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E-PAPER LESEN:
moneyeditorial<br />
EDITORIAL<br />
Zynismus<br />
in Grün<br />
GEORG MECK<br />
Chefredakteur<br />
<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong><br />
es ist nicht sonderlich erquicklich, von der Welt verhöhnt zu werden. Mehrfach<br />
hat das „Wall Street Journal“ die Deutschen für die „dümmste Energiepolitik<br />
der Welt“ verspottet, nachdem wir Jahre zuvor von der angelsächsischen<br />
Presse als der „Patient Europas“ verlacht wurden. Auf den Vorwurf der<br />
lähmenden Erstarrung folgte damals die „Agenda 2010“, die Jahre des Wohlstands<br />
einleitete. Und in der Energiepolitik? Da zelebriert die regierende Politikerkaste<br />
eine an Irrsinn grenzende Sturheit. Soll die ganze Welt in die andere<br />
Richtung marschieren, Deutschland weiß es besser. Kein anderer Staat<br />
schaltet alle konventionellen Kraftwerke gleichzeitig ab, im naiven Vertrauen,<br />
Strom und Wind würden es schon richten (und mit der stillschweigenden<br />
Übereinkunft, zur Not schmutzigen Strom von den Nachbarn abzuzwacken).<br />
Dafür zahlten wir bereits vor Putins Krieg mit den höchsten Energiepreisen,<br />
sein Gasstopp gibt uns den Rest.<br />
Aber selbst jetzt, da ein kalter Winter samt Blackout der Industrie droht, gibt<br />
es kein Einsehen. In der Bevölkerung schon, wohlgemerkt, aber nicht im ökolinken<br />
Establishment samt grünem Wirtschaftsminister. Die Mehrheit im Volk<br />
mag am grundsätzlichen Ziel des Atomausstiegs festhalten, plädiert aber entschieden<br />
dafür, ein paar der verbliebenen AKWs wenigstens ein paar Monate<br />
länger laufen zu lassen. Gewiss, damit ist nicht alles gewonnen, aber wenn jede<br />
Kilowattstunde zählt, warum nicht auch die aus der Kernkraft? Die Gründe dafür<br />
finden sich an der grünen Basis, wo der Anti-AKW-Protest religiösen Rang<br />
genießt – oder mit den Worten eines in die Jahre gekommenen (mittlerweile<br />
staatlich rundumversorgten) Öko-Kämpen: „Ich habe fast 50 Jahre für den Ausstieg<br />
aus der Atomkraft gekämpft. Jetzt, kurz bevor die letzten vom Netz gehen,<br />
lass ich mir den Erfolg nicht klauen.“ Soll das Volk doch frieren! Mehr Zynismus<br />
geht nicht.<br />
Herzlich Ihr<br />
PS: Es gibt Neues aus unserer Redaktion: Wir starten diese Woche<br />
den „Kleingeldhelden“-Kanal auf YouTube. Zum Auftakt präsentieren<br />
wir im Format „Jung&Gierig“ ein Interview mit einer<br />
Lottoberaterin über unverhofften Reichtum. In der Rubrik „Über<br />
Geld spricht man nicht“ treffen wir Vertreter spannender Berufe,<br />
die Einblicke in Alltag und Gehaltszettel geben. Die Erklärvideos<br />
„In 100 Sekunden“ wiederum liefern kurz und<br />
knapp alle Infos zu einem Thema, die Sie für fundierte finanzielle<br />
Entscheidungen brauchen. Schauen Sie rein!<br />
Aus aktuellem Anlass!<br />
Lesen Sie <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> bequem zu Hause<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
die Inflation steigt auf lange nicht mehr erreichte Werte, in<br />
Amerika wie in Europa. Bange blicken die Börsianer auf die<br />
Notenbanken: Welche Folgen hat die Zinswende? Wie geht es<br />
weiter mit den Aktienkursen, wenn eine Rezession immer wahrscheinlicher<br />
wird? Mein Tipp: Sie erfahren alles Wichtige in <strong>FOCUS</strong>-<br />
<strong>MONEY</strong>. Den portofreien Kombi-Bezug (Print und Digital) für 1 Jahr erhalten<br />
