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Pico della Mirandola (Herausgegeben und kommentiert von Jörg Lauster): Über die Würde des Menschen (Leseprobe)

»Phönix der Geister« nannten ihn seine Zeitgenossen, von einem Mozart für Philosophen spricht einer seiner besten Kenner in der Gegenwart. Pico della Mirandola wurde in seinem kurzen Leben vor allem für eine Rede berühmt, die ihn der Papst nie halten ließ, die »Oratio de hominis dignitate«. Sie gilt als ein Glanzpunkt des Menschenverständnisses der Renaissance, das tief in der christlichen Tradition wurzelt. Pico interpretiert die Erschaffung zur Gottebenbildlichkeit als Auftrag, das Menschsein in freier Selbsttätigkeit als Angleichung an Gott zu gestalten. Seine Einsichten zu Menschenbild und idealer Lebensführung stützt er auf ein umfassend philosophisch-theologisches Programm, das nicht nur Christentum, antike Philosophie und Weisheitstraditionen, sondern auch Christentum und Judentum miteinander versöhnen will.

»Phönix der Geister« nannten ihn seine Zeitgenossen, von einem Mozart für Philosophen spricht einer seiner besten Kenner in der Gegenwart. Pico della Mirandola wurde in seinem kurzen Leben vor allem für eine Rede berühmt, die ihn der Papst nie halten ließ, die »Oratio de hominis dignitate«. Sie gilt als ein Glanzpunkt des Menschenverständnisses der Renaissance, das tief in der christlichen Tradition wurzelt.
Pico interpretiert die Erschaffung zur Gottebenbildlichkeit als Auftrag, das Menschsein in freier Selbsttätigkeit als Angleichung an Gott zu gestalten. Seine Einsichten zu Menschenbild und idealer Lebensführung stützt er auf ein umfassend philosophisch-theologisches Programm, das nicht nur Christentum, antike Philosophie und Weisheitstraditionen, sondern auch Christentum und Judentum miteinander versöhnen will.

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<strong>Jörg</strong> <strong>Lauster</strong><br />

1. Giovanni Pico della <strong>Mirandola</strong> <strong>und</strong> seine Zeit<br />

Die Kleinstadt <strong>Mirandola</strong> in der südlichen Po-Ebene liegt in<br />

der Mitte kultureller Zentren, im Nordwesten ist Mantua<br />

nahe, im Südwesten Modena, im Osten ist es nicht weit nach<br />

Ferrara <strong>und</strong> auch <strong>die</strong> Universitäten Padua <strong>und</strong> Bologna, <strong>die</strong><br />

noch heute zu den besten <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> gehören, sind in Reichweite.<br />

Der Geburtsort steht mit seiner Mittellage für <strong>die</strong> vielfältigen<br />

Einflüsse, <strong>die</strong> Pico in seinem Leben aufnahm <strong>und</strong><br />

miteinander verband.<br />

Am 24. Februar 1463 wurde Giovanni Pico als jüngstes<br />

Kind <strong>und</strong> Nachzügler <strong>des</strong> Grafen <strong>von</strong> <strong>Mirandola</strong> Gianfranceso<br />

I. Pico <strong>und</strong> seiner Frau Giulia Boiardo geboren. 1 Die Herkunft<br />

aus dem kleinen Grafengeschlecht sicherte ihm Zeit<br />

seines Lebens finanzielle Unabhängigkeit, <strong>die</strong> seine vielfältigen<br />

Stu<strong>die</strong>n möglich machte. Nachdem der Vater in Picos<br />

früher Kindheit gestorben war, übernahm <strong>die</strong> Mutter <strong>die</strong> Verantwortung<br />

für seine Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung. Wie für<br />

jene Zeit nicht unüblich wünschte sie für ihren jüngsten<br />

Sohn eine geistliche Laufbahn. Sie ließ ihm eine vorzügliche<br />

Erziehung zuteil werden, sehr früh wurde er in Latein <strong>und</strong><br />

Griechisch unterwiesen. Das Engagement der Mutter <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

offensichtlichen Geistesgaben <strong>des</strong> Jungen machten es möglich,<br />

dass er 1477 im Alter <strong>von</strong> 14 Jahren ein Studium <strong>des</strong> kanonischen<br />

Rechts an der Universität Bologna aufnahm. Im<br />

August 1478 starb seine Mutter, Pico war mit 15 Jahren Waise.<br />

Dies gewährte ihm jedoch auch <strong>die</strong> Freiheit, einzig den eige-<br />

1 Zur Biographie klassisch: Garin, Pico; zum neueren Stand der Forschung:<br />

Borghesi, Life, 202–219; in den deutschen Textausgaben zu Picos Werken im<br />

Meiner-Verlag bieten <strong>die</strong> jeweiligen Einleitungen gute <strong>und</strong> knappe biographische<br />

Skizzen.<br />

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