle –<br />

und einer ernsthaften Diskussion durchaus würdige – Frage hinzufügen,<br />

ob tatsächlich sich alles in der <strong>Wissenschaft</strong> den arbeitsteiligen<br />

<strong>Stifterverband</strong> | W&W 3-<strong>2011</strong>

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