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ab 8.00 Uhr. Wenn Sie <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> nach Bezug wieder im Handel kaufen<br />
möchten: Ein Anruf genügt, und das Abo ist beendet.<br />
<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> <strong>39</strong>/<strong>2022</strong><br />
Foto: F. Röth<br />
Composing: <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong><br />
*inkl. MwSt. und Versand. Sie haben ein gesetzliches Widerrufsrecht<br />
3
moneyinhalt<br />
21. SEPTEMBER <strong>2022</strong> www.money.de<br />
moneykompakt<br />
6 Kompakt: Porsche-Börsengang:<br />
Wie komme ich an die Aktie?<br />
7 Hit & Shit: Neuer starker Mann<br />
bei der Lufthansa, Adobe kauft zu<br />
teuer ein<br />
8 Kolumne: Marco Richter über das<br />
Problem der Selbstüberschätzung<br />
8 Börsentag Zürich: Freier Eintritt<br />
für <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong>-Leser<br />
9 Aktienrente: Mehrheit im Land<br />
will neue Altersvorsorge<br />
9 Underberg: Fünf Prozent mit<br />
Hochprozentigem<br />
98 Andis Börsenbarometer: Was<br />
Anleger vom Traditionshaus<br />
Metzler lernen können<br />
10<br />
Viele Fragezeichen<br />
Die Verunsicherung an den<br />
Kapitalmärkten ist groß. Hier sind<br />
die Antworten auf die vordringlichsten<br />
Fragen und Investments,<br />
mit denen Anleger besser durch<br />
die schwierigen Zeiten kommen<br />
moneytitel<br />
10 Interview: Andreas Köster, CIO<br />
bei Union Investment, über den<br />
schwierigen Spagat von Inflation<br />
und Rezession<br />
14 Zinsinvestments: Anleihen<br />
bieten risikobewussten Anlegern<br />
wieder eine Alternative<br />
16 US-Notenbank: Die Stunde der<br />
Falken – die Fed wird zum dritten<br />
Mal die Leitzinsen stark erhöhen<br />
20 So geht’s weiter: Das sind unsere<br />
Antworten auf die Themen Krieg,<br />
Gold und Ethereum<br />
24 Chartsignal: Nach dem langen<br />
Rückwärtsgang bietet sich beim<br />
Dax eine Tradingchance heraus<br />
24 Börsenwissen: Die 20er-Regel<br />
unter der Lupe<br />
26 Kryptowährung: Bei der Umstellung<br />
von Ethereum geht es um die<br />
Zukunft der Digitalwährungen<br />
31 Entlastungspakete: Steuererleichterungen<br />
per Gießkanne<br />
34 Kolumne: Sarna Rösner über<br />
die Lücken des digitalen<br />
Handelsregisters beim Datenschutz<br />
10<br />
„Wir rechnen ab dem ersten Quartal<br />
2023 mit besseren Margen. Dann<br />
sollte auch der Kapitalmarkt<br />
auf die Füße kommen“<br />
ANDREAS KÖSTER, CIO UNION<br />
INVESTMENT<br />
4 Titel: Composing: <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong><br />
<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> <strong>39</strong>/<strong>2022</strong>
50<br />
Alles so schön bunt hier<br />
Gestern als Spielerei verunglimpft, könnte das Metaverse<br />
morgen schon DER Milliarden-Deal sein. Wie Anleger<br />
bereits heute an der virtuellen Zukunft partizipieren<br />
moneymarkets<br />
moneyservice<br />
moneyanalyse<br />
36 Dividenden-ETFs: Mit welchen<br />
Indexfonds Anleger von starken<br />
Dividendenaktien profitieren<br />
42 Wasseraktien: Wasser wird knapp<br />
und rückt Wasserversorger in den<br />
Blickpunkt – ETFs wie Fonds<br />
46 Linde: Der Gasehersteller ist ein<br />
internationaler Top-Anbieter im<br />
Zukunftsmarkt Wasserstoff<br />
49 Musterdepots: Füße stillhalten<br />
heißt es bei Nicole Sperch und<br />
Helmut Jaensch, Frank Fischer<br />
verkauft Tencent<br />
