05.09.2022 Aufrufe

Pico della Mirandola (Herausgegeben und kommentiert von Jörg Lauster): Über die Würde des Menschen (Leseprobe)

»Phönix der Geister« nannten ihn seine Zeitgenossen, von einem Mozart für Philosophen spricht einer seiner besten Kenner in der Gegenwart. Pico della Mirandola wurde in seinem kurzen Leben vor allem für eine Rede berühmt, die ihn der Papst nie halten ließ, die »Oratio de hominis dignitate«. Sie gilt als ein Glanzpunkt des Menschenverständnisses der Renaissance, das tief in der christlichen Tradition wurzelt. Pico interpretiert die Erschaffung zur Gottebenbildlichkeit als Auftrag, das Menschsein in freier Selbsttätigkeit als Angleichung an Gott zu gestalten. Seine Einsichten zu Menschenbild und idealer Lebensführung stützt er auf ein umfassend philosophisch-theologisches Programm, das nicht nur Christentum, antike Philosophie und Weisheitstraditionen, sondern auch Christentum und Judentum miteinander versöhnen will.

»Phönix der Geister« nannten ihn seine Zeitgenossen, von einem Mozart für Philosophen spricht einer seiner besten Kenner in der Gegenwart. Pico della Mirandola wurde in seinem kurzen Leben vor allem für eine Rede berühmt, die ihn der Papst nie halten ließ, die »Oratio de hominis dignitate«. Sie gilt als ein Glanzpunkt des Menschenverständnisses der Renaissance, das tief in der christlichen Tradition wurzelt.
Pico interpretiert die Erschaffung zur Gottebenbildlichkeit als Auftrag, das Menschsein in freier Selbsttätigkeit als Angleichung an Gott zu gestalten. Seine Einsichten zu Menschenbild und idealer Lebensführung stützt er auf ein umfassend philosophisch-theologisches Programm, das nicht nur Christentum, antike Philosophie und Weisheitstraditionen, sondern auch Christentum und Judentum miteinander versöhnen will.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Jörg</strong> <strong>Lauster</strong><br />

plante <strong>die</strong> Diskussion für Anfang 1487. Seiner Einladung<br />

fügte er eine Einleitung bei, <strong>die</strong> er im Spätjahr 1486 verfasste.<br />

Die Einleitungsrede ist <strong>die</strong> berühmte Oratio de dignitate hominis.<br />

Der Titel stammte nicht <strong>von</strong> Pico, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Rede konnte<br />

auch nie <strong>von</strong> ihm gehalten werden. Denn Papst Innozenz VIII.<br />

untersagte <strong>die</strong> Disputation <strong>und</strong> setzte eine Kommission zur<br />

Untersuchung der Thesen ein. Diese beanstandete 13 Thesen<br />

als häretisch. Pico überarbeitete sie <strong>und</strong> verfasste eine Verteidigungsschrift,<br />

<strong>die</strong> Apologia. Er veröffentlichte sie ohne vorherige<br />

Zustimmung durch <strong>die</strong> päpstliche Behörde. Die zeigte<br />

sich über <strong>die</strong>se Eigenmächtigkeit erzürnt, zumal sie auch mit<br />

den <strong>Über</strong>arbeitungen Picos keineswegs einverstanden war.<br />

Die 900 Thesen wurden darum pauschal verurteilt <strong>und</strong> in<br />

Rom vorhandene Exemplare verbrannt. Pico machte sich <strong>von</strong><br />

Rom nach Paris auf, wurde aber auf Geheiß <strong>des</strong> Papstes, der<br />

sich scheinbar <strong>von</strong> Picos ungestümer Initiative auch persönlich<br />

hintergangen fühlte, in Südfrankreich verhaftet. Einmal<br />

mehr verdankte Pico viel der Unterstützung durch Lorenzo<br />

de’ Medici. Der konnte, <strong>die</strong>smal zudem im Verb<strong>und</strong> mit dem<br />

französischen König, beim Papst erwirken, dass Pico nach Florenz<br />

zurückkehren <strong>und</strong> sich dort unter der Aufsicht der Medicis<br />

frei bewegen durfte. Erst der Borgia-Papst Alexander VI.<br />

hob <strong>die</strong> Maßnahmen Roms 1493 auf <strong>und</strong> rehabilitierte Pico.<br />

Lorenzo stellte dem Verfolgten ein Landhaus in der Nähe<br />

<strong>von</strong> Florenz zur Verfügung. Dorthin zog sich Pico zurück <strong>und</strong><br />

setzte seine Stu<strong>die</strong>n fort. Dies ermöglichte ihm eine rege literarische<br />

Produktivität, drei seiner wichtigsten Schriften, der<br />

Heptaplus, ein Kommentar zur Schöpfungsgeschichte, De<br />

Ente et Uno, ein Vereinigungsversuch <strong>des</strong> platonischen <strong>und</strong><br />

aristotelischen Konzept <strong>des</strong> Einen, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Streitschrift gegen<br />

<strong>die</strong> Astrologiegläubigkeit seiner Zeit, <strong>die</strong> Disputationes<br />

adversus astrologiam divinatricem, entstanden in <strong>die</strong>ser Zeit.<br />

92

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!