50 Metaverse: Mit diesen Aktien,<br />
Fonds und ETFs positionieren sich<br />
Investoren für die virtuelle Welt<br />
53 Medizintechnik: Aktien von<br />
Medtech-Unternehmen eignen<br />
sich wegen ihrer stabilen Erträge<br />
als krisenresistente Depot-Anker<br />
56 Demografie: Der demografische<br />
Wandel ist der größte Umbruch in<br />
der Weltgeschichte – so profitieren<br />
Anleger davon<br />
66 Risikolebensversicherung: Mit<br />
diesen Risikopolicen sichern sich<br />
Familien und Angehörige im Fall<br />
eines Todesfalls ab – die besten<br />
Policen auf einen Blick<br />
76 Lebensversicherer: Eine verlässliche<br />
Kennzahl verrät, welchem<br />
Lebensversicherer Kunden ihre<br />
Altersvorsorge anvertrauen<br />
können<br />
42<br />
Kostbares Nass<br />
Wasser ist ein gefragtes Gut. Die Hitze<br />
und die Dürre des Sommers führten das<br />
eindringlich vor Augen. An der Börse<br />
wurden Wasseraktien heiß gehandelt –<br />
die besten ETFs und Fonds<br />
81 Fonds<br />
82 Deutsche Aktien<br />
90 Internationale Aktien<br />
96 ETFs<br />
97 Zertifikate<br />
moneyrubriken<br />
3 Editorial<br />
80 Leserbriefe – Impressum<br />
98 Termine<br />
moneydigital<br />
60 Social Trends: Google will<br />
Microsoft überholen<br />
61 Analyse: Pole-Position für den<br />
Diabetes-Spezialisten Novo<br />
Nordisk: Startet die Aktie durch?<br />
dswanlegerschutz<br />
64 Porsche-IPO: Wird die Sportwagen-Aktie<br />
zu einem Sammlerstück<br />
wie ein alter 911er? Die Corporate<br />
Governance wirft Fragen auf<br />
64 Standpunkt: Marc Tüngler über<br />
die Fallstricke der virtuellen HV<br />
beim Automobilzulieferer Hella<br />
36<br />
Aristokraten im Depot<br />
Dividendenaktien sorgen für stetige<br />
Einkommensströme – und das auch in<br />
schlechten Börsenzeiten: Mit diesen<br />
ETFs partizipieren Anleger daran<br />
<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> <strong>39</strong>/<strong>2022</strong><br />
Inhalt: Illustrationen: VectorStock, Adobe Stock Fotos: A. Gaube, Decentraland, iStock 5
moneytitel<br />
INTERVIEW<br />
AMERIKA JAGT,<br />
EUROPA ZÖGE<br />
Der Peak bei den Zinssteigerungen dürfte bald erreicht sein. Doch die Zinsen werden<br />
lange hoch bleiben, sagt Andreas Köster. Wie Anleger am besten durch die Durststrecke<br />
an den Kapitalmärkten kommen, sagt der Chefanlagestrage bei Union Investment auch<br />
Sie hat den Leitzins mit 75 Basispunkten jetzt so stark erhöht<br />
wie noch nie. Wird das reichen, um die Märkte zu beruhigen?<br />
Köster: Wohl kaum. Das ist nur der erste Schritt. Die<br />
Zentralbank wird die Zinsen so lange erhöhen müssen,<br />
bis die Inflation nachgibt. Die Wirtschaft und die<br />
Kapitalmärkte stehen jetzt hinter diesem Ziel zuvon<br />
HEIKE BANGERT<br />
Die Teuerung ist im Euro-Raum im August auf 9,5 Prozent gestiegen.<br />
Zeitweise sackte der Dax auf 12 800 Punkte ab. Wer<br />
war davon mehr geschockt, die EZB oder die Investoren?<br />
Andreas Köster: Sowohl die Investoren als auch die<br />
Notenbanken haben mit Inflation gerechnet. Überrascht<br />
waren sie allenfalls von der Höhe. Zu Beginn<br />
des Jahres hatte sich die EZB noch auf zwei Prozent<br />
Inflation bei zwei Prozent Wirtschaftwachstum bis<br />
zum Jahresende <strong>2022</strong> eingestellt. Das war durch den<br />
Einmarsch der Russen in die Ukraine und die Null-<br />
Covid-Strategie Chinas nicht zu halten. Dass die<br />
Inflation sich beschleunigt hat, hat die EZB zu spät<br />
bemerkt.<br />
rück. Die USA machen das mit ruhiger Hand. Sie haben<br />
das Handwerkszeug, die Inflation zu bekämpfen.<br />
Die Frage ist hier lediglich: mit oder ohne Rezession?<br />
Leider hat die EZB das Ruder nicht selbst in der Hand.<br />
Sie ist abhängig von der Entwicklung im Konflikt mit<br />
Russland und in China.<br />
Hat EZB-Chefin Christine Lagarde durch ihr Zögern an Glaubwürdigkeit<br />
eingebüßt?<br />
Köster: Das finde ich nicht. Sie hat zwar zu zögerlich<br />
reagiert, den Markt aber gut auf Zinserhöhungen<br />
vorbereitet. Doch die Inflation in der Euro-Zone war<br />
und ist im Wesentlichen angebotsgetrieben von externen<br />
Faktoren, die die EZB nicht zu verantworten<br />
hat und denen monetär schwer beizukommen ist.<br />
Klingt nach einem Experiment, das auch schiefgehen kann?<br />
Köster: Durchaus. Jetzt drängen sich die Probleme<br />
auf, die wir 20 Jahre nicht gelöst haben. Wir haben<br />
keine optimale Währungseinheit und einen frag-<br />
10 <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> <strong>39</strong>/<strong>2022</strong>
Vita<br />
Andreas Köster<br />
Geb. 1968 in Aurich, Wirtschaftsstudium<br />
in Osnabrück, Düsseldorf<br />
und Providence/USA<br />
Berufseinstieg 1997 bei der Commerzbank,<br />
Wechsel zu Axa Investment<br />
Managers, Schroders, der<br />
Pensionskasse und dem Wealth-<br />
Management der UBS sowie der<br />
Pensionskasse der Credit Suisse<br />
Seit 2021 ist er Chief Investment<br />
Officer bei Union Investment<br />
RT<br />
mentierten Kapitalmarkt. Bei jeder Zinserhöhung<br />
schwingt die Frage mit, wie viel Italien davon vertragen<br />
kann. Im Unterschied zu den USA, die ihre Bilanz<br />
verkürzen, indem sie Staatsanleihen in den<br />
Markt geben, gibt die EZB vor allem Kreditrisiken zurück.<br />
Das muss vorsichtig auskalibriert werden. Der<br />
Markt möchte aber jetzt erst einmal sehen, dass<br />
die Inflation zurückgeht. Spannend wird es in den<br />
Jahren 2023 und 2024, wenn die Zweitrunden -<br />
effekte kommen.<br />
Bei welchem Leitzins werden wir im kommenden Jahr stehen?<br />
Köster: Der Kapitalmarkt wird sich in den USA mit<br />
etwa vier Prozent zufriedengeben. Dort kippt derzeit<br />
die Inflation. Wir befinden uns bald am Peak des<br />
Zinserhöhungszyklus. In der Euro-Zone wird das<br />
drei bis sechs Monate später der Fall sein. Die EZB arbeitet<br />
dabei in größeren Schritten als in den klassischen<br />
25 Basispunkten auf ihr 2-Prozent-Ziel hin.<br />
Ende des Jahres sollte es erreicht werden. Die EZB<br />
geht in diesem Jahr von einer Inflation von 8,1 Prozent<br />
aus sowie von 5,5 Prozent für das kommende<br />
Jahr. Das heißt, dass der Inflations-Peak erreicht ist.<br />
Doch die Zinsen werden bis ins Jahr 2024 hinein<br />
hoch bleiben müssen.<br />
RATIERLICHES<br />
AKTIENSPAREN<br />
ist für Anlageprofi Köster<br />
die Strategie zum<br />
Vermögensaufbau –<br />
gerade in schwierigen<br />
Zeiten, auch wenn<br />
sich das für viele derzeit<br />
unangenehm anfühlt<br />
Was bedeutet das für die Wirtschaft?<br />
Köster: Die USA und die Euro-Zone darf man nicht<br />
in einen Topf werfen. Im Unterschied zur Euro-<br />
Zone gibt es in Amerika genug Güter und Gas. Die Fed<br />
kann bei der Inflationsbekämpfung nach dem Lehrbuch<br />
vorgehen.<br />
<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> <strong>39</strong>/<strong>2022</strong> Foto: A. Gaube<br />
11
moneytitel<br />
US-NOTENBANK<br />
Zerstörte Hoffnungen<br />
Die US-Notenbank wird zum dritten Mal in Folge die Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte erhöhen.<br />
Das hat Folgen für die US-Konjunktur und die Wall Street – und die dürften kaum positiv sein<br />
Immer wieder ein Dämpfer<br />
Der Kursverlauf des S&P-500 spiegelt die Stimmungslage<br />
wider: Immer wieder keimt Hoffnung auf<br />
eine Wende bei der Inflation bei den Anlegern auf,<br />
die S&P-500 dann von den Zahlen zerstört wird.<br />
<strong>2022</strong><br />
MÄR<br />
Quelle: Bloomberg<br />
S&P-500 in Punkten<br />
SEP<br />
4400<br />
4200<br />
4000<br />
3800<br />
3600<br />
von MIKA HOFFMANN<br />
Immer wieder keimt Hoffnung auf – und immer wieder<br />
wird sie zerstört. So läuft seit Monaten das Spiel an den<br />
Finanzmärkten. Immer wieder hoffen Anleger, die Inflationsraten<br />
würden sich abschwächen. Und immer wieder zerstören<br />
die Daten die Hoffnung. Zuletzt vergangenen Dienstag<br />
in den USA: Die Preissteigerungsrate von 8,3 Prozent – und<br />
insbesondere der monatliche Anstieg der Preise ohne<br />
Energie und Nahrungsmittel, der sogenannten Kernrate,<br />
um 0,6 Prozent – schockierte die Märkte. An nur einem Tag<br />
fiel der S&P-500 um 4,3 Prozent, der höchste Rückgang seit<br />
Juni 2020.<br />
Die US-Notenbank Federal Reserve wird am Mittwoch die<br />
Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte erhöhen. Das steht jetzt<br />
16 Foto: Adobe Stock<br />
<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> <strong>39</strong>/<strong>2022</strong>
GEBÄUDE DER FEDERAL<br />
RESERVE IN WASHINGTON:<br />
Dunkle Wolken signalisieren<br />
stürmische Zeiten<br />
Ohne Preisstabilität<br />
funktioniert<br />
unsere Wirtschaft<br />
für niemanden –<br />
auch wenn das<br />
Belastungen für<br />
Haushalte und<br />
Unternehmen mit<br />
sich bringt“<br />
JEROME POWELL,<br />
PRÄSIDENT DER US-NOTEN-<br />
BANK FEDERAL RESERVE<br />
so gut wie fest. Einige werfen nun sogar einen<br />
Zinsschritt um 100 Basispunkte in den Raum.<br />
Das wird Folgen haben – Folgen für die Wirtschaftsentwicklung<br />
in den Vereinigten Staaten,<br />
Folgen für die Wall Street und den Dollar. Und<br />
nicht zuletzt wird es auch Folgen für uns in<br />
Deutschland haben. Folgen, die für Anleger in<br />
den nächsten Monaten wohl eher nicht ein<br />
Wohlfühlszenario beinhalten.<br />
Keine Stütze für die Aktienmärkte. „Langsam<br />
dringt es ins Bewusstsein, dass die Bekämpfung<br />
einer strukturellen Inflation länger<br />
braucht als ein paar Monate“, sagt Benjamin<br />
Bente. „Nehmen die Notenbanken diese Aufgabe<br />
ernst, sind sie noch eine ganze Weile keine<br />
Stütze für die Aktienmärkte“, warnt der Geschäftsführer<br />
der Vates Invest GmbH. „Insofern<br />
sind offenbar vergangene Woche die Märkte<br />
wieder auf dem falschen Fuß erwischt worden<br />
in ihrem Inflation-Peak-Optimismus“, analysiert<br />
der Experte. „Hoffnung ist keine Strategie“,<br />
schreibt Philipp E. Bärtschi, Chief Investment<br />
Officer von J. Safra Sarasin, ins Stammbuch.<br />
„Der Offenmarktausschuss der Federal<br />
Reserve hat als übergreifendes Ziel, die Inflationsrate<br />
auf zwei Prozent zurückzubringen – die<br />
Preisstabilität ist die Verantwortung der Federal<br />
Reserve und stützt die Grundfeste unserer<br />
Wirtschaft. Ohne Preisstabilität funktioniert<br />
unsere Wirtschaft für niemanden“, sagt Jerome<br />
Powell. Und stellt klar: „Um die Inflationsrate<br />
zu verringern, bedarf es für eine längere Zeit eines<br />
Wachstums, das unter dem langfristigen<br />
Trend liegt – das wird für Haushalte und Unternehmen<br />
Belastungen mit sich bringen.“ Trotzdem<br />
ist der Chef der amerikanischen Notenbank<br />
fest entschlossen, die Leitzinsen weiter<br />
nach oben zu schrauben.<br />
Reiner Zweckoptimismus. „Mit kräftigen<br />
Zinserhöhungen will die Federal Reserve die<br />
überbordende Nachfrage einbremsen, um damit<br />
der ausufernden Teuerung Herr zu werden<br />
– natürlich verbreitet die Fed dabei Zuversicht<br />
und redet trotz des sich bereits abzeichnenden<br />
konjunkturellen Gegenwinds einem Soft Landing<br />
das Wort. Wir sehen in dieser Haltung indes<br />
reinen Zweckoptimismus und halten seit<br />
geraumer Zeit eine Rezession für unausweichlich“,<br />
kommentiert Daniel Hartmann, Chefvolkswirt<br />
der Fondsgesellschaft Bantleon.<br />
„In der bisherigen US-Wirtschaftsgeschichte<br />
ist einmalig, dass die US-Notenbank in einer<br />
Phase schon weit fortgeschrittener Konjunkturentwicklung<br />
bei sich abzeichnender Re-<br />
<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> <strong>39</strong>/<strong>2022</strong><br />
Foto: Bloomberg 17
moneymarkets<br />
IN EINER ANDEREN WELT:<br />
Per Virtual Reality kann man<br />
ins Metaverse eintreten<br />
MEGATREND METAVERSE<br />
Next Level?<br />
Es wird immer realer: das Metaverse. Was es mit der virtuellen Welt auf sich hat, wie weit die<br />
Technologie inzwischen ist und welches wirtschaftliche Potenzial darin liegt<br />
von ALLEGRA ISERT<br />
Über alle Branchen, Plattformen und Zusammenhänge<br />
hinweg – überall kursiert aktuell das Buzzword:<br />
Metaverse. Wer es hört, denkt meist zuerst an den<br />
Facebook-Konzern. Mit der Umbenennung in Meta Platforms<br />
hat das Tech-Unternehmen die Relevanz der virtuellen<br />
Welt für den Konzern hervorgehoben. Seither planen immer<br />
mehr Firmen ihren Einstieg. Dabei können sich nur die<br />
wenigsten wirklich etwas darunter vorstellen.<br />
Seitdem Mark Zuckerberg das Wort in den Mund genommen<br />
hat, spricht jeder Spieleentwickler und Unternehmer<br />
darüber, als sei es der Heilige Gral. Und ja, die Verschmelzung<br />
von realer und digitaler Welt bietet faszinierende Möglichkeiten.<br />
Aber was genau ist das Metaverse? Im Gegensatz<br />
zu der weitverbreiteten Meinung, das Metaversum sei tat-<br />
sächlich von Meta erfunden worden, kursiert der Begriff bereits<br />
seit 1991. Neal Stephenson erwähnte ihn erstmals in<br />
seinem Science-Fiction-Roman „Snow Crash“. Doch rund 69<br />
Prozent der Deutschen können sich noch immer nicht vorstellen,<br />
was hinter dem Buzzword <strong>2022</strong> steht oder wie sie<br />
das Metaversum nutzen können. Lediglich jeder Vierte<br />
glaubt es zu begreifen. Das zeigt eine aktuelle Teamviewer-<br />
Studie.<br />
Neue Stufe sozialer Begegnungen. Kurz gesagt, beschreibt<br />
das Metaverse eine digitale Welt, die durch das Zusammenspiel<br />
von virtueller, erweiterter und physischer Realität<br />
entsteht. Es vereint alle drei Komponenten in einem<br />
dreidimensionalen digitalen Raum als Alternative zur echten<br />
Welt. Tech-Giganten beschreiben es als die nächste Evolution<br />
50 Foto: Pixabay<br />
<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> <strong>39</strong>/<strong>2022</strong>